Diese Geschichte wurde von Viet_Cong verfasst.
0305, Luftoperationsbasis St. Augatha, Lomit
Mit einem leichten Drehen des Handgelenks verteilte sich der Kaffeinsatz am Boden der Tasse. Die schwarzen Schlieren auf dem weißen Kunststoff wirkten auf Amanda wie der verspritzte Treibstoff auf den Segelmatten im Hangar. Ihre braunen Handschuhe spannten sich um die Knöchel, als sie die Kaffeetasse auf den Klapptisch stellte und beide Hände zu Fäusten ballte. Die Stimmung innerhalb der Lounge war gereizt, und das Getuschel wirkte mehr wie das Gebärden einer Klapperschlange denn wie eine gelassene Unterhaltung. Noch fünf, nein, vier Minuten bis zum Abflug. Kein Weg zurück. Keine Chance. Die alte Staffelführerin massierte sich die Stirn und Schläfen, rückte ihren Overall mit dem vergilbten Silbernamenschild, welches in Ätzdruck „Captain Second Class Amanda Hebhron“ sagte, zurecht und setzte ihre Kapitänsmütze auf. „Kommodore?“. Amanda öffnete die Augen, ihr Kopf war klar. Ihre Züge spannten sich. Sie blickte dem Sprecher ins Gesicht. Leutnant Gerkowski, ihr Co-Pilot und Navigator, hielt ihr das Klemmbrett entgegen. Seine geröteten, mit schwarzen Ringen untermalten Augen verrieten kein bisschen Angst. Amanda dankte in diesem Moment dem Gottvater zu Terra für diesen erfahrenen Mann. Enzo Gerkowski hatte sie seit elf Jahren begleitet und war mit ihr und der Navy durch die Hölle gegangen. Aber er war immer Profi geblieben, hatte sie nie enttäuscht und war sogar ihr Freund geworden. Er war mehr als ein Kamerad. Er war ihr Waffenbruder und ihr Vertrauter. „Scheint ne ziemliche Sache zu sein, sie ziehen alle Delta- und Echolon-Staffeln für den Angriff zusammen." Amanda stutzte. Alle? Das konnte nur Flächenbombardement bedeuten. Ihr Blick wanderte von Gerkowskis mitleidigem Ausdruck auf das Klemmbrett. Staffeln fliegen V-Formation, drei Wellen, Ziele bei Alpha-4, Beta-3 Tango-9 und Omikron-14. Sie überflog die Rasterkarte. Gegnerische Verteidigungssysteme, außerdem noch Panzerverbände. Beim Anblick der vielen „F“ auf der Karte wurde sie stutzig. „Enzo, sag mal, wollen die uns verarschen? Da ist mehr Flugabwehr als auf einer Hydra-Produktionswelt.“ „Hab ich mir auch gedacht, Kommodore, aber lesen Sie mal weiter.“ Amandas Blick wanderte auf eine Notiz am unteren Rand. „Flugabwehr wird durch Kommandosoldaten ausgeschaltet.“ Sie musste schmunzeln. „Die Army soll das machen? Da fühl ich mich ja gleich viel sicherer.“ Gerkowski grinste schief. „Hab ich mir auch so ähnlich gedacht. Scheint ja ne tolle Truppe zu sein, wenn die fünftausend Meilen hinter den eigenen Linien noch die Flag ausschalten kann.“ „ Dein Wort im Ohr des Imperators, Enzo, ansonsten sind wir ein Sieb am Himmel.“
Die Unterhaltung wurde durch das Schrillen der Sirenen unterbrochen. Die Piloten standen auf, manche hektisch und mit schnellen Schritten, manche betont langsam.
Die Marauder-Bomber standen aufgereiht im Hangar. Die meisten der Stahlungetüme trugen mehr Narben früherer Einsätze als Schweißlinien auf dem gesamten metallenen Körper. Einige trugen verschnörkelte Namen, andere mehr oder weniger eindeutige Zeichnungen am Bug. Amanda und Gerkowski steuerten direkt auf ihren Flieger, die „Intoleranz“ zu. Am Boden, nahe den Hydraulikblöcken, stand der Rest der Crew. Lauren, die Bugschützin, der leicht stämmige Cromwell, ein verlässlicher Kuppelschütze und Sentenza, ihre Heckschützin, die nervös ihren Rosenkranz durchbetete. „Rühren, Trupp!“, rief ihnen Gerkowski mit seiner rauen Stimme entgegen. „Alles aufsitzen, Familie.“ Lauren und Sentenza liefen zu den jeweiligen Enden der Maschine und öffneten die Luken. Cromwell hievte seinen Körper auf den Marauder, um in seine Position zu gelangen. Auch Amanda und Gerkowski stiegen in das Cockpit ein, Rücken an Rücken nahmen sie Platz. „Systeme online und startklar.“ Amanda schob die Atemmaske vor das Gesicht und hängte sich die Kopfhörer um. „Alles herhören, Crew, hier ist die Kommodore. Wir heben ab für ein Flächenbombardement, starke gegnerische Bodentruppen. Wir rechnen mit wenig Widerstand, bleibt aber trotzdem wachsam, capisce?“ „Roger, Sir!“, hörte sie aus drei durch die Mikrophone metallisch verzerrten Stimmen.
0451, Tango-9 Ziel, Lomit
Mukan schmeckte Blut auf seinen Lippen. Er krümmte sich in Fötushaltung zusammen. Seine Hände verkrampften sich über dem Einschussloch in seinem Bauch. Die entsetzlichen Schmerzen wichen langsam einer Übelkeit, gepaart mit Kälte. Ja, Kälte, Mukan begann zu zittern. Ein Wimmern verließ seine Kehle. Der Tarnanzug war völlig mit Blut durchtrieft und seine Stirn schweißnass. Ein Schatten trat über den sterbenden Kommandosoldaten. Mukan schloss vor Angst die Augen und begann wie ein Kind zu schluchzen. „Der hier lebt noch. Ein Gewehr. Sofort.“ Die fauchende, bösartige Stimme endete mit einem krächzenden Husten. Für Mukan Esemir, 43. Chorodi Rangers war das Ende gekommen. Die Folgen seines Versagens würden andere bezahlen.
0530, zweihundert Meilen vor Alpha-4 Ziel, Lomit
Amanda atmete tief ein. Unter der Atemmaske wurde das Geräusch zu einem Saugen verstärkt. Adrenalin kroch in ihren Körper, verteilte sich in den Gliedmaßen und ließ sie zittern. Nach so vielen Jahren war sie immer noch nicht Herrin ihrer Sinne. „Wir nähern uns dem ersten Ziel,“ gab Gerkowski per Com durch. „Roger, Intoleranz, hier Potemkin, haben verstanden.“ „Hier Schwerter der Rache, habe verstanden.“
Die drei Marauder ließen sich leicht zur Seite fallen und durchschnitten wie Messer die Wolkendecke. Die Intoleranz ließ ein mächtiges Dröhnen von sich hören, als die vier Braunstahl-Triebwerke mit aller Kraft auf 1100 Kilometer in der Stunde beschleunigten. Unter den drei Maschinen ihrer Staffel tat sich die weiten Ödnis Lomits auf. Die Artillerie der Loyalisten und der Verräter hatten die weiten Steppen zu einer radioaktiven Kraterlandschaft gemacht. Und selbst aus der unglaublichen Höhe konnte man noch kleine Feuerbälle am Boden ausmachen. Amanda blickte auf. Neben ihrer Staffel waren weitere Marauder aufgetaucht. Ein ganzes Heer aus schweren, klobigen Maschinen donnerte jetzt durch die Luft, im leichten Sturzflug Richtung Ziel.
„Erstes Paket bereitmachen, Enzo,“ gab Amanda an ihren Navigator durch. Dieser stand auf, tippte zur Bestätigung auf ihre Schulter und öffnete die Sicherungsboxen.
Die Bomber waren jetzt ungefähr auf Angriffshöhe. Die schweren Flieger verdunkelten den Himmel und ihr monotones, trommelfellzerreißendes Maschinendröhnen erfüllte die Atmosphäre. Amanda Hebhron glaubte noch ein Blitzen am Boden zu sehen, dann brach die Hölle los.
0542, Alpha-4 Ziel, Lomit
Die schweren Maschinenkanonen der Hydra richteten sich auf den Himmel aus. Mit einem quietschenden Geräusch verankerte die Hydraulik den Turm. Die Zielerfassung summte und piepste bei der wachsenden Anzahl an Zielen. Die krächzende Stimme gab nur ein Wort von sich: „Feuer“.
0543, Alpha-4 Ziel, Lomit
Amanda wurde durchgeschüttelt bis zu den Knochen, als die Maschine einer Staffel neben ihnen in einer Explosion verschwand. Gerkowski flog durch das halbe Cockpit und grunzte schmerzerfüllt, als er gegen eine Wand krachte. Flak-Geschosse schlugen überall in die Marauder ein, und jeder Treffer ließ den Bomber erzittern. Das Vox war voller panischer Stimmen. „Verdammte Scheiße! Wo kommt das denn her?“, brüllte Gerkowski zu Amanda. Der Sturz hatte sein Mikrophon verrissen, und er fingerte sich am Helm herum, um es wieder zu fixieren. „Verdammt noch mal, keine Ahnung, muss Flak sein!“, rief Amanda über das Donnern zurück. „Ach, tatsächlich? Hätt ich nie gedacht Kommodore!“
„Bombenlast jetzt abwerfen!“ „Aber wir sind nicht über dem Ziel!“ „Scheiß drauf, wir sind sonst alle tot!“
Gerkowski betätigte den Schalter. Nichts passierte. „Scheiße, Scheiße, Scheiße!!“, brüllte er und drückte den Schalter immer wieder. „Was?!“, schrie Amanda ihn an. “Hier tut sich überhaupt nichts”.
„Hier Schwerter der Rache, verdammt, wir schmieren ab, helft uns!!“
Die Schreie der Panik hatten nur noch wenig Menschliches an sich. Amanda sah, wie der Bomber mit brennender Tragfläche abstürzte.
Immer mehr Marauder gingen im Stahlgewitter in Flammen auf oder explodierten gleich.
„Beim Imperator, verdammt, Enzo, funk durch: Wir gehen runter, ich wiederhole: alle gehen zum Sturzflug runter!“ „Bist du wahnsinnig? Die machen uns zum Sieb!“
„Wenigstens sind wir dann keine Tontauben! Jetzt tu, was ich dir sage und danach versuch die Bomben klar zu machen, capisce?“
Gerkowski murmelte etwas Unmissverständliches, während Amanda sich an den wild schreienden Rest der Crew wandte. „Alle herhören. Cromwell, geh aus deiner Kuppel und helf Enzo mit der Ladung. Lauren, Sentenza, ich will, dass ihr aus allen Rohren feuert. Bodenziele, verstanden? Wir gehen runter.“
„Runter? Wir gehen drauf!!“, schrie Sentenza panisch in das Com.
„Schnauze! Wir gehen drauf, wenn ich das sage! Bereitmachen, oder es knallt!“
Amanda wischte sich den Schweiß von der Stirn. Wenn das hier ein Ende nehmen sollte, dann ein Richtiges, so wie in den Propaganda-Vids.
„Hier Potemkin, wir brennen am rechten Triebwerk, bitten um Absprungerlaubnis, over.“
„Negativ, Potemkin, ich wiederhole, negativ.“
„Bitte, wir verrecken hier noch alle!“
„Negativ habe ich gesagt, Craft, oder muss ich deutlicher werden?! Wenn ihr ausschert oder springt, lasse ich Cromwell auf euch feuern, ihr Verräter! Wir ziehen das jetzt zusammen durch, capisce?!“
„Beim Imperator, du wirst uns alle den Kopf kosten!“, wimmerte Craft, der Kapitän der Potemkin in das Com.
Vielleicht, dachte Amanda, vielleicht.
0553, Tango-9 Ziel, Lomit
Die Intoleranz war wie ein waidwundes Tier, welches immer noch knurrte. Ihre Motoren spuckten Feuer und Rauch, ihr Rumpf war löchrig wie die Flügel, aber sie gab nicht auf. Amanda holte das Letzte aus ihrer Maschine.
„Komm schon, lass mich nicht im Stich Kleine, flieg brav weiter, wir haben es fast geschafft.“
„Kommodore, die Bomben gehen nicht los. Der Tank ist leck, wir schaffen das so nicht mehr nach Hause.“
Amanda fluchte. Es gab keine Lösung. Nur ein Ende.
„Hier Potemkin, wir haben einen Rumpfbrand. Bitten erneut um...“
Die Potemkin explodierte mittig in einem Feuerball und senkte sich danach heulend in den Fall.
„Gnädiger Imperator, verzeih mir, hier und im Angesicht meines Todes, meine Sünden...“
Amanda betete innbrünstig. Ihre Handschuhe spannten sich um die Knöchel, als sie den Marauder-Bomber senkte. Sie versuchte sich auf etwas Schönes zu konzentrieren, als sie auf den feindlichen Bunkerkomplex zusteuerte. Gerkowskis panische Rufe wurden leiser. Ihre Gedanken schwebten zu Maja, ihrem alabasterfarbenen Körper. Ihren roten Lippen. Ihrem leisen, freundlichen Lachen. Amanda fühlte sich warm ums Herz. Ihre Freude wurde zur Ekstase, als sich der Bomber mit 1456 km/h in das Herz der gegnerischen Verteidigung stürzte und in einem Feuerball verging die Intoleranz mitsamt ihrer Bombenlast an Uranium-Triclops-Bomben.
0305, Luftoperationsbasis St. Augatha, Lomit
Mit einem leichten Drehen des Handgelenks verteilte sich der Kaffeinsatz am Boden der Tasse. Die schwarzen Schlieren auf dem weißen Kunststoff wirkten auf Amanda wie der verspritzte Treibstoff auf den Segelmatten im Hangar. Ihre braunen Handschuhe spannten sich um die Knöchel, als sie die Kaffeetasse auf den Klapptisch stellte und beide Hände zu Fäusten ballte. Die Stimmung innerhalb der Lounge war gereizt, und das Getuschel wirkte mehr wie das Gebärden einer Klapperschlange denn wie eine gelassene Unterhaltung. Noch fünf, nein, vier Minuten bis zum Abflug. Kein Weg zurück. Keine Chance. Die alte Staffelführerin massierte sich die Stirn und Schläfen, rückte ihren Overall mit dem vergilbten Silbernamenschild, welches in Ätzdruck „Captain Second Class Amanda Hebhron“ sagte, zurecht und setzte ihre Kapitänsmütze auf. „Kommodore?“. Amanda öffnete die Augen, ihr Kopf war klar. Ihre Züge spannten sich. Sie blickte dem Sprecher ins Gesicht. Leutnant Gerkowski, ihr Co-Pilot und Navigator, hielt ihr das Klemmbrett entgegen. Seine geröteten, mit schwarzen Ringen untermalten Augen verrieten kein bisschen Angst. Amanda dankte in diesem Moment dem Gottvater zu Terra für diesen erfahrenen Mann. Enzo Gerkowski hatte sie seit elf Jahren begleitet und war mit ihr und der Navy durch die Hölle gegangen. Aber er war immer Profi geblieben, hatte sie nie enttäuscht und war sogar ihr Freund geworden. Er war mehr als ein Kamerad. Er war ihr Waffenbruder und ihr Vertrauter. „Scheint ne ziemliche Sache zu sein, sie ziehen alle Delta- und Echolon-Staffeln für den Angriff zusammen." Amanda stutzte. Alle? Das konnte nur Flächenbombardement bedeuten. Ihr Blick wanderte von Gerkowskis mitleidigem Ausdruck auf das Klemmbrett. Staffeln fliegen V-Formation, drei Wellen, Ziele bei Alpha-4, Beta-3 Tango-9 und Omikron-14. Sie überflog die Rasterkarte. Gegnerische Verteidigungssysteme, außerdem noch Panzerverbände. Beim Anblick der vielen „F“ auf der Karte wurde sie stutzig. „Enzo, sag mal, wollen die uns verarschen? Da ist mehr Flugabwehr als auf einer Hydra-Produktionswelt.“ „Hab ich mir auch gedacht, Kommodore, aber lesen Sie mal weiter.“ Amandas Blick wanderte auf eine Notiz am unteren Rand. „Flugabwehr wird durch Kommandosoldaten ausgeschaltet.“ Sie musste schmunzeln. „Die Army soll das machen? Da fühl ich mich ja gleich viel sicherer.“ Gerkowski grinste schief. „Hab ich mir auch so ähnlich gedacht. Scheint ja ne tolle Truppe zu sein, wenn die fünftausend Meilen hinter den eigenen Linien noch die Flag ausschalten kann.“ „ Dein Wort im Ohr des Imperators, Enzo, ansonsten sind wir ein Sieb am Himmel.“
Die Unterhaltung wurde durch das Schrillen der Sirenen unterbrochen. Die Piloten standen auf, manche hektisch und mit schnellen Schritten, manche betont langsam.
Die Marauder-Bomber standen aufgereiht im Hangar. Die meisten der Stahlungetüme trugen mehr Narben früherer Einsätze als Schweißlinien auf dem gesamten metallenen Körper. Einige trugen verschnörkelte Namen, andere mehr oder weniger eindeutige Zeichnungen am Bug. Amanda und Gerkowski steuerten direkt auf ihren Flieger, die „Intoleranz“ zu. Am Boden, nahe den Hydraulikblöcken, stand der Rest der Crew. Lauren, die Bugschützin, der leicht stämmige Cromwell, ein verlässlicher Kuppelschütze und Sentenza, ihre Heckschützin, die nervös ihren Rosenkranz durchbetete. „Rühren, Trupp!“, rief ihnen Gerkowski mit seiner rauen Stimme entgegen. „Alles aufsitzen, Familie.“ Lauren und Sentenza liefen zu den jeweiligen Enden der Maschine und öffneten die Luken. Cromwell hievte seinen Körper auf den Marauder, um in seine Position zu gelangen. Auch Amanda und Gerkowski stiegen in das Cockpit ein, Rücken an Rücken nahmen sie Platz. „Systeme online und startklar.“ Amanda schob die Atemmaske vor das Gesicht und hängte sich die Kopfhörer um. „Alles herhören, Crew, hier ist die Kommodore. Wir heben ab für ein Flächenbombardement, starke gegnerische Bodentruppen. Wir rechnen mit wenig Widerstand, bleibt aber trotzdem wachsam, capisce?“ „Roger, Sir!“, hörte sie aus drei durch die Mikrophone metallisch verzerrten Stimmen.
0451, Tango-9 Ziel, Lomit
Mukan schmeckte Blut auf seinen Lippen. Er krümmte sich in Fötushaltung zusammen. Seine Hände verkrampften sich über dem Einschussloch in seinem Bauch. Die entsetzlichen Schmerzen wichen langsam einer Übelkeit, gepaart mit Kälte. Ja, Kälte, Mukan begann zu zittern. Ein Wimmern verließ seine Kehle. Der Tarnanzug war völlig mit Blut durchtrieft und seine Stirn schweißnass. Ein Schatten trat über den sterbenden Kommandosoldaten. Mukan schloss vor Angst die Augen und begann wie ein Kind zu schluchzen. „Der hier lebt noch. Ein Gewehr. Sofort.“ Die fauchende, bösartige Stimme endete mit einem krächzenden Husten. Für Mukan Esemir, 43. Chorodi Rangers war das Ende gekommen. Die Folgen seines Versagens würden andere bezahlen.
0530, zweihundert Meilen vor Alpha-4 Ziel, Lomit
Amanda atmete tief ein. Unter der Atemmaske wurde das Geräusch zu einem Saugen verstärkt. Adrenalin kroch in ihren Körper, verteilte sich in den Gliedmaßen und ließ sie zittern. Nach so vielen Jahren war sie immer noch nicht Herrin ihrer Sinne. „Wir nähern uns dem ersten Ziel,“ gab Gerkowski per Com durch. „Roger, Intoleranz, hier Potemkin, haben verstanden.“ „Hier Schwerter der Rache, habe verstanden.“
Die drei Marauder ließen sich leicht zur Seite fallen und durchschnitten wie Messer die Wolkendecke. Die Intoleranz ließ ein mächtiges Dröhnen von sich hören, als die vier Braunstahl-Triebwerke mit aller Kraft auf 1100 Kilometer in der Stunde beschleunigten. Unter den drei Maschinen ihrer Staffel tat sich die weiten Ödnis Lomits auf. Die Artillerie der Loyalisten und der Verräter hatten die weiten Steppen zu einer radioaktiven Kraterlandschaft gemacht. Und selbst aus der unglaublichen Höhe konnte man noch kleine Feuerbälle am Boden ausmachen. Amanda blickte auf. Neben ihrer Staffel waren weitere Marauder aufgetaucht. Ein ganzes Heer aus schweren, klobigen Maschinen donnerte jetzt durch die Luft, im leichten Sturzflug Richtung Ziel.
„Erstes Paket bereitmachen, Enzo,“ gab Amanda an ihren Navigator durch. Dieser stand auf, tippte zur Bestätigung auf ihre Schulter und öffnete die Sicherungsboxen.
Die Bomber waren jetzt ungefähr auf Angriffshöhe. Die schweren Flieger verdunkelten den Himmel und ihr monotones, trommelfellzerreißendes Maschinendröhnen erfüllte die Atmosphäre. Amanda Hebhron glaubte noch ein Blitzen am Boden zu sehen, dann brach die Hölle los.
0542, Alpha-4 Ziel, Lomit
Die schweren Maschinenkanonen der Hydra richteten sich auf den Himmel aus. Mit einem quietschenden Geräusch verankerte die Hydraulik den Turm. Die Zielerfassung summte und piepste bei der wachsenden Anzahl an Zielen. Die krächzende Stimme gab nur ein Wort von sich: „Feuer“.
0543, Alpha-4 Ziel, Lomit
Amanda wurde durchgeschüttelt bis zu den Knochen, als die Maschine einer Staffel neben ihnen in einer Explosion verschwand. Gerkowski flog durch das halbe Cockpit und grunzte schmerzerfüllt, als er gegen eine Wand krachte. Flak-Geschosse schlugen überall in die Marauder ein, und jeder Treffer ließ den Bomber erzittern. Das Vox war voller panischer Stimmen. „Verdammte Scheiße! Wo kommt das denn her?“, brüllte Gerkowski zu Amanda. Der Sturz hatte sein Mikrophon verrissen, und er fingerte sich am Helm herum, um es wieder zu fixieren. „Verdammt noch mal, keine Ahnung, muss Flak sein!“, rief Amanda über das Donnern zurück. „Ach, tatsächlich? Hätt ich nie gedacht Kommodore!“
„Bombenlast jetzt abwerfen!“ „Aber wir sind nicht über dem Ziel!“ „Scheiß drauf, wir sind sonst alle tot!“
Gerkowski betätigte den Schalter. Nichts passierte. „Scheiße, Scheiße, Scheiße!!“, brüllte er und drückte den Schalter immer wieder. „Was?!“, schrie Amanda ihn an. “Hier tut sich überhaupt nichts”.
„Hier Schwerter der Rache, verdammt, wir schmieren ab, helft uns!!“
Die Schreie der Panik hatten nur noch wenig Menschliches an sich. Amanda sah, wie der Bomber mit brennender Tragfläche abstürzte.
Immer mehr Marauder gingen im Stahlgewitter in Flammen auf oder explodierten gleich.
„Beim Imperator, verdammt, Enzo, funk durch: Wir gehen runter, ich wiederhole: alle gehen zum Sturzflug runter!“ „Bist du wahnsinnig? Die machen uns zum Sieb!“
„Wenigstens sind wir dann keine Tontauben! Jetzt tu, was ich dir sage und danach versuch die Bomben klar zu machen, capisce?“
Gerkowski murmelte etwas Unmissverständliches, während Amanda sich an den wild schreienden Rest der Crew wandte. „Alle herhören. Cromwell, geh aus deiner Kuppel und helf Enzo mit der Ladung. Lauren, Sentenza, ich will, dass ihr aus allen Rohren feuert. Bodenziele, verstanden? Wir gehen runter.“
„Runter? Wir gehen drauf!!“, schrie Sentenza panisch in das Com.
„Schnauze! Wir gehen drauf, wenn ich das sage! Bereitmachen, oder es knallt!“
Amanda wischte sich den Schweiß von der Stirn. Wenn das hier ein Ende nehmen sollte, dann ein Richtiges, so wie in den Propaganda-Vids.
„Hier Potemkin, wir brennen am rechten Triebwerk, bitten um Absprungerlaubnis, over.“
„Negativ, Potemkin, ich wiederhole, negativ.“
„Bitte, wir verrecken hier noch alle!“
„Negativ habe ich gesagt, Craft, oder muss ich deutlicher werden?! Wenn ihr ausschert oder springt, lasse ich Cromwell auf euch feuern, ihr Verräter! Wir ziehen das jetzt zusammen durch, capisce?!“
„Beim Imperator, du wirst uns alle den Kopf kosten!“, wimmerte Craft, der Kapitän der Potemkin in das Com.
Vielleicht, dachte Amanda, vielleicht.
0553, Tango-9 Ziel, Lomit
Die Intoleranz war wie ein waidwundes Tier, welches immer noch knurrte. Ihre Motoren spuckten Feuer und Rauch, ihr Rumpf war löchrig wie die Flügel, aber sie gab nicht auf. Amanda holte das Letzte aus ihrer Maschine.
„Komm schon, lass mich nicht im Stich Kleine, flieg brav weiter, wir haben es fast geschafft.“
„Kommodore, die Bomben gehen nicht los. Der Tank ist leck, wir schaffen das so nicht mehr nach Hause.“
Amanda fluchte. Es gab keine Lösung. Nur ein Ende.
„Hier Potemkin, wir haben einen Rumpfbrand. Bitten erneut um...“
Die Potemkin explodierte mittig in einem Feuerball und senkte sich danach heulend in den Fall.
„Gnädiger Imperator, verzeih mir, hier und im Angesicht meines Todes, meine Sünden...“
Amanda betete innbrünstig. Ihre Handschuhe spannten sich um die Knöchel, als sie den Marauder-Bomber senkte. Sie versuchte sich auf etwas Schönes zu konzentrieren, als sie auf den feindlichen Bunkerkomplex zusteuerte. Gerkowskis panische Rufe wurden leiser. Ihre Gedanken schwebten zu Maja, ihrem alabasterfarbenen Körper. Ihren roten Lippen. Ihrem leisen, freundlichen Lachen. Amanda fühlte sich warm ums Herz. Ihre Freude wurde zur Ekstase, als sich der Bomber mit 1456 km/h in das Herz der gegnerischen Verteidigung stürzte und in einem Feuerball verging die Intoleranz mitsamt ihrer Bombenlast an Uranium-Triclops-Bomben.
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