Gormak der Orkschamane fluchte. Würde diese Pechsträhne denn niemals enden? Sie waren nur noch einen Tagesmarsch von ihrer Heimat entfernt und diese zwei Zwerge versperrten ausgerechnet die einzige Furt weit und breit. Wäre er nicht in einer so desolaten Verfassung, würde er sie einfach hinwegfegen, geschwächt und ausgelaugt, wie er nun war, musste es halt die gute alte Gewalt regeln. „Wo hast du Winzlinge gesehen“?, fragte Kringor und beäugte misstrauisch den umliegenden Wald, um verborgene Gegner zu entdecken. Noch immer hatte der Ork sich nicht an die Fähigkeiten des Schamanen gewöhnt, zu denen unter anderem gehörte, seinen Geist von seinem Körper zu trennen und so sein Auge über die nähere Umgebung schweifen zu lassen. „Sie lagern unten am Fluss und versperren uns die Furt“, lautete die Antwort des Schamanen. Bereits während der letzten Worte von Gormak leuchteten die Augen des von der Niederlage und der schmählichen Flucht gekränkten Waaghbosses auf, er ergriff sein Schwert und sprang auf. Mit einem gewaltigen Schrei stürmte Kringor durch das Dickicht und war verschwunden, bevor die anderen Orks die Situation auch nur ansatzweise begriffen hatten. „Zeit für einen Kampf“, flüsterte der sichtlich genervte Schamane bedrohlich. Seine Aussage ließ die restlichen Orks zusammenzucken, sie griffen nach ihren Waffen und sprangen hinter ihrem Boss her. „Hirnrissige Bestien, keinen Funken Verstand“. Gormak seufzte tief und schlurfte den Orks hinterher durch die Bresche, die sie durch ihr Vordringen geschaffen hatten.
…
Der Schamane hatte Recht behalten, dort an der Furt standen die Winzlinge! „Nur zwei an der Zahl“, dachte Kringor und erhöhte sein Tempo um die Feinde auf jeden Fall als erstes zu erreichen. Dieser Triumpf würde ihm ganz alleine gehören und die Schmach, die der ehemaligen Waaghbosses und nun nur noch Herrscher über sieben Orks erlitten hatte, zumindest teilweise wieder wettmachen. Schulter an Schulter standen die Zwerge und erwarteten den Angriff der Orks. Kordal übernahm den rechten Platz in der sehr kurzen Verteidigungslinie der Zwerge. Als älterer und erfahrenerer Krieger war er so in der Lage, mit seinem Schild die Waffenseite von Grom im Notfall mit zu schützen. Dass die Linie nicht halten konnte, war beiden Zwergen bewusst, früher oder später würden sie Rücken an Rücken kämpfen und sich so gegenseitig decken müssen. Allerdings war der erste Ansturm das Gefährlichste bei einer Orkattacke, weshalb es zunächst einmal darum ging, diesen unbeschadet zu überstehen. Nach dem riesigen Ork war noch eine Gruppe kleinerer Exemplare dieser verabscheuungswürdigen Gattung aus dem Wäldchen aufgetaucht und gerade trat ein scheinbar uralter Ork, gestützt auf einen knorrigen Eibenstab aus dem Wald. „Auch noch Magier?“, fragte sich Grom, doch für weitere Überlegungen war keine Zeit, denn der riesige Ork war heran.
…
„Zu schnell, viel zu schnell“, fuhr es Gormak durch den Kopf. „Warum nur war ein solch großartiger Krieger wie Kringor nur mit dem Hirn eines Spatzen ausgestattet!“ Kringor würde die Zwerge mit einem Vorsprung von mehr als 100 Schritten erreichen und statt die Gegner aus einer Überzahl heraus zu überwältigen, würde er sich zunächst einmal in Unterzahl befinden, bevor die anderen Orks in das Kampfgeschehen eingreifen konnten. Die disziplinierten und gut geschulten Zwerge waren durchaus eine Gefahr für Kringor, kurz bevor er sie erreichen würde, würden sie auseinanderweichen und den ehemaligen Waaghboss so in die Zange nehmen können. Von beiden Seiten attackierend waren sie in der Lage, dem Ork schwere Wunden zufügen, da dieser nicht alle ihre Attacken abwehren konnte. Gormak bedauerte Kringor für seine geistige Primitivität, er hätte es vielleicht weit bringen können. Plötzlich entfuhr dem Schamanen ein anerkennender Pfiff, vielleicht konnte die Primitivität Kringors am heutigen Tage durch seine, selbst für Orks, enorme Brutalität und Wildheit ausgeglichen werden.
…
Ein stechender Schmerz flammte in Kordals linker Schulter auf, ein harter Aufprall presste alle Luft aus seinen Lungen und er ging zu Boden. „Was war passiert?“ In dem Moment, in dem Grom und er auseinanderweichen wollten, hatte die tiefstehende Sonne die beiden Krieger kurzzeitig geblendet und der Ork musste mit dem Schwert voran in sie hinein gesprungen sein. Schnell rappelte sich Kordal auf, durch seinen Sprung war auch der Ork aus dem Gleichgewicht geraten, sodass er keinen unmittelbaren Nutzen aus der Situation ziehen konnte. Aber auch so standen die Sterne nicht gerade günstig für den älteren der beiden Zwerge, seine Verletzung an der Schulter sorgte dafür, dass er seinen Schildarm nicht mehr benutzen konnte und dieser nur nutzlos herumhing. Bevor sich Kordal wirklich orientieren konnte, war der Ork, schon wieder über ihm. Mit brutalen Schlägen trieb er Kordal vor sich her und drängte ihn immer weiter zurück.
…
„Hah“, schrie Kringor aus voller Kehle, es gab Messerarbeit zu erledigen. Immer wieder fuhr sein Schwert auf den Zwergenkrieger hinab. Eher auf die linke Seite des Zwerges, da diese nach der Verletzung schwerer zu verteidigen war. Doch irgendwie schaffte es der Zwerg immer wieder, seinen Hammer zwischen das Orkschwert und sein Ziel zu bringen und den Schlag zu parieren. Der ehemalige Waaghboss war überrascht, wie gut sich der Zwerg trotz seiner Verletzung hielt. Trotzig und siegessicher bleckte Kringor die Zähne, denn der Zwerg kam überhaupt nicht dazu, eigene Attacken zu starten. Stattdessen wurde er von dem Ork beständig zurückgedrängt und ewig würde er die Attacken nicht abwehren können. Dann war es soweit! Zunächst sah es so aus, als ob der Ork eine weitere Attacke auf die Schildseite des Zwerges führte, doch mitten im Hieb drehte Kringor die Attacke und zielte nun auf dessen Hals. Kringor genoss die Veränderung im Blick seines Gegners, als dieser realisierte, dass er diesen Schlag nicht würde parieren können. Ein plötzlicher Schmerz ließ ihn herumzucken und seine Attacke verfehlte ihr Ziel. „Verdammt der andere Zw…“, weiter kam Kringor nicht mehr, denn Kordal nutzte die sich bietende Möglichkeit. Er schlug zu und der Hammerkopf schlug mit brachialer Gewalt gegen den Schädel des Waaghbosses und beendete dessen Existenz augenblicklich.
…
Gormak fluchte! Durch den Sprung hatte Kringor es geschafft, die beiden Zwergenkrieger zu trennen und zusätzlich sogar dem größeren der beiden eine schwere Wunde zugefügt. Danach hatte es der Zwerg aber irgendwie geschafft, alle Attacken des Waaghbosses zu parieren. Als Kringor schließlich die Deckung des Zwerges durchbrach, verfehlte der tödliche Hieb aber sein Ziel, da der zweite Zwerg in den Kampf eingriff. Die Folgen dieses Eingreifens waren verheerend, der ehemalige Waaghboss Kringor lag tot am Boden und der Vormarsch der restlichen Orks kam ins Stocken. Um die Situation nicht vollends entgleiten zu lassen, sandte Gormak einen telepathischen Befehl an einen der übriggebliebenen Orks. Der Befehl erreichte Guznak, den größten der übriggebliebenen Orks. Allerdings war er von sehr schmaler Statur und bei seinen Kollegen eher als feiger und schlechter Kämpfer, denn als ein Vorbild angesehen. Gormak ließ Guznak mit einem Kampfschrei auf den Lippen vorwärtsstürmen. Der gewünschte Effekt trat ein, keiner der übrigen Orks wollte hinter Guznak zurückbleiben. Der Vormarsch der Orks auf die beiden Zwerge setzte wieder ein und ging auch dann weiter, als Guznak schon lange verwirrt stehengeblieben war und sich über diesen plötzlichen Ausbruch von Tapferkeit über sich selbst wunderte. Die kurze Verzögerung im Vormarsch der Orks hatten die Zwerge gut genutzt. Sie positionierten sich Rücken an Rücken und deckten sich gegenseitig. „Sechs Orks gegen zwei Zwerge, davon einer schon stark verletzt, sollten wohl reichen“, lächelte Gormak in sich hinein.
…
Grom und Kordal hatten keine Zeit, ihren Sieg über den riesigen Ork zu feiern. Die Verletzung von Kordal sah übel aus, doch Grom wusste, dass diese ihn nicht sehr behindern würde. Den Schild hatten sie entfernt und Kordal hatte schon immer eine Kampfweise bevorzugt, bei der sein Schild nur selten zum Einsatz kam. Mit einem schnellen Ausfallschritt nach vorne schob sich Kordal in Reichweite zu einem Ork und ließ den Hammer herabsausen. Sein Hieb schmetterte das zur Abwehr erhobene Schwert zur Seite und traf hart den Brustkorp der grünhäutigen Kreatur. Ein Knacken durchzog die allgegenwärtige Stille. Wie vom Blitz getroffen brach der Ork zusammen. Sofort sprang Kordal zurück, um wieder die Rückendeckung von Grom zu erlangen. Dieser wehrte währenddessen eine Attacke eines Orks mit dem Schild ab, der auf die rechte Seite von Kordal gezielt hatte. Seine Hippe fuhr in den Arm der Kreatur, riss ihn auf und ließ sie mit einem Aufschrei nach hinten springen. Statt ihr nachzusetzen handelte Grom so, wie jahrelang eintrainiert. Er nahm seinen Posten ein, denn ohne Rückendeckung wäre dieser Kampf bei einer solchen Übermacht aussichtlos. Die verbliebenen Orks warfen sich auf ein Kommando von allen Seiten auf die Zwerge. Ein kurzes, heftiges Handgemenge entbrannte, bevor sich die Orks wieder vor den tödlichen Waffen der beiden Zwerge zurückzogen. Ein weiterer Ork hatte sein Leben gelassen, doch auch die Zwerge waren mit einem zersplitterten Schild und einer tiefen Armwunde bei Grom und einer Schnittwunde am Bein bei Kordal nicht ohne Schaden geblieben. Grom schleuderte den unteren Rest seines Schildes einem Ork unter den Kiefer und griff einen weiteren an. Die Hippe zweihändig packend wischte er die Deckung des Orks beiseite und riss ihm mit dem Dorn die Kehle auf. Dieser griff nach der Wunde und versuchte vergeblich, die Blutung zu unterdrücken. Nach der Attacke sprang Grom zurück zu seinem Waffenbruder und Ziehvater Kordal. Die beiden Zwerge drehten sich gemeinsam im Kreis und Grom wollte gerade erneut attackieren, als es in seinem Rücken plötzlich anfing zu knistern. Die darauffolgende Hitze ließ Grom herumfahren. Vor seinem entsetzt aufgerissenen Augen brach Kordal ohne einen Laut zusammen. Grüne Flammen umzüngelten seinen Ziehvater.
…
„Tiron da zagha“. Gormaks Energiereserven waren so niedrig, dass er eigentlich gar nicht hatte Zaubern wollen, doch der Verlauf des Scharmützels machte ein Eingreifen des Schamanen notwendig. Er beendete seinen Zauberspruch und beobachtete zerknirscht, wie der größere der beiden Zwerge zusammenbrach. Der Zauberspruch hatte dem kleineren, weniger stark angeschlagenen, Zwerg gegolten. Doch die beiden Zwerge hatten sich, immer ihre Gegner im Auge behaltend, beständig im Kreis gedreht und der größere Zwerg hatte sich so in die Geschossbahn seines Zaubers bewegt. Rückgängig zu machen war es nun eh nicht mehr und mit Vergnügen betrachtete der Schamane den Blick des kleineren Zwergs, der den Anblick des zusammenbrechenden, von Flammen umtosten Kameraden wohl bis an sein Lebensende ins Gedächtnis gebrannt bekommen hatte. „Das wird aber nicht lange auf sich warten lassen“, lachte Gormak, denn die drei Orkkrieger gewannen aufgrund des toten Zwergs ihren Mut zurück und begannen erneut, den Zwerg zu attackieren. Vor ihren Augen vollzog sich jedoch eine Veränderung des übrig gebliebenen Gegners. Dieser schüttelte seine Ohnmacht ab, Groms Augen verfinsterten sich und mit einem berserkerartigen Schrei sprang er über die verkohlten Reste von Kordal.
…
Als Kordal vor ihm zusammenbrach, herrschte für einen Moment absolute Leere in Grom. Innerhalb von Sekunden füllte sich diese Leere mit einer unbeschreiblichen Wut. Sie kam aus seinem Inneren und er hatte eine so starke Gefühlsregung noch nie zuvor in seinem Leben gespürt. Seine Augen verengten sich und taxierten nur noch den Orkhexer! Den Blick auf den Mörder seines Ziehvaters gerichtet, stürmte Grom vorwärts. Wie in Trance wischte er dabei eine Attacke beiseite und rammte den Dorn seiner Waffe tief in die Eingeweide des Attackierenden. Er riss die Waffe mit einem Ruck zurück, um den Dorn gewickelt verteilte er die Gedärme seines unglücklichen Opfers über die kleine Wiese, die nun endgültig alles Idyllische verloren hatte, das sie noch am frühen Abend geprägt hatte. Erneut lachte Grom hasserfüllt auf, als er einen weiteren Ork mit seiner Hippe erwischte. Der Dorn bohrte sich tief in den Oberarm seines Gegners, der daraufhin seine Waffe fallen ließ. Der Zwerg beobachtete vergnügt, wie sein Gegner wild aufschrie, als er die Waffe herausriss. Den Schwung der freiwerdenden Waffe nutzte Grom für eine Drehung, er ging bei dieser in die Knie und hörte ein Zischen eines Orkschwertes, welches über ihm durch die Luft fuhr. Noch ehe der Ork richtig realisierte, dass die Attacke ihr Ziel verfehlte, rammte Grom ihm den Dorn seiner Waffe seitlich ins Knie und nachdem sein Gegenüber auf der Erde aufgeprallt war, beendete er dessen Existenz, indem er ihm den Dorn durch ein Auge ins Gehirn jagte. Der Zwerg erhob sich und drehte sich langsam und voll bedrohlicher Präsenz zu dem eben entwaffneten Ork um. Das Antlitz des Zwerges hatte sich seit dem Tod seines Ziehvaters völlig verändert. In seinen Augen loderte ein tiefliegender, alles verzehrender Hass, seine eben noch angenehmen Gesichtszüge, die sich häufig und gerne zu einem Lachen verzogen hatten, waren zu einer schmerzverzerrten Grimasse erstarrt. Der Zwerg hob seine Waffe und fiel mit einem Schrei über den Ork her, der sich panisch zur Flucht wandte.
…
Gormak wurde langsam nervös. Nicht nur, dass sein Zauber den falschen Zwerg erwischt hatte, der andere Zwerg hatte sich auch noch in eine blutrünstige Kampfmaschine verwandelt. Zwischen Gormak und dem Berserker standen nur noch ein entwaffneter Ork und Guznak! Während er mit der Intonierung eines letzten Zauberspruchs seine restlichen magischen Kräfte sammelte, rammte der Zwerg dem entwaffneten, fliehenden Ork, den Dorn so tief in den Rücken, dass sich dieser verkantete. Guznak hatte mit seinem Leben schon abgeschlossen gehabt, nun aber ergriff er die sich ihm bietende Chance. Er war sich sicher, er würde der Held sein, der den Zwergenberserker erschlagen hatte. Dessen Waffe steckte tief in dem Körper seines letzten Opfers fest und er war somit quasi unbewaffnet. Mit zwei schnellen Sprüngen überbrückte Guznak die Distanz zwischen sich und dem Zwerg, der sich weiterhin abmühte, seine Waffe zu befreien. Erst als Guznak schon neben ihm stand und mit seiner Axt ausholte, sah der Zwerg auf. Plötzlich war der Zwerg verschwunden und Guznak sah nur noch dessen Beine unter seinen Füßen hervorgucken. Panik überfiel Guznak. Es hatte doch alles so schnell vorbei und sein Sieg sicher sein sollen. Sofort hackte er wie wild nach den Beinen und erwischte das rechte Bein des Zwerges. „Zwergenblut tut gut“, dachte Guznak zufrieden!
…
Grom sah den Hieb kommen und warf sich nach vorne. Unter den O-Beinen des großen Orks hindurch landete er auf dem Bauch und langte nach Kordals Hammer, der ca. 10cm außerhalb seiner Reichweite, neben einem Aschehaufen, auf dem Boden lag. Er schob sich vorwärts, der Waffe entgegen, als ein Schmerz in seinem rechten Bein aufflammte. Er unterdrückte den Schmerz und umfasste mit seiner Rechten den Hammerstiel, wirbelte herum und ließ den Kopf des Hammers auf die rechte Kniescheibe des Orks krachen. Wimmernd schrie der Ork auf, umfasste sein zertrümmertes Knie und ging zu Boden. Erschöpft und einer Ohnmacht nahe, gab Grom die in ihm lodernde Wut neue Kraft. Er stützte sich auf Kordals Hammer, zog sich daran hoch und kam mit schmerzverzerrtem Gesicht auf die Beine. Die Wunde im Bein schmerzte furchtbar. Den zwanzig Meter entfernt stehenden Orkhexer im Blick taumelte Grom seinem verhassten Ziel entgegen. Die Schmerzen wurden immer unerträglicher, doch mit jedem Meter, den er näher an sein Ziel herankam wurde auch seine Wut größer und gab ihm die Kraft aufrecht zu bleiben und weiterzugehen. Sein Gesichtsfeld verengte sich zu einer Tunnelansicht, die einzig den Schamanen scharf darstellte. Die übrigen Gegenstände und Konturen verschwammen rötlich, während sich Grom Schritt um Schritt auf sein beständig vor sich hinbrabbelndes Ziel zubewegte. Als Grom sein Ziel erreichte hob er seinen Hammer an, der sich tonnenschwer anfühlte, schwang ihn über den Kopf…
…und brach von grünen Flammen umhüllt zusammen.
…
Der Schamane hatte Recht behalten, dort an der Furt standen die Winzlinge! „Nur zwei an der Zahl“, dachte Kringor und erhöhte sein Tempo um die Feinde auf jeden Fall als erstes zu erreichen. Dieser Triumpf würde ihm ganz alleine gehören und die Schmach, die der ehemaligen Waaghbosses und nun nur noch Herrscher über sieben Orks erlitten hatte, zumindest teilweise wieder wettmachen. Schulter an Schulter standen die Zwerge und erwarteten den Angriff der Orks. Kordal übernahm den rechten Platz in der sehr kurzen Verteidigungslinie der Zwerge. Als älterer und erfahrenerer Krieger war er so in der Lage, mit seinem Schild die Waffenseite von Grom im Notfall mit zu schützen. Dass die Linie nicht halten konnte, war beiden Zwergen bewusst, früher oder später würden sie Rücken an Rücken kämpfen und sich so gegenseitig decken müssen. Allerdings war der erste Ansturm das Gefährlichste bei einer Orkattacke, weshalb es zunächst einmal darum ging, diesen unbeschadet zu überstehen. Nach dem riesigen Ork war noch eine Gruppe kleinerer Exemplare dieser verabscheuungswürdigen Gattung aus dem Wäldchen aufgetaucht und gerade trat ein scheinbar uralter Ork, gestützt auf einen knorrigen Eibenstab aus dem Wald. „Auch noch Magier?“, fragte sich Grom, doch für weitere Überlegungen war keine Zeit, denn der riesige Ork war heran.
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„Zu schnell, viel zu schnell“, fuhr es Gormak durch den Kopf. „Warum nur war ein solch großartiger Krieger wie Kringor nur mit dem Hirn eines Spatzen ausgestattet!“ Kringor würde die Zwerge mit einem Vorsprung von mehr als 100 Schritten erreichen und statt die Gegner aus einer Überzahl heraus zu überwältigen, würde er sich zunächst einmal in Unterzahl befinden, bevor die anderen Orks in das Kampfgeschehen eingreifen konnten. Die disziplinierten und gut geschulten Zwerge waren durchaus eine Gefahr für Kringor, kurz bevor er sie erreichen würde, würden sie auseinanderweichen und den ehemaligen Waaghboss so in die Zange nehmen können. Von beiden Seiten attackierend waren sie in der Lage, dem Ork schwere Wunden zufügen, da dieser nicht alle ihre Attacken abwehren konnte. Gormak bedauerte Kringor für seine geistige Primitivität, er hätte es vielleicht weit bringen können. Plötzlich entfuhr dem Schamanen ein anerkennender Pfiff, vielleicht konnte die Primitivität Kringors am heutigen Tage durch seine, selbst für Orks, enorme Brutalität und Wildheit ausgeglichen werden.
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Ein stechender Schmerz flammte in Kordals linker Schulter auf, ein harter Aufprall presste alle Luft aus seinen Lungen und er ging zu Boden. „Was war passiert?“ In dem Moment, in dem Grom und er auseinanderweichen wollten, hatte die tiefstehende Sonne die beiden Krieger kurzzeitig geblendet und der Ork musste mit dem Schwert voran in sie hinein gesprungen sein. Schnell rappelte sich Kordal auf, durch seinen Sprung war auch der Ork aus dem Gleichgewicht geraten, sodass er keinen unmittelbaren Nutzen aus der Situation ziehen konnte. Aber auch so standen die Sterne nicht gerade günstig für den älteren der beiden Zwerge, seine Verletzung an der Schulter sorgte dafür, dass er seinen Schildarm nicht mehr benutzen konnte und dieser nur nutzlos herumhing. Bevor sich Kordal wirklich orientieren konnte, war der Ork, schon wieder über ihm. Mit brutalen Schlägen trieb er Kordal vor sich her und drängte ihn immer weiter zurück.
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„Hah“, schrie Kringor aus voller Kehle, es gab Messerarbeit zu erledigen. Immer wieder fuhr sein Schwert auf den Zwergenkrieger hinab. Eher auf die linke Seite des Zwerges, da diese nach der Verletzung schwerer zu verteidigen war. Doch irgendwie schaffte es der Zwerg immer wieder, seinen Hammer zwischen das Orkschwert und sein Ziel zu bringen und den Schlag zu parieren. Der ehemalige Waaghboss war überrascht, wie gut sich der Zwerg trotz seiner Verletzung hielt. Trotzig und siegessicher bleckte Kringor die Zähne, denn der Zwerg kam überhaupt nicht dazu, eigene Attacken zu starten. Stattdessen wurde er von dem Ork beständig zurückgedrängt und ewig würde er die Attacken nicht abwehren können. Dann war es soweit! Zunächst sah es so aus, als ob der Ork eine weitere Attacke auf die Schildseite des Zwerges führte, doch mitten im Hieb drehte Kringor die Attacke und zielte nun auf dessen Hals. Kringor genoss die Veränderung im Blick seines Gegners, als dieser realisierte, dass er diesen Schlag nicht würde parieren können. Ein plötzlicher Schmerz ließ ihn herumzucken und seine Attacke verfehlte ihr Ziel. „Verdammt der andere Zw…“, weiter kam Kringor nicht mehr, denn Kordal nutzte die sich bietende Möglichkeit. Er schlug zu und der Hammerkopf schlug mit brachialer Gewalt gegen den Schädel des Waaghbosses und beendete dessen Existenz augenblicklich.
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Gormak fluchte! Durch den Sprung hatte Kringor es geschafft, die beiden Zwergenkrieger zu trennen und zusätzlich sogar dem größeren der beiden eine schwere Wunde zugefügt. Danach hatte es der Zwerg aber irgendwie geschafft, alle Attacken des Waaghbosses zu parieren. Als Kringor schließlich die Deckung des Zwerges durchbrach, verfehlte der tödliche Hieb aber sein Ziel, da der zweite Zwerg in den Kampf eingriff. Die Folgen dieses Eingreifens waren verheerend, der ehemalige Waaghboss Kringor lag tot am Boden und der Vormarsch der restlichen Orks kam ins Stocken. Um die Situation nicht vollends entgleiten zu lassen, sandte Gormak einen telepathischen Befehl an einen der übriggebliebenen Orks. Der Befehl erreichte Guznak, den größten der übriggebliebenen Orks. Allerdings war er von sehr schmaler Statur und bei seinen Kollegen eher als feiger und schlechter Kämpfer, denn als ein Vorbild angesehen. Gormak ließ Guznak mit einem Kampfschrei auf den Lippen vorwärtsstürmen. Der gewünschte Effekt trat ein, keiner der übrigen Orks wollte hinter Guznak zurückbleiben. Der Vormarsch der Orks auf die beiden Zwerge setzte wieder ein und ging auch dann weiter, als Guznak schon lange verwirrt stehengeblieben war und sich über diesen plötzlichen Ausbruch von Tapferkeit über sich selbst wunderte. Die kurze Verzögerung im Vormarsch der Orks hatten die Zwerge gut genutzt. Sie positionierten sich Rücken an Rücken und deckten sich gegenseitig. „Sechs Orks gegen zwei Zwerge, davon einer schon stark verletzt, sollten wohl reichen“, lächelte Gormak in sich hinein.
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Grom und Kordal hatten keine Zeit, ihren Sieg über den riesigen Ork zu feiern. Die Verletzung von Kordal sah übel aus, doch Grom wusste, dass diese ihn nicht sehr behindern würde. Den Schild hatten sie entfernt und Kordal hatte schon immer eine Kampfweise bevorzugt, bei der sein Schild nur selten zum Einsatz kam. Mit einem schnellen Ausfallschritt nach vorne schob sich Kordal in Reichweite zu einem Ork und ließ den Hammer herabsausen. Sein Hieb schmetterte das zur Abwehr erhobene Schwert zur Seite und traf hart den Brustkorp der grünhäutigen Kreatur. Ein Knacken durchzog die allgegenwärtige Stille. Wie vom Blitz getroffen brach der Ork zusammen. Sofort sprang Kordal zurück, um wieder die Rückendeckung von Grom zu erlangen. Dieser wehrte währenddessen eine Attacke eines Orks mit dem Schild ab, der auf die rechte Seite von Kordal gezielt hatte. Seine Hippe fuhr in den Arm der Kreatur, riss ihn auf und ließ sie mit einem Aufschrei nach hinten springen. Statt ihr nachzusetzen handelte Grom so, wie jahrelang eintrainiert. Er nahm seinen Posten ein, denn ohne Rückendeckung wäre dieser Kampf bei einer solchen Übermacht aussichtlos. Die verbliebenen Orks warfen sich auf ein Kommando von allen Seiten auf die Zwerge. Ein kurzes, heftiges Handgemenge entbrannte, bevor sich die Orks wieder vor den tödlichen Waffen der beiden Zwerge zurückzogen. Ein weiterer Ork hatte sein Leben gelassen, doch auch die Zwerge waren mit einem zersplitterten Schild und einer tiefen Armwunde bei Grom und einer Schnittwunde am Bein bei Kordal nicht ohne Schaden geblieben. Grom schleuderte den unteren Rest seines Schildes einem Ork unter den Kiefer und griff einen weiteren an. Die Hippe zweihändig packend wischte er die Deckung des Orks beiseite und riss ihm mit dem Dorn die Kehle auf. Dieser griff nach der Wunde und versuchte vergeblich, die Blutung zu unterdrücken. Nach der Attacke sprang Grom zurück zu seinem Waffenbruder und Ziehvater Kordal. Die beiden Zwerge drehten sich gemeinsam im Kreis und Grom wollte gerade erneut attackieren, als es in seinem Rücken plötzlich anfing zu knistern. Die darauffolgende Hitze ließ Grom herumfahren. Vor seinem entsetzt aufgerissenen Augen brach Kordal ohne einen Laut zusammen. Grüne Flammen umzüngelten seinen Ziehvater.
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„Tiron da zagha“. Gormaks Energiereserven waren so niedrig, dass er eigentlich gar nicht hatte Zaubern wollen, doch der Verlauf des Scharmützels machte ein Eingreifen des Schamanen notwendig. Er beendete seinen Zauberspruch und beobachtete zerknirscht, wie der größere der beiden Zwerge zusammenbrach. Der Zauberspruch hatte dem kleineren, weniger stark angeschlagenen, Zwerg gegolten. Doch die beiden Zwerge hatten sich, immer ihre Gegner im Auge behaltend, beständig im Kreis gedreht und der größere Zwerg hatte sich so in die Geschossbahn seines Zaubers bewegt. Rückgängig zu machen war es nun eh nicht mehr und mit Vergnügen betrachtete der Schamane den Blick des kleineren Zwergs, der den Anblick des zusammenbrechenden, von Flammen umtosten Kameraden wohl bis an sein Lebensende ins Gedächtnis gebrannt bekommen hatte. „Das wird aber nicht lange auf sich warten lassen“, lachte Gormak, denn die drei Orkkrieger gewannen aufgrund des toten Zwergs ihren Mut zurück und begannen erneut, den Zwerg zu attackieren. Vor ihren Augen vollzog sich jedoch eine Veränderung des übrig gebliebenen Gegners. Dieser schüttelte seine Ohnmacht ab, Groms Augen verfinsterten sich und mit einem berserkerartigen Schrei sprang er über die verkohlten Reste von Kordal.
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Als Kordal vor ihm zusammenbrach, herrschte für einen Moment absolute Leere in Grom. Innerhalb von Sekunden füllte sich diese Leere mit einer unbeschreiblichen Wut. Sie kam aus seinem Inneren und er hatte eine so starke Gefühlsregung noch nie zuvor in seinem Leben gespürt. Seine Augen verengten sich und taxierten nur noch den Orkhexer! Den Blick auf den Mörder seines Ziehvaters gerichtet, stürmte Grom vorwärts. Wie in Trance wischte er dabei eine Attacke beiseite und rammte den Dorn seiner Waffe tief in die Eingeweide des Attackierenden. Er riss die Waffe mit einem Ruck zurück, um den Dorn gewickelt verteilte er die Gedärme seines unglücklichen Opfers über die kleine Wiese, die nun endgültig alles Idyllische verloren hatte, das sie noch am frühen Abend geprägt hatte. Erneut lachte Grom hasserfüllt auf, als er einen weiteren Ork mit seiner Hippe erwischte. Der Dorn bohrte sich tief in den Oberarm seines Gegners, der daraufhin seine Waffe fallen ließ. Der Zwerg beobachtete vergnügt, wie sein Gegner wild aufschrie, als er die Waffe herausriss. Den Schwung der freiwerdenden Waffe nutzte Grom für eine Drehung, er ging bei dieser in die Knie und hörte ein Zischen eines Orkschwertes, welches über ihm durch die Luft fuhr. Noch ehe der Ork richtig realisierte, dass die Attacke ihr Ziel verfehlte, rammte Grom ihm den Dorn seiner Waffe seitlich ins Knie und nachdem sein Gegenüber auf der Erde aufgeprallt war, beendete er dessen Existenz, indem er ihm den Dorn durch ein Auge ins Gehirn jagte. Der Zwerg erhob sich und drehte sich langsam und voll bedrohlicher Präsenz zu dem eben entwaffneten Ork um. Das Antlitz des Zwerges hatte sich seit dem Tod seines Ziehvaters völlig verändert. In seinen Augen loderte ein tiefliegender, alles verzehrender Hass, seine eben noch angenehmen Gesichtszüge, die sich häufig und gerne zu einem Lachen verzogen hatten, waren zu einer schmerzverzerrten Grimasse erstarrt. Der Zwerg hob seine Waffe und fiel mit einem Schrei über den Ork her, der sich panisch zur Flucht wandte.
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Gormak wurde langsam nervös. Nicht nur, dass sein Zauber den falschen Zwerg erwischt hatte, der andere Zwerg hatte sich auch noch in eine blutrünstige Kampfmaschine verwandelt. Zwischen Gormak und dem Berserker standen nur noch ein entwaffneter Ork und Guznak! Während er mit der Intonierung eines letzten Zauberspruchs seine restlichen magischen Kräfte sammelte, rammte der Zwerg dem entwaffneten, fliehenden Ork, den Dorn so tief in den Rücken, dass sich dieser verkantete. Guznak hatte mit seinem Leben schon abgeschlossen gehabt, nun aber ergriff er die sich ihm bietende Chance. Er war sich sicher, er würde der Held sein, der den Zwergenberserker erschlagen hatte. Dessen Waffe steckte tief in dem Körper seines letzten Opfers fest und er war somit quasi unbewaffnet. Mit zwei schnellen Sprüngen überbrückte Guznak die Distanz zwischen sich und dem Zwerg, der sich weiterhin abmühte, seine Waffe zu befreien. Erst als Guznak schon neben ihm stand und mit seiner Axt ausholte, sah der Zwerg auf. Plötzlich war der Zwerg verschwunden und Guznak sah nur noch dessen Beine unter seinen Füßen hervorgucken. Panik überfiel Guznak. Es hatte doch alles so schnell vorbei und sein Sieg sicher sein sollen. Sofort hackte er wie wild nach den Beinen und erwischte das rechte Bein des Zwerges. „Zwergenblut tut gut“, dachte Guznak zufrieden!
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Grom sah den Hieb kommen und warf sich nach vorne. Unter den O-Beinen des großen Orks hindurch landete er auf dem Bauch und langte nach Kordals Hammer, der ca. 10cm außerhalb seiner Reichweite, neben einem Aschehaufen, auf dem Boden lag. Er schob sich vorwärts, der Waffe entgegen, als ein Schmerz in seinem rechten Bein aufflammte. Er unterdrückte den Schmerz und umfasste mit seiner Rechten den Hammerstiel, wirbelte herum und ließ den Kopf des Hammers auf die rechte Kniescheibe des Orks krachen. Wimmernd schrie der Ork auf, umfasste sein zertrümmertes Knie und ging zu Boden. Erschöpft und einer Ohnmacht nahe, gab Grom die in ihm lodernde Wut neue Kraft. Er stützte sich auf Kordals Hammer, zog sich daran hoch und kam mit schmerzverzerrtem Gesicht auf die Beine. Die Wunde im Bein schmerzte furchtbar. Den zwanzig Meter entfernt stehenden Orkhexer im Blick taumelte Grom seinem verhassten Ziel entgegen. Die Schmerzen wurden immer unerträglicher, doch mit jedem Meter, den er näher an sein Ziel herankam wurde auch seine Wut größer und gab ihm die Kraft aufrecht zu bleiben und weiterzugehen. Sein Gesichtsfeld verengte sich zu einer Tunnelansicht, die einzig den Schamanen scharf darstellte. Die übrigen Gegenstände und Konturen verschwammen rötlich, während sich Grom Schritt um Schritt auf sein beständig vor sich hinbrabbelndes Ziel zubewegte. Als Grom sein Ziel erreichte hob er seinen Hammer an, der sich tonnenschwer anfühlte, schwang ihn über den Kopf…
…und brach von grünen Flammen umhüllt zusammen.
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