Mandragora Sektor
215.987.M41
Persönliches Tagebuch Delian Schuar
Dies wird der erste und einzige Eintrag in diesem Logbuch sein, damit ihr zumindest erfahrt, warum ich nicht mehr weitermachen will. Ich bin gerade einmal 23 Jahre alt und mein Leben ist ein einziger Trümmerhaufen. All das Schlechte, das mir bisher widerfahren ist, führte mich glasklar zu der Erkenntniss, dass es keinen großartigen Gottkaiser da draussen gibt. Die unehrenhafte Entlassung aus dem Offizierskorps und die kurz darauf folgende Trennung von Anastasia waren nur die letzten beiden einer unendlichen Kette von Schicksalschlägen, die mir entgegen geworfen wurden. Wenn es wirklich einen Gott da draussen gibt, dann ist er wie ein kleines Kind, das einfach mit seiner Lupe auf den Ameisenhügel drauf hält und zusieht wie wir darunter verbrennen. Ich hab eine Nachricht für dich Gott – FICK DICH. Mit meinem Leben wirst du nicht länger spielen. Zum Abschluss noch etwas für euch, meine „geliebten“ Eltern. Ich hasse euch! Vater, Dich hasse ich für den ständigen Leistungsdruck, den Du, seit ich mich erinnern kann, auf mich ausgeübt hast. Und Dich, Mutter, für Dein Unvermögen mich vor ihm zu schützen. Deine ganze Liebe und Aufmerksamkeit galt immer nur Deinen Töchtern. Ich hoffe ihr verrottet in der Hölle.
Ich habe mir genug illegale Substanzen besorgt um mir das Scheiden aus dieser Welt so angenehm wie möglich zu machen. Glaubt mir, ich werde keinen Moment davon vermissen.
322.998.M41
Mir blieb fast das Herz stehen, als ich gerade über diese Peinlichkeit aus, Gott sei Dank, längst vergessenen Tagen gestolpert bin. Wie konnte ich damals nur so vermessen sein? Was wäre mir alles entgangen, wenn mein Selbstmordversuch damals erfolgreich gewesen wäre? Ich hätte niemals meine Frau kennen gelernt, meine bezaubernden Töchter wären niemals geboren worden, ich hätte mich nie mit meinen Eltern versöhnt, hätte mein mir vom Gottkaiser geschenktes Leben sinnlos weggeworfen.
Zum Glück erinnere ich mich nur noch verschwommen an diesen unseligen Tag, der jetzt schon mehr als 10 Jahre zurück liegt. Nachdem ich mir genug Chemie in die Venen gespritzt hatte, um damit einen Sqiggofanten umzuhauen, driftete ich in eine sagenhafte und furchteinflössende Traumwelt ab. Manchmal schrecke ich heute noch mitten in der Nacht aus dem Schlaf auf, für wenige Millisekunden mit den Bildern von gräßlichen Phantomen und Alptraumhaften Dämonen vor meinen Augen. Schnell verschwinden diese schrecklichen Gestalten dann aber wieder und meistens kann ich nach einem kurzen Gebet an den Imperator danach eine ruhige Nacht verbringen. Eine kleine Strafe, für die Sünden meiner Jugend.
324.998.M41
Obwohl mich das Wiederentdecken meines ersten Tagebucheintrages so aufgewühlt hat, habe ich mich doch entschlossen meine Gedanken zukünftig häufiger niederzuschreiben. Und so erschreckend meine Gedanken und Taten von damals auch gewesen sein mögen, umso froher bin ich, dieses lasterhafte Leben hinter mir gelassen zu haben. Der Imperator selbst muss damals dafür gesorgt haben, das ich im Drogenwahn auf die Straße rannte und einem Ordnungshüter in die Arme lief. Ohne ihn wäre ich niemals rechtzeitig in ein Krankenhaus eingeliefert worden und jede Hilfe wäre zu spät gekommen.
Als endlich alle Drogen aus meinem Körper gepumpt worden waren und ich zum ersten Mal wider meinen Willen die Augen wieder aufschlug, war es wie in einem der kitschigen Holovids, die ich so verabscheute. Ich sah einen Engel. Dunkelbraune, glänzende Locken umspielten ihr Gesicht, braune Augen die mich mitfühlsam anschauten und ein freundliches ehrliches Lächeln. Mein Ärger wegen meines misslungenen Selbstmordversuchs, mein Selbsthass, all das verflog in dem Augenblick als ich sie sah. Sie stellte sich mir als Sarah vor und war meine behandelnde Ärztin. Ich schickte ein Stoßgebet zum Imperator und hielt sofort um ihr Hand an, so voller Liebe war ich vom ersten Moment an für diese Frau. Natürlich lachte sie mich aus, aber nicht überheblich oder gar hämisch, sondern amüsiert und freundlich. Auch nach meiner lange andauernden Genesung konnte ich sie nicht vergessen, blieb hartnäckig und nach vielen weitern Heiratsanträgen, die sie stets nur mit ihrem unnachahmlichen Lächeln quittierte, wurde sie endlich meine Frau und schließlich zur Mutter unserer Kinder.
Gerade kommt Emily zu mir, ich soll sie ins Bett bringen und ihr eine Geschichte vorlesen. Vielleicht schreibe ich morgen weiter.
003.999.M41
Gute Vorsätze vergehen schnell. Eigentlich wollte ich viel häufiger etwas schreiben, aber die Zeit die ich mit meiner Familie verbringe ist viel zu wertvoll und schön als das ich sie mit Schreiben verbringen würde. Doch jetzt muss ich meine Gedanken sammeln, sie heraus lassen. Sarah kann ich nichts davon erzählen, jedenfalls noch nicht. Sie würde glauben ich bin verrückt und ich hoffe ich bin es. Aber ich fürchte das Schlimmste. Vor einer Woche hatte ich wieder einen dieser schrecklichen Alpträume. Zuerst habe ich versucht ihn zu vergessen, wie die anderen. Aber dieser war hartnäckig, die Bilder klarer als sonst und sie sind auch heute noch in meinem Gedächtnis, zum greifen nah, sobald ich die Augen schliesse. Ich sehe Menschen auf den Straßen, die andere Menschen angreifen und bei lebendigem Leibe auffressen. Tote stehen aus ihren Gräbern auf und attackieren die Lebenden. Viele von ihnen kenne ich. Es sind Kollegen, Freunde, Verwandte, Personen die ich in mein Herz geschlossen habe und die mir lieb und teuer sind. Bisher habe ich es als Hirngespinste abgetan, aber gerade habe ich in den Nachrichten einen Bericht über eine um sich greifende Seuche in der Makropole Tekomi gesehen. Unabhängige Berichterstatter sprechen von Personen, die erst in Agonie und anschliessend in Raserei verfallen, doch von offizieller Seite wird alles dementiert.
004.999.M41
Ich halte es einfach nicht mehr aus: heute Nacht schon wieder so ein Traum. Nachdem ich lange mit mir gerungen habe, habe ich heute Sarah von meinem Befürchtungen berichtet. Aber sie wollte mir nicht glauben, hat nur versucht mich zu beruhigen und alles als Hirngespinste abgetan.
„Tekomi ist verdammt weit weg“, hat sie gesagt, „Mehrere tausend Kilometer liegen zwischen denen und uns hier in Mortena.“ Natürlich weiß ich das. Vor drei Jahren besuchte ich auf einer Geschäftsreise unsere dortige Filiale und die Fahrt schien ewig zu dauern.
005.999.M41
Thorm, einer meiner Kollegen aus Tekomi hat mich heute Morgen angerufen und mir von einem Zwischenfall in der Nachtschicht berichtet. Bevor er ins Details gehen konnte, wurde die Verbindung unterbrochen. Ich habe danach eine Stunde lang versucht ihn wieder zu erreichen, aber anscheinend sind die Leitungen gestört.
In den Nachrichten sprechen sie davon, die Aufstände unter Kontrolle zu haben. Angeblich habe eine kleine Terrorgruppe die Nahrungsmittel in einem sehr begrenzten Teil der Makropole mit Krankheitserregern infiziert. Man solle sich keine Sorgen machen und wie gewohnt seiner Arbeit nachgehen.
006.999.M41
Der Tag begann mit einem Knall und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. In den frühen Morgenstunden kam es zu einer gewaltigen Explosion in einer der untersten Ebenen der Makropole Tekomi. Die Auswirkungen waren so gewaltig, das innerhalb weniger Stunden die Makropolenstadt zu großen Teilen in sich zusammenstürzte. Man spricht von Millionen von Toten, nur etwa ein Drittel der Stadt ist noch intakt. Im Zuge dieser erschütterndenNeuigkeiten, gehen die Berichte über ähnliche Krankheitsfälle wie zuvor in Tekomi jetzt auch in den Makropolen Breckton und Hillsfra fast unter. Aber ich bemerke sie und zähle Eins und Eins zusammen.
Es wurde Zeit mit den Vorbereitungen zu beginnen. Ich plünderte unser Konto und kaufte Lebensmittel und weitere Dinge die mir wichtig erschienen. Leider habe ich es nicht mehr nach Hause geschafft bevor Sarah von der Arbeit kam. Wir hatten einen heftigen Streit, als ich ihr mein Handeln erklären wollte. Sie meinte ich würde total überreagieren, meine Arbeitsstelle und unsere Existenz aufs Spiel setzen. Wir schrieen uns mehrere Minuten lang nur noch an. Emily fing an zu weinen und ihre große Schwester versuchte sie zu trösten. Meine Frau nahm die Kinder in den Arm und beruhigte sie langsam wieder. Während ich auf dem Balkon ein Loh-Stäbchen rauchte, fühlte ich wie Tränen meine Wangen herunter liefen.
Ich habe fürchterliche Angst um meine Familie.
007.999.M41
Fast hätte ich heute einem unserer Nachbarn den Schädel eingeschlagen. Nach dem Streit mit Sarah war ich sowieso total gereizt und mein Verhältnis zur Familie Kalbik war noch nie das Beste. Ich war gerade dabei Bretter nach oben zu tragen, als mich der Vater von der Seite anmachte wegen dem ganzen Dreck im Treppenhaus. Nachdem ich die Bretter abgestellt hatte, habe ich den Zimmermannshammer aus meinem Hosenbund gezogen und die Hand zum Schlag erhoben. Ich weiß nicht ob er in meinen Augen die Mordlust gesehen hat, die ich in dem Moment empfunden habe, aber er hat sich ganz schnell in seine Wohnung verkrochen und ich konnte hören wie er den Schlüssel im Schloß rumdreht.
In den Abendnachrichten haben sie gesagt, das es mittlerweile auch in anderen Städten zu Krankheitsausbrüchen gekommen ist. Offensichtlich wurde die Seuche durch Flüchtlinge aus den betroffenen Makropolen übertragen.
008.999.M41
Der Tag an sich war nicht besonders ereignisreich, eine angenehme Abwechslung zur Zeit. Aber der Abend hatte es in sich. Seit vier Tagen schaue ich mehrmals täglich die Nachrichten, etwas was ich vorher nicht getan habe. Die Situation zwischen Sarah und mir war immer noch sehr angespannt und wir wollten einfach nur vor dem Vid-Schirm ein wenig zur Ruhe kommen. Dann gaben sie es zum ersten Mal zu. Es war nicht auf einige wenige Makropolen beschränkt! Auch in anderen Teilen des Planeten, ja weltweit kam es zu Ausschreitungen. Ich sah das als Beweis dessen an, was ich schon die ganze Zeit geahnt hatte. Ich schaute zu Sarah hinüber. In ihrem Gesicht konnte ich es sehen. Das Verstehen, das Begreifen, das Entsetzen. Tränen liefen über ihr wunderschönes Gesicht. Ich nahm sie fest in die Arme während sie hemmungslos weinte. Zwischendurch stammelte sie immer wieder etwas von Entschuldigung und das sie mir hätte glauben sollen. Und obwohl ich schon die ganze Zeit davon überzeugt war im Recht zu sein, wurde mir erst in diesem Moment, als der Mensch den ich am meisten liebte auch daran glaubte, bewusst das ich wirklich Recht hatte.
Die Mädchen beginnen immer weiter Fragen zu stellen. Warum dürfen wir nicht draussen spielen? Was baut Papa da im Treppenhaus? Es fällt schwer das ganze von den Kindern fern zu halten, aber bis jetzt gelingt es uns noch. Julia ist zehn. Ich glaube nicht, dass wir ihr noch lange etwas vormachen können.
009.999.M41
Mittlerweile sind in den Läden die ersten Engpässe zu spüren. Alle Menschen beginnen jetzt mit den Hamsterkäufen, obwohl es dafür eigentlich schon zu spät ist. Ich gebe niemandem gegenüber zu, das wir auf Wochen hinaus mit Essen versorgt sind. Auch wenn einige davon meine engsten Freunde sind - man weiß nie wie jemand reagiert, wenn es ums nackte Überleben geht. Da fällt mir ein, dass Herr Kalbik sehr genau beobachtet hat, wie ich unsere Vorräte nach oben geschafft habe. Ich fürchte das das noch zu einem Problem werden könnte, um das ich mich kümmern muss.
Sämtliche Sender sprechen mittlerweile offen über die sogenannten „Seuchenzombies“. Alarmierende aber auch auskunftsreiche Informationen für die Massen. Auf den Straßen ist es jetzt lebensgefährlich und auch von offizieller Seite hat man endlich die Existenz einer Seuche, die offensichtlich unweigerlich zum Tod führt und die Toten als Zombies wieder auferstehen lässt, bestätigt. Ein Biss, ein Kratzer oder sogar eine Berührung einer infizierten Person kann zur Übertragung der Seuche führen. Ich habe unsere Wohnung, so weit es geht verbarrikadiert, solange wir vier unter uns bleiben, sollten wir sicher sein.
010.999.M41
Diese kleine Ratte! Ich wollte nachschauen ob wir noch irgendwelche nützlichen Dinge in unserem Kellerraum haben, da habe ich den Sohn von Kalbiks erwischt, der gerade dabei war die Tür zu unserem Keller aufzubrechen. Ich habe den Knaben sowieso gefressen. Er ist 14 oder 15 Jahre alt, faul und dumm, ein typischer Schmarotzer unserer Gesellschaft. Mehrfach waren wir schon wegen ihm mit seinen Eltern aneinander geraten. Ich sah meine Chance gekommen dem kleinen Bastard alles heimzuzahlen. Als ich drohend auf ihn zuging, landete der Hammer wie von selbst in meiner Hand. Er wich langsam zurück, seine Augen vor Schreck weit aufgerissen. Mit voller Wucht lies ich den Hammer herunter schnellen und hieb nur wenige Zentimeter über seinem Scheitel in die Wand. Er zuckte zusammen und ich ging einen Schritt zur Seite, damit er an mir vorbei konnte.
Kaum war er an mir vorbei, drehte er sich in der Tür noch einmal um und zeigte mir den Mittelfinger. Ich kann mich noch genau an seine Worte erinnern. „Wenn die Zombies dich gekillt haben, fick ich deine Tochter du Wixer!“ Dann drehte er sich um und wollte weglaufen. Umdrehen konnte er sich noch, aber wegzulaufen gelang ihm nicht mehr. Er fiel flach nach vorne, der Zimmermannshammer ragte aus seinem Hinterkopf hervor. Ich war mir noch gar nicht bewusst, das ich den Hammer geworfen hatte, da war sein Körper schon auf dem Boden aufgeschlagen. Ich wollte gar nicht werfen. Glaube ich. Das nächste was ich wieder weiß ist, das ich mit blutüberströmten Händen in unser Nasszelle stand und mir das Blut abwusch.
Jemand hämmert an unsere Tür und schreit. Ich habe Angst, dass diese Wesen auf uns aufmerksam werden. Ich muß mit ihm reden.
011.999.M41
Wenn jetzt noch jemand an unsere Tür klopft, ist es wahrscheinlich einer diese Seuchenzombies. Wir sind jetzt meines Wissens nach die einzigen noch lebenden Menschen im Haus. Es ist erstaunlich wie schnell man sich an das Töten gewöhnt, wenn man es einmal getan hat. Ich hatte damit gerechnet zu töten, als diese ganze Sache angefangen hat. Aber ich hätte eher gedacht das es in Notwehr geschehen würde.
012.999.M41
Wir hatten mit niemandem von aussen Kontakt und trotzdem hat es uns erreicht. Als ich heute morgen ins Kinderzimmer der Mädchen ging um sie zu wecken, hatten sich beide in welche von diesen Dingern verwandelt. Eines der Mädchen muss sich irgendwie angesteckt und seine Schwester in der Nacht gebissen haben. Wir haben überhaupt nichts davon mitbekommen, obwohl unser Zimmer direkt nebenan liegt.
Wir haben es nicht über uns gebracht ihnen etwas anzutun und gemeinsam unter Tränen die Zimmertür vernagelt. Jetzt sitzen wir hier, während das was einmal unsere Töchter waren ohne Unterlass gegen die Tür hämmert.
In mir keimt der Gedanke auf ob es nicht gnädiger gewesen wäre, wenn sie es in der Nacht aus dem Zimmer geschafft und uns ebenfalls im Schlaf getötet hätten. Ich hoffe nur die beiden hatten nicht zuviele Schmerzen.
014.999.M41
Ich bin allein. Sarah hat das Stöhnen und Pochen einfach nicht mehr ausgehalten. Sie kam heute morgen zu mir, umarmte mich, bat mich um Verzeihung und sprang dann ohne weiteres Zögern aus dem Fenster in den sicheren Tod.
Ich war wie erstarrt, habe nicht einmal Anstalten unternommen um sie aufzuhalten. Bestimmt geht es ihr dort, wo sie jetzt ist, besser.
Die Tür zum Kinderzimmer wird nicht ewig halten, aber mir fehlt die Kraft etwas dagegen zu unternehmen. Ich denk ich bleibe einfach noch ein wenig hier sitzen.
025.999.M41
Tagebuchdatei geborgen von Enterkommandos des Kreuzers „Unnachgiebige Härte“ kurz vor der Durchführung eines Exterminatus zur Reinigung des Planeten.
Delian Schuar gilt als vermutetes „Subject Zero“ des Seuchenausbruchs im Mandragora Sektor
*********************Weiterer Zugriff verweigert****************************
215.987.M41
Persönliches Tagebuch Delian Schuar
Dies wird der erste und einzige Eintrag in diesem Logbuch sein, damit ihr zumindest erfahrt, warum ich nicht mehr weitermachen will. Ich bin gerade einmal 23 Jahre alt und mein Leben ist ein einziger Trümmerhaufen. All das Schlechte, das mir bisher widerfahren ist, führte mich glasklar zu der Erkenntniss, dass es keinen großartigen Gottkaiser da draussen gibt. Die unehrenhafte Entlassung aus dem Offizierskorps und die kurz darauf folgende Trennung von Anastasia waren nur die letzten beiden einer unendlichen Kette von Schicksalschlägen, die mir entgegen geworfen wurden. Wenn es wirklich einen Gott da draussen gibt, dann ist er wie ein kleines Kind, das einfach mit seiner Lupe auf den Ameisenhügel drauf hält und zusieht wie wir darunter verbrennen. Ich hab eine Nachricht für dich Gott – FICK DICH. Mit meinem Leben wirst du nicht länger spielen. Zum Abschluss noch etwas für euch, meine „geliebten“ Eltern. Ich hasse euch! Vater, Dich hasse ich für den ständigen Leistungsdruck, den Du, seit ich mich erinnern kann, auf mich ausgeübt hast. Und Dich, Mutter, für Dein Unvermögen mich vor ihm zu schützen. Deine ganze Liebe und Aufmerksamkeit galt immer nur Deinen Töchtern. Ich hoffe ihr verrottet in der Hölle.
Ich habe mir genug illegale Substanzen besorgt um mir das Scheiden aus dieser Welt so angenehm wie möglich zu machen. Glaubt mir, ich werde keinen Moment davon vermissen.
322.998.M41
Mir blieb fast das Herz stehen, als ich gerade über diese Peinlichkeit aus, Gott sei Dank, längst vergessenen Tagen gestolpert bin. Wie konnte ich damals nur so vermessen sein? Was wäre mir alles entgangen, wenn mein Selbstmordversuch damals erfolgreich gewesen wäre? Ich hätte niemals meine Frau kennen gelernt, meine bezaubernden Töchter wären niemals geboren worden, ich hätte mich nie mit meinen Eltern versöhnt, hätte mein mir vom Gottkaiser geschenktes Leben sinnlos weggeworfen.
Zum Glück erinnere ich mich nur noch verschwommen an diesen unseligen Tag, der jetzt schon mehr als 10 Jahre zurück liegt. Nachdem ich mir genug Chemie in die Venen gespritzt hatte, um damit einen Sqiggofanten umzuhauen, driftete ich in eine sagenhafte und furchteinflössende Traumwelt ab. Manchmal schrecke ich heute noch mitten in der Nacht aus dem Schlaf auf, für wenige Millisekunden mit den Bildern von gräßlichen Phantomen und Alptraumhaften Dämonen vor meinen Augen. Schnell verschwinden diese schrecklichen Gestalten dann aber wieder und meistens kann ich nach einem kurzen Gebet an den Imperator danach eine ruhige Nacht verbringen. Eine kleine Strafe, für die Sünden meiner Jugend.
324.998.M41
Obwohl mich das Wiederentdecken meines ersten Tagebucheintrages so aufgewühlt hat, habe ich mich doch entschlossen meine Gedanken zukünftig häufiger niederzuschreiben. Und so erschreckend meine Gedanken und Taten von damals auch gewesen sein mögen, umso froher bin ich, dieses lasterhafte Leben hinter mir gelassen zu haben. Der Imperator selbst muss damals dafür gesorgt haben, das ich im Drogenwahn auf die Straße rannte und einem Ordnungshüter in die Arme lief. Ohne ihn wäre ich niemals rechtzeitig in ein Krankenhaus eingeliefert worden und jede Hilfe wäre zu spät gekommen.
Als endlich alle Drogen aus meinem Körper gepumpt worden waren und ich zum ersten Mal wider meinen Willen die Augen wieder aufschlug, war es wie in einem der kitschigen Holovids, die ich so verabscheute. Ich sah einen Engel. Dunkelbraune, glänzende Locken umspielten ihr Gesicht, braune Augen die mich mitfühlsam anschauten und ein freundliches ehrliches Lächeln. Mein Ärger wegen meines misslungenen Selbstmordversuchs, mein Selbsthass, all das verflog in dem Augenblick als ich sie sah. Sie stellte sich mir als Sarah vor und war meine behandelnde Ärztin. Ich schickte ein Stoßgebet zum Imperator und hielt sofort um ihr Hand an, so voller Liebe war ich vom ersten Moment an für diese Frau. Natürlich lachte sie mich aus, aber nicht überheblich oder gar hämisch, sondern amüsiert und freundlich. Auch nach meiner lange andauernden Genesung konnte ich sie nicht vergessen, blieb hartnäckig und nach vielen weitern Heiratsanträgen, die sie stets nur mit ihrem unnachahmlichen Lächeln quittierte, wurde sie endlich meine Frau und schließlich zur Mutter unserer Kinder.
Gerade kommt Emily zu mir, ich soll sie ins Bett bringen und ihr eine Geschichte vorlesen. Vielleicht schreibe ich morgen weiter.
003.999.M41
Gute Vorsätze vergehen schnell. Eigentlich wollte ich viel häufiger etwas schreiben, aber die Zeit die ich mit meiner Familie verbringe ist viel zu wertvoll und schön als das ich sie mit Schreiben verbringen würde. Doch jetzt muss ich meine Gedanken sammeln, sie heraus lassen. Sarah kann ich nichts davon erzählen, jedenfalls noch nicht. Sie würde glauben ich bin verrückt und ich hoffe ich bin es. Aber ich fürchte das Schlimmste. Vor einer Woche hatte ich wieder einen dieser schrecklichen Alpträume. Zuerst habe ich versucht ihn zu vergessen, wie die anderen. Aber dieser war hartnäckig, die Bilder klarer als sonst und sie sind auch heute noch in meinem Gedächtnis, zum greifen nah, sobald ich die Augen schliesse. Ich sehe Menschen auf den Straßen, die andere Menschen angreifen und bei lebendigem Leibe auffressen. Tote stehen aus ihren Gräbern auf und attackieren die Lebenden. Viele von ihnen kenne ich. Es sind Kollegen, Freunde, Verwandte, Personen die ich in mein Herz geschlossen habe und die mir lieb und teuer sind. Bisher habe ich es als Hirngespinste abgetan, aber gerade habe ich in den Nachrichten einen Bericht über eine um sich greifende Seuche in der Makropole Tekomi gesehen. Unabhängige Berichterstatter sprechen von Personen, die erst in Agonie und anschliessend in Raserei verfallen, doch von offizieller Seite wird alles dementiert.
004.999.M41
Ich halte es einfach nicht mehr aus: heute Nacht schon wieder so ein Traum. Nachdem ich lange mit mir gerungen habe, habe ich heute Sarah von meinem Befürchtungen berichtet. Aber sie wollte mir nicht glauben, hat nur versucht mich zu beruhigen und alles als Hirngespinste abgetan.
„Tekomi ist verdammt weit weg“, hat sie gesagt, „Mehrere tausend Kilometer liegen zwischen denen und uns hier in Mortena.“ Natürlich weiß ich das. Vor drei Jahren besuchte ich auf einer Geschäftsreise unsere dortige Filiale und die Fahrt schien ewig zu dauern.
005.999.M41
Thorm, einer meiner Kollegen aus Tekomi hat mich heute Morgen angerufen und mir von einem Zwischenfall in der Nachtschicht berichtet. Bevor er ins Details gehen konnte, wurde die Verbindung unterbrochen. Ich habe danach eine Stunde lang versucht ihn wieder zu erreichen, aber anscheinend sind die Leitungen gestört.
In den Nachrichten sprechen sie davon, die Aufstände unter Kontrolle zu haben. Angeblich habe eine kleine Terrorgruppe die Nahrungsmittel in einem sehr begrenzten Teil der Makropole mit Krankheitserregern infiziert. Man solle sich keine Sorgen machen und wie gewohnt seiner Arbeit nachgehen.
006.999.M41
Der Tag begann mit einem Knall und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. In den frühen Morgenstunden kam es zu einer gewaltigen Explosion in einer der untersten Ebenen der Makropole Tekomi. Die Auswirkungen waren so gewaltig, das innerhalb weniger Stunden die Makropolenstadt zu großen Teilen in sich zusammenstürzte. Man spricht von Millionen von Toten, nur etwa ein Drittel der Stadt ist noch intakt. Im Zuge dieser erschütterndenNeuigkeiten, gehen die Berichte über ähnliche Krankheitsfälle wie zuvor in Tekomi jetzt auch in den Makropolen Breckton und Hillsfra fast unter. Aber ich bemerke sie und zähle Eins und Eins zusammen.
Es wurde Zeit mit den Vorbereitungen zu beginnen. Ich plünderte unser Konto und kaufte Lebensmittel und weitere Dinge die mir wichtig erschienen. Leider habe ich es nicht mehr nach Hause geschafft bevor Sarah von der Arbeit kam. Wir hatten einen heftigen Streit, als ich ihr mein Handeln erklären wollte. Sie meinte ich würde total überreagieren, meine Arbeitsstelle und unsere Existenz aufs Spiel setzen. Wir schrieen uns mehrere Minuten lang nur noch an. Emily fing an zu weinen und ihre große Schwester versuchte sie zu trösten. Meine Frau nahm die Kinder in den Arm und beruhigte sie langsam wieder. Während ich auf dem Balkon ein Loh-Stäbchen rauchte, fühlte ich wie Tränen meine Wangen herunter liefen.
Ich habe fürchterliche Angst um meine Familie.
007.999.M41
Fast hätte ich heute einem unserer Nachbarn den Schädel eingeschlagen. Nach dem Streit mit Sarah war ich sowieso total gereizt und mein Verhältnis zur Familie Kalbik war noch nie das Beste. Ich war gerade dabei Bretter nach oben zu tragen, als mich der Vater von der Seite anmachte wegen dem ganzen Dreck im Treppenhaus. Nachdem ich die Bretter abgestellt hatte, habe ich den Zimmermannshammer aus meinem Hosenbund gezogen und die Hand zum Schlag erhoben. Ich weiß nicht ob er in meinen Augen die Mordlust gesehen hat, die ich in dem Moment empfunden habe, aber er hat sich ganz schnell in seine Wohnung verkrochen und ich konnte hören wie er den Schlüssel im Schloß rumdreht.
In den Abendnachrichten haben sie gesagt, das es mittlerweile auch in anderen Städten zu Krankheitsausbrüchen gekommen ist. Offensichtlich wurde die Seuche durch Flüchtlinge aus den betroffenen Makropolen übertragen.
008.999.M41
Der Tag an sich war nicht besonders ereignisreich, eine angenehme Abwechslung zur Zeit. Aber der Abend hatte es in sich. Seit vier Tagen schaue ich mehrmals täglich die Nachrichten, etwas was ich vorher nicht getan habe. Die Situation zwischen Sarah und mir war immer noch sehr angespannt und wir wollten einfach nur vor dem Vid-Schirm ein wenig zur Ruhe kommen. Dann gaben sie es zum ersten Mal zu. Es war nicht auf einige wenige Makropolen beschränkt! Auch in anderen Teilen des Planeten, ja weltweit kam es zu Ausschreitungen. Ich sah das als Beweis dessen an, was ich schon die ganze Zeit geahnt hatte. Ich schaute zu Sarah hinüber. In ihrem Gesicht konnte ich es sehen. Das Verstehen, das Begreifen, das Entsetzen. Tränen liefen über ihr wunderschönes Gesicht. Ich nahm sie fest in die Arme während sie hemmungslos weinte. Zwischendurch stammelte sie immer wieder etwas von Entschuldigung und das sie mir hätte glauben sollen. Und obwohl ich schon die ganze Zeit davon überzeugt war im Recht zu sein, wurde mir erst in diesem Moment, als der Mensch den ich am meisten liebte auch daran glaubte, bewusst das ich wirklich Recht hatte.
Die Mädchen beginnen immer weiter Fragen zu stellen. Warum dürfen wir nicht draussen spielen? Was baut Papa da im Treppenhaus? Es fällt schwer das ganze von den Kindern fern zu halten, aber bis jetzt gelingt es uns noch. Julia ist zehn. Ich glaube nicht, dass wir ihr noch lange etwas vormachen können.
009.999.M41
Mittlerweile sind in den Läden die ersten Engpässe zu spüren. Alle Menschen beginnen jetzt mit den Hamsterkäufen, obwohl es dafür eigentlich schon zu spät ist. Ich gebe niemandem gegenüber zu, das wir auf Wochen hinaus mit Essen versorgt sind. Auch wenn einige davon meine engsten Freunde sind - man weiß nie wie jemand reagiert, wenn es ums nackte Überleben geht. Da fällt mir ein, dass Herr Kalbik sehr genau beobachtet hat, wie ich unsere Vorräte nach oben geschafft habe. Ich fürchte das das noch zu einem Problem werden könnte, um das ich mich kümmern muss.
Sämtliche Sender sprechen mittlerweile offen über die sogenannten „Seuchenzombies“. Alarmierende aber auch auskunftsreiche Informationen für die Massen. Auf den Straßen ist es jetzt lebensgefährlich und auch von offizieller Seite hat man endlich die Existenz einer Seuche, die offensichtlich unweigerlich zum Tod führt und die Toten als Zombies wieder auferstehen lässt, bestätigt. Ein Biss, ein Kratzer oder sogar eine Berührung einer infizierten Person kann zur Übertragung der Seuche führen. Ich habe unsere Wohnung, so weit es geht verbarrikadiert, solange wir vier unter uns bleiben, sollten wir sicher sein.
010.999.M41
Diese kleine Ratte! Ich wollte nachschauen ob wir noch irgendwelche nützlichen Dinge in unserem Kellerraum haben, da habe ich den Sohn von Kalbiks erwischt, der gerade dabei war die Tür zu unserem Keller aufzubrechen. Ich habe den Knaben sowieso gefressen. Er ist 14 oder 15 Jahre alt, faul und dumm, ein typischer Schmarotzer unserer Gesellschaft. Mehrfach waren wir schon wegen ihm mit seinen Eltern aneinander geraten. Ich sah meine Chance gekommen dem kleinen Bastard alles heimzuzahlen. Als ich drohend auf ihn zuging, landete der Hammer wie von selbst in meiner Hand. Er wich langsam zurück, seine Augen vor Schreck weit aufgerissen. Mit voller Wucht lies ich den Hammer herunter schnellen und hieb nur wenige Zentimeter über seinem Scheitel in die Wand. Er zuckte zusammen und ich ging einen Schritt zur Seite, damit er an mir vorbei konnte.
Kaum war er an mir vorbei, drehte er sich in der Tür noch einmal um und zeigte mir den Mittelfinger. Ich kann mich noch genau an seine Worte erinnern. „Wenn die Zombies dich gekillt haben, fick ich deine Tochter du Wixer!“ Dann drehte er sich um und wollte weglaufen. Umdrehen konnte er sich noch, aber wegzulaufen gelang ihm nicht mehr. Er fiel flach nach vorne, der Zimmermannshammer ragte aus seinem Hinterkopf hervor. Ich war mir noch gar nicht bewusst, das ich den Hammer geworfen hatte, da war sein Körper schon auf dem Boden aufgeschlagen. Ich wollte gar nicht werfen. Glaube ich. Das nächste was ich wieder weiß ist, das ich mit blutüberströmten Händen in unser Nasszelle stand und mir das Blut abwusch.
Jemand hämmert an unsere Tür und schreit. Ich habe Angst, dass diese Wesen auf uns aufmerksam werden. Ich muß mit ihm reden.
011.999.M41
Wenn jetzt noch jemand an unsere Tür klopft, ist es wahrscheinlich einer diese Seuchenzombies. Wir sind jetzt meines Wissens nach die einzigen noch lebenden Menschen im Haus. Es ist erstaunlich wie schnell man sich an das Töten gewöhnt, wenn man es einmal getan hat. Ich hatte damit gerechnet zu töten, als diese ganze Sache angefangen hat. Aber ich hätte eher gedacht das es in Notwehr geschehen würde.
012.999.M41
Wir hatten mit niemandem von aussen Kontakt und trotzdem hat es uns erreicht. Als ich heute morgen ins Kinderzimmer der Mädchen ging um sie zu wecken, hatten sich beide in welche von diesen Dingern verwandelt. Eines der Mädchen muss sich irgendwie angesteckt und seine Schwester in der Nacht gebissen haben. Wir haben überhaupt nichts davon mitbekommen, obwohl unser Zimmer direkt nebenan liegt.
Wir haben es nicht über uns gebracht ihnen etwas anzutun und gemeinsam unter Tränen die Zimmertür vernagelt. Jetzt sitzen wir hier, während das was einmal unsere Töchter waren ohne Unterlass gegen die Tür hämmert.
In mir keimt der Gedanke auf ob es nicht gnädiger gewesen wäre, wenn sie es in der Nacht aus dem Zimmer geschafft und uns ebenfalls im Schlaf getötet hätten. Ich hoffe nur die beiden hatten nicht zuviele Schmerzen.
014.999.M41
Ich bin allein. Sarah hat das Stöhnen und Pochen einfach nicht mehr ausgehalten. Sie kam heute morgen zu mir, umarmte mich, bat mich um Verzeihung und sprang dann ohne weiteres Zögern aus dem Fenster in den sicheren Tod.
Ich war wie erstarrt, habe nicht einmal Anstalten unternommen um sie aufzuhalten. Bestimmt geht es ihr dort, wo sie jetzt ist, besser.
Die Tür zum Kinderzimmer wird nicht ewig halten, aber mir fehlt die Kraft etwas dagegen zu unternehmen. Ich denk ich bleibe einfach noch ein wenig hier sitzen.
025.999.M41
Tagebuchdatei geborgen von Enterkommandos des Kreuzers „Unnachgiebige Härte“ kurz vor der Durchführung eines Exterminatus zur Reinigung des Planeten.
Delian Schuar gilt als vermutetes „Subject Zero“ des Seuchenausbruchs im Mandragora Sektor
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