Die Gosse stinkt so sehr nach menschlichen Ausdünstungen, dass es mir die Galle hochtreibt. In dieser Beziehung steht Buchenhain den Städten des Imperiums in nichts nach, auch wenn die kleine Stadt in den Grenzgrafschaften es größentechnisch nicht mit ihnen aufnehmen kann. Doch wie überall gibt es auch hier ein verrufenes Viertel, in dem sich lichtscheue Gestalten zwischen heruntergekommenen Kaschemmen tummeln.
„Alles in Ordnung mit dir?“, fragt mein Herr mich mit besorgtem Blick.
„Nur Übelkeit“, antworte ich dem Hexenjäger knapp, um möglichst wenig von dem Gestank einzuatmen.
„Verena, wenn du...“, beginnt er, doch ich unterbreche ihn sofort: „Ich schaffe das! Ist ja nicht das erste Mal, dass ich im Dreck für dich wühle, um den Abschaum auszugraben.“ Ein schiefes Lächeln teilt meine Lippen, um meinen Worten wenigstens etwas von der Schärfe zu nehmen. Nur die altbekannte Nervosität.
„Ich meine nur, da braut sich was zusammen.“, äußert der große Mann achselzuckend.
„Hast du jetzt auf Wettervorhersage gewechselt, Arnigisel? Ich bin keine Anfängerin mehr. Wir haben Wochen gebraucht, um die Kerle zu finden, also bringen wir es auch zu Ende.“, versichere ich ihm.
„Gut. Ich verlass mich auf dich.“ Er legt mir die behandschuhte Hand auf die dunklen Haare, ergreift mit der Anderen sein silbernes Hammeramulett und flüstert: „Möge Sigmar über dich wachen.“ Dann dreht er sich um und ich sehe der großen Gestalt mit ihrem langen Wildledermantel und dem breitkrempigen Hut hinterher, bis er in einer Seitengasse verschwindet.
„Hast du alles?“, fragt mich Folkin. Ich sehe den drahtigen Mann an, der im Schatten an einer Hauswand lehnt und mich anzüglich angrinst. Ich kenne ihn nun zwar schon seit drei Jahren, doch er benimmt sich noch so kindisch wie eh und je, wenn ich weniger als meine Lederrüstung trage und wir ein paar Momente allein haben. Ich streiche über mein dunkles Korsett und taste nach den beiden darin versteckten Wurfdolchen und dem Stilett, bevor ich den weinroten, geschlitzten Rock glätte und den Griff des Kurzschwerts im Schaft meines Stiefels ertaste. Ich bin mir bewusst, dass sein Blick an mir klebt, während er sich fahrig mit einer Hand über den schwarzen Dreitagebart fährt.
„Ich lasse dich so ungern allein...“, druckst er herum.
„Danke, aber ich kann auf mich aufpassen“, versichere ich ihm.
„Ja, Arnigisel deutete so etwas an. Aber dennoch wirkst du immer so zerbrechlich“, versucht er es erneut.
„Du kannst nichts zerbrechen, was schon gebrochen ist“, lächle ich verbittert, als ich mich an den Tag erinnere, an dem ich den Hexenjäger zum ersten Mal sah.
„Wie meinst du das?“, fragt Folkin nach. Ich stocke, überlege, ob ich die Kraft habe, an diesen Abschnitt meines Lebens zu denken.
„Ich...war Priesterin der Shallya, wie du weißt. Mein Heiligtum... Es wurde von Chaosanhängern überfallen. Sie töteten die wenigen Wachen und drangen in das Innere Heiligtum ein, wo wir uns versteckten. Nicht einmal dort hatten sie Mitleid mit den Verletzten und ich betete zu Shallya, dass die Schreie endlich aufhören sollten.“
„Und...Was geschah dann?“, hakt er nach, als ich nicht mehr weiterrede.
„Oh, Shallya erhörte mich, doch sie muss einen zynischen Tag gehabt haben, denn anstatt der Sterbenden hörte ich nun das angsterfüllte Kreischen meiner Schwestern. Es gibt Vieles, was eine Frau ertragen kann, doch das war zu viel“, flüstere ich und sehe bekümmert die Gosse entlang in Richtung des Sonnenuntergangs.
„Ich tötete sie mit dem Schwert eines toten Wächters, während sie damit beschäftigt waren, meinen Schwestern die Kleider in Fetzen zu reißen. Damals konnte ich zwar noch nicht mit einem Schwert umgehen, aber gegen drei Bastarde mit heruntergelassenen Hosen hat es gereicht... Arnigisel fand mich Stunden später, nachdem er und seine Gefolgsleute die Chaosanhänger vertrieben hatten.“
„Tut mir leid“, wispert Folkin in die Stille zwischen uns hinein.
„Du kannst nichts dafür“, wehre ich ab. Weitere, ewig erscheinende Sekunden der Stille folgen.
„Dann pass auch weiterhin auf dich auf“, seufzt er schließlich und schlingt sich seine Armbrust mit dem Lederband über den Rücken.
„Ich dachte, das ist deine Aufgabe“, gebe ich zurück. Er sieht mich noch einmal mit einem dieser tiefen Blicke an, beugt sich zu mir hinab und drückt mir einen Kuss auf die Stirn. Folkin hat mir schon mehr als einmal das Leben gerettet. Außerdem hat seine unsichere Art ihn mir sympathisch gemacht, auch wenn ich nicht weiß, wie ein gutaussehender Mann wie er so schüchtern sein kann. Wenn Liebkosungen und Sex nur noch Mittel sind, um ihnen den Kuss des Todes zu geben, verliert man vielleicht den Blick für so etwas.
„Das werde ich“, sagt er sanft und verschwindet auf einen Innenhof, um von dort einen Weg auf die Dächer zu suchen und über mich zu wachen.
Ich atme noch einmal durch, unterdrücke den Würgereiz und gehe aus der Gasse auf die etwas breitere Pflasterstraße, an der sich Spelunken, Wetthallen und Bordelle drängen. Huren, Freier, Taschenspieler und Angetrunkene, mit Sicherheit auch Diebe, Mörder und Hehler tummeln sich auf den abgewetzten Pflastersteinen. Selbst einen bretonischen Ritter in einem abgenutzten Wappenrock sehe ich über die Straße stolzieren.
Doch er ist nicht, wonach ich Ausschau halte. In letzter Zeit verschwanden ein Dutzend Menschen in diesem Viertel, besonders unter den Hübschlerinnen. Die Gerüchte sind farbenfroh, von Sklavenhändlern über miteinander konkurrierende Zuhälter bis hin zu einem Untoten ist mir inzwischen so ziemlich jedes Gerede zu Ohren gekommen, das man sich vorstellen kann. Doch was auch immer an diesen Schauergeschichten wahr sein mag, der hiesige Baron hat an den Wegkreuzungen Hilfsgesuche anschlagen lassen. Arnigisel von Dragen antwortete darauf und deshalb bin ich hier, denn ich bin sein bestes Auge und seine tödlichste Klinge zugleich.
Ich bewies es in den letzten Jahren mehrfach, als ich an der Zerschlagung verschiedener Kulte beteiligt war. Die Blutige Faust, ein Khornekult in Middenheim, der Menschen entführte und sie in brutalen Grubenkämpfen abschlachtete. Die Slaaneshi des Violetten Dorns unter der estalianischen Hexe Estrella, die ich persönlich in die brennenden Tiefen ihres Turmverlieses stieß. Der Zirkel Des Sehenden Auges und die Magier Des Schwebenden Felsens, beides Bruderschaften abtrünniger Magier, die in und um Nuln operierten. Selbst in Altdorf waren wir erfolgreich, als wir die Infiltration führender Patrizierfamilien durch einige Vampire aufdeckten und ausmerzten. Ich denke gerne mit einem grimmigen Lächeln an diese Momente zurück, in denen ich die Schändung meiner Schwestern und meines Heims rächen konnte.
Ich verdränge die Gedanken an vergangene Siege und konzentriere mich wieder auf meine Aufgabe. In den letzten Jahren habe ich gelernt, meine Gefühle zu unterdrücken, um dadurch eine andere Person darstellen zu können und so fand ich vor drei Tagen endlich einen Hinweis auf den Verbleib der Verschwundenen: einer meiner Kunden mit auffälligen Tätowierungen sprach von einer neuen Sekte in der Stadt. Er war offensichtlich ein Kultanhänger, der einfach mit jemandem reden musste und die Hure, mit der er gerade geschlafen hatte, schien ihm gerade recht. Ein armseliger Tor, doch durch ihn erfuhr ich von der so genannten „Tropfenden Klinge“, wie sich der rasch wachsende Kult nennt. Jetzt suche ich seine Anhänger in diesem heruntergekommenen Viertel.
Unauffällig wandere ich mit in die Hüften gestemmten Armen zwischen den werbenden Huren umher und sehe mich um. Mein Blick fällt auf zwei Männer, ein Gedrungener mit fassförmiger Brust und ein hagerer, pockennarbiger Kerl, der noch keine zwanzig Winter gesehen haben kann. Sie wirken wie Söldner mit ihren Lederpanzern und Schwertern, doch der Rest ihrer Kleidung sieht viel zu elegant aus, als dass ein Kriegsknecht sie sich leisten könnte. Langsam schlendere ich näher und frage mit einem becircenden Lächeln:
„Was kann ich für euch zwei stattliche Recken tun?“ Sie mustern mich auffällig, doch ich lächle einfach weiter.
„Nun...Wir bräuchten eine Begleitung für einen ganzen Abend“, äußert der Gedrungene seine Vorstellungen.
„Ein ganzer Abend, Hübscher? Vierhundert Kronen“, verlange ich, während ich verführerisch eine meiner Locken um meinen Finger wickele. Die beiden Männer sehen sich kurz an und der Jüngere nickt, bevor er mit fistelnder Stimme sagt: „Bezahl sie, Lothar.“ Der angesprochene zieht einen Beutel aus seinem Gürtel, wiegt ihn in der Hand und grinst wölfisch: „Behalt den Rest.“
Ich nicke lächelnd, während ich die Börse verstaue. Mein Gespür hat mich nicht getäuscht.
„Folge mir“, meint der Jüngere und setzt sich in Bewegung. Wir schieben uns durch die Menschenmenge und wechseln in eine Seitengasse. Eine Schatten auf den Dächern, nur ein vager Schemen in meinem Augenwinkel, gibt mir die Gewissheit, dass Folkin mir folgt. Ich weiß nicht, wie der drahtige Mann mich zwischen den ganzen umherwandernden Menschen überhaupt im Blick behalten kann.
Der Pockennarbige führt mich auf einen kleinen, abgeschiedenen Hinterhof, auf dem Weinfässer im Schein einer einzelnen Fackel gestapelt sind. Anspannung macht sich in mir breit und ich achte darauf, den Gedrungenen nicht in meinem Rücken zu haben.
„Hier?“, frage ich amüsiert, um nicht aus der Rolle zu fallen.
„Oh, du wirst noch auf deine Kosten kommen“, grollt Lothar heiser, woraufhin ich einen beunruhigten Schritt zurückweiche.
„Weshalb so ängstlich? Ich werde dir nichts tun“, fistelt der Jüngere lachend und dreht sich zu den Schatten hinter ihm um. Ich folge seinem Blick und entdecke einen stämmigen Mann mit den Zügen eines Norse und eine athletisch gebaute Frau mit beängstigend schönen Zügen und dunklen, lockigen Haaren. Ihre eisengrauen Augen mustern mich interessiert.
Es ist das dröhnende Lachen des Nordmannes, das mich einen Moment innehalten lässt, denn es erinnert mich an die Chaosanbeter, die sich an meinen Schwestern vergingen. Hass steigt in mir auf. Ich will nicht noch einmal einen solch grausamen Moment durchleben.
„Im Namen Sigmars, Ihr seid verhaftet“, proklamiere ich mit fester Stimme und suche einen festen Stand. Zuerst schauen mich alle verdutzt an, doch dann beginnen die Männer zu lachen. Die Mundzüge der Dunkelhaarigen umspielt ein amüsiertes Lächeln.
„Schau an, die Hure will spielen“, fistelt der Junge und zieht genüsslich sein Breitschwert. „Mal schauen, ob sie schön quieken kann!“
Ich zwinge mich zur Ruhe, während ich versteckt eines der Wurfmesser aus meinem Korsett ziehe.
„Legt Eure Waffen nieder und ergebt Euch!“, verlange ich beharrlich, was erneutes Lachen unter den Männern hervorruft. Der Fistelnde macht zwei Schritte auf mich zu und hebt sein Schwert. Ich schüttele noch einmal warnend den Kopf. Sein Lachen geht in ein erschrockenes Kreischen über, als mein Wurfmesser sich in seine rechte Schulter bohrt. Sein Schwert fällt zu Boden, als er ungläubig glotzend zu den Fässern zurückweicht und schreit: „Du Miststück! Tötet sie!“
Der Norse hört auf zu lachen, schnaubt und bewegt sich finster starrend auf mich zu, eine schwere Zweihandaxt in den Händen. Ich beginne zu grinsen, während ich Kurzschwert und Stilett zücke. Der Norse mag stark sein, doch er ist unbeweglich. Ich springe aus der Reichweite des ersten Schlages, ducke mich unter dem zweiten hinweg und ziehe dem Mann das Kurzschwert über die Bauchmuskeln, während ich mit einer Pirouette an ihm vorbeitänzele. Er grunzt erstaunt und schmerzerfüllt auf, doch er ist zu stur, um einfach zu Boden zu gehen. Brüllend wie ein Stier reißt er seine Axt herum und versucht mich von der Hüfte bis zur Schulter zu spalten.
Er ist zu langsam, denn ich drehe mich aus der Schlagrichtung und trete ihm seitlich gegen das Knie, dass es knackt. Der Norse geht zu Boden, gepeinigt keuchend und sich vor Schmerzen windend. Sein Bein steht in einem unnatürlichen Winkel ab.
Ich sehe über meine Schulter und sehe den Gedrungenen schreiend auf mich zu rennen, doch der Bolzen in seiner Brust streckt ihn nieder.
Folkin greift also doch noch in das Geschehen ein. Wird ja auch Zeit.
Das Lächeln der Dunkelhaarigen weicht nicht von ihren wunderschönen Zügen, als ich mich ihr nähere.
„Ergebt Euch“, verlange ich erneut.
„Warum sollte ich mich einer Schwester im Geiste ergeben?“, fragt sie mit honigsüßer Stimme.
„Was?“ Ich bin viel zu überrascht von der Frage, als dass ich meine Fassung wahren könnte.
„Du bist wie ich, tötest mit Eleganz und Präzision. Und du empfindest Freude dabei. Khaine hat seine Freude an deinen Opfern“, lächelt sie und breitet die Arme aus, so dass ich den hautengen Lederpanzer unter ihrem dunkelvioletten Umhang erkennen kann.
„Oh nein. Ich töte nicht für irgendeinen blasphemischen Gott. Ich töte all jene, die das Imperium zu zerstören trachten!“
„Meinst du, es interessiert den blutbefleckten Gott, wofür du tötest? Er sieht und erfreut sich an deinen Taten, Schwester.“
„Ich bin nicht deine Schwester“, zische ich erbost, denn es ist eine Beleidigung, von solch einer Wahnsinnigen so genannt zu werden. Ihre Augen scheinen vor Ekstase zu glühen, als sie zwei gewellte Kurzschwerter aus ihrem Gürtel zieht.
„Dann stirb zu seinen Ehren“, lacht sie hysterisch und greift an. Sie ist schnell, beinahe zu schnell für mich. Im letzten Moment kann ich ihren Angriff parieren und aus ihrer Reichweite springen, doch ich kann nicht durchatmen. Sie folgt mir und attackiert erneut. Allein die Erfahrungen der letzten sechs Jahre lässt mich die Angriffe überleben, doch sie setzt mir immer mehr zu, gibt mir keine Atempause und dringt immer schneller auf mich ein. Ich wirbele herum, um einem geraden Stoß zu entgehen und schlage nach ihr, doch mein Angriff scheitert an ihrer zweiten Klinge. Ich versuche noch mit meinem Stilett zuzustoßen, als ich merke, wie die Dunkelhaarige mir eines ihrer Kurzschwerter über den rechten Oberschenkel zieht. Schmerzen durchzucken mein Bein.
Ich hinke keuchend zurück und hebe meine Waffen zur Parade, doch die Wahnsinnige folgt mir nicht. Sie lacht auf und leckt genüsslich mein Blut von der gewellten Klinge. Ihr Blick und ihr Lächeln sind eine einzige Herausforderung. Mit einem wütenden Aufschrei beginne ich einen Angriff gegen ihren Hals, doch der kräftige Hieb ist nur eine Finte, denn im letzten Moment drehe ich meinen Oberkörper und ramme mein Stilett von unten nach oben. Ich kann es nicht glauben, doch der Angriff geht ins Leere und ich verspüre den schmerzhaften Biss einer Klinge auf meinem Schulterblatt. Ich schreie erneut, dieses Mal jedoch wegen der Schmerzen, als ich herumwirbele und einen horizontalen Schnitt gegen ihren Bauch führe. Wieder klirrt mein Kurzschwert gegen Ihres. Ich lasse eine Drehung folgen, um in ihrem Rücken zu landen und mit meinem Stilett ihren Nacken zu durchstoßen.
Die Dunkelhaarige duckt sich unter meiner Klinge hinweg und tritt mir ihren Stiefelabsatz in den Schnitt auf meinem Oberschenkel, so dass ich vor Schmerzen schreiend in die Knie gehe. Ich versuche, wieder auf die Füße zu kommen, doch mein Bein versagt mir den Dienst. Durch Tränen hindurch erkenne ich, wie sie sich genüsslich lächelnd über mir aufbaut. Ich ringe mit der Ohnmacht. Diese Genugtuung kann ich ihr nicht geben.
„Oh, dein Opfer wird Khaine mit Sicherheit hoch erfreuen“, flüstert sie, vor Erregung heiser, bevor sie ihr Schwert zum finalen Stoß hebt. Plötzlich dreht sie sich weg. Ein Bolzen zischt an ihr vorbei und schlägt klirrend auf das Kopfsteinpflaster.
Ich weiß, dass ich nur diese eine Chance habe und drücke mich schreiend vom Boden ab. Mit aller Kraft springe ich die Wahnsinnige an und stoße ihr mein Stilett zwischen die Rippen. Einen Moment sieht sie mich aus erstaunt aufgerissenen Augen an.
Dann fällt sie zu Boden. Blut fließt aus ihrem Mundwinkel, als sie mich noch einmal anlächelt.
„Ein würdiges Opfer“, japst sie noch, bevor ihr Blick bricht.
Ich hocke lange neben ihr, schaue auf sie hinab und denke darüber nach, ob sie nicht vielleicht doch Recht mit ihren Worten hatte.
Irgendwann bemerke ich, dass Folkin neben mich getreten ist. Stadtwächter verhaften die Verletzten, halten jedoch respektvoll Abstand zu mir.
„Sie meinte, ich sei wie sie...“, beginne ich, doch er unterbricht mich sanft: „Tugend und Wahnsinn sind nahe beieinander.“
„Aber wie können wir es unterscheiden?“, will ich wissen. Verzweiflung schleicht sich in meine Stimme.
Folkin nimmt mich in den Arm und ich lasse es geschehen, denn ich weiß nicht, was ich tun soll.
„Manchmal ist es fast das Selbe und nur der Zweck, wofür wir es tun, unterscheidet zwischen einer ehrenhaften und einer schändlichen Tat.“
„Vielleicht hast du Recht“, flüstere ich.
„Alles in Ordnung mit dir?“, fragt mein Herr mich mit besorgtem Blick.
„Nur Übelkeit“, antworte ich dem Hexenjäger knapp, um möglichst wenig von dem Gestank einzuatmen.
„Verena, wenn du...“, beginnt er, doch ich unterbreche ihn sofort: „Ich schaffe das! Ist ja nicht das erste Mal, dass ich im Dreck für dich wühle, um den Abschaum auszugraben.“ Ein schiefes Lächeln teilt meine Lippen, um meinen Worten wenigstens etwas von der Schärfe zu nehmen. Nur die altbekannte Nervosität.
„Ich meine nur, da braut sich was zusammen.“, äußert der große Mann achselzuckend.
„Hast du jetzt auf Wettervorhersage gewechselt, Arnigisel? Ich bin keine Anfängerin mehr. Wir haben Wochen gebraucht, um die Kerle zu finden, also bringen wir es auch zu Ende.“, versichere ich ihm.
„Gut. Ich verlass mich auf dich.“ Er legt mir die behandschuhte Hand auf die dunklen Haare, ergreift mit der Anderen sein silbernes Hammeramulett und flüstert: „Möge Sigmar über dich wachen.“ Dann dreht er sich um und ich sehe der großen Gestalt mit ihrem langen Wildledermantel und dem breitkrempigen Hut hinterher, bis er in einer Seitengasse verschwindet.
„Hast du alles?“, fragt mich Folkin. Ich sehe den drahtigen Mann an, der im Schatten an einer Hauswand lehnt und mich anzüglich angrinst. Ich kenne ihn nun zwar schon seit drei Jahren, doch er benimmt sich noch so kindisch wie eh und je, wenn ich weniger als meine Lederrüstung trage und wir ein paar Momente allein haben. Ich streiche über mein dunkles Korsett und taste nach den beiden darin versteckten Wurfdolchen und dem Stilett, bevor ich den weinroten, geschlitzten Rock glätte und den Griff des Kurzschwerts im Schaft meines Stiefels ertaste. Ich bin mir bewusst, dass sein Blick an mir klebt, während er sich fahrig mit einer Hand über den schwarzen Dreitagebart fährt.
„Ich lasse dich so ungern allein...“, druckst er herum.
„Danke, aber ich kann auf mich aufpassen“, versichere ich ihm.
„Ja, Arnigisel deutete so etwas an. Aber dennoch wirkst du immer so zerbrechlich“, versucht er es erneut.
„Du kannst nichts zerbrechen, was schon gebrochen ist“, lächle ich verbittert, als ich mich an den Tag erinnere, an dem ich den Hexenjäger zum ersten Mal sah.
„Wie meinst du das?“, fragt Folkin nach. Ich stocke, überlege, ob ich die Kraft habe, an diesen Abschnitt meines Lebens zu denken.
„Ich...war Priesterin der Shallya, wie du weißt. Mein Heiligtum... Es wurde von Chaosanhängern überfallen. Sie töteten die wenigen Wachen und drangen in das Innere Heiligtum ein, wo wir uns versteckten. Nicht einmal dort hatten sie Mitleid mit den Verletzten und ich betete zu Shallya, dass die Schreie endlich aufhören sollten.“
„Und...Was geschah dann?“, hakt er nach, als ich nicht mehr weiterrede.
„Oh, Shallya erhörte mich, doch sie muss einen zynischen Tag gehabt haben, denn anstatt der Sterbenden hörte ich nun das angsterfüllte Kreischen meiner Schwestern. Es gibt Vieles, was eine Frau ertragen kann, doch das war zu viel“, flüstere ich und sehe bekümmert die Gosse entlang in Richtung des Sonnenuntergangs.
„Ich tötete sie mit dem Schwert eines toten Wächters, während sie damit beschäftigt waren, meinen Schwestern die Kleider in Fetzen zu reißen. Damals konnte ich zwar noch nicht mit einem Schwert umgehen, aber gegen drei Bastarde mit heruntergelassenen Hosen hat es gereicht... Arnigisel fand mich Stunden später, nachdem er und seine Gefolgsleute die Chaosanhänger vertrieben hatten.“
„Tut mir leid“, wispert Folkin in die Stille zwischen uns hinein.
„Du kannst nichts dafür“, wehre ich ab. Weitere, ewig erscheinende Sekunden der Stille folgen.
„Dann pass auch weiterhin auf dich auf“, seufzt er schließlich und schlingt sich seine Armbrust mit dem Lederband über den Rücken.
„Ich dachte, das ist deine Aufgabe“, gebe ich zurück. Er sieht mich noch einmal mit einem dieser tiefen Blicke an, beugt sich zu mir hinab und drückt mir einen Kuss auf die Stirn. Folkin hat mir schon mehr als einmal das Leben gerettet. Außerdem hat seine unsichere Art ihn mir sympathisch gemacht, auch wenn ich nicht weiß, wie ein gutaussehender Mann wie er so schüchtern sein kann. Wenn Liebkosungen und Sex nur noch Mittel sind, um ihnen den Kuss des Todes zu geben, verliert man vielleicht den Blick für so etwas.
„Das werde ich“, sagt er sanft und verschwindet auf einen Innenhof, um von dort einen Weg auf die Dächer zu suchen und über mich zu wachen.
Ich atme noch einmal durch, unterdrücke den Würgereiz und gehe aus der Gasse auf die etwas breitere Pflasterstraße, an der sich Spelunken, Wetthallen und Bordelle drängen. Huren, Freier, Taschenspieler und Angetrunkene, mit Sicherheit auch Diebe, Mörder und Hehler tummeln sich auf den abgewetzten Pflastersteinen. Selbst einen bretonischen Ritter in einem abgenutzten Wappenrock sehe ich über die Straße stolzieren.
Doch er ist nicht, wonach ich Ausschau halte. In letzter Zeit verschwanden ein Dutzend Menschen in diesem Viertel, besonders unter den Hübschlerinnen. Die Gerüchte sind farbenfroh, von Sklavenhändlern über miteinander konkurrierende Zuhälter bis hin zu einem Untoten ist mir inzwischen so ziemlich jedes Gerede zu Ohren gekommen, das man sich vorstellen kann. Doch was auch immer an diesen Schauergeschichten wahr sein mag, der hiesige Baron hat an den Wegkreuzungen Hilfsgesuche anschlagen lassen. Arnigisel von Dragen antwortete darauf und deshalb bin ich hier, denn ich bin sein bestes Auge und seine tödlichste Klinge zugleich.
Ich bewies es in den letzten Jahren mehrfach, als ich an der Zerschlagung verschiedener Kulte beteiligt war. Die Blutige Faust, ein Khornekult in Middenheim, der Menschen entführte und sie in brutalen Grubenkämpfen abschlachtete. Die Slaaneshi des Violetten Dorns unter der estalianischen Hexe Estrella, die ich persönlich in die brennenden Tiefen ihres Turmverlieses stieß. Der Zirkel Des Sehenden Auges und die Magier Des Schwebenden Felsens, beides Bruderschaften abtrünniger Magier, die in und um Nuln operierten. Selbst in Altdorf waren wir erfolgreich, als wir die Infiltration führender Patrizierfamilien durch einige Vampire aufdeckten und ausmerzten. Ich denke gerne mit einem grimmigen Lächeln an diese Momente zurück, in denen ich die Schändung meiner Schwestern und meines Heims rächen konnte.
Ich verdränge die Gedanken an vergangene Siege und konzentriere mich wieder auf meine Aufgabe. In den letzten Jahren habe ich gelernt, meine Gefühle zu unterdrücken, um dadurch eine andere Person darstellen zu können und so fand ich vor drei Tagen endlich einen Hinweis auf den Verbleib der Verschwundenen: einer meiner Kunden mit auffälligen Tätowierungen sprach von einer neuen Sekte in der Stadt. Er war offensichtlich ein Kultanhänger, der einfach mit jemandem reden musste und die Hure, mit der er gerade geschlafen hatte, schien ihm gerade recht. Ein armseliger Tor, doch durch ihn erfuhr ich von der so genannten „Tropfenden Klinge“, wie sich der rasch wachsende Kult nennt. Jetzt suche ich seine Anhänger in diesem heruntergekommenen Viertel.
Unauffällig wandere ich mit in die Hüften gestemmten Armen zwischen den werbenden Huren umher und sehe mich um. Mein Blick fällt auf zwei Männer, ein Gedrungener mit fassförmiger Brust und ein hagerer, pockennarbiger Kerl, der noch keine zwanzig Winter gesehen haben kann. Sie wirken wie Söldner mit ihren Lederpanzern und Schwertern, doch der Rest ihrer Kleidung sieht viel zu elegant aus, als dass ein Kriegsknecht sie sich leisten könnte. Langsam schlendere ich näher und frage mit einem becircenden Lächeln:
„Was kann ich für euch zwei stattliche Recken tun?“ Sie mustern mich auffällig, doch ich lächle einfach weiter.
„Nun...Wir bräuchten eine Begleitung für einen ganzen Abend“, äußert der Gedrungene seine Vorstellungen.
„Ein ganzer Abend, Hübscher? Vierhundert Kronen“, verlange ich, während ich verführerisch eine meiner Locken um meinen Finger wickele. Die beiden Männer sehen sich kurz an und der Jüngere nickt, bevor er mit fistelnder Stimme sagt: „Bezahl sie, Lothar.“ Der angesprochene zieht einen Beutel aus seinem Gürtel, wiegt ihn in der Hand und grinst wölfisch: „Behalt den Rest.“
Ich nicke lächelnd, während ich die Börse verstaue. Mein Gespür hat mich nicht getäuscht.
„Folge mir“, meint der Jüngere und setzt sich in Bewegung. Wir schieben uns durch die Menschenmenge und wechseln in eine Seitengasse. Eine Schatten auf den Dächern, nur ein vager Schemen in meinem Augenwinkel, gibt mir die Gewissheit, dass Folkin mir folgt. Ich weiß nicht, wie der drahtige Mann mich zwischen den ganzen umherwandernden Menschen überhaupt im Blick behalten kann.
Der Pockennarbige führt mich auf einen kleinen, abgeschiedenen Hinterhof, auf dem Weinfässer im Schein einer einzelnen Fackel gestapelt sind. Anspannung macht sich in mir breit und ich achte darauf, den Gedrungenen nicht in meinem Rücken zu haben.
„Hier?“, frage ich amüsiert, um nicht aus der Rolle zu fallen.
„Oh, du wirst noch auf deine Kosten kommen“, grollt Lothar heiser, woraufhin ich einen beunruhigten Schritt zurückweiche.
„Weshalb so ängstlich? Ich werde dir nichts tun“, fistelt der Jüngere lachend und dreht sich zu den Schatten hinter ihm um. Ich folge seinem Blick und entdecke einen stämmigen Mann mit den Zügen eines Norse und eine athletisch gebaute Frau mit beängstigend schönen Zügen und dunklen, lockigen Haaren. Ihre eisengrauen Augen mustern mich interessiert.
Es ist das dröhnende Lachen des Nordmannes, das mich einen Moment innehalten lässt, denn es erinnert mich an die Chaosanbeter, die sich an meinen Schwestern vergingen. Hass steigt in mir auf. Ich will nicht noch einmal einen solch grausamen Moment durchleben.
„Im Namen Sigmars, Ihr seid verhaftet“, proklamiere ich mit fester Stimme und suche einen festen Stand. Zuerst schauen mich alle verdutzt an, doch dann beginnen die Männer zu lachen. Die Mundzüge der Dunkelhaarigen umspielt ein amüsiertes Lächeln.
„Schau an, die Hure will spielen“, fistelt der Junge und zieht genüsslich sein Breitschwert. „Mal schauen, ob sie schön quieken kann!“
Ich zwinge mich zur Ruhe, während ich versteckt eines der Wurfmesser aus meinem Korsett ziehe.
„Legt Eure Waffen nieder und ergebt Euch!“, verlange ich beharrlich, was erneutes Lachen unter den Männern hervorruft. Der Fistelnde macht zwei Schritte auf mich zu und hebt sein Schwert. Ich schüttele noch einmal warnend den Kopf. Sein Lachen geht in ein erschrockenes Kreischen über, als mein Wurfmesser sich in seine rechte Schulter bohrt. Sein Schwert fällt zu Boden, als er ungläubig glotzend zu den Fässern zurückweicht und schreit: „Du Miststück! Tötet sie!“
Der Norse hört auf zu lachen, schnaubt und bewegt sich finster starrend auf mich zu, eine schwere Zweihandaxt in den Händen. Ich beginne zu grinsen, während ich Kurzschwert und Stilett zücke. Der Norse mag stark sein, doch er ist unbeweglich. Ich springe aus der Reichweite des ersten Schlages, ducke mich unter dem zweiten hinweg und ziehe dem Mann das Kurzschwert über die Bauchmuskeln, während ich mit einer Pirouette an ihm vorbeitänzele. Er grunzt erstaunt und schmerzerfüllt auf, doch er ist zu stur, um einfach zu Boden zu gehen. Brüllend wie ein Stier reißt er seine Axt herum und versucht mich von der Hüfte bis zur Schulter zu spalten.
Er ist zu langsam, denn ich drehe mich aus der Schlagrichtung und trete ihm seitlich gegen das Knie, dass es knackt. Der Norse geht zu Boden, gepeinigt keuchend und sich vor Schmerzen windend. Sein Bein steht in einem unnatürlichen Winkel ab.
Ich sehe über meine Schulter und sehe den Gedrungenen schreiend auf mich zu rennen, doch der Bolzen in seiner Brust streckt ihn nieder.
Folkin greift also doch noch in das Geschehen ein. Wird ja auch Zeit.
Das Lächeln der Dunkelhaarigen weicht nicht von ihren wunderschönen Zügen, als ich mich ihr nähere.
„Ergebt Euch“, verlange ich erneut.
„Warum sollte ich mich einer Schwester im Geiste ergeben?“, fragt sie mit honigsüßer Stimme.
„Was?“ Ich bin viel zu überrascht von der Frage, als dass ich meine Fassung wahren könnte.
„Du bist wie ich, tötest mit Eleganz und Präzision. Und du empfindest Freude dabei. Khaine hat seine Freude an deinen Opfern“, lächelt sie und breitet die Arme aus, so dass ich den hautengen Lederpanzer unter ihrem dunkelvioletten Umhang erkennen kann.
„Oh nein. Ich töte nicht für irgendeinen blasphemischen Gott. Ich töte all jene, die das Imperium zu zerstören trachten!“
„Meinst du, es interessiert den blutbefleckten Gott, wofür du tötest? Er sieht und erfreut sich an deinen Taten, Schwester.“
„Ich bin nicht deine Schwester“, zische ich erbost, denn es ist eine Beleidigung, von solch einer Wahnsinnigen so genannt zu werden. Ihre Augen scheinen vor Ekstase zu glühen, als sie zwei gewellte Kurzschwerter aus ihrem Gürtel zieht.
„Dann stirb zu seinen Ehren“, lacht sie hysterisch und greift an. Sie ist schnell, beinahe zu schnell für mich. Im letzten Moment kann ich ihren Angriff parieren und aus ihrer Reichweite springen, doch ich kann nicht durchatmen. Sie folgt mir und attackiert erneut. Allein die Erfahrungen der letzten sechs Jahre lässt mich die Angriffe überleben, doch sie setzt mir immer mehr zu, gibt mir keine Atempause und dringt immer schneller auf mich ein. Ich wirbele herum, um einem geraden Stoß zu entgehen und schlage nach ihr, doch mein Angriff scheitert an ihrer zweiten Klinge. Ich versuche noch mit meinem Stilett zuzustoßen, als ich merke, wie die Dunkelhaarige mir eines ihrer Kurzschwerter über den rechten Oberschenkel zieht. Schmerzen durchzucken mein Bein.
Ich hinke keuchend zurück und hebe meine Waffen zur Parade, doch die Wahnsinnige folgt mir nicht. Sie lacht auf und leckt genüsslich mein Blut von der gewellten Klinge. Ihr Blick und ihr Lächeln sind eine einzige Herausforderung. Mit einem wütenden Aufschrei beginne ich einen Angriff gegen ihren Hals, doch der kräftige Hieb ist nur eine Finte, denn im letzten Moment drehe ich meinen Oberkörper und ramme mein Stilett von unten nach oben. Ich kann es nicht glauben, doch der Angriff geht ins Leere und ich verspüre den schmerzhaften Biss einer Klinge auf meinem Schulterblatt. Ich schreie erneut, dieses Mal jedoch wegen der Schmerzen, als ich herumwirbele und einen horizontalen Schnitt gegen ihren Bauch führe. Wieder klirrt mein Kurzschwert gegen Ihres. Ich lasse eine Drehung folgen, um in ihrem Rücken zu landen und mit meinem Stilett ihren Nacken zu durchstoßen.
Die Dunkelhaarige duckt sich unter meiner Klinge hinweg und tritt mir ihren Stiefelabsatz in den Schnitt auf meinem Oberschenkel, so dass ich vor Schmerzen schreiend in die Knie gehe. Ich versuche, wieder auf die Füße zu kommen, doch mein Bein versagt mir den Dienst. Durch Tränen hindurch erkenne ich, wie sie sich genüsslich lächelnd über mir aufbaut. Ich ringe mit der Ohnmacht. Diese Genugtuung kann ich ihr nicht geben.
„Oh, dein Opfer wird Khaine mit Sicherheit hoch erfreuen“, flüstert sie, vor Erregung heiser, bevor sie ihr Schwert zum finalen Stoß hebt. Plötzlich dreht sie sich weg. Ein Bolzen zischt an ihr vorbei und schlägt klirrend auf das Kopfsteinpflaster.
Ich weiß, dass ich nur diese eine Chance habe und drücke mich schreiend vom Boden ab. Mit aller Kraft springe ich die Wahnsinnige an und stoße ihr mein Stilett zwischen die Rippen. Einen Moment sieht sie mich aus erstaunt aufgerissenen Augen an.
Dann fällt sie zu Boden. Blut fließt aus ihrem Mundwinkel, als sie mich noch einmal anlächelt.
„Ein würdiges Opfer“, japst sie noch, bevor ihr Blick bricht.
Ich hocke lange neben ihr, schaue auf sie hinab und denke darüber nach, ob sie nicht vielleicht doch Recht mit ihren Worten hatte.
Irgendwann bemerke ich, dass Folkin neben mich getreten ist. Stadtwächter verhaften die Verletzten, halten jedoch respektvoll Abstand zu mir.
„Sie meinte, ich sei wie sie...“, beginne ich, doch er unterbricht mich sanft: „Tugend und Wahnsinn sind nahe beieinander.“
„Aber wie können wir es unterscheiden?“, will ich wissen. Verzweiflung schleicht sich in meine Stimme.
Folkin nimmt mich in den Arm und ich lasse es geschehen, denn ich weiß nicht, was ich tun soll.
„Manchmal ist es fast das Selbe und nur der Zweck, wofür wir es tun, unterscheidet zwischen einer ehrenhaften und einer schändlichen Tat.“
„Vielleicht hast du Recht“, flüstere ich.
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