[Archiv] [Storywettbewerb Herbst 08] [WH40K] "Staub" — PLATZ 1

SHOKer

Mentor der flinken Federn
03. Februar 2006
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Ein grauer, fahler Schleier lag über den Ruinen, die sich wie die emporgereckten Finger einer skelettierten Hand gegen das dämmrige, blutige Rot der sterbenden Abendsonne abzeichneten. Die Ruinen waren überall, füllten das Blickfeld in jede Richtung. Jemand, der einmal einen Baum gesehen hatte, hätte die die ganze Senke ausfüllenden Überreste der Stadt mit einem endlosen, grotesken Wald aus zerschmettertem Stahl, Granit, Beton und Marmor vergleichen können. Einem Wald, einst gewachsen auf Teer und Asphalt, nun wurzelnd in Geröll und Trümmern, Leichenbergen und Pfützen schmutzigen Wassers.
Janus Eberich hatte nie einen Wald gesehen. Er war hier geboren, in der Makropole, nicht weit von dem Lagerhaus, an dessen von einem Granateinschlag zu einem gähnenden Loch in der Fassade aufgerissenen Fenster er stand und betrachtete, was aus seiner Heimat geworden war.
Ein Schlachtfeld. Der Ort, an dem das Schicksal der Menschheit entschieden wurde, wie der Kommissar stets sagte. Wieder und wieder. An vielen Orten in der Galaxis.
Der Kommissar musste es wissen. Er war dort gewesen, zwischen den Sternen. Er hatte auf vielen Welten gekämpft, und er trug die Narben und Verstümmelungen, um es zu beweisen. Seine Worte lagen Janus noch immer im Ohr, als er nachdenklich die Rauchfahnen betrachtete, die im Osten über den Raffinerien aufstiegen, von wo seit Tagen ununterbrochen Gefechtslärm herüberdrang. Dort wurden Panzer und schwere Artillerie eingesetzt, von beiden Seiten. Die Imperialen legten die Anlagen unter Sperrfeuer, und die Orks antworteten mit der ihnen eigenen Aggressivität. Jeden Vorstoß beantworteten sie mit einer Gegenoffensive. Jede Verstärkung der Verteidigungslinien nahmen sie als Herausforderung. Jeden Stellungswechsel feierten sie grölend als kleinen Sieg.
Janus hasste die Orks. Als Junge hatte er gelernt, dass ein Mensch, der reinen Herzens und dem Imperator gefällig war, den Verräter, den Ketzer, den Mutanten und das Alien hassen musste. Er hatte es von den Predigern gehört. Er hatte es von seinen Lehrern gehört. Er hatte es sogar von seinen Eltern gehört. Und stets hatte er geglaubt, dass er ausreichend Hass in seinem Herzen trug, so wie man es von ihm verlangte.
Doch erst als die Orks nach Alvenheim gekommen waren, hatte Janus Eberich verstanden, was Hass wirklich bedeutete. Nun füllte der Gedanke an seine Eltern, seine Freunde, seine Lehrer, die allesamt tot unter den Trümmern lagen oder, wenn sie das zweifelhafte Glück gehabt hatten, zu überleben, in einem Flüchtlingslager vegetierten, sein Herz mit jenem kalten, bitteren Sud, den die menschliche Natur aus Verzweiflung, Angst und Wut destillierte: Hass.
Er wandte den Blick von den Rauchsäulen ab. Unter ihm lag die Straße, die er als Junge oft entlang gelaufen war, aufgerissen und bedeckt von Trümmern. Mehrere Autowracks waren während der Kämpfe in den letzten Wochen an den Kreuzungen zu Barrikaden zusammengeschoben worden. Auf dem kleinen Spielplatz neben der Kapelle schwelte noch immer eine ausgebrannte Chimäre vor sich hin. Rund um die ausgebombten Grundmauern des kleinen Kiosk, an dem Janus in seiner Kindheit oft Süßigkeiten gekauft hatte, wenn sein mageres Taschengeld es zuließ, lagen Zeitungsfetzen verstreut. Zwischen den Schutthaufen huschten im Zwielicht Ratten. Ihr Quieken und Fiepen war manchmal selbst über den fernen Lärm des Artilleriefeuers und das nähere Rattern von Feuerstößen zu hören.
Janus fühlte, wie sich seine Kiefermuskeln anspannten. Zwischen seinen zusammengebissenen Zähnen knirschten Staubkörner, Spuren des feingemahlenen, steinernen Skeletts seiner Heimatstadt. Nach wochenlangen Häuserkämpfen war der Staub überall. Auf seinen Kleidern, seiner Waffe, seiner Haut. In seinen brennenden, tränenden Augen, seinem ausgetrockneten Mund, seiner rauen Kehle, seiner schmerzenden Lunge. Mit jedem Schluck abgestandenen Wassers aus der Feldflasche, jedem Bissen von den zähen und pappigen Rationen, jedem erschöpften Atemzug nahm er seine sterbende Heimat in sich auf.
Seine Kehle brannte bei dem Gedanken. Er fühlte eine Träne auf seiner Wange, heiß im kalten Wind des Abends, der mit tausenden Nadeln immer wieder auf seine Haut einstach. Er unterdrückte ein Schluchzen, schalt sich selbst einen Narren. Seine klamme, steife Rechte fasste den Trageriemen des Lasergewehrs um seine Schulter fester.
Er war ein Soldat des Imperators. Schwäche war nicht akzeptabel.
Ein plötzliches Scharren hinter ihm ließ ihn herumfahren. Das Lasergewehr rutschte fast wie von selbst von seiner Schulter, seine Hand umfing das Griffstück. Seine Reflexe brachten die Mündung hoch, das Visier vor sein Auge, den Kolben gegen seine Schulter noch bevor er darüber nachdenken konnte.
Doch der Andere war schneller. Eine kräftige Hand drückte die Waffe zur Seite weg, gegen Janus’ Brust. Seine eigene Bewegung und die Kraft seines Gegenübers brachten ihn aus dem Gleichgewicht. Er stolperte rückwärts, sein Rücken stieß gegen die Wand, einen guten Schritt von dem gähnenden Loch in der Außenmauer entfernt. Der Andere drängte nach, den Griff um den lauf der Waffe aufrecht erhaltend.
Janus knurrte, stemmte sich gegen den Widerstand seines Gegners, wollte die Waffe erneut in Anschlag bringen, hatte den Daumen schon am Feuerwahlhebel, als er Sergeant Karlsbad erkannte. Seine dunklen Augen blitzten Janus wütend aus dem von Dreck und Tarnschminke verschmierten Gesicht an. Augenblicklich ließ Janus das Gewehr los. Karlsbad entriss es ihm, trat einen Schritt zurück. Mit bebenden Schultern sah der stämmige Unteroffizier Janus an. Seine Kiefer mahlten stumm, während seine Hände, an denen vor Anspannung die Adern hervortraten, das Lasergewehr schier entzweizubrechen drohten.
„Was ist los mit dir, Eberich?!“ bellte der Sergeant schließlich. Sein Brüllen hallte in dem ansonsten leeren Raum wieder, wahrscheinlich noch draußen auf der Straße. „Warum stehst du da an dem Fenster? Wartest du auf einen verdammten Scharfschützen?!“ Er senkte das Gewehr, hielt es nur noch in der Linken, war mit einem Schritt wieder direkt vor Janus. Wuchtig schlug er ihn gegen die Brust. Janus strauchelte, stieß mit dem Oberschenkel gegen das massige Gehäuse des Kettenschwerts an Karlsbads Hüfte. Der Schmerz ließ ihn keuchen.
Karlsbad fing Janus ab, brachte ihn mit einem Ruck zum Stehen. Seine flache Hand traf Janus’ Wange unter dem Dreischichthelm, trieb das Kinnstück schmerzhaft gegen seinen Kiefer. Janus verschluckte sich an seinem Speichel, krümmte sich hustend und würgend. Er brachte die Hände nach oben, schirmte das Gesicht gegen weitere Schläge.
„Was ist los, verdammt?!“
Karlsbad kannte keine Nachsicht. Klappernd fiel Janus’ Gewehr zu Boden, als der Sergeant ihn mit beiden Händen an der Armaplastweste packte und erneut gegen die Wand stieß. Seine Finger legten sich wie Schraubstöcke um Janus’ Unterarme, zogen seine Deckung nach unten, zwangen ihn, Karlsbad anzusehen.
„Ich... Ich wollte heraussehen...“ brachte Janus hervor. „Nur heraussehen, Sergeant.“
Karlsbads Helmkante stieß gegen Janus’ Kinn. Er war einen halben Kopf größer als der Sergeant, aber dieser war kräftiger und breiter gebaut, ein ehemaliger Vorarbeiter aus einem der unzähligen Manufaktorien. „Und warum, du Idiot?! Was ist da draußen, dass man es unbedingt sehen muss?“ Der unbändige Zorn in seiner Stimme war unverkennbar, doch nun ließ er von Janus ab, lockerte den Griff seiner Fäuste.
„Ich... habe hier gelebt.“, versuchte sich Janus zu erklären. Seine Stimme war leise, bittend. „Ich bin hier aufgewachsen.“
Der Sergeant ließ ihn los. Kopfschüttelnd trat er zurück, spuckte verächtlich aus. „Wir haben alle hier gelebt, Eberich. Wir leben immer noch hier. Deshalb kämpfen wir um diesen Trümmerhaufen da draußen.“, schnarrte er. Seine Linke beschrieb einen Bogen, deutete auf das Panorama, das sich durch das Loch in der Wand zeigte. Er bückte sich nach dem heruntergefallenen Gewehr, hob es auf und hielt es Janus hin.
„Nimm schon!“, sagte er, als Janus zögernd dastand.
Mit zitternden Händen nahm Janus die Waffe entgegen.
Karlsbad schnaubte. „Gut. Jetzt runter mit dir. Wir rücken aus.“ Der Sergeant drehte sich um und ging durch die offen stehende Tür hinaus in den dunklen Flur. Janus hörte die Schritte seiner schweren Stiefel auf der Metalltreppe.
Er schulterte das Gewehr und folgte ihm. Im Türrahmen blieb er stehen und blickte noch einmal zurück durch das Loch in der Außenmauer. Am Horizont versank der glühende Feuerball nun endgültig hinter den schwarz aufragenden Ruinen.

Karlsbad nickte nur, als Janus die Treppe herunterkam und direkt auf seinen Schlafplatz zuhielt, wo sein Rucksack neben dem ausgebreiteten Schlafsack abgestellt war. Mit schnellen, routinierten Handgriffen rollte er den Schlafsack zusammen, verstaute ihn in der Hülle, schallte ihn unter dem Rucksack fest. Er überprüfte den Sitz der Ausrüstung an seinem Koppel. Klappspaten, Wasserflasche, Kampfmesser, Reservemagazine, Granaten, der Kanister mit der Schutzmaske: Alles saß fest an seinem Platz.
Neben ihm tat ein halbes Dutzend Männer dasselbe. Gruner, Feierjahn, Buchwitz, Drohser, Ingolheim und Wandnitz. Männer, die nach sechs Monaten in den Ruinen von Alvenheim das waren, was er noch am ehesten als seine Familie hätte bezeichnen können. Alles andere hatten die Orks ausgelöscht.
Buchwitz schnalzte mit der Zunge, wie er es fast immer tat, wenn er etwas sagen und sich der Aufmerksamkeit seiner Kameraden versichern wollte. Meist erzählte er dann belanglosen Unsinn, aber die Männer nahmen es hin. Es war gut, wenn überhaupt noch jemand sprach.
Buchwitz schnalzte noch einmal, so als ob es besonders wichtig wäre oder als ob er erst noch auf die Aufforderung wartete, nun endlich zu sprechen. Er wartete, blickte Janus, der aufschaute in die Augen.
„Nun geht’s also los.“, sagte er schließlich.
Janus schüttelte den Kopf. Feierjahn gluckste.
Buchwitz ließ sich nicht beirren. „Ist gut so.“, stellte er fest. „Ein paar Orks töten, das ist das Richtige. Hat keinen Sinn, hier rumzusitzen.“ Er richtete sich ächzend auf, rückte mit ungeschickten Fingern den Tragegurt seiner Waffe zurecht.
Niemand wusste, was Buchwitz vor der Invasion getan hatte. Die Männer sprachen selten von der Vergangenheit. Sie alle wussten, was sie verloren hatten. Es war unnötig, darüber zu sprechen und sich gegenseitig aufzuwühlen. Unnötig und gefährlich.
Karlsbad trat heran. Der Sergeant hielt Kettenschwert und Laserpistole nun in den Händen. Über den kantigen Umriss seiner Schulterpanzer und der verstärkten Weste ragte sein Marschgepäck auf. Sein Helm hing festgeschnallt an seiner Hüfte, sodass man die Brandnarben, die seine Kopfhaut entstellten, und das zwischen den verbrannten Flächen aufragende, lichte Haar sehen konnte. Karlsbad musterte die Männer, die nun ihre letzten Vorbereitungen trafen, ihr Gepäck schulterten, ihre Waffen überprüften.
„Gut.“, brummte er schließlich. Mit dem Kettenschwert wies er auf eine der Seitentüren des Lagerhauses, die zur Gasse dahinter herausführte.
„Lage: Die Orks sickern weiterhin in den Sektor ein. Der Hauptmann will, dass Infiltratoren abgefangen werden, bevor sie sich irgendwo festsetzen und noch mehr von den Grünhäuten auftauchen. Der Alte meint, dass das Gewerbeviertel Hauptanmarschweg des Feindes ist.“ Karlsbad räusperte sich und senkte das Schwert. „Also herzlichen Glückwunsch, wir sind mittendrin.“
Buchwitz schnalzte wieder mit der Zunge. Ein Klappern war zu hören, als ihn zufällig jemand mit dem Gewehrkolben gegen den Schulterpanzer stieß. Karlsbad blickte zu Buchwitz. Der schwieg und senkte den Blick.
„Leutnant Eversberg will, dass wir rausgehen und in den Gassen patrouillieren.“, fuhr Karlsbad fort. „Die ganze Nacht durch. Der restliche Zug tut dasselbe. Aufgespürte Grünhäute sind anzugreifen und niederzumachen. Am Morgen sollen wir uns einen Unterschlupf suchen und rasten.“
„Ablösung?“, fragte Ingolheim. Er war Korporal und damit Karlsbads Stellvertreter.
Karlsbad neigte den Kopf. „Wieviel Ablösungen hast du in den letzten Wochen erlebt?“
Ingolheim sagte nichts.
„Das wär’s.“, erklärte Karlsbad. „Wenn wir Glück haben, können wir morgen ein bisschen schlafen und kriegen vielleicht auch mal wieder Verpflegung.“ Er sah die Männer der Reihe nach an. „Los geht’s.“

Sie rückten die Gasse entlang vor, in Zweiergruppen, Schatten in der Finsternis. Ihre Schnitte knirschten und klackten auf dem trümmerbedeckten Asphalt, als sie von Deckung zu Deckung huschten, für das jeweils vorausgehende Paar von Männern sichernd. In einem endlosen, monotonen Rhythmus arbeiteten sie sich durch die dunklen Straßen, von Hauseingang zu Hauseingang, von Autowrack zu Autowrack, von Mauerrest zu Mauerrest.
Janus hatte es aufgegeben, bei einem Halt auf sein Chronometer zu schauen. Die Zeit verging in unendlicher Langsamkeit, während sie in der Kälte lagen, mit hämmerndem Puls in die Nacht horchten, nicht mehr hörend als ihren eigenen Atem, das Klopfen ihrer Herzen, das Rauschen des Blutes in den Ohren. Die Anspannung ließ ihn schwitzen, sodass seine Uniform völlig durchnässt war und er erbärmlich zitterte, wann immer ein Windstoß in die Ecken und Winkel fuhr, in denen sie lagen. Buchwitz neben ihm hustete immer wieder, räusperte sich, und selbst Karlsbads gereiztes Zischen tat wenig, um ihn zur Ruhe zu bringen.
Von vergangenen Patrouillen wusste Janus, dass die Orks leicht zu finden waren, wenn man nach ihnen suchte. Sie gaben wenig auf Unauffälligkeit, schienen den Kampf geradezu herauszufordern. Er selbst wusste nicht, ob er sich wünschte, heute Nacht auf sie zu treffen, oder nicht. Jeder Ork, den sie töteten, war ein kleiner Schritt auf dem Weg zur Rückeroberung Alvenheims, aber jeder Kampf brachte auch neue Tote, noch mehr Freunde und Kameraden, die starben.
Janus hatte lange mit dem Gedanken abgeschlossen, den Krieg zu überleben. Er wusste, dass die Chanen schlecht standen, dass er eines nicht allzu fernen Tages getötet werden würde. Er betete zum Imperator, dass es dann schnell gehen würde, dass er nicht wie so viele, die er gesehen hatte, in stundenlanger Qual elendig verrecken würde, in seinem Blut liegend und schreiend.
Er fragte sich, ob Karlsbad vielleicht Recht mit seiner Frage gehabt hatte, ob er auf einen Scharfschützen wartete. Vielleicht tat er das, um endlich erlöst zu werden aus dem ewigen Kampf in den Trümmern seines Lebens.
Vor sich hörte er die leisen Schritte, mit denen Karlsbad und Gruner vorgingen. Sie verstummten plötzlich, noch bevor ihre Gestalten den sich abzeichnenden Mauerrest zehn Meter die Straße herunter erreicht hatte. Janus sah, wie die beiden Männer sich duckten, auf Knien die Waffen in Anschlag brachten, abwarteten. Er selbst hob den Kopf etwas über die Optik des Lasergewehrs, spähte in die Nacht.
Karlsbad winkte mit dem Kettenschwert, beschrieb mit der Klinge einen Kreis in der Luft. Sammeln.
Die Männer rückten nach. Unterdrücktes Schnaufen war zu hören, als sie sich unter der Last ihrer Ausrüstung beeilten, zu Karlsbad und Gruner aufzuschließen, neben ihnen abhockten, kreisförmig sicherten.
„Orks.“, presste Karlsbad hervor.
Sie alle sahen, was er meinte. Um die Straßenecke herum, keine zwanzig Schritte von ihnen entfernt, drang flackernder Feuerschein aus den Fenstern im ersten Stock eines Hab-Blocks. Leises Grunzen war zu hören.
„Wir holen sie uns.“, erklärte Karlsbad, und die Männer nickten unter ihren Helmen. „Gruner und ich gehen vor, Rest kommt nach. Ingolheim und Buchwitz bleiben draußen und sichern den Eingang. Fragen?“
Kopfschütteln. Karlsbad nickte.
Der Flur im Erdgeschoss des Hab-Blocks lag in völliger Finsternis. Sie tasteten sich vorwärts, mit einer Hand an der Schulter des Vordermanns, die Füße in langsamen, kleinen Schritten über den Boden führend wie eine Gruppe von Blinden. Gepresster Atem war zu hören, kaum vernehmbar gemurmelte Flüche.
Wenn die Orks Sprengfallen ausgelegt hatten, dann waren sie bereits alle auf dem Weg zum Imperator.
Sie erreichten eine gemauerte Treppe, die hinter einer im Winkel angesetzten, massiven Wand lag. Als sie sie umrundeten, stach der Feuerschein von oben, der nicht mehr als ein Schimmer der eigentlichen Lichtquelle war, schmerzhaft in ihren Augen. Dicht aneinandergedrängt standen sie da, mit den Unterarmen die Gesichter gegen das Licht schirmend, und lauschten. Das Grunzen war hier deutlicher zu hören. Etwas schabte oben. Schwere Schritte brachten Bodendielen zum Knarren.
„Sie scheinen in einem Nebenraum zu sein.“, flüsterte Karlsbad. „Gruner und ich gehen rauf und sichern den Flur. Auf mein Zeichen kommt ihr nach.“
Janus, Feierjahn, Wandnitz und Droser traten einen Schritt zurück. Karlsbad setzte einen Fuß auf die Treppe, machte den ersten Schritt. Gruner folgte, den Gewehrkolben an die Schulter gepresst. Langsam arbeiteten sie sich die Treppe herauf. Sie erreichten den oberen Treppenabsatz. Karlsbad schaute sich nach beiden Seiten um, richtete sich langsam über die Deckung des Absatzes auf, die Pistole im Anschlag.
Er erstarrte, dann knackte seine Laserpistole. „Scheiße! Scheiße!“
Karlsbad versuchte, wieder hinter die Deckung zu tauchen, doch Gruner, der zu eng aufgerückt war und versuchte, seine Waffe über den Treppenansatz in Anschlag zu bringen, war ihm im Weg. Die beiden Männer stießen zusammen, stolperten. Oben hämmerte ein Maschinengewehr, riss die beiden taumelnden Soldaten von den Füßen, verteilte ihr Blut über die Wand hinter ihnen.
Feierjahn drängte sich an Janus vorbei. „Raus hier!“, schrie er. Wandnitz und Droser rannten schon, man hörte nur noch ihre Schritte in der Dunkelheit.
Janus riss eine Granate vom Koppel, schloss die Zähne um den Ring und machte sie mit einem Ruck scharf.
Oben an der Treppe tauchte der Kopf eines Orks auf. Gewaltige Fangzähne ragten aus dem vorgeschobenen Unterkiefer der Grünhaut auf, lang wie Janus Finger und zugespitzt wie Bajonette. Der Ork brüllte. Schon waren weitere zu hören, die mit dröhnenden Schritten heraneilten.
Janus warf die Granate. Sie kam auf dem Treppenabsatz auf, prallte ab, verschwand am Ork vorbei im Obergeschoss. Die Grünhaut blickte ihr verdutzt nach.
Janus verlor keine Zeit. Er drehte sich um, rannte los, umrundete die Mauerecke. Sein Atem ging schnell, brannte in seinen Lungen. Nur raus!
Im Dunkel sah er den Trümmerbrocken nicht. Janus stolperte, fiel, schlug auf dem Betonboden auf. Das Lasergewehr rutschte aus seinem Griff, glitt klappernd davon.
Hinter ihm erklang ein metallisches Klingen, dann erschütterte die Explosion seiner Granate das Gebäude, gerade, als er sich wieder hochdrücken wollte; warf ihn erneut zu Boden, betäubte seine Sinne.
Dann explodierte die zweite Granate hinter ihm.

Als Janus wieder zu sich kam, lag er in der Finsternis. Er konnte kaum atmen. Auf seinem Rücken lag eine tonnenschwere Last, drückte auf seine Lungen, ließ jeden Atemzug zu einem Rasseln werden. In seinem Mund war Blut. Ein monotones Fiepen war alles, was er hörte.
Er war tödlich verwundet, das wusste er. Seine Beine spürte er nicht mehr, doch der unerträgliche, reißende Schmerz an seinen Hüften verriet ihm warum. Einzig seine Hände waren frei, krallten sich in das Geröll um ihn herum, in die Trümmer der Vergangenheit.
In seiner Brust lag kalt und bitter sein Herz. Der Hass war nicht fort, er war gewachsen, zehrte von der Verzweiflung, die Janus ergriff. Er würde keine Orks mehr töten. Er würde nicht erleben, wie seine Heimat sich von ihnen befreite.
Janus weinte.
Der Tod, der ihn schon an dem Tag ereilt hatte, als die Orks über Alvenheim hergefallen waren, hatte ihn nun eingeholt. In den letzten Momenten seines Lebens spürte Janus Eberich unter seinen zuckenden, verkrampften Fingern das, zu dem seine Heimat, seine Freunde, sein Leben geworden waren.
Staub.
 
Zuletzt bearbeitet:
Auch diese Geschichte fand ich recht ansprechend, wenn auch ziemlich lang.

Das Positive: Die Emotionen des Soldaten, seine Ängste usw. sind sehr gut beschrieben, ich finde auch die Beschreibungen der Ruinen ansprechend und konnte mir während der gesamten Handlung alles sehr gut bildlich vorstellen. Auch das tragische Ende hat mir gefallen, obwohl es überraschend kam und vielleicht etwas schnell. Ich weiß ja, dass die Länger der Geschichte hart an der Grenze war, deshalb habe ich das Gefühl, dass das Ende dann recht schnell „hingeklatscht“ wurde. Dennoch überzeugend.

Das Negative: Ich weiß nicht, was ich von den Dialogen halten soll. Einerseits ist der Sargeant durchaus überzeugend, andererseits ein wenig zu heftig. Da fehlen vielleicht noch ein paar Feinheiten. Aber an sich sind sie in Ordnung.

[FONT=&quot]Fazit: Eine sehr schöne, tragische, sehr überzeugende Geschichte mit trauriger und gleichzeitig angespannter Atmosphäre, die kaum Fragen offen lässt und angenehm zu lesen ist.[/FONT]
 
Zuletzt bearbeitet:
Eine Kurzgeschichte, die mir von Anfang bis Ende gefallen hat und aus meiner Sicht die beste des Wettbewerbs ist (allerdings nicht mit allzu großem Abstand, wir haben viele gute Einsendungen bekommen).
Erstklassige Beschreibungen und die daraus resultierende atmosphärische Dichte, vor allem aber die nachvollziehbaren und wirklich gut geschriebenen Gedankengänge und Aktionen der Charaktere wissen ebenso zu gefallen wie die Handlung selbst.
Der Text selbst ist in sich abgeschlossen und hat einen schönen Spannungsbogen.


Und die o.g. Atmosphäre kommt wirklich gut 'rüber, Glückwunsch. Denn dass ich diese Geschichte lobe, ist insofern außerordentlich, dass der grobe Plot bzw. die Thematik (Imps gegen Orks) per se uninteressant ist, was du daraus machst – dass du den Charakteren wirklich Leben einhauchst – hebt sie erst auf den für mich ersten Platz.
 
Sehr schöne Atmosphäre, durchweg nachvollziehbare Handlungen und anschauliche Beschreibung der Umgebung.
Sehr gut.
Auch die Wut des Protagonisten kommt sehr überzeugend rüber.

Einziges Manko: Es erscheint mir etwas seltsam, das Fabrikarbeiter eine so militärische Einheit bilden. Klar, je länger man überlebt, desto eingespielter wird der Trupp und desto besser werden die Soldaten. Aber das wird nicht ordentlich erklärt und widerspricht sich am Ende mit dem zu nahe aufrückenden Soldaten.
Abgesehen davon: Rundum gelungen.