[Archiv] [Storywettbewerb Herbst 08] [WHFantasy] "Blut für den Blutgott"

SHOKer

Mentor der flinken Federn
03. Februar 2006
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Ich bin Baldur, Sohn des Frithjof, Klankrieger der Skrealinger, ist alles, was ich gerade denke. Um dieses Mantra kreisen meine Gedanken, denn es wurde mir schon eingeprügelt, seit ich zu stehen vermochte.
Damals, kaum imstande einen Knüppel zu halten, hatte man mich gegen meine älteren Brüder kämpfen lassen. Wann immer ich halb besinnungslos am Boden lag, hatte man mich hochgerissen und mir diese Worte entgegengebrüllt, bis ich sie wiederholt hatte.
Jetzt sind es nicht einfach nur noch Wörter. Es ist ein Gebet, eine Möglichkeit, meine Stärke zu fokussieren. Und so bündele ich auch nun wieder meine Kraft, denn als Klankrieger bin ich, wie viele Male zuvor schon, hier in der Hitze der Schlacht, um den Dunklen Göttern und im Speziellen meinem bevorzugten Schutzpatron Khorne zu huldigen.
Ich erinnere mich noch genau, wie ich zum ersten Mal in den Kampf zog. Es war nichts im Vergleich zu dieser Schlacht. Damals war ich von Häuptling Ucromer ausgewählt worden, gegen einen anderen Jüngling zu kämpfen, um das Fest der Mittsommersonne zu eröffnen. Ich war gerade einmal neun Winter alt, als ich noch vor dem Sonnenaufgang fröstelnd inmitten einer speziell für diesen Zweck ausgehobenen Grube stand. Der ganze Stamm der Skrealinger hatte sich versammelt und musterte mich, so kam es mir vor. Mir war nicht viel gegeben worden, um mich zu verteidigen. Ein Beil, das ich selbst unter Anleitung von Bjarfrolf dem Schmied gefertigt hatte und der Schild meines Vaters. Ich konnte seinen prüfenden Blick in meinem Rücken spüren, als mein Gegner den Kampfplatz betrat. Es war still, so wie es die Gebräuche erforderten, doch ich konnte dennoch den stummen Beifall für Tjark spüren, der sich schon mit seinen dreizehn Wintern den Beinamen „der Zermalmer“ verdient hatte.
Ebenso wenig, wie ich jetzt Furcht vor dem Feind spüre, da ich zwischen meinen an mir vorbeistürmenden Stammesbrüdern langsam durch den Schlamm der kislevitischen Ebene vorwärts stapfe, hatte ich damals Angst verspürt. Meine Gedanken sind seltsam klar gewesen, als Tjark auf mich zuschritt, ein siegesgewisses Grinsen auf dem Gesicht. Seine verzierte Axt krachte mehrmals gegen meinen zur Parade erhobenen Schild, bevor er mich einfach mit einem Stoß seiner Schulter in den Staub der Kampfgrube schickte. Ich lag am Boden, leicht benommen, doch ich war immer noch schnell genug, um meinen Kopf aus der Hiebrichtung seiner niedersausenden Axt zu drehen und ihm dann einen Tritt in den Unterleib zu versetzen. Tjark war damals schon Veteran und mir an Körperkraft überlegen. Doch ich war nicht dazu erzogen worden, so etwas als Ausrede gelten zu lassen. Stattdessen stemmte ich mich trotzig hoch, fing seine nächste Attacke gerade noch so ab und ging zum Gegenangriff über.
Heute stiehlt sich ein trockenes Lächeln beim Gedanken an meine damalige, unbeholfene Technik in meine Gesichtszüge. Ich lasse meine Axt in meiner Hand kreisen und flüstere mit heiserer Stimme die Worte: „Ich bin Baldur, Sohn des Frithjof, Klankrieger der Skrealinger!“ Es hilft, um mich zu konzentrieren und einfach nur vorwärts zu stapfen, immer auf die feindlichen Linien zu.
Ebenso stur bin ich vor vierzehn Wintern auf den Zermalmer zugestapft, den ich trotz meiner jämmerlichen Technik in mehr als nur arge Bedrängnis brachte. Ich mochte noch nichts von Finten gehört haben, doch in meiner Hand befand sich ein rasiermesserscharfes Beil, das ich seit dem vorhergegangenen Sommer gekannt hatte. Tjark mochte stärker gewesen sein, doch er hatte in den Schlachten mit unseren älteren Klankriegern etwas erlernt, was mir durch meine rigide Erziehung aus dem Körper geprügelt worden war: Furcht. Der Zermalmer versteckte sich angesichts meines ungestümen Angriffs hinter seinem Rundschild, was mir die Gelegenheit gab, das Axtblatt in seinen Schädel zu rammen.
An diesem Tage sehe ich um mich herum Blut. Viel Blut. Das meiner Stammesbrüder und auch das einiger Kisleviten, die uns diese herrliche Schlacht liefern. Und wieder einmal, wie so viele Male zuvor in meinem Leben, muss ich an den Ausruf unseres Schamanen denken, der im Angesicht des in den ersten roten Strahlen der aufgehenden Sonne glänzenden Bluts von Tjark die heiligen Worte: „Blut für den Blutgott! Schädel für seinen Thron!“ gebrüllt hatte. Damals hatte der gesamte, versammelte Stamm diese Worte aufgegriffen. Der Auftakt zu den Feierlichkeiten, die ich mit dem gebrachten Opfer eingeleitet hatte. In schwächeren Kulturen als unserer wäre ich vielleicht als Mörder beschimpft worden und unser heiliges Fest hätte als unzivilisiert gegolten.
Doch wenn ich heute die schwachen Kisleviten vor mir sehe, die von den verehrten Kriegern des Chaos niedergemacht werden, die aus den nördlichen Wüsten zurückgekehrt sind, so denke ich, dass die Zivilisation, die sie und die noch verächtlicheren Imperialen so preisen nur eines bringt: Schwäche.
Eine Schwäche die diese gerüsteten Gestalten nicht kennen, die vor mir und meinen Brüdern marschieren und mit jedem Schritt näher an die Weichlinge kommen, die immer noch voller Torheit versuchen, unseren Ansturm mit weibischen Pfeilen zu brechen. Diese Erkenntnis sammelte ich in einem der vielen Kämpfe meines Lebens.
Ich war inzwischen sechzehn Winter alt gewesen, als ich mit meinen Stammesbrüdern gegen unsere Nachbarn vom Stamm der Aeslinger zog. Der Herbst hatte Einzug in mein geliebtes Norsca gehalten und die vielen, von Schmelzwasser gespeisten Bäche und Flüsse froren langsam zu, als unsere Gruppe auf ein Aufgebot eines Dorfes dieses Klans stieß. Sie alle waren verdorbene Anhänger des falschen Gottes, den sie Nurgle nannten und sie hatten dessen Fäulnis in unser Stammesgebiet gebracht, weshalb wir sie strafen wollten.
Das Scharmützel am Bjachfluss. Ich werde mich wahrscheinlich bis zuletzt an diesem Kampf erfreuen. Wir waren nur fünf Dutzend Klankrieger, unterstützt von sechs Berittenen. Die Aeslinger hatten beinahe hundert Kämpfer aufgeboten, in ihren Reihen fanden sich sogar zwei Haufen der erhabenen Krieger, die aus den nördlichen Wüsten zurückgekommen waren.
Die berittenen Kisleviten, die gerade um mich herum getötet werden, nennen sie ehrfürchtig Chaoskrieger. Und, bei Khorne, sie tun gut daran, diese von den Göttern gesegneten Männer zu fürchten. Ich habe gesehen, wie einer ihrer Champions am Bjachfluss unseren Häuptling Ucromer aus dem Sattel holte. Es war ein Gemetzel und der frierende Boden dampfte von warmem Blut. Die krankhaften Aeslinger waren keine Gegner für uns. Wir, die Skrealinger, waren ihnen trotz ihrer Zahl überlegen. Doch ich werde mich für immer daran erinnern, was für einen Kampf uns die zuletzt noch stehenden Chaoskrieger geliefert haben. Unsere Äxte schienen an ihren Rüstungen abzuprallen oder einfach nicht scharf genug, um ihre aufgeblähten, kränklichen Körper ernsthaft zu verletzen.
Im Nachhinein ist es mir klar, dass diese Bestien einfach nur so schmerzunempfindlich waren. Heute weiß ich um die Segnungen des Nurgle, diese krankhafte Pest, die die Körper der auserwählten Krieger zerfressen hatte. Wer so lange in Agonie lebt, der verspürt den Biss einer Axt einfach nicht mehr.
Ich war es, der schließlich den letzten noch stehenden Chaoskrieger herausforderte. Er hatte soeben Leif den Mauerbrecher getötet, nur indem er ihm seinen stinkenden Atem ins Gesicht geblasen hatte. Doch ich verspürte keine Furcht. So wenig diese Bestie Schmerzen empfinden konnte, so langsam hatte die Seuche ihren zerfressenen Körper gemacht. Ich war jung und schnell. Schnell genug, um ihren Hieben mühelos zu entgehen. Ich weiß nicht, wie lange es gedauert hatte, doch schlussendlich fraß sich meine Axt durch ihre Luftröhre bis ins Genick. Der Chaoskrieger sank zusammen und ich spie ihm die mir inzwischen heiligen Worte ins Gesicht: „Blut für den Blutgott!“
Ich höre Musketen durch den Schlachtenlärm krachen und der allgemeine Gestank nach Blut, Schweiß und Exkrementen wird von dem beißenden Rauch des Schießpulvers überlagert. Ich kenne dieses Geräusch. Ich kenne diesen Geruch. Er erinnert mich an einen Kampf, den ich zusammen mit einigen Brüdern an der Küste des Imperiums ausgefochten habe.
Damals, als ich meinen achtzehnten Winter hinter mich gebracht hatte, war ich als der Champion der Bruderschaft der Bronzeaxt mit einem Langschiff im Imperium eingefallen. Mein Sieg über den Aeslinger Chaoskrieger hatte mir diese Position eingebracht. Die Bruderschaft hatte unter meinem Befehl schon den ganzen Sommer hindurch immer wieder die Krallensee überquert und Dörfer oder Gehöfte im nördlichen Teil des Imperiums geplündert. Außer einigen kraftlosen Milizen hatte sich uns nichts in den Weg gestellt. Einerseits war es eine befriedigende Sache, an Plündergut zu kommen, dass uns viel Ansehen in Norsca einbrachte, ohne viele Verluste hinnehmen zu müssen. Doch auf der anderen Seite dürstete ich nach einem Kampf, der diesen Namen auch verdiente. Und ich war nicht allein gewesen mit diesem Bedürfnis. Damals, bei einem der letzten Überfälle des Sommers hatten einige Imperiumstruppen uns gestellt.
Während Klankrieger um mich herum vorstürmen und die Götter in unserer herrlich rauen Sprache preisen, stapfe ich langsamer vorwärts. Es erfüllt mich mit Stolz, zu einem so tapferen und starken Klan zu gehören. Wir Skrealinger haben noch nie einen Kampf gescheut. Meine letzten Brüder der Bronzeaxt haben sich um mich gescharrt und folgen mir durch den Pulverrauch weiter vorwärts. In ihren Augen sehe ich Ehrfurcht und es nötigt mir ein grimmiges Lächeln ab, da ich darin ihre Achtung vor meiner Stärke und meiner Willenskraft spüre. Ein Blick nach vorne lässt mich die Zähne fletschen, denn ich erkenne die Kisleviten, die wir bekämpfen. Die Schlacht tobt schon einige Zeit, doch nun sehe ich endlich wieder von Angesicht zu Angesicht meinen noch lebendigen Feind, so wie es Khorne befiehlt. Diese feigen Hunde fürchten uns. Sie versuchen mit Pfeilen unseren Ansturm zu brechen.
Blanke Torheit.
Aber was soll man von Feiglingen erwarten? Ein Pfeil kracht gegen eine der eisernen Panzerplatten, die ich mir über meine Fellkleidung geschnürt habe. Ich spüre ganz deutlich den Aufschlag, der in meine Schulter zuckt. Doch der Schmerz gibt mir Kraft. Mit heiserer Stimme brülle ich erneut die Worte, die mich seit jenem ersten Toten zu meinen Füßen begleiten:
„Blut für den Blutgott!“
Ich warf diesen Satz auch damals gegen die Imperialen, die mich und die Bruderschaft der Bronzeaxt gestellt hatten. Für viele war es der letzte Fehler ihres erbärmlichen Lebens gewesen. Milizen aus umliegenden Dörfern hatten sich zusammengerottet und versuchten, uns wieder auf unsere Schiffe zu treiben. Was war es doch für ein herrliches Gemetzel gewesen, als diese Jammergestalten unter unseren Äxten den Tod fanden. Wir nahmen an diesem Tag viele Schädel und ich bin bis zum heutigen Tage davon überzeugt, dass Khorne unserer Bruderschaft dafür seinen Segen gegeben hat. Doch damals waren es nicht nur bewaffnete, unausgebildete Bauern gewesen, die sich gegen uns warfen. Einige in Uniformen gekleidete Soldaten versuchten ebenfalls ihr Glück. Die erbärmlichen Schwertkämpfer waren nicht einmal der Mühe wert, die Axt zu erheben, denn ihre Körper schienen schon bei unserem Anblick vor Zittern zu zerfallen. Oh, was haben wir damals herrlich gelacht und gegrölt. Doch es war nicht vorbei gewesen, als die Memmen beim Tod ihres so genannten Fechtmeisters die Beine in die Hand nahmen. Einige andere Soldaten blieben. Es war das erste Mal, dass ich Musketen erlebte. Ich kannte keine Furcht.
Und ich kenne sie auch jetzt noch nicht, da ich erneut in den beißenden Rauch der Musketenschützen eintauche. Neben mir brechen einige meiner Stammesbrüder zusammen, wahrscheinlich von diesen Feiglingen mit Bleikugeln zu Boden gestreckt. Ich entdecke neben den Kisleviten eine Handvoll imperial gekleideter Musketenschützen, die hastig nachladen. Ich verspüre keinen Zorn auf sie, auch wenn durch sie meine Stammesbrüder gefallen sind. Es kümmert mich nicht, denn alles was zählt ist der Kampf. Khorne interessiert es nicht, von wem das Blut ist, das zu seinen Ehren fließt.
So wie heute wandte ich mich auch damals zu den Schützen um und stapfte auf sie zu. Einer von ihnen schaffte es, seine Muskete rechzeitig zu laden. Seine Kugel zerschmetterte mir das linke Schlüsselbein, doch ich hatte schon Schlimmeres überlebt. Der Schütze war der erste Mann der Gruppe, den meine Axt tötete. Keiner von ihnen hatte damals überlebt, denn auch der Rest der Bruderschaft stürmte auf die Schützen zu. Gemeinsam hielten wir ein Schlachtfest ab, bis wir ebenso rot waren wie der Boden um uns herum. Wir brachten viele Schädel zurück in mein geliebtes Norsca und die Götter waren uns bei unserer Überfahrt gnädig gewesen.
Es ist der Anblick von Thorgar, der mich wieder zurück in die Gegenwart bringt. Thorgar der Blutbefleckte. Er ist einer der Männer, die aus den Chaoswüsten zu unserem Stamm zurückgekehrt sind. Und es ist der sich schon mit seiner Ankunft in unserem Stamm zu unserem Häuptling machende Thorgar gewesen, der mich nach meiner siegreichen Rückkehr aus dem Imperium zu seinem Blutsbruder machte, denn in seinen Augen, die viel mehr von dem Willen Khornes erfassten, als ich es je könnte, hatte ich mir diese Ehre mit den imperialen Schädeln verdient, die ich mit in die Heimat brachte.
Nun muss ich mit ansehen wie Thorgar der Blutbefleckte in seiner rot lackierten Rüstung zusammenbricht, getroffen von den Kugeln der imperialen Musketenschützen. Es ist sein geheiligtes Blut, das dort vor mir zu schweben scheint. Tropfen fallen wie in Zeitlupe zu Boden, so kommt es mir vor und durch den feinen, roten Nebel des Lebenssafts meines Blutsbruders hinweg sehe ich die erleichterten Gesichter der Musketenschützen. Doch ich kann diese Feiglinge nicht opfern, so gern ich es auch möchte. Über den Nachhall der Schüsse hinweg höre ich, was sich als viel unmittelbarerer Kampf erweist. Aufschlagende Hufe und das Heulen, dass die gefiederten Standarten der Flügelulanen bei vollem Galopp von sich geben.
Nicht zum ersten Mal begegnet mir dieser Laut, der bei schwächeren Völkern für Angst sorgen würde. Vor nicht allzu langer Zeit, als mein zwanzigster Winter zu Ende ging, war ich mit der Bruderschaft der Bronzeaxt und einigen Chaoskriegern unter Thorgars Befehl im Gebiet der Sarls. Wir plünderten, wie es sich für einen anständigen Norse gehört. Und es ist keine Schande, einige der perversen Anhänger Slaaneshs zu töten. Nichts hat sich bis zum heutigen Tage an dieser Einstellung geändert. Von Zeit zu Zeit ist es nötig, diese Folterverliebten zur Ordnung zu rufen. Sie mögen stark sein, doch wer nicht dazu in der Lage ist, seinen Feind mit einem Hieb zu töten, sondern eine Vielzahl an Schwertstreichen dazu benötigt, sollte sich nicht mit uns Skrealingern anlegen.
Doch es verlief nicht, wie wir es uns vorgestellt hatten. Wir hatten eine Gruppe der Slaaneshanhänger aufgefunden und zerschmettert, doch noch während wir unseren Sieg feierten, heulte die Luft um uns herum auf. Es mögen drei Dutzend Flügelulanen gewesen sein, die sich aus allen Richtungen auf uns stürzten und mit ihren mickrigen Stimmen kreischten. Ich verlor damals viele Brüder unter den Lanzen und Hufen der Kisleviten, doch bei Khorne, es war endlich wieder eine würdige Schlacht für uns gewesen. Wir vergossen Blut für den Blutgott, wir sammelten Schädel für seinen Thron. Es war diese Schlacht, in der ich mir meine Rüstung erkämpfte. Die zerschmetterten Körper der Flügelulanen lieferten genug Panzerplatten für die ganze verbliebene Bruderschaft und wir nahmen damals dieses Geschenk unseres Schutzpatrons dankend an.
Und auch heute noch, während ich einige der blassen, in verzierten Rüstungen steckenden Kisleviten erblicke, erinnere ich mich mit Wohlwollen an diese Schlacht. Diese Männer mögen schwach sein. Ihre von ihnen hoch gelobte Zivilisation hat sie weich werden lassen, doch sie können einem Skrealinger wenigstens einen ordentlichen Kampf liefern. Und wie bei jeder dieser Gelegenheiten erinnere ich mich mit einem trockenen Lachen an die Lanzenspitze, die ich immer noch in meiner Brust trage, da sie niemand entfernen konnte.
Jetzt schmettern die Ulanen in die Reihen meiner Brüder, doch die gegen mich gerichtete Lanze verfehlt mich. Ich mag inzwischen geschwächt sein, doch ich bin nicht bereit, meinen Schädel so einfach her zu geben. Um mich herum wiehern Pferde, brüllen Stammesbrüder ihre Wut hinaus und kreischen Kisleviten wie Weiber. Es ist ein herrliches Gefühl, wie meine Axt sich in den Leib des Flügelulanen gräbt, der an mir vorbeisprengen will. Ich fühle, wie trotz meiner Wunden noch Kraft durch meine Adern fließt. Ein abgesessener Ulan schlägt mit seinem Krummschwert nach mir, doch er ist zu schwach, um meine Rüstung zu durchdringen. Nur ein dumpfes Pochen beweist mir, dass er mich überhaupt getroffen hat. Doch während ich meinen Axtstiel in sein Gesicht schmettere, frage ich mich, ob meine Zeit nicht doch gekommen ist, da immer mehr meines eigenen Blutes meine Fellkleidung tränkt. Meine gepanzerte Faust zerquetscht den Kehlkopf eines anderen Mannes, der sich schützend zwischen mich und den Ulan gestellt hat. Ich bemerke es nicht einmal richtig. Der Ulan erhebt sein Schwert zur Parade, doch auch diesmal erweist er sich als zu schwach. Meine Axt zertrümmert Helm und Schädel des Mannes. Ich bekomme Zeit, um mich umzusehen. Drei meiner Brüder der Bronzeaxt stehen noch. Der Rest von uns liegt verdreht am Boden, unter, über und neben Skrealingern und Kisleviten gleichermaßen. Wieder krachen die Musketen und diesmal gehe auch ich zu Boden. Trotzig wie damals, als ich das Fest der Mittsommersonne mit meinem Kampf weihte, stemme ich mich vor Wut brüllend noch einmal in die Höhe und sehe mit einem verhöhnenden Grinsen in die von Schreck verzerrten Gesichter der Musketenschützen. Zwischen ihnen tritt ein Mann hervor, der ein kislevitischer Adeliger zu sein scheint. Seine schwere Rüstung ist mit Gold verziert. Ich sehe in sein von einem gestutzten Bart dominiertes Gesicht und erkenne die Herausforderung in seinen Augen. Es ist der Klankrieger in mir, der mich auf ihn zutaumeln lässt. Wie ich mich noch auf den Beinen halte, weiß ich nicht, doch es ist mir egal, denn ich bin noch immer dazu in der Lage, meine Axt zu schwingen. Doch ich bemerke noch beim Ausholen, dass ich langsam geworden bin. Die zu Beginn der Schlacht erlittene Speerwunde, die beiden in Hüfte und Bauch steckenden Pfeile und schlussendlich auch die Musketenkugel, die mir das Brustbein zerschmettert hat, fordern nun ihren Tribut. Bis hierher habe ich mich durch das Schlachtgetümmel geschleppt, doch auch ich muss feststellen, dass Khorne mein Blut ebenso wie das meiner Feinde zu schätzen scheint.
Der Kislevit schmettert sein Schwert in meine Brust und zwingt mich so zu Boden. Die Panzerplatten, die ich am Körper trage, sind verbogen und geborsten. Blut, der heilige Lebenssaft zu Ehren Khornes rinnt mir aus dem Mundwinkel.
Ich bin Baldur, Sohn des Frithjof, Klankrieger der Skrealinger, denke ich. Ich bin dreiundzwanzig Winter alt. Meine Söhne werden meinen Namen weiter tragen. Für mich ist es Zeit zu sterben, wie ich in diesem Moment feststelle. Ich habe Khorne schon mit meinem ersten Niedergestreckten ein allererstes Opfer gebracht. Nun wird es Zeit für mein ultimatives Opfer an den Herrn der Schädel.
„Noch irgendwelchen letzten Worte, Skrealinger?“, fragt mich der Kislevit. Er spricht die Sprache meines geliebten Norsca, wenn auch mit einem abscheulichen Akzent. Doch ich fühle mich von diesem Krieger geehrt. Zum einen, weil er meine Stammeszugehörigkeit erkannt hat, zum anderen, da er mich besiegt hat, was noch niemand vor ihm geschafft hat.
Ich sehe dem Kisleviten in die eiskalten, blauen Augen. Nein, ich bereue nichts von dem, was ich in meinem Leben tat. Ich bin ein Skrealinger gewesen, in jedem Aspekt meines Lebens.
„Blut für den Blutgott“, bringe ich heiser hervor, als der Kislevit sein Schwert erhebt. Ich schließe die Augen und spüre, wie sich die Klinge in meinen Hals frisst.
Blut für den Blutgott, denke ich ein letztes Mal.
 
Zuletzt bearbeitet:
Mein absoluter Favorit, muss ich zugeben.

Hier stimmt so ziemlich alles: Atmosphäre, Protagonist, Hintergrund, Handlung. Man kann sich so gut in den Charakter hineinversetzen, weil man so viel über ihn lernt und erfährt, dass man sich richtig vorstellen kann, wie er da über das Schlachtfeld stapft. Es entsteht eine leicht traurige Stimmung, die aber durch den furchtlosen Hass des Helden ausgeglichen wird. Den Tod am Ende empfinde ich eher wie eine Erlösung denn wie einen Verlust. Wirklich gut gemacht.

Bemängeln muss ich nur, dass man so wenig Überblick über die eigentliche Schlacht hat. Denn so wirken die Menschen etwas sehr überlegen. Da wird die boshaftige Überlegenheit des Chaos, die durch die Vergangenheit des Helden aufgebaut wird, gleich wieder niedergerissen. Ich meine nicht, dass das Chaos gleich alles überrennen müsste, aber man erfährt hier weit mehr von Verlusten auf Seiten des Chaos als auf Seiten der Menschen.

[FONT=&quot]Fazit: Trotz einiger störender Faktoren eine fesselnde und emotionale Geschichte, in die ich mich bestens hineinversetzen konnte. Hier hätte ich wirklich gerne drei Punkte vergeben. [/FONT]
 
Eine gute Geschichte mit einer komplexen zeitlichen Verstrickung. Ein ums andere Mal ist sie vielleicht auch zu komplex, etwas weniger zu Gunsten der Übersicht wäre nicht verkehrt gewesen.

Inhaltlich gibt es eine interessante Parallele zu Tränen - nicht nur, dass hier vom Aufstieg und Leben eines Chaoschampions berichtet wird, auch der Stil mit den Rückblenden über die Jahre des Kriegers hinweg entspricht der anderen Geschichte. Auch sonst ist de Spannungsbogen gut umgesetzt, das Ende durchaus interessant.

Sprachlich gibt es nichts zu bemängeln, dass ist gut. Platz Drei geht hierhin.
 
Nachdem nun alles aufgelöst ist, werd ich meine Geschichte auch mal kommentieren.

(Interessant an dieser Stelle: Recht ordentlich Punkte, aber nur drei Kommentare)
Okay:

Bemängeln muss ich nur, dass man so wenig Überblick über die eigentliche Schlacht hat. Denn so wirken die Menschen etwas sehr überlegen. Da wird die boshaftige Überlegenheit des Chaos, die durch die Vergangenheit des Helden aufgebaut wird, gleich wieder niedergerissen. Ich meine nicht, dass das Chaos gleich alles überrennen müsste, aber man erfährt hier weit mehr von Verlusten auf Seiten des Chaos als auf Seiten der Menschen.

Das hat etwas mit der Erzählweise zu tun. Ich wollte es möglichst persönlich machen, weshalb ich auch (zum ersten Mal überhaupt) einen personellen Erzähler gewählt habe.
Baldur erzählt (bzw. reflektiert über) das, was er sieht. Er ist Teil einer schwerer gerüsteten Bruderschaft, die zwischen seinen Stammesbrüdern vorwärts marschiert (erst zum Schluss kommt heraus, dass er nicht schneller ist, weil er schon verwundet wurde...Ich setze also mit der Erzählung schon mitten im Kampfgeschehen ein).
Wie gesagt, er ist einfacher Klankrieger. Er hat keine Übersicht über die Schlacht, sondern erhascht nur durch den Pulverdampf und die vorbeistürmenden Skrealinger immer wieder einen Blick auf Tote und die Schützen, die gerade die Reihe vor ihm niedergeschossen haben. (Achtung, Paradoxon: Skrealinger ist der Name der wikingischen Norweger für die amerikanischen Ureinwohner gewesen. Frei übersetzt bedeutet er "Schwächlinge"...Aber mir gefiel der Klang zu gut:lol🙂
Er kann also gar keine Übersicht über die Schlacht haben. Wenn man über ein Schlachtfeld läuft, auf dem die eigenen Reihen schon weiter vorne sind und dort mit Musketenkugeln Bekanntschaft machen, wird man auch vermehrt Leichen der eigenen Seite sehen. Es sind auch Vorhutelemente der Kisleviten unter den Leichen, wahrscheinlich auch einige Nachzügler vorhergegangener, taktischer Rückzüge. Aber das Gros der Gefallenen in diesem Gebiet werden eigene Leute sein. Aus diesem Grund erscheinen die Chaosanhänger natürlich etwas schwächer, sind Baldur doch mehr Verluste von ihnen als von den Kisleviten bekannt...Was ihn jedoch nicht am weiter vorwärts stapfen hindert.


Eine gute Geschichte mit einer komplexen zeitlichen Verstrickung. Ein ums andere Mal ist sie vielleicht auch zu komplex, etwas weniger zu Gunsten der Übersicht wäre nicht verkehrt gewesen.

Ja, ich gebe zu, ich habe stellenweise die zeitliche Verstrickung sehr komplex gemacht. Allerdings konnte ich auch nicht wirklich noch etwas herausnehmen (deshalb auch der Minuspunkt durch zu viele Wörter...), denn dadurch hätte ich einen Teil der Entwicklung abgetrennt.
Und genau diese Entwicklung wollte ich darstellen.
Der (tödlich) verwundete Baldur stapft über das Schlachtfeld, und sieht sich durch die Geschehnisse um sich herum an Etappen seines Lebens erinnert...Es läuft also vor seinem inneren Auge ab, bevor er schlussendlich stirbt.
Es ist anspruchsvoll, die Zeitebenen zu trennen, ja. Doch das war nicht unbeabsichtigt. Durch den Blutverlust wird die Wahrnehmung getrübt und ich kann mir vorstellen, dass es in diesem Moment auch nicht leicht fällt, das hier und jetzt von den Erinnerungen zu trennen.

So, genug verteidigt für's Erste:lol:
Wenn noch jemand Anmerkungen hat, soll er sie ruhig posten.