Das Licht ungezählter Brandherde hellte die Umgebung auf, wie die tief stehende Sonne einer sanften Abenddämmerung. Eine Wüste erstreckte sich von Horizont zu Horizont, eine Wüste aus Mauerteilen und Kratern, aus brennenden Häusern, die ihre Struktur bereits verloren hatten und in sich zusammengefallen waren. Gewaltige, umgestürzte Wolkenkratzer, die einst weit über die Landschaft blickten, bildeten nun kilometerlange Mauern in der Ebene, die früher einmal eine Stadt gewesen sein musste.
Hier und dort ragten Laternen und Antennen aus den Trümmern, die wie Denkmäler und Grabsteine auf den Tod einer ganzen Zivilisation hinwiesen, und ihre in dem flackernden Licht umher zuckenden Schatten auf das ehemals urbane Gelände warfen.
Im Mittelpunkt dieser Verwüstung versammelte sich eine Gruppe dunkler Gestalten, wahren Hühnen, gekleidet in Rüstungen aus Stahl. Ihre Panzerung wirbelte Staub und Sand auf, die schweren Schritte verursachten dumpfe Geräusche, die sich in der zerklüfteten Umgebung verfingen. Insgesamt acht Männer formierten sich zu einem Kreis, von hinten durch die Flammen beleuchtet, die Züge ihrer Gesichter waren unsichtbar in der tiefen Dunkelheit, die das Antlitz eines jeden einzelnen bedeckt hielt.
Ein tiefer Basston erklang, hervorgebracht von einer der Gestalten, er füllte den kompletten Kreis aus, rasch ergänzt von einem weiteren Ton von ähnlich tiefer Tonlage. Die Gesellschaft begann zu summen, ein ab- und anschwellendes Geräusch, wie es wohl auch ein großer Schwarm Insekten verursachen würde, während das flackernde Licht der Brände ihre Schatten weiterhin über die wüste Landschaft warf.
Einige von ihnen schienen zu singen begonnen zu haben, denn der Gesamtton veränderte sich. Er war untersetzt von den gemurmelten Worten einer fremdartigen, unendlich bösen Sprache. Die Luft schien zu flimmern, doch es war nicht die Hitze der Flammen, die dieses Spektakel hervorrief.
Einer der Männer schritt mitten in den Kreis und breitete die Arme aus. Er warf den Kopf in den Nacken und brüllte hinauf in den Himmel:
"Ich habe die Anforderungen erfüllt, ihr Götter! Zehntausend mal zehntausend Leben sind genommen, wie Unkraut gepflückt aus den Reihen meines eigenen Volkes! Ihr Blut klebt an meinen Händen, ich bin verantwortlich für ihren Tod, und nur ich bin würdig unsterbliche Macht zu erhalten! Nun befehle ich euch: Schenkt sie mir!"
Mit einem Mal verstummte der Singsang der Männer, während die letzten Worte ihres Anführers in die Ferne wallten. Das Flimmern schien sich zu verstärken, die Schatten zogen sich um die Gruppe zusammen, doch keiner fühlte Angst in seinen Herzen. Reif kletterte langsam an den Kanten ihrer Rüstungen empor, und die Finsternis materialisierte sich in düsteren Schemen über ihren Köpfen.
Plötzlich begann ein Wind zu wehen, in dessen Säuseln eine bedrohliche Stimme wisperte:
"Wer wagt es, den Göttern Befehle zu erteilen, Wurm aus dem Diesseits?"
"Ich bin es, Nhorodon der Blutige, bald Gesegneter des Chaos, und ich fordere dich auf, mir die Macht der Götter zu verleihen, Dämon!"
Eine kurze Stille lies die Atmosphäre nahezu vor Anspannung erzittern, bis schließlich ein leises Kichern die Luft erfüllte.
"Ein wahrlich dreistes Anliegen, Menschling. Doch die Götter haben in der Tat Gefallen an dir gefunden."
"Wen wundert dies? Ich bin der größte Vernichter alle Zeiten! Ich werde meine Kunst in Ewigkeit fortführen und selbst die Vier werden bei meinem Anblick vor Furch erzittern!"
"Du sollst geprüft werden, doch deine Frechheiten mögen nicht nur mein Gemüt erzürnt haben. Deine Prüfungen werden hart sein. Die schwersten von Ihnen musst du bestehen, um dir die Götter wohl gesonnen zu stimmen."
Der weiße Halbmond eines schiefen Grinsens erschien in dem Gesicht des Auserwählten.
"Dann lass uns beginnen..."
Der Dämon befahl Nhorodon, zu graben, er und seine Männer schaufelten Geröll weg, so viel und so lange, dass ihnen der Schweiß von den Gesichtern lief und ein weiterer Krater in der vergewaltigten Landschaft geboren wurde, bis sie schließlich eine stählerne Luke fanden. Sie wurde von zwei Panzerplatten bedeckt, die, an gewaltigen Angeln befestigt, die Zeichen des Chaos aufwiesen. Ihre Oberfläche war von dunkelrotem Rost bedeckt, der in dem dämmerigen Licht wie getrocknetes Blut aussah. Ohne zu zögern oder sich von seinen Männern zu verabschieden, öffnete Nhorodon den Zugang, indem er die beiden Torflügel, anstatt sie zu öffnen, eintrat und in die dahinterliegende Dunkelheit stieß. Er setzte seinen Fuß über die Schwelle und war alsbald nicht mehr zu sehen.
In dem Tunnel war es finsterer als in einer mondlosen Nacht. Nhorodon konnte nur durch seine verstärkten Sinne erahnen, wo sich die Wände befanden und wo die nächsten Stufen begannen. Der Weg führte ihn bergab, doch wurden die vielen Treppen auch oft von längeren Passagen unterbrochen, die ebenerdig verliefen. Es stank nach Schimmel, doch je weiter sich Nhorodon den Gang entlangbewegte, wurde dieser penetrante Geruch von einer etwas anderen, unterschwelligen Note durchzogen. Sie erinnerte ihn an Heimat. An Zuhause, wo auch immer das sein sollte. Der heimelig anmutende Geruch verstärkte sich und ein warmes Gefühl von Geborgenheit und Wärme erfüllte seine Herzen. Schließlich konnte er am Ende des Ganges ein Licht ausmachen. Jedoch war es keine richtige Lichtquelle, die er sah, es war ein sanfter Schein, wie die Reflektion von Kerzenlicht auf Wänden. Der Tunnel führte nun sanft aufwärts. Er näherte sich diesem Leuchten und fand sich in einem Kellerraum wieder.
Die Wände waren holzverkleidet und in der Ecke lagen aufeinander gestapelte Säcke von Kartoffeln und anderen Vorräten. Jetzt wusste Nhorodon auch wieder, was es für ein Geruch war, der ihn auf dem ganzen Weg hierher verfolgt hatte. Es war der Duft nach ungeschälten Kartoffeln, wie er ihn in seiner Kindheit oft vernommen hatte. Seltsam.
Dies war das erste Mal seit langer Zeit, dass er sich an die Jahre vor seiner Umwandlung zu einem Astartes erinnerte. Sein Gehirn arbeitete auf Hochtouren, irgendeine in seinen Windungen verborgene Wahrheit drängte sich ihm langsam aber sicher auf. Die Tür öffnete sich, und eine in ein einfaches Kleid gehüllte Frau stieg die Stufen hinab, schien den in ihrem Keller stehenden Riesen nicht zu bemerken. Sie beugte sich über einen offenen Kartoffelsack und begann, Erdäpfel in eine Schale zu füllen, die sie unter dem Arm trug. Während Nhorodon so dastand und die Frau bei ihrer Tätigkeit beobachtet, änderte sich plötzlich etwas an seiner Umgebung. Die Wände schienen, unbemerkt von der Dame, sachte zu pulsieren, und eine Schrift trat an die Oberfläche, blutrot, Buchstabe für Buchstabe, bis ihn hundertmal dasselbe Wort umgab. Es lautete:
Töte.
Nhorodon machte einen Schritt auf die Frau zu, welche den Kopf wandte und bei seinem Anblick sichtlich erschrak. Doch er ließ ihr keine Zeit, einen Hilferuf auszustoßen, in einem kurzen Augenblick hatte er sie erreicht, umfasste mit einer Hand ihren Kopf und brach ihr durch ein kleines Zucken mit dem Handgelenk das zarte Genick. Er atmete tief ein und der angenehm süße Körpergeruch strömte ihm in die Nase, während ihr zierlicher Körper in seinem Griff erschlaffte. Üblicherweise verspürte Nhorodon eine perverse Form von Vergnügen, wenn er tötete, doch dieses Mal fühlte er sich, als habe er selbst einen schrecklichen Verlust erlitten.
Er legte die Leiche sanft auf den hölzernen Boden des Kellers, ihr starrer Blick eine Mischung aus schrecklicher Überraschung und trauriger Erkenntnis. Kaum, dass sie den Grund berührte, stieg von ihr auch schon der Geruch von Verfall auf, viel zu schnell für normale Umstände, doch das waren keine normalen Umstände, dies hier war immer noch die Prüfung des göttlichen Chaos, wie sich Nhorodon bewusst machen musste. Die Wände begannen erneut zu pulsieren und die Worte aus Blut veränderten sich. Die Buchstaben flossen ineinander und durcheinander, bis sie sich neue Lettern ergaben und sich aneinanderfügten. Dieses Mal schrieben sie:
Iss.
Der Prüfling riss der Leiche die Kleidung mit einem Ruck vom Leib und beugte sich über sie. Auch wenn sie bereits stark nach verfaultem Fleisch stank, ein Geruch der ihn normalerweise fröhlich stimmte, verspürte er eine tiefe Abneigung gegenüber der scheußlichen Tat, die er hier in diesem Keller verrichten sollte. Noch ganz sanft roch er den süßen Geruch der schönen Frau, die er soeben getötet hatte, und rammte bei diesem Gedanken seine Zähne in ihren Leib. Sein Mund füllte sich mit verwestem Fleisch, Maden wühlten bereits dicht unter der Haut, und Nhorodon fühlte das Winden ihrer glitschigen, fetten Leiber zwischen seinen Zähnen. Doch er kaute weiter und weiter, er biss einen weiteren Fetzen aus Gewebe ab, eine Made blieb ihm am Mundwinkel hängen und fiel in einen schmalen Spalt seiner Rüstung. Er musste würgen, als er einen dritten Bissen abriss, und ein Teil des Fleisches fiel wieder zurück in das Loch im Bauch der Leiche. Ein unnatürlicher, sanfter Wind kam in dem Keller auf, diesem Ort des Wahnsinns, in dem sich ein Krieger freiwillig dem Kannibalismus hingab. Die Schatten in den Ecken des Raumes verfinsterten sich, wie zuvor an der Oberfläche, als sich erneut die wispernde Stimmer erhob.
"Ja, iss weiter..."
Nhorodon setzte sich auf den Boden neben der Leiche und verdreht ihren rechten Arm in einen unnatürlichen Winkel, zog daran, bis er wie der Flügel eines Hühnchens samt Schulter vom Rest des Körpers abriss. Er saß da und biss wieder und wieder in den Arm, mahlte Haut, Knochen und verfaultes Fleisch zwischen seinen Zähnen.
"Köstlich, nicht wahr? Ja, das schmeckt gut! Wie viele Jahre warst du wohl schon nicht mehr an diesem Ort, oh mächtiger Auserwählter?"
Nhorodon hielt inne mit seinem Mal und betrachtete argwöhnisch die Umgebung, während wieder diese verdrängte Erinnerung auf ihn einstürmte. Er kannte diesen Raum, warum auch immer.
In einer dunklen Ecke erschien eine raubtierhafte Visage, halb geschlossene Augen, und ein süffisantes Grinsen im Gesicht. Sie sprach zu ihm:
"Es muss ein tolles Gefühl sein, nach so langer Zeit nach Hause zu kommen, nicht wahr?"
Nun fiel es Nhorodon wie Schuppen von den Augen. Dies hier war sein Zuhause. Hier hatte er die ersten Jahre seines Lebens verbracht, überlegte er ganz geistesabwesend und kaute auf dem Fleischfetzen in seinem Mund. Bis er den Gedanken zu Ende führte.
Entsetzt blickte Nhorodon zu der Leiche, die einst seine Mutter gewesen war. Was für ein grausamer Streich war dies? Welche Prüfung würde von einem Mann verlangen, seine eigene Mutter zu verspeisen? Die einzige Person, die ihm Liebe und Geborgenheit geschenkt hatte. Zudem war seine Mutter schon seit über einem Jahrhundert tot. Die Stimme säuselte:
"Zwei Prüfungen vorüber, fehlen noch zwei!"
"Lass mich in Ruhe Dämon! Ich weiß nicht, was du mit diesen Scheußlichkeiten bezweckst!"
"Der Vater des Verfalls empfindet deine Worte als vermessen, Menschling. Du bist nicht bereit für seine Gaben, dessen ist er sich sicher. Du hättest den Geschmack des Todes genießen müssen. Auch der Gott des vergossenen Blutes ist über deine fehlende Leidenschaft an diesem Mord mehr als erzürnt. Er wendet sich ab von dir und wird dich nicht als seinen Jünger anerkennen..."
Wütend ballte Nhorodon seine Rechte zur Faust und schlug gegen die Wand, sodass die Holzverkleidung brach und ein wenig Erde auf den Boden rieselte.
"Dann bin ich nun bereit für die dritte Prüfung, Biest!"
Das Kichern des Dämons wurde zu einem Gackern und schließlich zu lautem, kreischendem Gelächter. Mühsam brachte er hervor:
"Dann sei bereit, denn es geht los: Vergehe dich an dem leblosen Körper deiner von dir selbst getöteten Mutter! Und genieße es..."
"Du bist wohl nicht bei Trost! Eher sterbe ich, als ihren Leichnam zu schänden!"
"Dann hast du auch in der dritten Prüfung versagt, wie erbärmlich! Zeit für den letzten Test, und ich rate dir, diesen zu bestehen!"
Nhorodon stieg über die Treppe nach oben. Er betrat dich Küche, in der er bis zu seinem achten Lebensjahr gegessen hatte. Er betrachtete die Bilder, die an der Wand hingen, Motive, die seine Mutter mit seinem Vater zeigten, der vor seiner Geburt gestorben war. Auf anderen sah er sich selbst als kleinen Jungen, bei seinem ersten Besuch in der Schule. Er hatte auf jedem Bild ein Lächeln auf den Lippen. Er stieg eine weitere Treppe nach oben in den ersten Stock, wo sich die Schlafzimmer befanden. Alles sah genauso aus wie früher. Die kleine Kommode, die im Gang stand, die Gaslampe an der Decke, die ihm früher immer so weit entfernt vorkam, unter der er sich heute aber hindurch ducken musste. Seine Hand berührte die Klinke der Tür zu seinem Zimmer, drückte sie nach unten und trat ein. Als sein Fuß den Boden berührte, schien ein Damm in seinem Gedächtnis zu brechen. Ein Staudamm, der alle Erinnerungen an sein Leben vor der Umwandlung zurückgehalten hatte. Plötzlich lag er wieder im Bett, seine Beine mit den Armen umschlungen unter der Decke, und hörte die Treppe draußen im Flur unter schweren Schritten ächzen. Schritte, die ganz und gar nicht zu seiner Mutter passten, und er ahnte Schlimmes. Als sich die Schritte seinem Zimmer näherten, spürte er die Vibrationen über den Boden bis in sein Bett, die der Fremde mit jedem Tritt auslöste. Er stoppte kurz vor der Tür, und der arme Junge sah die Schatten von Beinen, die breit wie Säulen durch den schmalen Schlitz darunter zu sehen waren. Die Tür schwang auf und ein Monster wie aus seinen schlimmsten Alpträumen trat ein, gekleidet in die Rüstung eines Astartes, der Mund blutverschmiert, umgeben von einem infernalen Flimmern. Das gewaltige Wesen schritt langsam zu dem Bett des armen Kindes und riss ihm mit einem Ruck die Decke vom Körper, sodass der Junge nun bar jeden Schutzes vor ihm lag. Das Kind drückte sich gegen die Wand, weinte und weinte, während der Riese einfach nur dastand, das Bettlaken in der einen, eine blutverkrustetes, in schwachem Licht schimmerndes Schwert in der anderen Hand. Mit unendlicher Trauer und Entsetzen blickte Nhorodon auf sich selbst hinab.
Als der zu erwartende tödliche Hieb ausblieb, hob der Junge seinen Blick zu dem Monster empor. Rotz und Tränen verschmierten seine Züge, doch fasste er sich ein Herz und schrie aus Leibeskräften, setzte seine gesamte Verzweiflung und Trauer in seine Worte:
"WAS HAST DU MEINER MAMA GETAN? WAS HAST DU GETAN?
Bei diesen Worten machte Nhorodon einen Schritt rückwärts. Er verließ fluchtartig das Zimmer, lief die Treppe hinab. Immer noch schrie der Junge in seinem Zimmer.
Nhorodon der Blutige stürmte zur Haustür, durch die er früher so oft geschritten war. Doch platzte er nicht auf die Straße einer Vorstadtsiedlung, sondern zwischen seine Männer die auf seine Rückkehr gewartet hatten. Erst jubelten sie ihm zu, doch sobald sie sahen, dass seine Augen mit Tränen gefüllt waren, dass er mehr vor sich her fiel als dass er wie sonst stolzierte, verstummten sie. Sie starrten ihm nach, als er immer weiter vorwärts in die Wüste stolperte, die er selbst geschaffen hatte, heute wie damals. Schließlich sank er auf die Knie und erbrach sich, jedoch waren es keine Lebensmittel und Magensäure, die er von sich gab, sondern seine eigenen Gedärme, die sofort begannen, sich zu winden und sich um seine Gliedmaßen zu schlingen, sie zu bedeckten. Er würgte mehr Materie hervor als überhaupt in seinem Körper Platz gefunden hätte, bis schließlich nur noch sein Mund als Loch in einem fleischigen Sack sichtbar war, der Tentakel ausbildete und aus unsichtbaren Mäulern kreischend auf die versammelten Chaos Marines zurollte.
Nhorodon hatte in den Augen der Götter versagt, und würde ihnen nun fortan als eine andere Daseinsform dienen. Nur eines war sicher. Er würde weiterhin das Scheusal bleiben, das er von seinem achten Lebensjahr an war.
Hier und dort ragten Laternen und Antennen aus den Trümmern, die wie Denkmäler und Grabsteine auf den Tod einer ganzen Zivilisation hinwiesen, und ihre in dem flackernden Licht umher zuckenden Schatten auf das ehemals urbane Gelände warfen.
Im Mittelpunkt dieser Verwüstung versammelte sich eine Gruppe dunkler Gestalten, wahren Hühnen, gekleidet in Rüstungen aus Stahl. Ihre Panzerung wirbelte Staub und Sand auf, die schweren Schritte verursachten dumpfe Geräusche, die sich in der zerklüfteten Umgebung verfingen. Insgesamt acht Männer formierten sich zu einem Kreis, von hinten durch die Flammen beleuchtet, die Züge ihrer Gesichter waren unsichtbar in der tiefen Dunkelheit, die das Antlitz eines jeden einzelnen bedeckt hielt.
Ein tiefer Basston erklang, hervorgebracht von einer der Gestalten, er füllte den kompletten Kreis aus, rasch ergänzt von einem weiteren Ton von ähnlich tiefer Tonlage. Die Gesellschaft begann zu summen, ein ab- und anschwellendes Geräusch, wie es wohl auch ein großer Schwarm Insekten verursachen würde, während das flackernde Licht der Brände ihre Schatten weiterhin über die wüste Landschaft warf.
Einige von ihnen schienen zu singen begonnen zu haben, denn der Gesamtton veränderte sich. Er war untersetzt von den gemurmelten Worten einer fremdartigen, unendlich bösen Sprache. Die Luft schien zu flimmern, doch es war nicht die Hitze der Flammen, die dieses Spektakel hervorrief.
Einer der Männer schritt mitten in den Kreis und breitete die Arme aus. Er warf den Kopf in den Nacken und brüllte hinauf in den Himmel:
"Ich habe die Anforderungen erfüllt, ihr Götter! Zehntausend mal zehntausend Leben sind genommen, wie Unkraut gepflückt aus den Reihen meines eigenen Volkes! Ihr Blut klebt an meinen Händen, ich bin verantwortlich für ihren Tod, und nur ich bin würdig unsterbliche Macht zu erhalten! Nun befehle ich euch: Schenkt sie mir!"
Mit einem Mal verstummte der Singsang der Männer, während die letzten Worte ihres Anführers in die Ferne wallten. Das Flimmern schien sich zu verstärken, die Schatten zogen sich um die Gruppe zusammen, doch keiner fühlte Angst in seinen Herzen. Reif kletterte langsam an den Kanten ihrer Rüstungen empor, und die Finsternis materialisierte sich in düsteren Schemen über ihren Köpfen.
Plötzlich begann ein Wind zu wehen, in dessen Säuseln eine bedrohliche Stimme wisperte:
"Wer wagt es, den Göttern Befehle zu erteilen, Wurm aus dem Diesseits?"
"Ich bin es, Nhorodon der Blutige, bald Gesegneter des Chaos, und ich fordere dich auf, mir die Macht der Götter zu verleihen, Dämon!"
Eine kurze Stille lies die Atmosphäre nahezu vor Anspannung erzittern, bis schließlich ein leises Kichern die Luft erfüllte.
"Ein wahrlich dreistes Anliegen, Menschling. Doch die Götter haben in der Tat Gefallen an dir gefunden."
"Wen wundert dies? Ich bin der größte Vernichter alle Zeiten! Ich werde meine Kunst in Ewigkeit fortführen und selbst die Vier werden bei meinem Anblick vor Furch erzittern!"
"Du sollst geprüft werden, doch deine Frechheiten mögen nicht nur mein Gemüt erzürnt haben. Deine Prüfungen werden hart sein. Die schwersten von Ihnen musst du bestehen, um dir die Götter wohl gesonnen zu stimmen."
Der weiße Halbmond eines schiefen Grinsens erschien in dem Gesicht des Auserwählten.
"Dann lass uns beginnen..."
Der Dämon befahl Nhorodon, zu graben, er und seine Männer schaufelten Geröll weg, so viel und so lange, dass ihnen der Schweiß von den Gesichtern lief und ein weiterer Krater in der vergewaltigten Landschaft geboren wurde, bis sie schließlich eine stählerne Luke fanden. Sie wurde von zwei Panzerplatten bedeckt, die, an gewaltigen Angeln befestigt, die Zeichen des Chaos aufwiesen. Ihre Oberfläche war von dunkelrotem Rost bedeckt, der in dem dämmerigen Licht wie getrocknetes Blut aussah. Ohne zu zögern oder sich von seinen Männern zu verabschieden, öffnete Nhorodon den Zugang, indem er die beiden Torflügel, anstatt sie zu öffnen, eintrat und in die dahinterliegende Dunkelheit stieß. Er setzte seinen Fuß über die Schwelle und war alsbald nicht mehr zu sehen.
In dem Tunnel war es finsterer als in einer mondlosen Nacht. Nhorodon konnte nur durch seine verstärkten Sinne erahnen, wo sich die Wände befanden und wo die nächsten Stufen begannen. Der Weg führte ihn bergab, doch wurden die vielen Treppen auch oft von längeren Passagen unterbrochen, die ebenerdig verliefen. Es stank nach Schimmel, doch je weiter sich Nhorodon den Gang entlangbewegte, wurde dieser penetrante Geruch von einer etwas anderen, unterschwelligen Note durchzogen. Sie erinnerte ihn an Heimat. An Zuhause, wo auch immer das sein sollte. Der heimelig anmutende Geruch verstärkte sich und ein warmes Gefühl von Geborgenheit und Wärme erfüllte seine Herzen. Schließlich konnte er am Ende des Ganges ein Licht ausmachen. Jedoch war es keine richtige Lichtquelle, die er sah, es war ein sanfter Schein, wie die Reflektion von Kerzenlicht auf Wänden. Der Tunnel führte nun sanft aufwärts. Er näherte sich diesem Leuchten und fand sich in einem Kellerraum wieder.
Die Wände waren holzverkleidet und in der Ecke lagen aufeinander gestapelte Säcke von Kartoffeln und anderen Vorräten. Jetzt wusste Nhorodon auch wieder, was es für ein Geruch war, der ihn auf dem ganzen Weg hierher verfolgt hatte. Es war der Duft nach ungeschälten Kartoffeln, wie er ihn in seiner Kindheit oft vernommen hatte. Seltsam.
Dies war das erste Mal seit langer Zeit, dass er sich an die Jahre vor seiner Umwandlung zu einem Astartes erinnerte. Sein Gehirn arbeitete auf Hochtouren, irgendeine in seinen Windungen verborgene Wahrheit drängte sich ihm langsam aber sicher auf. Die Tür öffnete sich, und eine in ein einfaches Kleid gehüllte Frau stieg die Stufen hinab, schien den in ihrem Keller stehenden Riesen nicht zu bemerken. Sie beugte sich über einen offenen Kartoffelsack und begann, Erdäpfel in eine Schale zu füllen, die sie unter dem Arm trug. Während Nhorodon so dastand und die Frau bei ihrer Tätigkeit beobachtet, änderte sich plötzlich etwas an seiner Umgebung. Die Wände schienen, unbemerkt von der Dame, sachte zu pulsieren, und eine Schrift trat an die Oberfläche, blutrot, Buchstabe für Buchstabe, bis ihn hundertmal dasselbe Wort umgab. Es lautete:
Töte.
Nhorodon machte einen Schritt auf die Frau zu, welche den Kopf wandte und bei seinem Anblick sichtlich erschrak. Doch er ließ ihr keine Zeit, einen Hilferuf auszustoßen, in einem kurzen Augenblick hatte er sie erreicht, umfasste mit einer Hand ihren Kopf und brach ihr durch ein kleines Zucken mit dem Handgelenk das zarte Genick. Er atmete tief ein und der angenehm süße Körpergeruch strömte ihm in die Nase, während ihr zierlicher Körper in seinem Griff erschlaffte. Üblicherweise verspürte Nhorodon eine perverse Form von Vergnügen, wenn er tötete, doch dieses Mal fühlte er sich, als habe er selbst einen schrecklichen Verlust erlitten.
Er legte die Leiche sanft auf den hölzernen Boden des Kellers, ihr starrer Blick eine Mischung aus schrecklicher Überraschung und trauriger Erkenntnis. Kaum, dass sie den Grund berührte, stieg von ihr auch schon der Geruch von Verfall auf, viel zu schnell für normale Umstände, doch das waren keine normalen Umstände, dies hier war immer noch die Prüfung des göttlichen Chaos, wie sich Nhorodon bewusst machen musste. Die Wände begannen erneut zu pulsieren und die Worte aus Blut veränderten sich. Die Buchstaben flossen ineinander und durcheinander, bis sie sich neue Lettern ergaben und sich aneinanderfügten. Dieses Mal schrieben sie:
Iss.
Der Prüfling riss der Leiche die Kleidung mit einem Ruck vom Leib und beugte sich über sie. Auch wenn sie bereits stark nach verfaultem Fleisch stank, ein Geruch der ihn normalerweise fröhlich stimmte, verspürte er eine tiefe Abneigung gegenüber der scheußlichen Tat, die er hier in diesem Keller verrichten sollte. Noch ganz sanft roch er den süßen Geruch der schönen Frau, die er soeben getötet hatte, und rammte bei diesem Gedanken seine Zähne in ihren Leib. Sein Mund füllte sich mit verwestem Fleisch, Maden wühlten bereits dicht unter der Haut, und Nhorodon fühlte das Winden ihrer glitschigen, fetten Leiber zwischen seinen Zähnen. Doch er kaute weiter und weiter, er biss einen weiteren Fetzen aus Gewebe ab, eine Made blieb ihm am Mundwinkel hängen und fiel in einen schmalen Spalt seiner Rüstung. Er musste würgen, als er einen dritten Bissen abriss, und ein Teil des Fleisches fiel wieder zurück in das Loch im Bauch der Leiche. Ein unnatürlicher, sanfter Wind kam in dem Keller auf, diesem Ort des Wahnsinns, in dem sich ein Krieger freiwillig dem Kannibalismus hingab. Die Schatten in den Ecken des Raumes verfinsterten sich, wie zuvor an der Oberfläche, als sich erneut die wispernde Stimmer erhob.
"Ja, iss weiter..."
Nhorodon setzte sich auf den Boden neben der Leiche und verdreht ihren rechten Arm in einen unnatürlichen Winkel, zog daran, bis er wie der Flügel eines Hühnchens samt Schulter vom Rest des Körpers abriss. Er saß da und biss wieder und wieder in den Arm, mahlte Haut, Knochen und verfaultes Fleisch zwischen seinen Zähnen.
"Köstlich, nicht wahr? Ja, das schmeckt gut! Wie viele Jahre warst du wohl schon nicht mehr an diesem Ort, oh mächtiger Auserwählter?"
Nhorodon hielt inne mit seinem Mal und betrachtete argwöhnisch die Umgebung, während wieder diese verdrängte Erinnerung auf ihn einstürmte. Er kannte diesen Raum, warum auch immer.
In einer dunklen Ecke erschien eine raubtierhafte Visage, halb geschlossene Augen, und ein süffisantes Grinsen im Gesicht. Sie sprach zu ihm:
"Es muss ein tolles Gefühl sein, nach so langer Zeit nach Hause zu kommen, nicht wahr?"
Nun fiel es Nhorodon wie Schuppen von den Augen. Dies hier war sein Zuhause. Hier hatte er die ersten Jahre seines Lebens verbracht, überlegte er ganz geistesabwesend und kaute auf dem Fleischfetzen in seinem Mund. Bis er den Gedanken zu Ende führte.
Entsetzt blickte Nhorodon zu der Leiche, die einst seine Mutter gewesen war. Was für ein grausamer Streich war dies? Welche Prüfung würde von einem Mann verlangen, seine eigene Mutter zu verspeisen? Die einzige Person, die ihm Liebe und Geborgenheit geschenkt hatte. Zudem war seine Mutter schon seit über einem Jahrhundert tot. Die Stimme säuselte:
"Zwei Prüfungen vorüber, fehlen noch zwei!"
"Lass mich in Ruhe Dämon! Ich weiß nicht, was du mit diesen Scheußlichkeiten bezweckst!"
"Der Vater des Verfalls empfindet deine Worte als vermessen, Menschling. Du bist nicht bereit für seine Gaben, dessen ist er sich sicher. Du hättest den Geschmack des Todes genießen müssen. Auch der Gott des vergossenen Blutes ist über deine fehlende Leidenschaft an diesem Mord mehr als erzürnt. Er wendet sich ab von dir und wird dich nicht als seinen Jünger anerkennen..."
Wütend ballte Nhorodon seine Rechte zur Faust und schlug gegen die Wand, sodass die Holzverkleidung brach und ein wenig Erde auf den Boden rieselte.
"Dann bin ich nun bereit für die dritte Prüfung, Biest!"
Das Kichern des Dämons wurde zu einem Gackern und schließlich zu lautem, kreischendem Gelächter. Mühsam brachte er hervor:
"Dann sei bereit, denn es geht los: Vergehe dich an dem leblosen Körper deiner von dir selbst getöteten Mutter! Und genieße es..."
"Du bist wohl nicht bei Trost! Eher sterbe ich, als ihren Leichnam zu schänden!"
"Dann hast du auch in der dritten Prüfung versagt, wie erbärmlich! Zeit für den letzten Test, und ich rate dir, diesen zu bestehen!"
Nhorodon stieg über die Treppe nach oben. Er betrat dich Küche, in der er bis zu seinem achten Lebensjahr gegessen hatte. Er betrachtete die Bilder, die an der Wand hingen, Motive, die seine Mutter mit seinem Vater zeigten, der vor seiner Geburt gestorben war. Auf anderen sah er sich selbst als kleinen Jungen, bei seinem ersten Besuch in der Schule. Er hatte auf jedem Bild ein Lächeln auf den Lippen. Er stieg eine weitere Treppe nach oben in den ersten Stock, wo sich die Schlafzimmer befanden. Alles sah genauso aus wie früher. Die kleine Kommode, die im Gang stand, die Gaslampe an der Decke, die ihm früher immer so weit entfernt vorkam, unter der er sich heute aber hindurch ducken musste. Seine Hand berührte die Klinke der Tür zu seinem Zimmer, drückte sie nach unten und trat ein. Als sein Fuß den Boden berührte, schien ein Damm in seinem Gedächtnis zu brechen. Ein Staudamm, der alle Erinnerungen an sein Leben vor der Umwandlung zurückgehalten hatte. Plötzlich lag er wieder im Bett, seine Beine mit den Armen umschlungen unter der Decke, und hörte die Treppe draußen im Flur unter schweren Schritten ächzen. Schritte, die ganz und gar nicht zu seiner Mutter passten, und er ahnte Schlimmes. Als sich die Schritte seinem Zimmer näherten, spürte er die Vibrationen über den Boden bis in sein Bett, die der Fremde mit jedem Tritt auslöste. Er stoppte kurz vor der Tür, und der arme Junge sah die Schatten von Beinen, die breit wie Säulen durch den schmalen Schlitz darunter zu sehen waren. Die Tür schwang auf und ein Monster wie aus seinen schlimmsten Alpträumen trat ein, gekleidet in die Rüstung eines Astartes, der Mund blutverschmiert, umgeben von einem infernalen Flimmern. Das gewaltige Wesen schritt langsam zu dem Bett des armen Kindes und riss ihm mit einem Ruck die Decke vom Körper, sodass der Junge nun bar jeden Schutzes vor ihm lag. Das Kind drückte sich gegen die Wand, weinte und weinte, während der Riese einfach nur dastand, das Bettlaken in der einen, eine blutverkrustetes, in schwachem Licht schimmerndes Schwert in der anderen Hand. Mit unendlicher Trauer und Entsetzen blickte Nhorodon auf sich selbst hinab.
Als der zu erwartende tödliche Hieb ausblieb, hob der Junge seinen Blick zu dem Monster empor. Rotz und Tränen verschmierten seine Züge, doch fasste er sich ein Herz und schrie aus Leibeskräften, setzte seine gesamte Verzweiflung und Trauer in seine Worte:
"WAS HAST DU MEINER MAMA GETAN? WAS HAST DU GETAN?
Bei diesen Worten machte Nhorodon einen Schritt rückwärts. Er verließ fluchtartig das Zimmer, lief die Treppe hinab. Immer noch schrie der Junge in seinem Zimmer.
Nhorodon der Blutige stürmte zur Haustür, durch die er früher so oft geschritten war. Doch platzte er nicht auf die Straße einer Vorstadtsiedlung, sondern zwischen seine Männer die auf seine Rückkehr gewartet hatten. Erst jubelten sie ihm zu, doch sobald sie sahen, dass seine Augen mit Tränen gefüllt waren, dass er mehr vor sich her fiel als dass er wie sonst stolzierte, verstummten sie. Sie starrten ihm nach, als er immer weiter vorwärts in die Wüste stolperte, die er selbst geschaffen hatte, heute wie damals. Schließlich sank er auf die Knie und erbrach sich, jedoch waren es keine Lebensmittel und Magensäure, die er von sich gab, sondern seine eigenen Gedärme, die sofort begannen, sich zu winden und sich um seine Gliedmaßen zu schlingen, sie zu bedeckten. Er würgte mehr Materie hervor als überhaupt in seinem Körper Platz gefunden hätte, bis schließlich nur noch sein Mund als Loch in einem fleischigen Sack sichtbar war, der Tentakel ausbildete und aus unsichtbaren Mäulern kreischend auf die versammelten Chaos Marines zurollte.
Nhorodon hatte in den Augen der Götter versagt, und würde ihnen nun fortan als eine andere Daseinsform dienen. Nur eines war sicher. Er würde weiterhin das Scheusal bleiben, das er von seinem achten Lebensjahr an war.
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