Athel Loren. Allein dieser Name verursachte, dass Betronischen Ritter die Worte fehlten. Das sich Leibeigene ängstlich unter ihrem Bett verkrochen. Allein dieser Name war es, der manch alten Recken nachts aufwachen ließ, um ihn feststellen zu lassen, dass sein Bett feucht war. Dies alles tat dieser Name. Doch letztendlich war es ein Wald wie jeder andere. Der einzige Unterschied war, dass der Wald voller Geister, wandelnder Bäume und Elfen war. Für manchen genau der Grund, einen weiten Bogen um diesen Wald zu machen. Andere gingen genau aus diesem Grund hinein.
Er selbst gehörte zu Letzteren. Auf allen Vieren rannte nun ein gewaltiges, wolfsähnliches Wesen durch diesen Wald. Und dank des Vollmonds bewegte er sich so schnell durch den Wald, dass man nur einen Umriss von ihm wahrnahm. Eine Art Schatten, der sich durch die Bäume schlängelte und immer wieder stehen blieb und prüfend die Nase hob und schnüffelte. Doch er hatte einfach kein Glück. Langsam wurde der Werwolf missmutig. Seit mehreren Stunden schon war er unterwegs und nicht mal einen Hasen hatte er vor die Schnauze bekommen. Vermutlich hatten diese Waldelfen mal wieder überwildert und jetzt hatte er nichts mehr zu fressen.
Als ob sie glaubten, ihnen gehöre der Wald. Was eigentlich auch stimmte. Aber das gab ihnen noch lange nicht das Recht, den Raubtieren und ihm das Essen wegzunehmen. Doch bevor er seine Taktik änderte und wieder mal ein Dorf überfiel, wollte er nochmal schauen, ob er nicht doch noch einen saftigen Rehbock oder Hirsch erwischte. Also setzte sich der Wolfsmensch wieder in Bewegung und suchte nach einem saftigen Mahl. Doch es schien, als wäre der Wald wie ausgestorben. Enttäuscht heulte der Werwolf kurz und schaute dabei zum Mond. Nach seiner Schätzung war es inzwischen ungefähr vier Uhr in der Früh.
Was hieß, dass er sich schnellstens was zum Essen besorgen sollte, wenn er um sechs Frühstücken wollte. Das hieß auch, dass er nicht mehr dazu kam, ein Dorf zu überfallen. Seufzend setzte er sich hin und kratzte sich mit seinem Fuß hinterm Ohr. Leider hatte das Stiefkind Ulrics nur noch eine Möglichkeit, um an Essen zu kommen, das nicht von einer Pflanze kam. Und diese gefiel ihm überhaupt nicht. Aber ein Werwolf musste tun, was ein Werwolf tun musste. Auch wenn es ihm gar nicht passte. So sprang er auf und machte sich auf in Richtung Norden. Dabei richtete sich der Wolfsmensch immer weiter auf, bis er letztendlich auf zwei Beinen rannte. Das beeinträchtigte aber in keinster Weise seine Geschwindigkeit.
Denn schon nach knapp zwei Meilen war er an sein Ziel gelangt. Hier bewegte er sich nun um einiges vorsichtiger und leiser als während des Wegs hierher. Trotzdem kam er schnell voran und erreichte einen sehr lichten Teil des Waldes. Schnell sprang er nun auf einen der gewaltigen Bäume. Zwar war der Wolf in ihm ein völlig untalentierter Kletterer, doch zusammen mit dem Menschlichen in ihm und den Klauen schaffte er es in beachtlicher Zeit fast bis zur Spitze. Doch kurz bevor er das Ende erreichte, kletterte er auf einen Seitenast weiter. Der Ast gab ihm trotzdem genug Platz, so dass er bequem gehen konnte.
Ulrics Stiefkind erreichte nun beinahe das Ende des Astes, von wo er nun einen perfekten Überblick auf seine Beute hatte. Waldelfen. Er war bis jetzt noch nie soweit gegangen und hatte eine Waldelfensiedlung überfallen. Deswegen ging er mit noch mehr Vorsicht vor als bei der normalen Jagd.
Schon bald war klar, dass die Waldelfen sich sehr sicher fühlten. Sie hatten nur acht Wachen aufgestellt, der Rest schien zu schlafen. Doch der Werwolf witterte geradezu, dass der Friede in diesem Dörfchen nur Fassade war. Kein Waldelfendorf verhielt sich so dumm, dass es so gut wie unbewacht war. Und am allerwenigsten diejenigen, die gleich an der Grenze des Waldes liegen. Doch egal wie sehr sich der Werwolf auch anstrengte, nirgends fand er eine Spur von weiteren Waldelfen oder einer Falle.
Er stieß ein Knurren aus. Es gefiel ihm gar nicht, sich vielleicht mitten in eine Falle zu stürzen. Doch was tat man doch nicht alles, um einen gefüllten Bauch zu haben. Der Werwolf kletterte nun bis zum gänzlichen Ende des Astes. Dieser reichte etwas über den Wachtposten hinaus. Er hatte sich schon vorher das Gebäude ausgesucht, wo er raufspringen würde. Es war ein kleineres Haus auf einer Eiche. An sich bauten die Waldelfen immer schon auf Bäumen, doch anscheinend berücksichtigten sie nie, dass es immer noch höhere Bäume gab als die eigenen Baumhäuser. Das ermöglichte Wesen wie ihm einen leichten Zugriff auf den Ort.
Tief luftholend sprang der Werwolf hinab, krallte sich in einen Ast hinein und blieb nach einem Meter stehen. Langsam atmete er aus und kletterte nun auf das Dach des Baumhauses. Leise ging er nun zurück, direkt zu dem Wachtposten. Dieser schaute gelangweilt ins Dunkel und schien vielmehr zu schlafen als wach zu sein. Sicher hätte der Werwolf auch auf normalem Wege in die Siedlung keine Probleme mit der Entdeckung gehabt. Jedenfalls wenn alle Waldelfen Wächter so unaufmerksam wären. Schnell und mit so gut wie keinem Laut trat er nun hinter dem Wachtposten und klopfte ihm auf die linke Schulter.
Der Waldelfen sprang erschrocken auf und drehte sich um. Doch der wahre Schrecken des Spitzohrs zeigte sich erst, als er in das gewaltige Wolfsgesicht starte. Und bevor er auch nur ein Wort herausbrachte, wurde ihm auch schon das Genick gebrochen. Damit keinem auffiel, dass der Wachtposten tot war, nahm er den Speer der Wache und rammte diesen der Leiche in die Brust. Dann stellte er ihn noch so hin, dass es aussah als würde er immer noch den Waldrand beobachten. Mit einem zufriedenen leisen Jaulen schnupperte der Werwolf. Er roch sofort einen unwiderstehlichen Geruch. Seine Nase führte ihn zu einem der größeren Häuser, das auf einem Nussbaum thronte.
Der Wolfsmensch riss kurzerhand ein Loch in die Holzwand. Natürlich so behutsam, dass keiner der Bewohner wach wurde. Dann drang er ins Haus ein. Er schritt durch mehrere Zimmer, die fast alle gleich aussahen. Sie bestanden aus Holz, an den Wänden waren Jagdtrophäen und ansonsten standen höchstens ein Tisch und ein paar Stühle herum. Ein paarmal ging er auch in ein Schlafzimmer rein. Doch nirgends waren Waldelfen. Sein Gefühl schrie nun geradezu, dass irgendetwas einfach nicht stimmte. Und genau, als er sich zum Umkehren entschloss, traf ihn hinterrücks ein Pfeil in den Rücken. Bevor der Werwolf darauf reagieren konnte, kam von oben wie ein Blitz eine Klinge geschossen. Diese drang von seinem Schlüsselbein bis zur Hüfte. Mit einem leisen Ächzen fiel er um. Zum Glück fiel er nach vorn, wodurch er sich es ersparte, sich den Pfeil in seinem Rücken noch tiefer zu rammen. Zwar war der Wolfsmensch noch nicht dem Tode nahe, doch auch er war nicht unsterblich.
Während er so dalag, wurden ihm zuerst das Schwert und dann der Pfeil aus seinem Körper gezogen. Und es brauchte alle seine Willenskraft, um ruhig zu bleiben und sich nicht jaulend und knurrend auf diese feigen Spitzohren zu stürzen. Ulrics Stiefkind hörte, wie mehrere Personen nun in den Raum traten. Er schätzte, dass gut 6-9 der Elfen sich nun im Raum aufhielten. Sie besprachen nun etwas, was vermutlich ihn betraf. Nur gut, dass der Wolfsmensch sich in der Sprache der Elfen des Waldes blendend auskannte.
„Nein Vater“, sprach einer der Elfen mit einer noch fast kindlichen Stimme, „wir sollten lieber die Leiche dieses Viechs verbrennen. Schließlich könnte diese Kreatur durch seine bloße Anwesenheit unsere Heimat verderben. Wenn er es noch nicht schon getan hat“. Hoffentlich macht ihr eben das nicht, dachte der Wolfmensch. Elfen hatten die Angewohnheit sehr leise zu sprechen, schon fast flüsternd. Zusammen mit dem etwas eigenartigen Dialekt war es für ihn sehr schwer, das Ganze zu verstehen.
„Thiflonda, du ängstigst dich völlig grundlos. Nicht einmal eine Horde Tiermenschen könnte diesen Wald verderben. Also können wir ihn ruhig eine Zeit lang hierbehalten. Und außerdem ist es das erste Mal, dass ich so ein Kind des Chaos sehe. Man sieht nicht mal richtige Anzeichen einer Mutation. Es scheint fast als wäre diese Kreatur gar nicht vom Chaos berührt. Wir bringen sie lieber zu Alshyah. Sie wird schon herausfinden, was es mit dieser Kreatur auf sich hat“. Es folgte eine kurze Pause, als einer der Elfen Luft holte, um etwas zu sagen. Doch dieser wurde augenblicklich von dem anscheinenden Anführer rüde unterbrochen.
„Nein, Elgoid, wir machen es, wie ich sagte und Schluss! Jetzt bringt dieses Etwas da weg. Der Geruch verseucht mir noch das ganze Hause. Und Thiflonda, weck die restlichen Bewohner auf und schau zu unseren Wachtposten. Die Waldläufer sollen sich die Umgebung anschauen. Ich will wissen, woher es gekommen ist. Vielleicht gibt es da draußen ja noch mehr von der Sorte“. Nach diesen Worten ertönte leicht das Nachhallen von Schritten und der Werwolf wurde umgedreht und sah geradewegs das Gesicht eines hässlichen Spitzohrs. Und bevor der Elf auch nur die Lippen öffnen konnten, schnellte der Kopf des Wolfsmenschen schon nach vorn und biss dem Elf den Kopf von den Schultern.
Besser gesagt zermalmte er den Schädel zwischen seinen Kiefern. Dadurch spritzte das Blut durch den gesamten Raum. Der Werwolf sprang schnell auf und fixierte zwei Waldelfen, die sich gerade das Blut ihres Artgenossen aus den Augen rieben. Bevor sie jedoch damit fertig wurden, sprang er nach vorn und schlitzte beiden den Bauch auf. Doch noch während die Eingeweide der beiden Spitzohren auf den Boden fielen, hörte er Stimmen und leise Trippelschritte. Und das leise zischende Geräusch eines Pfeiles. Da er sowieso nicht mehr ausweichen konnte, drehte er sich in die Richtung woher der Pfeil kam.
Doch noch während er sich drehte, drang der Pfeil in seine Schulter ein. Aufjaulend sprang der Wolfsmensch blitzschnell auf den Elfen zu, schlug den auf ihn zufliegenden Pfeil einfach beiseite und schlug mit der blanken Faust auf die Brust des Elfen. Knackend brachen die Knochen im Leib des Spitzohrs und er krachte derart stark gegen die Wand, dass sie durchbrach. Ein plötzliches Zischen warnte ihn gerade noch rechtzeitig genug, um das Schwert mit seinen Klauen beiseite zu schlagen. Er erkannte an dem noch nicht ganz weggewischten Blut an der Klinge, dass das genau der Elf war, der ihm vorhin so übel mitgespielt hatte. Und das würde er ihm heimzahlen. Der Werwolf wurde trotz seiner Schnelligkeit von dem Waldelfen in die Defensive gedrängt. Wütend täuschte er einen Angriff auf das linke Bein des Elfs vor, doch er änderte den Schlag so, dass er auf den Bauch des Elfen nun zuhielt.
Das miese Spitzohr drehte sich höhnisch lachend einmal um die Achse und trieb ihm das Schwert durch den Unterarm. Doch bevor der Elf das Schwert wieder herausziehen konnte, packte der Werwolf den Arm von diesem hüpfenden Baumknutscher und biss ihn. Das Kreischen, das der Elf dabei von sich gab, klang als würde ein Kastrat seine Stimme vor einer Gesangsprobe vorbereiten. Für ihn war es die beste Musik seit Langem. Doch der Elf schlüpfte plötzlich aus dem eisenharten Griff des Werwolfs und sprang zurück. Zwar hing ihm jetzt sein linker Arm nutzlos herunter, doch sein rechter Arm war noch völlig da.
Und jetzt war der Elf auch noch richtig wütend. Mit der Geschwindigkeit einer Natter kam das Spitzohr auf ihn zu. Und bevor der Werwolf auch nur den Arm heben konnte, versank die Klinge in seinem Bein und zwei Füße krachten ihm mitten auf die Schnauze. Wie es der Elf schaffte, so eine akrobatische Meisterleistung trotz eines zermalmten Arms zu machen, brachte den Werwolf dazu, großen Respekt vor diesem Elfen zu haben. Was nicht hieß, dass er diesem blöden Baumknutscher nicht die Eingeweide rausreißen und ihn damit erwürgen würde. Doch hier war jetzt Taktik gefragt. Noch während Ulrics Stiefkind zurückflog, nahm er alle Kraft in seinen Beinen und katapultierte sich durch den Raum. Krachend brach der Werwolf durch die Wand und nutzte den restlichen Schwung, um durch die Tür zu kommen. Nur ein paar Sekunden später kam auch schon der Elf hinterher geschossen, bereit, dem Untier den Schädel abzuschlagen. Doch bevor es soweit kam, durchdrangen von oben mehrere Klauen die Schulter des Spitzohrs. Und eine weitere Klaue riss ihm den Bauch auf. Ohne einem weiteren Laut brach der Elf zusammen.
„Das war für den hinterhältigen Angriff, Spitzohr“, dachte der Wolfsmensch genüsslich. Schließlich sprang der Werwolf nun durch ein Fenster. Für ihn gab es in dem Haus nichts mehr zu holen. Und langsam ging ihm die Zeit aus. Zwar waren alle Elfen nun alarmiert, doch sie wussten nicht, dass er noch lebte.
Jedenfalls solang nicht, bis sie die Leichen gefunden hatten. Er konnte das Dorf nicht verlassen, solange er nicht hatte, was er suchte. Doch zum Glück liefen ihm gleich zwei leckere Exemplare entgegen. Nach ihrem Aussehen her, hatten sie genug Futter und er musste sich eingestehen, dass diese Elfen etwas mobbelig waren. Das brachte ihm fast zum Lachen. Wie krank wäre doch die Welt wenn sich statt den dünnen Spitzohren kugelige Fettklöße wie Eichhörnchen durch den Wald bewegten.
Doch da der Werwolf in Eile war, sprang er einfach auf die zwei Elfen zu und brach beiden lautlos das Genick. Vermutlich waren die Spitzohren so tief im Gespräch verwickelt, dass sie nicht einmal merkten, wie seine Hände sich um ihren Hals legten. Und so schnell wie er konnte, rannte Ulrics Stiefkind durch den Wald, und erreichte zu seiner großen Erleichterung rechtzeitig sein Zuhause. Was nicht viel mehr als eine Höhle war. Doch, das Besondere an der Höhle war, das es seine war. Und sowas machte ein Zuhause ja erst richtig lebenswert. Das, und die liebe Familie. Noch bevor er richtig eintrat, hörte der Werwolf ein freudiges Kläffen.
Und schon sah er sie, schwarzbraunes Fell, ein schlanker Körperbau und eisblaue Augen. Er schritt zu ihr und sie leckten sich zur Begrüßung am Mund. Der Wolfsmensch legte die zwei Leichen auf einen runden Felsen, der als Esstisch funktionierte. Dann schritt er rüber zu einer großen Seitennische, wo ein gepolsterter Boden mit Stroh und Wolle war. Und mitten drinnen saßen vier kleine wolfsähnliche Wesen. Sie schliefen noch, doch schon bald würden sie aufwachen, wenn sie den Geruch von frischem Fleisch in die Nase bekamen. Sie aßen zwar erst seit kurzem Fleisch, doch ihre Zähne waren schon längst scharf genug dafür. „Und Herbert, wie war dein Tag“?
Der Werwolf fluchte innerlich. Er hatte sich so gefreut, mal einen Tag ohne Reden zu verbringen. Schließlich war doch ein Tag voller Friede und Harmonie nicht zu viel verlangt. „Er war ganz gut Magda. Das Wetter hatte heute mitgespielt. Und wie war deiner“?
„Och, er war ganz okay. Ich hab mich heut wieder mal einen Brief von meiner Schwester gekriegt“. Herbert verwünschte in Gedanken die Schwester seiner Brutgefährtin. Jedesmal musste sie angeben von ihrem Leben an der Küste. Als ob das besser wäre als am Land. „Weist du Herbert, was der letzte Schrei an der Küste ist?“ Er seufzte.
„Nein Magda, aber du wirst es mir gleich erzählen, oder“?
„Dunkelelfen. Es sind Dunkelelfen. Meine Schwester schreibt dass ihr Gefährte die perfekten Jagdgebiete erlangt hat. Sie schreibt, dass sie noch nie soviele von den Elfen gesehen hat. Sie müssen sich wohl in letzter Zeit stark vermehrt haben“. Nach diesen Worten schritt Magda nun zum Tisch, um das Essen vorzubereiten. Herbert nutzte diese Pause, um sich auf einen Stein nieder zu setzen und zu warten. Er wusste, dass sie gleich wieder mit dem Ganzen anfangen würde. So war es jedes verdammte Mal am Morgen. Und jedes Mal endete es gleich. Als schließlich der entrüstete Schrei erschallte, zuckte er nicht einmal mit der Wimper.
„Herbert, wie oft muss ich es dir noch sagen!? Ich will endlich was Anderes! Fast jeden Morgen bringst du mir ein paar Blumenschnüffler. Ich will endlich mal wieder was Anderes! Wie ein paar Hasen, ein Reh oder mal wieder Menschen. Wie lang ist es her, dass ich frisches Menschenfleisch gegessen habe. Aber nein, Herr „die Menschen sind doch meine Freunde“ hat ja nicht den Mumm, um einen zu reißen“!
„Jetzt übertreibst du aber Magda! Ich will nicht meine Männerfreundschaften fürs Essen opfern! Du frisst ja auch nicht deine besten Freundinnen. Und du hast dich gerade zweimal wiederholt, mein Wölfchen“. Magda liebte es wenn er sie so nannte. Meistens jedenfalls.
„Oh, doch mein Lieber, sogar dreimal schon! Du bist der einzige Werwolf, der es nicht übers Herz bringt, einen Menschen zu töten. Wir sehen zwar aus wie die, aber da hört es auch schon auf Herbert. Man muss die Nahrungskette schließlich beachten. Und wenn du mir noch einmal solche Baumliebhaber bringst, werde ich mich eigenhändig ums Essen kümmern. Und dein Wölfchen kannst du getrost aus deinem Wortschatz entfernen“!
Und mit diesen Worten drehte sie sich wieder um und fuhr damit fort, das Fleisch zu zerlegen. Herbert blieb auf seinem Stein sitzen und bat insgeheim Taal darum, seinem Weib endlich Verständnis einzuprägen. Doch das würde wohl ein unerfülltes Sehnen bleiben. Da lässt man sich beinahe Zerhacken und dann wird einem noch deswegen eine Strafpredigt gehalten. Wie unfair die Welt doch manchmal war.
Er selbst gehörte zu Letzteren. Auf allen Vieren rannte nun ein gewaltiges, wolfsähnliches Wesen durch diesen Wald. Und dank des Vollmonds bewegte er sich so schnell durch den Wald, dass man nur einen Umriss von ihm wahrnahm. Eine Art Schatten, der sich durch die Bäume schlängelte und immer wieder stehen blieb und prüfend die Nase hob und schnüffelte. Doch er hatte einfach kein Glück. Langsam wurde der Werwolf missmutig. Seit mehreren Stunden schon war er unterwegs und nicht mal einen Hasen hatte er vor die Schnauze bekommen. Vermutlich hatten diese Waldelfen mal wieder überwildert und jetzt hatte er nichts mehr zu fressen.
Als ob sie glaubten, ihnen gehöre der Wald. Was eigentlich auch stimmte. Aber das gab ihnen noch lange nicht das Recht, den Raubtieren und ihm das Essen wegzunehmen. Doch bevor er seine Taktik änderte und wieder mal ein Dorf überfiel, wollte er nochmal schauen, ob er nicht doch noch einen saftigen Rehbock oder Hirsch erwischte. Also setzte sich der Wolfsmensch wieder in Bewegung und suchte nach einem saftigen Mahl. Doch es schien, als wäre der Wald wie ausgestorben. Enttäuscht heulte der Werwolf kurz und schaute dabei zum Mond. Nach seiner Schätzung war es inzwischen ungefähr vier Uhr in der Früh.
Was hieß, dass er sich schnellstens was zum Essen besorgen sollte, wenn er um sechs Frühstücken wollte. Das hieß auch, dass er nicht mehr dazu kam, ein Dorf zu überfallen. Seufzend setzte er sich hin und kratzte sich mit seinem Fuß hinterm Ohr. Leider hatte das Stiefkind Ulrics nur noch eine Möglichkeit, um an Essen zu kommen, das nicht von einer Pflanze kam. Und diese gefiel ihm überhaupt nicht. Aber ein Werwolf musste tun, was ein Werwolf tun musste. Auch wenn es ihm gar nicht passte. So sprang er auf und machte sich auf in Richtung Norden. Dabei richtete sich der Wolfsmensch immer weiter auf, bis er letztendlich auf zwei Beinen rannte. Das beeinträchtigte aber in keinster Weise seine Geschwindigkeit.
Denn schon nach knapp zwei Meilen war er an sein Ziel gelangt. Hier bewegte er sich nun um einiges vorsichtiger und leiser als während des Wegs hierher. Trotzdem kam er schnell voran und erreichte einen sehr lichten Teil des Waldes. Schnell sprang er nun auf einen der gewaltigen Bäume. Zwar war der Wolf in ihm ein völlig untalentierter Kletterer, doch zusammen mit dem Menschlichen in ihm und den Klauen schaffte er es in beachtlicher Zeit fast bis zur Spitze. Doch kurz bevor er das Ende erreichte, kletterte er auf einen Seitenast weiter. Der Ast gab ihm trotzdem genug Platz, so dass er bequem gehen konnte.
Ulrics Stiefkind erreichte nun beinahe das Ende des Astes, von wo er nun einen perfekten Überblick auf seine Beute hatte. Waldelfen. Er war bis jetzt noch nie soweit gegangen und hatte eine Waldelfensiedlung überfallen. Deswegen ging er mit noch mehr Vorsicht vor als bei der normalen Jagd.
Schon bald war klar, dass die Waldelfen sich sehr sicher fühlten. Sie hatten nur acht Wachen aufgestellt, der Rest schien zu schlafen. Doch der Werwolf witterte geradezu, dass der Friede in diesem Dörfchen nur Fassade war. Kein Waldelfendorf verhielt sich so dumm, dass es so gut wie unbewacht war. Und am allerwenigsten diejenigen, die gleich an der Grenze des Waldes liegen. Doch egal wie sehr sich der Werwolf auch anstrengte, nirgends fand er eine Spur von weiteren Waldelfen oder einer Falle.
Er stieß ein Knurren aus. Es gefiel ihm gar nicht, sich vielleicht mitten in eine Falle zu stürzen. Doch was tat man doch nicht alles, um einen gefüllten Bauch zu haben. Der Werwolf kletterte nun bis zum gänzlichen Ende des Astes. Dieser reichte etwas über den Wachtposten hinaus. Er hatte sich schon vorher das Gebäude ausgesucht, wo er raufspringen würde. Es war ein kleineres Haus auf einer Eiche. An sich bauten die Waldelfen immer schon auf Bäumen, doch anscheinend berücksichtigten sie nie, dass es immer noch höhere Bäume gab als die eigenen Baumhäuser. Das ermöglichte Wesen wie ihm einen leichten Zugriff auf den Ort.
Tief luftholend sprang der Werwolf hinab, krallte sich in einen Ast hinein und blieb nach einem Meter stehen. Langsam atmete er aus und kletterte nun auf das Dach des Baumhauses. Leise ging er nun zurück, direkt zu dem Wachtposten. Dieser schaute gelangweilt ins Dunkel und schien vielmehr zu schlafen als wach zu sein. Sicher hätte der Werwolf auch auf normalem Wege in die Siedlung keine Probleme mit der Entdeckung gehabt. Jedenfalls wenn alle Waldelfen Wächter so unaufmerksam wären. Schnell und mit so gut wie keinem Laut trat er nun hinter dem Wachtposten und klopfte ihm auf die linke Schulter.
Der Waldelfen sprang erschrocken auf und drehte sich um. Doch der wahre Schrecken des Spitzohrs zeigte sich erst, als er in das gewaltige Wolfsgesicht starte. Und bevor er auch nur ein Wort herausbrachte, wurde ihm auch schon das Genick gebrochen. Damit keinem auffiel, dass der Wachtposten tot war, nahm er den Speer der Wache und rammte diesen der Leiche in die Brust. Dann stellte er ihn noch so hin, dass es aussah als würde er immer noch den Waldrand beobachten. Mit einem zufriedenen leisen Jaulen schnupperte der Werwolf. Er roch sofort einen unwiderstehlichen Geruch. Seine Nase führte ihn zu einem der größeren Häuser, das auf einem Nussbaum thronte.
Der Wolfsmensch riss kurzerhand ein Loch in die Holzwand. Natürlich so behutsam, dass keiner der Bewohner wach wurde. Dann drang er ins Haus ein. Er schritt durch mehrere Zimmer, die fast alle gleich aussahen. Sie bestanden aus Holz, an den Wänden waren Jagdtrophäen und ansonsten standen höchstens ein Tisch und ein paar Stühle herum. Ein paarmal ging er auch in ein Schlafzimmer rein. Doch nirgends waren Waldelfen. Sein Gefühl schrie nun geradezu, dass irgendetwas einfach nicht stimmte. Und genau, als er sich zum Umkehren entschloss, traf ihn hinterrücks ein Pfeil in den Rücken. Bevor der Werwolf darauf reagieren konnte, kam von oben wie ein Blitz eine Klinge geschossen. Diese drang von seinem Schlüsselbein bis zur Hüfte. Mit einem leisen Ächzen fiel er um. Zum Glück fiel er nach vorn, wodurch er sich es ersparte, sich den Pfeil in seinem Rücken noch tiefer zu rammen. Zwar war der Wolfsmensch noch nicht dem Tode nahe, doch auch er war nicht unsterblich.
Während er so dalag, wurden ihm zuerst das Schwert und dann der Pfeil aus seinem Körper gezogen. Und es brauchte alle seine Willenskraft, um ruhig zu bleiben und sich nicht jaulend und knurrend auf diese feigen Spitzohren zu stürzen. Ulrics Stiefkind hörte, wie mehrere Personen nun in den Raum traten. Er schätzte, dass gut 6-9 der Elfen sich nun im Raum aufhielten. Sie besprachen nun etwas, was vermutlich ihn betraf. Nur gut, dass der Wolfsmensch sich in der Sprache der Elfen des Waldes blendend auskannte.
„Nein Vater“, sprach einer der Elfen mit einer noch fast kindlichen Stimme, „wir sollten lieber die Leiche dieses Viechs verbrennen. Schließlich könnte diese Kreatur durch seine bloße Anwesenheit unsere Heimat verderben. Wenn er es noch nicht schon getan hat“. Hoffentlich macht ihr eben das nicht, dachte der Wolfmensch. Elfen hatten die Angewohnheit sehr leise zu sprechen, schon fast flüsternd. Zusammen mit dem etwas eigenartigen Dialekt war es für ihn sehr schwer, das Ganze zu verstehen.
„Thiflonda, du ängstigst dich völlig grundlos. Nicht einmal eine Horde Tiermenschen könnte diesen Wald verderben. Also können wir ihn ruhig eine Zeit lang hierbehalten. Und außerdem ist es das erste Mal, dass ich so ein Kind des Chaos sehe. Man sieht nicht mal richtige Anzeichen einer Mutation. Es scheint fast als wäre diese Kreatur gar nicht vom Chaos berührt. Wir bringen sie lieber zu Alshyah. Sie wird schon herausfinden, was es mit dieser Kreatur auf sich hat“. Es folgte eine kurze Pause, als einer der Elfen Luft holte, um etwas zu sagen. Doch dieser wurde augenblicklich von dem anscheinenden Anführer rüde unterbrochen.
„Nein, Elgoid, wir machen es, wie ich sagte und Schluss! Jetzt bringt dieses Etwas da weg. Der Geruch verseucht mir noch das ganze Hause. Und Thiflonda, weck die restlichen Bewohner auf und schau zu unseren Wachtposten. Die Waldläufer sollen sich die Umgebung anschauen. Ich will wissen, woher es gekommen ist. Vielleicht gibt es da draußen ja noch mehr von der Sorte“. Nach diesen Worten ertönte leicht das Nachhallen von Schritten und der Werwolf wurde umgedreht und sah geradewegs das Gesicht eines hässlichen Spitzohrs. Und bevor der Elf auch nur die Lippen öffnen konnten, schnellte der Kopf des Wolfsmenschen schon nach vorn und biss dem Elf den Kopf von den Schultern.
Besser gesagt zermalmte er den Schädel zwischen seinen Kiefern. Dadurch spritzte das Blut durch den gesamten Raum. Der Werwolf sprang schnell auf und fixierte zwei Waldelfen, die sich gerade das Blut ihres Artgenossen aus den Augen rieben. Bevor sie jedoch damit fertig wurden, sprang er nach vorn und schlitzte beiden den Bauch auf. Doch noch während die Eingeweide der beiden Spitzohren auf den Boden fielen, hörte er Stimmen und leise Trippelschritte. Und das leise zischende Geräusch eines Pfeiles. Da er sowieso nicht mehr ausweichen konnte, drehte er sich in die Richtung woher der Pfeil kam.
Doch noch während er sich drehte, drang der Pfeil in seine Schulter ein. Aufjaulend sprang der Wolfsmensch blitzschnell auf den Elfen zu, schlug den auf ihn zufliegenden Pfeil einfach beiseite und schlug mit der blanken Faust auf die Brust des Elfen. Knackend brachen die Knochen im Leib des Spitzohrs und er krachte derart stark gegen die Wand, dass sie durchbrach. Ein plötzliches Zischen warnte ihn gerade noch rechtzeitig genug, um das Schwert mit seinen Klauen beiseite zu schlagen. Er erkannte an dem noch nicht ganz weggewischten Blut an der Klinge, dass das genau der Elf war, der ihm vorhin so übel mitgespielt hatte. Und das würde er ihm heimzahlen. Der Werwolf wurde trotz seiner Schnelligkeit von dem Waldelfen in die Defensive gedrängt. Wütend täuschte er einen Angriff auf das linke Bein des Elfs vor, doch er änderte den Schlag so, dass er auf den Bauch des Elfen nun zuhielt.
Das miese Spitzohr drehte sich höhnisch lachend einmal um die Achse und trieb ihm das Schwert durch den Unterarm. Doch bevor der Elf das Schwert wieder herausziehen konnte, packte der Werwolf den Arm von diesem hüpfenden Baumknutscher und biss ihn. Das Kreischen, das der Elf dabei von sich gab, klang als würde ein Kastrat seine Stimme vor einer Gesangsprobe vorbereiten. Für ihn war es die beste Musik seit Langem. Doch der Elf schlüpfte plötzlich aus dem eisenharten Griff des Werwolfs und sprang zurück. Zwar hing ihm jetzt sein linker Arm nutzlos herunter, doch sein rechter Arm war noch völlig da.
Und jetzt war der Elf auch noch richtig wütend. Mit der Geschwindigkeit einer Natter kam das Spitzohr auf ihn zu. Und bevor der Werwolf auch nur den Arm heben konnte, versank die Klinge in seinem Bein und zwei Füße krachten ihm mitten auf die Schnauze. Wie es der Elf schaffte, so eine akrobatische Meisterleistung trotz eines zermalmten Arms zu machen, brachte den Werwolf dazu, großen Respekt vor diesem Elfen zu haben. Was nicht hieß, dass er diesem blöden Baumknutscher nicht die Eingeweide rausreißen und ihn damit erwürgen würde. Doch hier war jetzt Taktik gefragt. Noch während Ulrics Stiefkind zurückflog, nahm er alle Kraft in seinen Beinen und katapultierte sich durch den Raum. Krachend brach der Werwolf durch die Wand und nutzte den restlichen Schwung, um durch die Tür zu kommen. Nur ein paar Sekunden später kam auch schon der Elf hinterher geschossen, bereit, dem Untier den Schädel abzuschlagen. Doch bevor es soweit kam, durchdrangen von oben mehrere Klauen die Schulter des Spitzohrs. Und eine weitere Klaue riss ihm den Bauch auf. Ohne einem weiteren Laut brach der Elf zusammen.
„Das war für den hinterhältigen Angriff, Spitzohr“, dachte der Wolfsmensch genüsslich. Schließlich sprang der Werwolf nun durch ein Fenster. Für ihn gab es in dem Haus nichts mehr zu holen. Und langsam ging ihm die Zeit aus. Zwar waren alle Elfen nun alarmiert, doch sie wussten nicht, dass er noch lebte.
Jedenfalls solang nicht, bis sie die Leichen gefunden hatten. Er konnte das Dorf nicht verlassen, solange er nicht hatte, was er suchte. Doch zum Glück liefen ihm gleich zwei leckere Exemplare entgegen. Nach ihrem Aussehen her, hatten sie genug Futter und er musste sich eingestehen, dass diese Elfen etwas mobbelig waren. Das brachte ihm fast zum Lachen. Wie krank wäre doch die Welt wenn sich statt den dünnen Spitzohren kugelige Fettklöße wie Eichhörnchen durch den Wald bewegten.
Doch da der Werwolf in Eile war, sprang er einfach auf die zwei Elfen zu und brach beiden lautlos das Genick. Vermutlich waren die Spitzohren so tief im Gespräch verwickelt, dass sie nicht einmal merkten, wie seine Hände sich um ihren Hals legten. Und so schnell wie er konnte, rannte Ulrics Stiefkind durch den Wald, und erreichte zu seiner großen Erleichterung rechtzeitig sein Zuhause. Was nicht viel mehr als eine Höhle war. Doch, das Besondere an der Höhle war, das es seine war. Und sowas machte ein Zuhause ja erst richtig lebenswert. Das, und die liebe Familie. Noch bevor er richtig eintrat, hörte der Werwolf ein freudiges Kläffen.
Und schon sah er sie, schwarzbraunes Fell, ein schlanker Körperbau und eisblaue Augen. Er schritt zu ihr und sie leckten sich zur Begrüßung am Mund. Der Wolfsmensch legte die zwei Leichen auf einen runden Felsen, der als Esstisch funktionierte. Dann schritt er rüber zu einer großen Seitennische, wo ein gepolsterter Boden mit Stroh und Wolle war. Und mitten drinnen saßen vier kleine wolfsähnliche Wesen. Sie schliefen noch, doch schon bald würden sie aufwachen, wenn sie den Geruch von frischem Fleisch in die Nase bekamen. Sie aßen zwar erst seit kurzem Fleisch, doch ihre Zähne waren schon längst scharf genug dafür. „Und Herbert, wie war dein Tag“?
Der Werwolf fluchte innerlich. Er hatte sich so gefreut, mal einen Tag ohne Reden zu verbringen. Schließlich war doch ein Tag voller Friede und Harmonie nicht zu viel verlangt. „Er war ganz gut Magda. Das Wetter hatte heute mitgespielt. Und wie war deiner“?
„Och, er war ganz okay. Ich hab mich heut wieder mal einen Brief von meiner Schwester gekriegt“. Herbert verwünschte in Gedanken die Schwester seiner Brutgefährtin. Jedesmal musste sie angeben von ihrem Leben an der Küste. Als ob das besser wäre als am Land. „Weist du Herbert, was der letzte Schrei an der Küste ist?“ Er seufzte.
„Nein Magda, aber du wirst es mir gleich erzählen, oder“?
„Dunkelelfen. Es sind Dunkelelfen. Meine Schwester schreibt dass ihr Gefährte die perfekten Jagdgebiete erlangt hat. Sie schreibt, dass sie noch nie soviele von den Elfen gesehen hat. Sie müssen sich wohl in letzter Zeit stark vermehrt haben“. Nach diesen Worten schritt Magda nun zum Tisch, um das Essen vorzubereiten. Herbert nutzte diese Pause, um sich auf einen Stein nieder zu setzen und zu warten. Er wusste, dass sie gleich wieder mit dem Ganzen anfangen würde. So war es jedes verdammte Mal am Morgen. Und jedes Mal endete es gleich. Als schließlich der entrüstete Schrei erschallte, zuckte er nicht einmal mit der Wimper.
„Herbert, wie oft muss ich es dir noch sagen!? Ich will endlich was Anderes! Fast jeden Morgen bringst du mir ein paar Blumenschnüffler. Ich will endlich mal wieder was Anderes! Wie ein paar Hasen, ein Reh oder mal wieder Menschen. Wie lang ist es her, dass ich frisches Menschenfleisch gegessen habe. Aber nein, Herr „die Menschen sind doch meine Freunde“ hat ja nicht den Mumm, um einen zu reißen“!
„Jetzt übertreibst du aber Magda! Ich will nicht meine Männerfreundschaften fürs Essen opfern! Du frisst ja auch nicht deine besten Freundinnen. Und du hast dich gerade zweimal wiederholt, mein Wölfchen“. Magda liebte es wenn er sie so nannte. Meistens jedenfalls.
„Oh, doch mein Lieber, sogar dreimal schon! Du bist der einzige Werwolf, der es nicht übers Herz bringt, einen Menschen zu töten. Wir sehen zwar aus wie die, aber da hört es auch schon auf Herbert. Man muss die Nahrungskette schließlich beachten. Und wenn du mir noch einmal solche Baumliebhaber bringst, werde ich mich eigenhändig ums Essen kümmern. Und dein Wölfchen kannst du getrost aus deinem Wortschatz entfernen“!
Und mit diesen Worten drehte sie sich wieder um und fuhr damit fort, das Fleisch zu zerlegen. Herbert blieb auf seinem Stein sitzen und bat insgeheim Taal darum, seinem Weib endlich Verständnis einzuprägen. Doch das würde wohl ein unerfülltes Sehnen bleiben. Da lässt man sich beinahe Zerhacken und dann wird einem noch deswegen eine Strafpredigt gehalten. Wie unfair die Welt doch manchmal war.