Es gibt nicht viel, was einen Taktikoffizier aus der Ruhe bringen kann. Der Taktikoffizier betrachtet das Schlachtfeld aus angemessener Entfernung, trifft Entscheidungen stets rational und effizienzorientiert, betrachtet Material und Personal gleichermaßen als Ressourcen und berät seinen kommandierenden Offizier ungetrübt von Ideologien, Emotionen oder persönlichen Bindungen. Die Taktiker sind die wahren Engel des Schlachtfeldes, denn es sind sie, die ihren Göttern, den Generälen und Kriegsherren, als verlängerte Arme dienen und die himmlischen Heerscharen gleichermaßen wie das irdische Gesindel zum Ort ihres Schicksals weisen. Als Einzige erkennen sie den Krieg in seiner reinsten und erhabensten Form.
Dummerweise war sein neuer Gott allerdings vernünftigen Argumenten schwer zugänglich und seine himmlischen Heerscharen eher mit einem Schwarm aus den Himmeln stürzender Heuschrecken gleichzusetzen, vom irdischen Gesindel ganz zu schweigen. Schwitzend öffnete der bleiche Mann den obersten Knopf seines Hemdes und setzte zu einem neuen Versuch an, seinen Kommandeur von der Notwendigkeit einer defensiven Taktik zu überzeugen. Die stickige, faulige Luft brannte in seiner Nase und die Überreste der einst hellgrauen Uniform klebten als schmutzig graubraune Lumpen an seinem schweißnassen Körper.
„Der feindliche Sturmangriff in Planquadrat G9 ist durch beide Verteidigungslinien gebrochen und sollte der Feind nun bis Planquadrat G4 vordringen, schwinden unsere Siegeschancen enorm.“
Die grausigen Augen seines Kommandanten funkelten, Zorn und Mordlust quollen förmlich aus ihnen, auch wenn es sich wahrscheinlich eher um eine eiterige Absonderung handeln musste. Allein der Gedanke, dass seine Truppen den Feind nicht hinwegfegen würden, kam einem Frevel an der Autorität des obersten aller Heerführer ihres gewaltsamen Kreuzzugs gleich. Doch da es nur bei einem Blick blieb, interpretierte der völlig erschöpfte Taktikoffizier dies als Aufforderung, fortzufahren. Bei diesem Anführer konnte man sich jedoch nie sicher sein.
„Ich empfehle daher einen Rückzug der gesamten linken Flanke, die Truppenverbände der Planspalten F bis J, zu unseren rückwärtigen Linien. Dadurch, dass wir die Artillerie und die Haubitzen gestaffelt installiert haben, sollte ein Rückzug mit Feuerunterstützung möglich sein.“
Sein neuer Herr trat auf ihn zu und sofort fand sich der Mann vollständig im Schatten stehend wieder, das Gesicht seines Kommandeurs über seinem Kopf, der metallene Kiefer gefährlich nahe seiner Schädeldecke. Der Geruch war kaum zu ertragen, aber mittlerweile musste er wohl selbst so riechen, sagte sich der Offizier, der noch keine dreißig Standartjahre gelebt hatte.
„Wir soll'n feige rennen, vor den Blauköppen? Hälst du unz für schwache Mensch'n?“
Die Stimme des Waaaghbosses erinnerte seinen unfreiwilligen Berater für taktische Fragen verdächtig an einen elektrischen Rasenmäher. Ob in dem monströsen Kiefer des vier Meter hohen Orks ein solcher verbaut worden war?
„Du hast mich als taktischen Berater angestellt, ähm Boss.“ Er musste sich noch daran gewöhnen statt Herr oder General etwas so Dämliches wie Boss zu sagen. „Und meine Arbeit tue ich.“
Zur Erwiderung erhielt er einen furchtbaren Grunzlaut, dessen Ton einem durch Mark und Bein ging und der seinen Magen zum Verkrampfen brachte. Doch mittlerweile wusste er, dass dies das Orkäquivalent eines nachdenklichen „Hm“ war. Also war sein Kopf momentan nicht in Gefahr, dem des Gouverneurs seiner Heimatwelt auf dem Spieß des Waaaghbosses Gesellschaft zu leisten. Andererseits musste er zugeben, dass er den Gouverneur nie sonderlich gut leiden konnte, auf der Schulter des riesigen Orks machte sich dessen fette Birne also ganz prächtig.
„Funka, hol mir dat Funkding.“
Ein sehniger Ork mit krähenhaftem Gesicht und einer ungesunden fahlgrünen Hautfarbe kam angetorkelt, platzierte vor seinem Boss ein kleines Fass, in welches mehr schlecht als recht ein Mikrophon und einige Regler eingebaut waren, und drehte einige der wackelig befestigten Rädchen, bis ein hohes Rauschen aus dem gemarterten Gerät entwich. Dann blickte er fragend hinauf, um seine Befehle zu erwarten, während er mit einer freien Hand das schlecht isolierte Kabel der Maschine näher zum Tisch zog.
„An alle Boyz links von da großen Kanone.“
Der sehnige Funker drehte weitere Regler, deren exakte Konfiguration sicherlich nicht einmal er vollkommen begriff, doch wie auch immer gelang es ihm, vielleicht mit dem Glück der Dummheit, die geforderte Verbindung aufzubauen. Er hielt das Fass mit der Mikrophonöffnung vors Gesicht des Waaaghbosses.
„Hier spricht da Boss. Alleman sofort zurück zu den Haubitz'n. Wer weita kämpft, der kriegt da Granat'n aufm Kopp. Jetz zu da Artilerie.“ Das letzte ging wieder an den Funker. Weiteres planloses Reglerschieben später konnte der Waaaghboss wieder herumbrüllen.
„An da Artilerie. Feuart alles auf da Blauköppe, nah an unsern Jungz.“
Als sich der gewaltige Ork vom Funker bestätigen ließ, dass die Nachricht rausgegangen war, wandte er sich wieder seinem menschlichen Taktikoffizier zu, der inmitten eines Dutzend großer, stinkender Orks fast unterging, sich aber dennoch beeindruckend gerade hielt. Dass er den Boss überzeugen konnte, seinem Rat zu folgen, was oft schwer genug war, wenn der Rat nicht das Angreifen oder Sturmschießen beinhaltete, gab dem Mann etwas Sicherheit zurück. Alles in allem war er ein guter Taktiker und solange er keinen groben Fehler machte, war er sicher, so paradox dies in Gegenwart einiger hunderttausend Orks klingen mochte. Dennoch musste er sich durch die dichten braunen Haare streichen, um mit einer Geste die Unsicherheit für sich loszuwerden.
„Wat nun?“, bellte der Herr der Grünhäute.
Der Taktiker blickte auf die holographische Karte des Schlachtfeldes. Es war verwunderlich und noch vor einem Monat hätte er auf den Imperator geschworen, dass die Orks ein zu primitives Volk waren, um derart empfindliche Technologie zu warten oder zu reparieren. Aber die Holokarte funktionierte ohne Störungen, die Sensoren arbeiteten mit vierundachtzig Prozent, was ungefähr fünfzehn Prozent effektiver war als alles, was die Maschinenseher des Adeptus Mechanicus je zustande gebracht hatten, die Energieversorgung, Luftabwehr, Aufzüge und sogar die, zugegeben von den Grünhäuten wenig beachtete, Unterhaltungselektronik liefen einwandfrei. Wenn er einen der Meks, so nannten die Orks ihre Maschinenseher oder Mechaniker, danach fragte, wie ein Gerät funktionierte, so bekam er zwar eine recht plump formulierte Antwort, in der beinahe alle Substantive mit „Dingz“ und „Teil“ besetzt waren, doch hinterher hatte er mehr verstanden als nach den umschweifenden Belehrungen der Adepten über Maschinengeister und die Riten zu deren Besänftigung. Einmal musste er sogar ungläubig mit ansehen, wie ein Ork die Sicherung eines Luftabwehrcomputers ohne ein Wort des Ritus der Besänftigung herausriss, eine neue Sicherung hineindrückte und sofort alle Systeme hochfuhr. Der schockierte Mann hatte mit einer schrillen Fehlermeldung durch das Gerät gerechnet und dass der wirsch behandelte Maschinengeist nun niemals wieder die Funktion aufnehmen würde, doch stattdessen fuhren die Geschützsteuerungen hoch und innerhalb von gerade einmal drei Minuten war der Luftabwehrturm wieder einsatzbereit.
Er widmete sich eingehender dem Zentrum der Schlacht, wo die Streitkräfte der Tau alle Mühe hatten, der gepanzerten Front der ehemals imperialen Festung Schaden zuzufügen. Die dort verteidigenden Aliens kamen mit den Geschützen imperialer Bauart gut zurecht. An der rechten Flanke, wo das Gelände uneben und hügelig war und die Verteidigungsanlagen der Festung anrückende Infanterieeinheiten nur schwer unter Feuer nehmen konnten, waren die Tau mit ihren raubtierartigen Hilfstruppen angerückt, doch Orks, die einen Feind im Nahkampf bekämpfen konnten, brauchten nicht wirklich taktische Anweisungen. Diese Flanke konnte er getrost sich selbst überlassen. Auch würden die technisch fortschrittlichen Aliens dort nicht mit Panzern angreifen, da sie im schwierigen Gelände den Geschützen ausgeliefert wären.
An der linken Flanke bewegten sich die Orks an die inneren Festungsmauern zurück, während die Grabenanlagen, Geschützbunker und MG-Nester von den Tau überrannt wurden. Sich mit diesen Xenos ein Feuergefecht zu liefern war zugegeben eine dumme Idee, aber sie sich bei einem Sturmangriff zusammenschießen zu lassen, war ebenfalls keine Option.
„Ich schlage vor die Tau näher kommen zu lassen, anschließend mit schnellen Einheiten einen Sturmangriff zu starten und die restlichen Truppen im Schatten dieses Vorstoßes in Richtung Feind zu bewegen. Um die Tau zu besiegen, müssen wir sie auf kürzeste Distanz erwischen.“
Der Orkboss schaute seinen neuesten Berater einen Moment an, das Gesicht mit dem Ausdruck eines Kleinwagens, ehe er donnernd loslachte. Das Lachen, dumpf und absolut dissonant, schmerzte in den Ohren und der Mensch fürchtete schon, sein Trommelfell würde platzen. Weitere anwesende Orks stimmten ins Gelächter ein und schwängerten die ohnehin dichte Luft mit kehligen Lauten und schleimigem Speichel, der wie aus einer Sprenkleranlage den gesamten Holotisch bewässerte.
„Du kannst ja denk'n wie 'n Ork.“, brüllte der Waaaghboss, scheinbar vergnügt. „Die hässlich'n Blauköppe wegmoschen, den Plan find ich klasse. Und da mach ich mit.“
Von unter dem massiven Tisch zog der grüne Riese eine roststarrende Maschinenkanone hervor, die er sofort von einem heranstampfenden Mek an seinem Arm befestigen ließ.
„Los Jungz, an die linke Flanke. Wir geh'n da kleinen Dosenboyz moschen. Sin zwa nich so gut wie die Dosenboyz der Mensch'n, aber wird trotzdem ein Spaß.“
Als sich der Waaaghboss dem Taktiker zuwandte, bekam jener ein ganz mieses Gefühl.
„Auf, moschen wa.“
„Moment mal.“, stammelte der Mann. „Ich bin Taktiker, kein Frontoffizier. Ich plane die Angriffe, führe sie aber...“
„Klappe. Du bist jetz bei da Orks. Und hier moschen alle.“
Nervös fasste der taktische Offizier, der seit mehr als einem Monat für den Waaaghboss der Orks arbeitete, der diese Welt überrannt hatte, an seinen Gürtel und die dort befestigten Waffen, Laserpistole und Schwert. Noch nie hatte er mit ihnen auf andere Dinge als Zielscheiben und Puppen gefeuert oder geschlagen. Früher hätte er zum Imperator gebetet, aber nach den jüngsten Ereignissen war er sich nicht mehr sicher, ob das überhaupt Sinn machte. Andererseits, wenn es hieß, für einen Ork arbeiten oder unschön aus dem Universum abtreten, wählte er Option Nummer eins.
Knapp zehn Minuten später fragte sich der Taktiker, ob er die richtige Entscheidung getroffen hatte. Denn unschön aus dem Universum zu scheiden war durchaus ein greifbares Schicksal, bedachte man den Zustand der requirierten Chimäre um ihn herum. Neben wackeligen Nieten und einem gefährlichen Scheppern aus dem Motorraum hatte sie unter anderem kein Dach mehr.
„Aufpass'n, gleich getz los!“, donnerte sein Herr und Meister, rechts von ihm. Brüllend und mit ratternder Maschinenkanone ragte der Waaaghboss aus dem malträtierten Schützenpanzer heraus. Wie wohl die Chancen standen, bei voller Fahrt aus dem Fahrzeug zu springen, fragte sich der Mann. Eher schlecht, wahrscheinlich hätte ihn ein Ork gepackt und zurück auf seinen Platz befördert, ehe er halb die Seitenwand erklommen hatte. Über ihnen explodierten die ersten bläulich schimmernden Plasmageschosse. Eines traf den Waaaghboss an der Schläfe, hinterließ einen dunklen Brandfleck auf der dichten grünen Haut, aber das Ungetüm hatte es wohl nicht einmal bemerkt.
Mit einem Ruck kamen sie zum Stillstand. Den unfairen Gesetzen der Physik folgend, wurde der im Vergleich zu den Orks massearme Mensch von seiner Bank geschleudert und sah mit verblüffender Genauigkeit die Stahlwand der Panzers näherkommen. Ein weiteres physikalisches Gesetz würde dafür sorgen, dass man ihn von jener Wand mit einem Spachtel würde kratzen müssen. Andererseits konnte es nicht allzu lange dauern, bis er tot war. Vielleicht drei Sekunden? Doch auch aus diesem Ausweg wurde nichts, denn ein Leibwächter seines erhabenen Bosses angelte ihn mit seiner Sturmflinte aus der Luft und beförderte ihn, zugegeben nicht ohne Schmerzverursachung, auf den Boden. Jetzt war er sich sicher, dass der Imperator, so es ihn denn geben sollte, kein Gott war. Scheiß Universum, war sein einziger Gedanke.
Diesen konnte er kaum zu Ende denken. Eine starke Hand zog ihn in die Höhe, eine andere beförderte ihn beherzt aus dem Transporter. Die Orks taten ihm nicht den Gefallen, ihn totzutrampeln. Zwischen den Leibern zweier überdurchschnittlich massiger Exemplare eingepfercht überwand er das erste Dutzend Meter über das Schlachtfeld. Seine Umgebung war ein einziges Durcheinander grüner und blauer Körper, von denen zahlreiche durch die Luft segelten und nur die wenigsten in einem Stück. Blaues Plasma wirbelte kochend heiße Erde auf und Impulsgeschosse warfen manch grünen Fleischberg mühelos meterweit nach hinten. Das unregelmäßige Rattern primitiver Automatikwaffen kündete von den Bemühungen seiner neuen Kameraden. Er konnte nicht sagen, wie weit er von einem Ork nach dem anderen weitergetrieben worden war, doch irgendwann war ihm das Schicksal endlich gnädig. Als der Kopf eines Nebenmannes in einer beeindruckenden blauen Feuerblume explodierte, wurde er von irgendwem einfach in jene Richtung gestoßen. Die Orkleiche passierte er praktisch im Flug, allerdings blieb er mit den Füßen an etwas hängen und schlug der Länge nach hin. Mit dreckverschmiertem Gesicht blickte er auf.
Erstaunlicherweise befand er sich am Perimeter der Tauverteidigung. Wie waren sie denn so weit gekommen? Er rappelte sich auf, auch wenn er dies eigentlich gar nicht wollte, und griff an seinen Gürtel. Erwartungsgemäß hatte er die Laserpistole irgendwo verloren, sodass ihm die Schlampe Schicksal gehässig lachend ins Nahkampfgetümmel schickte. Die Orks waren schon ein gutes Stück vorgedrungen, aber sporadisch ging noch Feindfeuer neben ihm in den Untergrund. Mit gezogenem Schwert rannte er los. Es gestaltete sich als schwierig, die Berge an toten Orks zu überqueren, ironischerweise fühlte er sich an die Grundausbildung erinnert, in der sie über die Kadaver toter Nutztiere gestolpert waren, um eben diesen Fall zu trainieren. Der alte Bastard, der ihn ausgebildet hatte, war sicher als einer der letzten gefallen.
Einen Moment achtete der Taktiker nicht auf seine Füße, vielmehr interessierte ihn der Taupanzer unweit seiner Position, auf dem einige Orks herumkletterten. Die Kanone feuerte scheinbar wahllos umher, während der Schwebepanzer herumwirbelte, um seine Passagiere loszuwerden, die mit Äxten und Energieklauen die Außenpanzerung bearbeiteten. Er machte einen weiteren Schritt, bei dem er die Kanone verfolgte und machte einen Satz ins Leere. Der Mann überschlug sich mehrere Male, riss eine kleine Erdlawine hinter sich her und landete unsanft auf einem toten Tausoldaten. Dem Guten fehlten beide Arme, stellte er fest, während er sich auf die Beine kämpfte und nach Deckung Ausschau hielt. Allerdings war dies unnötig. Er war wohl in einen unterirdischen Grabenabschnitt gefallen, durch ein Loch in der Decke. Die Schlacht tobte über ihm, dumpf und ohne einen Moment der Stille. Links und rechts von ihm waren nur kahle Gänge, knapp mannshoch, gefüllt mit Tauleichen und hier und dort fast verstopft mit einem erschossenen Ork. Ohne genauen Plan stolperte er los. Die installierte Beleuchtung war größtenteils ausgefallen, aber es reichte aus, um den nächsten Gang zu finden und nicht über herumliegende Überreste zu fallen. Nach einigen Abzweigungen hatte er schon die Orientierung verloren, dafür umklammerte er sein Offiziersschwert umso fester, je dumpfer und leiser er den Lärm über seinem Kopf vernahm.
Ein Geräusch von links, als er eine Gabelung des Weges erreichte. Mit klopfendem Herzen warf er sich an die Wand, erlaubte es sich nicht zu atmen. Ork oder Tau? Andererseits konnte es auch gut passieren, dass ihn einer der Grünhäute kurzerhand umbrachte oder für einen Blauen hielt. Vorsichtig schob er sich näher an die Ecke. Hoffentlich tat der Feind nicht dasselbe. An der Ecke wandte er den Kopf soweit er konnte. Ein Tausoldat, in einer der seltsamen Rüstungen der Tau, die imstande waren, ihren Träger unsichtbar zu machen. Aber offensichtlich kaputt, zu dieser Einschätzung brauchte es keinen Techniker. Das Alien lehnte an einer Wand, erschöpft oder verwundet. Mit Schrecken stellte der Taktiker fest, wie er den Halt verlor. Er rutschte an der Wand hinab. Sofort rammte er den Fuß in den Boden und versuchte das Gleichgewicht wiederzuerlangen, riss dabei jedoch weitere Erde und Steine mit sich. Im Fallen setzte ein Automatismus der Ausbildung ein, dessen Vorhandensein den Menschen nach all der Zeit erstaunte. Den Schwung der Abwärtsbewegung nutzte er, um sich über die Schulter zu rollen und kniend im nächsten Gang zu landen. Der Tau riss seine Waffe hoch, aber er zögerte. Ob er nicht erwartet hatte, noch einen Menschen auf diesem Planeten anzutreffen? Diesen Moment des Zögerns nutzte der Taktiker, was blieb ihm sonst noch übrig, und er sprang ab, brachte das Schwert vor sich. Sein Gegenüber versuchte noch zu reagieren, doch ihm blieben weder Raum noch Zeit fürs Ausweichen. Der menschliche Offizier trieb die Klinge durch den Torso des Aliens. Mit merklichem Widerstand drang die Waffe ein, hindurch und mit einem Ruck wieder hinaus. Der Tau ließ sein Gewehr fallen, die Arme gestikulierten wild in der Luft, und rutschte mit seinem Gewicht weiter die Klinge hinab. Mit ganzer Kraft riss der Mensch sein Schwert nach oben, wodurch er die Wunde vergrößerte und es gleichzeitig freibekam. Mit dem Fuß schob er sein Opfer von sich. Der Tau fiel gerade rücklings hin und rührte sich nicht weiter, das Blut spritzte schwächer und schwächer aus der Wunde und schließlich kam die filigrane Fontäne zum Stillstand.
Als er endlich ein Loch in der Decke und genügend Leichen als Leiter gefunden hatte, um aus der Unterwelt hinausklettern zu können, waren die Geräusche des Kampfes längst abgeklungen. Sporadisch vernahm er aus großer Entfernung Schüsse mit darauffolgendem Gelächter, was vom Sieg seiner orkischen Kameraden kündete. Hier und da stolperten Meks und andere Schrottsammler über das Chaos des Schlachtfeldes und entrissen gleichsam Tau wie auch gefallenen Orkoiden Verwertbares. Der Taktikoffizier blinzelte in den hellen Nachmittagshimmel und versuchte sich zu orientieren, doch bei all dem Rauch der zu Fall gebrachten Fahrzeuge wollte es ihm nicht gelingen.
„Wat ham wir denn da?“, krächzte eine allzu vertraute Stimme hinter ihm. Der dreckverschmierte Soldat fuhr zusammen, doch schnell entspannte er sich. Der Waaaghboss, der an einem toten Tau herumnagte, saß in ziemlich entspannter Position auf einem havarierten Schwebepanzer. Zu seinen Füßen eine ansehnliche Sammlung Schädel.
„Ich habe hier einen weiteren Schädel für deine Sammlung, Boss.“, keuchte der Taktiker. An seinem Gürtel baumelte ein Taukopf, die Augen vor Verwunderung weit aufgerissen und am Hals fein säuberlich abgetrennt. Er machte sich daran den Kopf zu lösen, doch sein Herr und Meister reagierte nur mit einem donnernden Lachen, als er seinen Taktikboy betrachtete. Es war ein ehrlich amüsiertes Lachen, für einen Ork.
„Lass ma, da Kopp is deiner.“
Der massige grüne Muskelberg schüttelte und krümmte sich vor Erheiterung, dass der ganze Leichenberg um ihn herum vibrierte.
„Vielleicht mach'n wir noch 'n spitz'n Ork aus dir.“
Der Taktiker zuckte nur die Schultern. Den Kopf hatte er nur mitgenommen... Er wusste nicht ganz warum. Wahrscheinlich hatte er sich schon gedacht, dass er seinem Boss würde einen Beweis darbringen müssen. Mit einem tiefen Seufzer ließ er sich nieder, das Loch aus dem er geklettert war, zu seiner Rechten, und betrachtete das Blut an seinem Schwert. Nun bereute er seine Entscheidung nicht mehr, aber sicher war er sich dennoch, dass er wohl einst eines gewaltsamen Todes sterben würde.
Dummerweise war sein neuer Gott allerdings vernünftigen Argumenten schwer zugänglich und seine himmlischen Heerscharen eher mit einem Schwarm aus den Himmeln stürzender Heuschrecken gleichzusetzen, vom irdischen Gesindel ganz zu schweigen. Schwitzend öffnete der bleiche Mann den obersten Knopf seines Hemdes und setzte zu einem neuen Versuch an, seinen Kommandeur von der Notwendigkeit einer defensiven Taktik zu überzeugen. Die stickige, faulige Luft brannte in seiner Nase und die Überreste der einst hellgrauen Uniform klebten als schmutzig graubraune Lumpen an seinem schweißnassen Körper.
„Der feindliche Sturmangriff in Planquadrat G9 ist durch beide Verteidigungslinien gebrochen und sollte der Feind nun bis Planquadrat G4 vordringen, schwinden unsere Siegeschancen enorm.“
Die grausigen Augen seines Kommandanten funkelten, Zorn und Mordlust quollen förmlich aus ihnen, auch wenn es sich wahrscheinlich eher um eine eiterige Absonderung handeln musste. Allein der Gedanke, dass seine Truppen den Feind nicht hinwegfegen würden, kam einem Frevel an der Autorität des obersten aller Heerführer ihres gewaltsamen Kreuzzugs gleich. Doch da es nur bei einem Blick blieb, interpretierte der völlig erschöpfte Taktikoffizier dies als Aufforderung, fortzufahren. Bei diesem Anführer konnte man sich jedoch nie sicher sein.
„Ich empfehle daher einen Rückzug der gesamten linken Flanke, die Truppenverbände der Planspalten F bis J, zu unseren rückwärtigen Linien. Dadurch, dass wir die Artillerie und die Haubitzen gestaffelt installiert haben, sollte ein Rückzug mit Feuerunterstützung möglich sein.“
Sein neuer Herr trat auf ihn zu und sofort fand sich der Mann vollständig im Schatten stehend wieder, das Gesicht seines Kommandeurs über seinem Kopf, der metallene Kiefer gefährlich nahe seiner Schädeldecke. Der Geruch war kaum zu ertragen, aber mittlerweile musste er wohl selbst so riechen, sagte sich der Offizier, der noch keine dreißig Standartjahre gelebt hatte.
„Wir soll'n feige rennen, vor den Blauköppen? Hälst du unz für schwache Mensch'n?“
Die Stimme des Waaaghbosses erinnerte seinen unfreiwilligen Berater für taktische Fragen verdächtig an einen elektrischen Rasenmäher. Ob in dem monströsen Kiefer des vier Meter hohen Orks ein solcher verbaut worden war?
„Du hast mich als taktischen Berater angestellt, ähm Boss.“ Er musste sich noch daran gewöhnen statt Herr oder General etwas so Dämliches wie Boss zu sagen. „Und meine Arbeit tue ich.“
Zur Erwiderung erhielt er einen furchtbaren Grunzlaut, dessen Ton einem durch Mark und Bein ging und der seinen Magen zum Verkrampfen brachte. Doch mittlerweile wusste er, dass dies das Orkäquivalent eines nachdenklichen „Hm“ war. Also war sein Kopf momentan nicht in Gefahr, dem des Gouverneurs seiner Heimatwelt auf dem Spieß des Waaaghbosses Gesellschaft zu leisten. Andererseits musste er zugeben, dass er den Gouverneur nie sonderlich gut leiden konnte, auf der Schulter des riesigen Orks machte sich dessen fette Birne also ganz prächtig.
„Funka, hol mir dat Funkding.“
Ein sehniger Ork mit krähenhaftem Gesicht und einer ungesunden fahlgrünen Hautfarbe kam angetorkelt, platzierte vor seinem Boss ein kleines Fass, in welches mehr schlecht als recht ein Mikrophon und einige Regler eingebaut waren, und drehte einige der wackelig befestigten Rädchen, bis ein hohes Rauschen aus dem gemarterten Gerät entwich. Dann blickte er fragend hinauf, um seine Befehle zu erwarten, während er mit einer freien Hand das schlecht isolierte Kabel der Maschine näher zum Tisch zog.
„An alle Boyz links von da großen Kanone.“
Der sehnige Funker drehte weitere Regler, deren exakte Konfiguration sicherlich nicht einmal er vollkommen begriff, doch wie auch immer gelang es ihm, vielleicht mit dem Glück der Dummheit, die geforderte Verbindung aufzubauen. Er hielt das Fass mit der Mikrophonöffnung vors Gesicht des Waaaghbosses.
„Hier spricht da Boss. Alleman sofort zurück zu den Haubitz'n. Wer weita kämpft, der kriegt da Granat'n aufm Kopp. Jetz zu da Artilerie.“ Das letzte ging wieder an den Funker. Weiteres planloses Reglerschieben später konnte der Waaaghboss wieder herumbrüllen.
„An da Artilerie. Feuart alles auf da Blauköppe, nah an unsern Jungz.“
Als sich der gewaltige Ork vom Funker bestätigen ließ, dass die Nachricht rausgegangen war, wandte er sich wieder seinem menschlichen Taktikoffizier zu, der inmitten eines Dutzend großer, stinkender Orks fast unterging, sich aber dennoch beeindruckend gerade hielt. Dass er den Boss überzeugen konnte, seinem Rat zu folgen, was oft schwer genug war, wenn der Rat nicht das Angreifen oder Sturmschießen beinhaltete, gab dem Mann etwas Sicherheit zurück. Alles in allem war er ein guter Taktiker und solange er keinen groben Fehler machte, war er sicher, so paradox dies in Gegenwart einiger hunderttausend Orks klingen mochte. Dennoch musste er sich durch die dichten braunen Haare streichen, um mit einer Geste die Unsicherheit für sich loszuwerden.
„Wat nun?“, bellte der Herr der Grünhäute.
Der Taktiker blickte auf die holographische Karte des Schlachtfeldes. Es war verwunderlich und noch vor einem Monat hätte er auf den Imperator geschworen, dass die Orks ein zu primitives Volk waren, um derart empfindliche Technologie zu warten oder zu reparieren. Aber die Holokarte funktionierte ohne Störungen, die Sensoren arbeiteten mit vierundachtzig Prozent, was ungefähr fünfzehn Prozent effektiver war als alles, was die Maschinenseher des Adeptus Mechanicus je zustande gebracht hatten, die Energieversorgung, Luftabwehr, Aufzüge und sogar die, zugegeben von den Grünhäuten wenig beachtete, Unterhaltungselektronik liefen einwandfrei. Wenn er einen der Meks, so nannten die Orks ihre Maschinenseher oder Mechaniker, danach fragte, wie ein Gerät funktionierte, so bekam er zwar eine recht plump formulierte Antwort, in der beinahe alle Substantive mit „Dingz“ und „Teil“ besetzt waren, doch hinterher hatte er mehr verstanden als nach den umschweifenden Belehrungen der Adepten über Maschinengeister und die Riten zu deren Besänftigung. Einmal musste er sogar ungläubig mit ansehen, wie ein Ork die Sicherung eines Luftabwehrcomputers ohne ein Wort des Ritus der Besänftigung herausriss, eine neue Sicherung hineindrückte und sofort alle Systeme hochfuhr. Der schockierte Mann hatte mit einer schrillen Fehlermeldung durch das Gerät gerechnet und dass der wirsch behandelte Maschinengeist nun niemals wieder die Funktion aufnehmen würde, doch stattdessen fuhren die Geschützsteuerungen hoch und innerhalb von gerade einmal drei Minuten war der Luftabwehrturm wieder einsatzbereit.
Er widmete sich eingehender dem Zentrum der Schlacht, wo die Streitkräfte der Tau alle Mühe hatten, der gepanzerten Front der ehemals imperialen Festung Schaden zuzufügen. Die dort verteidigenden Aliens kamen mit den Geschützen imperialer Bauart gut zurecht. An der rechten Flanke, wo das Gelände uneben und hügelig war und die Verteidigungsanlagen der Festung anrückende Infanterieeinheiten nur schwer unter Feuer nehmen konnten, waren die Tau mit ihren raubtierartigen Hilfstruppen angerückt, doch Orks, die einen Feind im Nahkampf bekämpfen konnten, brauchten nicht wirklich taktische Anweisungen. Diese Flanke konnte er getrost sich selbst überlassen. Auch würden die technisch fortschrittlichen Aliens dort nicht mit Panzern angreifen, da sie im schwierigen Gelände den Geschützen ausgeliefert wären.
An der linken Flanke bewegten sich die Orks an die inneren Festungsmauern zurück, während die Grabenanlagen, Geschützbunker und MG-Nester von den Tau überrannt wurden. Sich mit diesen Xenos ein Feuergefecht zu liefern war zugegeben eine dumme Idee, aber sie sich bei einem Sturmangriff zusammenschießen zu lassen, war ebenfalls keine Option.
„Ich schlage vor die Tau näher kommen zu lassen, anschließend mit schnellen Einheiten einen Sturmangriff zu starten und die restlichen Truppen im Schatten dieses Vorstoßes in Richtung Feind zu bewegen. Um die Tau zu besiegen, müssen wir sie auf kürzeste Distanz erwischen.“
Der Orkboss schaute seinen neuesten Berater einen Moment an, das Gesicht mit dem Ausdruck eines Kleinwagens, ehe er donnernd loslachte. Das Lachen, dumpf und absolut dissonant, schmerzte in den Ohren und der Mensch fürchtete schon, sein Trommelfell würde platzen. Weitere anwesende Orks stimmten ins Gelächter ein und schwängerten die ohnehin dichte Luft mit kehligen Lauten und schleimigem Speichel, der wie aus einer Sprenkleranlage den gesamten Holotisch bewässerte.
„Du kannst ja denk'n wie 'n Ork.“, brüllte der Waaaghboss, scheinbar vergnügt. „Die hässlich'n Blauköppe wegmoschen, den Plan find ich klasse. Und da mach ich mit.“
Von unter dem massiven Tisch zog der grüne Riese eine roststarrende Maschinenkanone hervor, die er sofort von einem heranstampfenden Mek an seinem Arm befestigen ließ.
„Los Jungz, an die linke Flanke. Wir geh'n da kleinen Dosenboyz moschen. Sin zwa nich so gut wie die Dosenboyz der Mensch'n, aber wird trotzdem ein Spaß.“
Als sich der Waaaghboss dem Taktiker zuwandte, bekam jener ein ganz mieses Gefühl.
„Auf, moschen wa.“
„Moment mal.“, stammelte der Mann. „Ich bin Taktiker, kein Frontoffizier. Ich plane die Angriffe, führe sie aber...“
„Klappe. Du bist jetz bei da Orks. Und hier moschen alle.“
Nervös fasste der taktische Offizier, der seit mehr als einem Monat für den Waaaghboss der Orks arbeitete, der diese Welt überrannt hatte, an seinen Gürtel und die dort befestigten Waffen, Laserpistole und Schwert. Noch nie hatte er mit ihnen auf andere Dinge als Zielscheiben und Puppen gefeuert oder geschlagen. Früher hätte er zum Imperator gebetet, aber nach den jüngsten Ereignissen war er sich nicht mehr sicher, ob das überhaupt Sinn machte. Andererseits, wenn es hieß, für einen Ork arbeiten oder unschön aus dem Universum abtreten, wählte er Option Nummer eins.
Knapp zehn Minuten später fragte sich der Taktiker, ob er die richtige Entscheidung getroffen hatte. Denn unschön aus dem Universum zu scheiden war durchaus ein greifbares Schicksal, bedachte man den Zustand der requirierten Chimäre um ihn herum. Neben wackeligen Nieten und einem gefährlichen Scheppern aus dem Motorraum hatte sie unter anderem kein Dach mehr.
„Aufpass'n, gleich getz los!“, donnerte sein Herr und Meister, rechts von ihm. Brüllend und mit ratternder Maschinenkanone ragte der Waaaghboss aus dem malträtierten Schützenpanzer heraus. Wie wohl die Chancen standen, bei voller Fahrt aus dem Fahrzeug zu springen, fragte sich der Mann. Eher schlecht, wahrscheinlich hätte ihn ein Ork gepackt und zurück auf seinen Platz befördert, ehe er halb die Seitenwand erklommen hatte. Über ihnen explodierten die ersten bläulich schimmernden Plasmageschosse. Eines traf den Waaaghboss an der Schläfe, hinterließ einen dunklen Brandfleck auf der dichten grünen Haut, aber das Ungetüm hatte es wohl nicht einmal bemerkt.
Mit einem Ruck kamen sie zum Stillstand. Den unfairen Gesetzen der Physik folgend, wurde der im Vergleich zu den Orks massearme Mensch von seiner Bank geschleudert und sah mit verblüffender Genauigkeit die Stahlwand der Panzers näherkommen. Ein weiteres physikalisches Gesetz würde dafür sorgen, dass man ihn von jener Wand mit einem Spachtel würde kratzen müssen. Andererseits konnte es nicht allzu lange dauern, bis er tot war. Vielleicht drei Sekunden? Doch auch aus diesem Ausweg wurde nichts, denn ein Leibwächter seines erhabenen Bosses angelte ihn mit seiner Sturmflinte aus der Luft und beförderte ihn, zugegeben nicht ohne Schmerzverursachung, auf den Boden. Jetzt war er sich sicher, dass der Imperator, so es ihn denn geben sollte, kein Gott war. Scheiß Universum, war sein einziger Gedanke.
Diesen konnte er kaum zu Ende denken. Eine starke Hand zog ihn in die Höhe, eine andere beförderte ihn beherzt aus dem Transporter. Die Orks taten ihm nicht den Gefallen, ihn totzutrampeln. Zwischen den Leibern zweier überdurchschnittlich massiger Exemplare eingepfercht überwand er das erste Dutzend Meter über das Schlachtfeld. Seine Umgebung war ein einziges Durcheinander grüner und blauer Körper, von denen zahlreiche durch die Luft segelten und nur die wenigsten in einem Stück. Blaues Plasma wirbelte kochend heiße Erde auf und Impulsgeschosse warfen manch grünen Fleischberg mühelos meterweit nach hinten. Das unregelmäßige Rattern primitiver Automatikwaffen kündete von den Bemühungen seiner neuen Kameraden. Er konnte nicht sagen, wie weit er von einem Ork nach dem anderen weitergetrieben worden war, doch irgendwann war ihm das Schicksal endlich gnädig. Als der Kopf eines Nebenmannes in einer beeindruckenden blauen Feuerblume explodierte, wurde er von irgendwem einfach in jene Richtung gestoßen. Die Orkleiche passierte er praktisch im Flug, allerdings blieb er mit den Füßen an etwas hängen und schlug der Länge nach hin. Mit dreckverschmiertem Gesicht blickte er auf.
Erstaunlicherweise befand er sich am Perimeter der Tauverteidigung. Wie waren sie denn so weit gekommen? Er rappelte sich auf, auch wenn er dies eigentlich gar nicht wollte, und griff an seinen Gürtel. Erwartungsgemäß hatte er die Laserpistole irgendwo verloren, sodass ihm die Schlampe Schicksal gehässig lachend ins Nahkampfgetümmel schickte. Die Orks waren schon ein gutes Stück vorgedrungen, aber sporadisch ging noch Feindfeuer neben ihm in den Untergrund. Mit gezogenem Schwert rannte er los. Es gestaltete sich als schwierig, die Berge an toten Orks zu überqueren, ironischerweise fühlte er sich an die Grundausbildung erinnert, in der sie über die Kadaver toter Nutztiere gestolpert waren, um eben diesen Fall zu trainieren. Der alte Bastard, der ihn ausgebildet hatte, war sicher als einer der letzten gefallen.
Einen Moment achtete der Taktiker nicht auf seine Füße, vielmehr interessierte ihn der Taupanzer unweit seiner Position, auf dem einige Orks herumkletterten. Die Kanone feuerte scheinbar wahllos umher, während der Schwebepanzer herumwirbelte, um seine Passagiere loszuwerden, die mit Äxten und Energieklauen die Außenpanzerung bearbeiteten. Er machte einen weiteren Schritt, bei dem er die Kanone verfolgte und machte einen Satz ins Leere. Der Mann überschlug sich mehrere Male, riss eine kleine Erdlawine hinter sich her und landete unsanft auf einem toten Tausoldaten. Dem Guten fehlten beide Arme, stellte er fest, während er sich auf die Beine kämpfte und nach Deckung Ausschau hielt. Allerdings war dies unnötig. Er war wohl in einen unterirdischen Grabenabschnitt gefallen, durch ein Loch in der Decke. Die Schlacht tobte über ihm, dumpf und ohne einen Moment der Stille. Links und rechts von ihm waren nur kahle Gänge, knapp mannshoch, gefüllt mit Tauleichen und hier und dort fast verstopft mit einem erschossenen Ork. Ohne genauen Plan stolperte er los. Die installierte Beleuchtung war größtenteils ausgefallen, aber es reichte aus, um den nächsten Gang zu finden und nicht über herumliegende Überreste zu fallen. Nach einigen Abzweigungen hatte er schon die Orientierung verloren, dafür umklammerte er sein Offiziersschwert umso fester, je dumpfer und leiser er den Lärm über seinem Kopf vernahm.
Ein Geräusch von links, als er eine Gabelung des Weges erreichte. Mit klopfendem Herzen warf er sich an die Wand, erlaubte es sich nicht zu atmen. Ork oder Tau? Andererseits konnte es auch gut passieren, dass ihn einer der Grünhäute kurzerhand umbrachte oder für einen Blauen hielt. Vorsichtig schob er sich näher an die Ecke. Hoffentlich tat der Feind nicht dasselbe. An der Ecke wandte er den Kopf soweit er konnte. Ein Tausoldat, in einer der seltsamen Rüstungen der Tau, die imstande waren, ihren Träger unsichtbar zu machen. Aber offensichtlich kaputt, zu dieser Einschätzung brauchte es keinen Techniker. Das Alien lehnte an einer Wand, erschöpft oder verwundet. Mit Schrecken stellte der Taktiker fest, wie er den Halt verlor. Er rutschte an der Wand hinab. Sofort rammte er den Fuß in den Boden und versuchte das Gleichgewicht wiederzuerlangen, riss dabei jedoch weitere Erde und Steine mit sich. Im Fallen setzte ein Automatismus der Ausbildung ein, dessen Vorhandensein den Menschen nach all der Zeit erstaunte. Den Schwung der Abwärtsbewegung nutzte er, um sich über die Schulter zu rollen und kniend im nächsten Gang zu landen. Der Tau riss seine Waffe hoch, aber er zögerte. Ob er nicht erwartet hatte, noch einen Menschen auf diesem Planeten anzutreffen? Diesen Moment des Zögerns nutzte der Taktiker, was blieb ihm sonst noch übrig, und er sprang ab, brachte das Schwert vor sich. Sein Gegenüber versuchte noch zu reagieren, doch ihm blieben weder Raum noch Zeit fürs Ausweichen. Der menschliche Offizier trieb die Klinge durch den Torso des Aliens. Mit merklichem Widerstand drang die Waffe ein, hindurch und mit einem Ruck wieder hinaus. Der Tau ließ sein Gewehr fallen, die Arme gestikulierten wild in der Luft, und rutschte mit seinem Gewicht weiter die Klinge hinab. Mit ganzer Kraft riss der Mensch sein Schwert nach oben, wodurch er die Wunde vergrößerte und es gleichzeitig freibekam. Mit dem Fuß schob er sein Opfer von sich. Der Tau fiel gerade rücklings hin und rührte sich nicht weiter, das Blut spritzte schwächer und schwächer aus der Wunde und schließlich kam die filigrane Fontäne zum Stillstand.
Als er endlich ein Loch in der Decke und genügend Leichen als Leiter gefunden hatte, um aus der Unterwelt hinausklettern zu können, waren die Geräusche des Kampfes längst abgeklungen. Sporadisch vernahm er aus großer Entfernung Schüsse mit darauffolgendem Gelächter, was vom Sieg seiner orkischen Kameraden kündete. Hier und da stolperten Meks und andere Schrottsammler über das Chaos des Schlachtfeldes und entrissen gleichsam Tau wie auch gefallenen Orkoiden Verwertbares. Der Taktikoffizier blinzelte in den hellen Nachmittagshimmel und versuchte sich zu orientieren, doch bei all dem Rauch der zu Fall gebrachten Fahrzeuge wollte es ihm nicht gelingen.
„Wat ham wir denn da?“, krächzte eine allzu vertraute Stimme hinter ihm. Der dreckverschmierte Soldat fuhr zusammen, doch schnell entspannte er sich. Der Waaaghboss, der an einem toten Tau herumnagte, saß in ziemlich entspannter Position auf einem havarierten Schwebepanzer. Zu seinen Füßen eine ansehnliche Sammlung Schädel.
„Ich habe hier einen weiteren Schädel für deine Sammlung, Boss.“, keuchte der Taktiker. An seinem Gürtel baumelte ein Taukopf, die Augen vor Verwunderung weit aufgerissen und am Hals fein säuberlich abgetrennt. Er machte sich daran den Kopf zu lösen, doch sein Herr und Meister reagierte nur mit einem donnernden Lachen, als er seinen Taktikboy betrachtete. Es war ein ehrlich amüsiertes Lachen, für einen Ork.
„Lass ma, da Kopp is deiner.“
Der massige grüne Muskelberg schüttelte und krümmte sich vor Erheiterung, dass der ganze Leichenberg um ihn herum vibrierte.
„Vielleicht mach'n wir noch 'n spitz'n Ork aus dir.“
Der Taktiker zuckte nur die Schultern. Den Kopf hatte er nur mitgenommen... Er wusste nicht ganz warum. Wahrscheinlich hatte er sich schon gedacht, dass er seinem Boss würde einen Beweis darbringen müssen. Mit einem tiefen Seufzer ließ er sich nieder, das Loch aus dem er geklettert war, zu seiner Rechten, und betrachtete das Blut an seinem Schwert. Nun bereute er seine Entscheidung nicht mehr, aber sicher war er sich dennoch, dass er wohl einst eines gewaltsamen Todes sterben würde.
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