Anmerkung von Rabenfeder: Diese Geschichte stammt von N'bell
Das Brummen seiner Maschine war das einzige, das er hörte, als er mit Vollgas auf die Kurve zuhielt. Der graue Asphalt schoss näher, als er sich in die Kurve legte, kaum eine Handbreit Luft trennte seine Beine noch von der Fahrbahn.
Plötzlich sah er etwas Rotes in seinem Augenwinkel auftauchen. Er riskierte einen kurzen Seitenblick und sah, wie die Maschine seiner Gegnerin beinahe direkt neben ihm über die Strecke raste. Sie befand sich auf der Innenbahn und kam so früher aus der Kurve.
Eine Staubwolke hinter sich herziehend stoben die zwei aus der Kurve, der Rest des Feldes deutlich abgeschlagen hinter ihnen.
Inmitten der jubelnden Menge im Motodrom der mittleren Ebenen von Kai-Feng, waren drei Gestalten, die sich nicht um die heitere Atmosphäre um sie herum kümmerten. Sie beobachteten. Hätte einer von ihnen einen Blick auf die, von den Krallen der Aquilla getragenen, Monitore über dem wie eine liegenden Acht geformten Kurs geworfen, hätte er die Namen der beiden Führenden lesen können. Shizuka Han und Hektor Xian.
‚Beim Imperator. Diesmal wirst du mich nicht schlagen’ dachte er und duckte sich tief in ihren Windschatten, als sie auf die Mitte der Acht zusteuerten. Dies war der letzte Abschnitt des Rennens. Es war der oberirdische Teil der sich kreuzenden Strecke, die Wände der Bahn waren hier hoch genug um an ihnen entlang zu fahren. Sein Vorderrad klebte beinahe an ihrem Hinterrad als sie an die Steigung kamen. Er lies sich etwas zurückfallen, gab kurz vor der Kuppe Gas und brach seitlich aus ihrem Schatten aus.
Seine Reifen fraßen gierig die wenigen verbleibenden Meter zur Ziellinie als sein Schwung ihn die Bahnwand hinauf trug. Mit einem Ruck brachte er knapp vor dem Ende der hohen Wand sein Vorderrad in die Luft und auch sein Hinterrad verlor den Bodenkontakt.
Keinen der Zuschauer hielt es nun mehr auf seinen Platz. Es sah so aus als würde er glatt auf ihr landen, bevor sie das Ziel erreichten. Auch einer der drei Beobachter schien nun aufgeregt, zumindest bis der Blick seines Begleiters ihn traf.
Die Zeit schien sich zu verlangsamen, als er sich in der Luft befand. Er konnte sehen, wie sie ihren roten Helm nach oben wandte, und ihre durchdringenden grünen Augen darunter erkennen. Nachdem er erkannt hatte, dass er sie nicht treffen würde, setzte beim Aufprall die normale Zeit wieder ein und er kam hart, mit dem Vorderreifen zuerst, auf. Das ganze Gewicht des Sprungs ging auf ihm nieder und er fühlte etwas knacken in seinem Brustkorb. Er verlor die Kontrolle über seine Maschine und krachte seitlich zu Boden, er schlitterte bis zur nächsten Kurve und knallte gegen die Begrenzung. Sein ganzer Körper schmerzte, aber er war vor ihr auf der Linie gewesen.
Noch während die Nächsten die ins Ziel kamen, an ihm vorbeirauschten, riss er sich seinen Helm vom Schädel, um besser Luft zu kriegen. Der stechende Schmerz verschlimmerte sich, als er sich in eine bequemere Position hieven wollte, daher blieb er erstmal liegen. Sein Blick wanderte über die Zuschauerränge und verharrte an einer großen, schwarz-weiß gerüsteten Gestalt, die sich gerade einen Weg zum Ausgang bahnte. Obwohl, bahnen musste er eigentlich nicht, einem Space Marine machten die Leute bereitwillig Platz. Direkt hinter der Gestalt ging eine kleinere, auch in Schwarz gerüstet, aber deutlich kleiner. ‚Warum kommst du noch her, Jiu?’ fragte er sich, bevor sein Team kam und ihn von der Strecke holte.
„Was hast du dir eigentlich dabei gedacht?“ die hübsche Stimme gehörte Sybille. Mechanikern, Medicus und Geliebte in einer Person. Bevor er antworten konnte, drückte sie auf eine seiner Rippen und er zuckte lautstark zusammen. „Du hast dir mindestens zwei Rippen gebrochen, das nächste Rennen wirst du so nicht fahren.“
„Jiu war heute da.“ Sie sah ihm in seine blauen Augen und seufzte.
„Warum quälst du dich damit Hektor?“ Er setzte zur Antwort an, aber sie fuhr ihm dazwischen. „Er kommt nicht zurück, Liebling. Er wird in der Ordensmission bleiben, bis er mit dem nächsten Kreuzzug Shikomna verlassen wird.“
Er nickte. „Es ist nur...“
„Ich weiß du vermisst ihn, mir fehlt er auch.“
Sie trat einen Schritt näher und gab ihm einen leichten Kuss. „Und außerdem könnte er deine Maschine fahren, während deine Brüche heilen.“ Sie lachte und hüpfte aus seiner Reichweite, bevor er einen Teil ihrer blonden Mähne in die Finger bekommen konnte. Die rasche Bewegung allerdings sandte neue Schmerzen durch seinen Oberkörper. Er krampfte zusammen und musste erstmal nach Luft ringen.
Er sah wie in der Box nebenan Shizukas Maschine auf einen Transportschweber verladen wurde. Als ihr Team damit beschäftigt war, alles aufzuladen, kam sie auf ihn zu. Sie war hochgewachsen, sogar einen Kopf größer als er und damit eigentlich zu groß für eine Rennfahrerin. Sie hatte die seidigen, schwarzen Haare sowie die geschlitzten Augen, die für die einheimische Bevölkerung Shikomnas so typisch waren. Sie trug noch ihren roten Rennanzug, nur ihre Handschuhe hatte sie ausgezogen.
Sie blieb vor ihm stehen und verschränkte ihre Hände zu einer etwas veralteten Begrüßungsgeste, welche er erwiderte. „Ich hoffe Ihr habt Euch nicht allzu schwer verletzt.“
Ein wenig irritiert von dieser förmlichen Anrede zögerte er einen Augenblick bevor er antwortete. „Ich wurde schon schlimmer zugerichtet, danke der Nachfrage.“
„Es wäre bedauerlich wenn ich den Rest der Saison ohne Euch als Gegner bestreiten müsste.“
„Keine Sorge, so leicht gebe ich nicht auf.“
„Wenn dem so ist wünsche ich eine rasche Heilung und wir sehen uns beim nächsten Rennen.“
Damit verabschiedete sie sich und schritt gemächlich zurück zu ihren Leuten. Unter ihrem Rennanzug zeichnete sich ihr wohlgeformter Hintern deutlich ab. Er hatte aber nicht lange Zeit, den Anblick zu genießen, da Sybille ihm ein mit Öl verschmiertes Handtuch über den Kopf warf.
Es war ruhig geworden auf der Strecke und in den Boxen. Da sie sich mitten im Hive befanden, gab es hier natürlich keinen Sonnenuntergang, aber dennoch würde sich hier in den nächsten Stunden nicht viel abspielen. Seine Jungs waren gerade mit dem Transporter abgefahren, um seine Rennmaschine in ihre Werkstatt zu bringen und Sybille holte ihren Wagen. Er ging seinen üblichen letzten Gang durch die Box, um sicherzustellen, dass alles an seinem Platz war, als er ein Geräusch an der Tür hörte.
Er fuhr herum, konnte aber gegen das hereinströmende Licht nur eine undeutliche Gestalt erkennen. Die Gestalt hatte breite Schultern und trug einen breitkrempigen Hut.
„Hey, da…“ weiter kam er nicht, da die Gestalt ihm ins Wort fiel. „Finden sie es nicht seltsam?“
„Was denn? Und wer sind Sie überhaupt?“
„Ihr plötzliches Auftauchen. Hier in Kai-Feng dem zweitwichtigsten Hive des Planeten. Inmitten der Liga der besten Fahrer aus deren Mitte die Black Templars Neophyten rekrutieren. Und deren zwei besten Fahrer am großen Rennen teilnehmen, welches im Beisein des planetaren Gouverneurs stattfindet.“
Hektor wusste sofort, dass der Fremde von Shizuka sprach, die wirklich Anfang der Saison aus dem Nichts aufgetaucht war und ihm ernsthaft den Titel streitig machte.
„Worauf wollen Sie hinaus?“
„Darauf, dass wir uns nicht sicher sind, was sie im Schilde führt, und nicht wissen, wo sie herkommt.“ Zum ersten Mal richtete die Gestalt seinen Blick auf Hektor und er konnte zwei leuchtend blaue Augen erkennen.
„Als ihr Konkurrent sollten sie auf der Hut sein. Vielleicht stehen Sie ja auch auf ihrer Abschussliste.“
„Wie meinen Sie das?“
„Ich meine nur, Sie sollten die Augen offen halten.“ Der Fremde legte etwas auf den Tisch neben sich. Es war ein Voxcom. „Hiermit können Sie mich erreichen, wenn Ihnen was auffällt.“
Bevor Hektor was sagen konnte verschwand der Fremde. Er ging zu dem Tisch rüber und hob das Voxcom auf. Als er es umdrehte fand er in die Rückseite des Gerätes einen Buchstaben eingearbeitet. Es war ein stilisiertes I.
Ein Tag und eine Nacht waren, zumindest zeitlich betrachtet, vergangen, seine Brust steckte in einer ziemlich unnachgiebigen Bandage und seine Rippen pulsierten nur mit leichtem Schmerz. Die Gassen, durch die er sich bewegte, waren unbelebt um diese Zeit. Die meisten Leute waren entweder daheim oder in einer der vielen Bars verschwunden, welche die ganze Gegend hier durchzogen. Der nächste Arbeitstag in den Fabriken des Imperators war nur noch wenige Stunden entfernt und viele der hiesigen Arbeiter würden die meisten davon damit zubringen, sich zu betrinken.
Er hielt seinen Blick auf die Streckenkarte gerichtet, das Rennen war in vier Tagen, bis dahin würde er die Strecke blind beherrschen und natürlich mussten seine Rippen mitspielen. Er war so in seine Karte vertieft, dass er fast in die Gestalt gelaufen wäre, die aus der Gasse vor ihm getreten kam. Er verhielt seinen Schritt noch gerade rechtzeitig und blickte auf.
„Jiu?“ Tatsächlich vor ihm stand sein alter Freund, gekleidet in die Rüstung eines Neophyten der Black Templar. Er wirkte viel erwachsener, als früher und bedeutend stärker. Jiu drehte sich zu ihm um und erkannte ihn offenbar auch. „Wer ist das, Knappe?“ donnerte eine Stimme aus der Gasse. Kurz darauf trat der Black Templar in sein Blickfeld. Er war einen guten halben Meter größer als Hektor und mehr als anderthalbmal so breit. Gekleidet in die schwarz-weiße Rüstung seines Ordens wirkte er im Zwielicht der Gassen mehr wie ein Geist, denn wie ein Gottkrieger des Imperators.
Jiu drehte sich zu ihm um, neigte den Kopf und sprach: „Dies ist Hektor Xian. Er kümmerte sich um mich, bevor ich in die Mission und damit in eure Obhut kam, Meister.“
Der Templar richtete seinen Blick auf Hektor und begutachtete ihn. Hektor gab sich alle Mühe ruhig zu bleiben.
„Wenn dem so ist, dann muss ich euch dankbar sein, Bürger. Mein Knappe war bereits ein guter Mann, bevor ich ihn in meine Obhut nahm.“
Bevor Hektor irgendetwas auf diese eher unerwartet kommende Lobpreisung eines Space Marine erwidern konnte, hörten sie Waffenfeuer. Einen halben Herzschlag später war der Templar bereits wieder in der Gasse verschwunden und Jiu folgte ihm auf dem Fuße. Hektor schüttelte sich aus seiner Starre, als ein zweiter Schuss ertönte. Sofort hastete er den beiden nach, er konnte erkennen, dass der Templar eine Pistole im Anschlag hatte und sich mit erstaunlicher Geschwindigkeit durch die engen Wege zwängte.
Ein Schrei war zu vernehmen und dann folgte Stille.
Zwei Ecken weiter wäre Hektor beinahe in den Templar gelaufen, wenn Jiu ihn nicht vorher abgefangen hätte. Sie befanden sich auf einem kleinen Hinterhof, das Licht von der Adlerlaterne flackerte unsicher über den Hof und tauchte die beiden Leichen in bizarres Licht.
Auf dem Boden lagen zwei Männer, gekleidet waren sie in einfache Arbeiterkleidung, wenn auch etwas heruntergekommen. Der eine hielt noch eine Pistole in der Hand, aus der Mündung stieg noch ein schmaler Rauchfaden auf. Neben ihm lagen zwei Patronenhülsen.
Die rechte Hand des anderen war krampfhaft um ein Messer geschlossen, die Knöchel waren weiß hervorgetreten und es steckte in seinem eigenen Kopf.
Das Gesicht des Schützen war zu einem Schrei verzerrt, den er offenbar nie beendet hatte. Die ganze Szenerie wirkte irgendwie stark gespenstisch.
Der Templar verweilte nur kurz und nahm mit seiner Beutesicht die Wärmespur des Täters auf, zumindest war es das, was Jiu ihm sagte, das er es tue. Direkt im Anschluss machte er sich auf die Jagd, Jiu hängte sich natürlich sofort an seine Fersen und somit ließen sie ihn mit den beiden Leichen, dem beißenden Ozongestank und der Aufgabe, dies den Arbites zu melden zurück.
Nach einem tiefen Seufzer wollte er sich umwenden und sich auf den Weg machen, als ihm etwas Rotes ins Auge fiel. Er kniete sich hin um nachzusehen. Die linke Hand desjenigen mit dem Messer war ebenso verkrampft wie die andere, allerdings befand sich darin ein roter Stofffetzen. Vorsichtig löste Hektor es aus der Hand, es war ein elastischer Stoff von kräftiger Farbe. Er kannte diesen Stoff, sein eigener Rennanzug bestand auch daraus.
Mit einem Mal wog das Voxcom in seiner linken Brusttasche viel schwerer.
Mit einem ratterndem Geräusch fuhr das Rolltor in seine Verankerung, als er die Schaltung betätigte. Sofort schlug ihm der Lärm der entgegen. Das Brüllen der Motoren, die warmgefahren wurden, die Musik aus den Boxen, nur unterbrochen von den wenigen Durchsagen der Streckenleitung, und all das unterlegt mit dem Gejohle der Zuschauer, die sich bereits in Stimmung brachten. Die meisten Teams waren bereits auf der Strecke unterwegs. Sybille rollte seine Maschine neben ihn, durch den Helm hinweg konnte er ihren missmutigen Gesichtsausdruck sehen, bevor sie die Maschine auf die Bahn brachte, um sie auf Temperatur zu bringen. ‚Mir gefällt das genauso wenig, Liebste.’ dachte er, als er ihr nachsah.
Er wandte sich um und ging zu dem Tisch hinüber, auf dem seine Weste lag. Vorsichtig legte er sie sich um die Schulter und zwängte seine Arme hinein. Die Schmerzen setzten erst richtig ein, als er die Weste nach vorne zog. Mit einer Grimasse unterdrückte er einen Schmerzenslaut und verschloss die Magnethalterungen der Weste.
Er richtete sich auf, holte tief Luft und nahm seine Handschuhe vom Tisch. Sorgfältig wie immer zog er sie fest über seine Hände und griff danach nach seinem Helm.
Als er aus der Box trat sog, er sofort die vollen Zuschauerränge ein. Dies war das vorletzte Rennen der Saison und die ersten Plätze waren schwer umkämpft, dementsprechend aufgeheizt war die Stimmung. Seine Augen fanden die schwarzen Gestalten auf den Rängen, nichts Unübliches, aber heute würden sie nicht nach Rekruten Ausschau halten.
Er schritt zur Startlinie und übernahm seine Maschine von Sybille, sie gab ihm einen flüchtigen Kuss und umarmte ihn, bevor sie ging. Als er saß, setzte er seinen Helm auf und blickte die Startreihe hinab. Da er nicht hatte fahren können, belegte er den letzten Platz der Startaufstellung. Acht Fahrer trennten ihn von Shizuka, die von Platz eins aus starten würde. ‚Dich werd ich mir heute schnappen.’ dachte er sich, als er die Maschine erneut anließ.
Der Startschuss knallte laut in seinen Ohren und sofort ging er von der Bremse und entließ die angestaute Kraft des Motors auf den Asphalt. Mit Wucht wurde die Luft aus seiner Brust gepresst, als er die ersten drei Maschinen vor ihm im ersten Schwung überholte.
Der Schmerz setzte ein.
Mit einem Ruck legte er sich in die Linkskurve. Vor sich sah er nur das Hinterrad seines Vordermanns. Als sie aus der Kurve kamen, driftete er leicht nach links und drückte sich vorbei. Noch vier.
In schneller Folge kamen nun die Kurven. Rechts. Links. Rechts und die längere Grade.
Hier fächerten sie zunächst auseinander, die heulenden Motoren zeugten von der dauernden Beschleunigung.
Er biss die Zähne zusammen und legte sich in den Schatten der Maschine vor ihm, als es aufwärts ging. Mit enormem Schwung raste er kopfüber durch den Looping, hinter sich hörte er das Schliddern eines unangenehmen Rennabbruchs. Sein Vordermann kam am Ende des Loopings leicht ins Wanken und er nutzte das aus. Mit einem flappenden Geräusch fiel der andere hinter ihm zurück. Noch drei.
Nein, noch zwei, Shizuka hatte die Führung abgegeben. Nach der nächsten Rechts-Links-Kombination kamen sie in die lang gezogene Rechtskurve. Er sah, wie ihr Verfolger versuchte Shizuka abzudrängen. Aber sie riss ihren Lenker herum und vollführte in der Seitenlage, in der sie sich befanden, eine 360° Drehung. Der andere verlor die Kontrolle über die Maschine und knallte gegen die innere Bahnwand. Ihre Aktion hatte sie Boden gekostet und sie war nun auf gleicher Höhe mit dem letzten Fahrer zwischen ihm und ihr.
Die Kurve endete und sie fuhren auf die längste Gerade der Strecke. Seine Brust schmerzte fürchterlich und ihm wurde kurz schwarz vor Augen. Die kurze Rechtskurve vor der Haarnadel kam und alle wurden ein wenig langsamer. Shizuka war auf der Außenkurve und verlor dadurch ihren zweiten Platz. Er holte sie beinahe ein. In der letzten Kurve vor der Zielgeraden schloss er zu ihr auf. Sie ließ ihn aufschließen, da war er sich sicher.
Als sie auf Augenhöhe waren, warf sie ihm einen Blick zu. Er erschrak. In diesen grün schimmernden Augen lag nichts Menschliches. An ihren Augen konnte er ihr Grinsen sehen, bevor sie nickte und erneut Gas gab. Irgendwoher roch er plötzlich Ozon.
Als sie in die Rechts-Links-Kombination einfuhren, hatte er sich wieder gefangen und das Signal gegeben. Mit lautem Flattern flog der nächste Fahrer über seinen Kopf hinweg. Nur mit knapper Not vermied er es, über seine Maschine zu fahren.
Sie waren nun auf der Geraden mit dem Looping. Sie hatte beinahe schon wieder zu dem Führenden aufgeschlossen, als sie hinein fuhren. Er selbst erreichte gerade den Anfang des Loopings als sie ihre Maschine auf dem höchsten Punkt mit einer Drehung von der Strecke riss. Mit einem Hechtsprung katapultierte sie sich direkt auf die Maschine des Führenden und trat ihn herunter. Die Maschine kippte vornüber und überschlug sich. Als das Vorderrad wieder aufkam war sie bereits an den Lenker geklettert und brachte die Maschine zurück auf die Strecke.
Weit kam sie aber nicht, da die Mitte der langen Rechtskurve plötzlich von den bulligen Formen zweier Rhino Transporter blockiert war. Zwischen diesen standen sowohl Arbites als auch die gewaltigen Formen einiger Black Templars. Sie kippte ihre Maschine auf die Seite und sprang ab. Während Hektor noch bremste, sah er, wie sie sich in einer Reihe eleganter Rollen wieder auf die Beine brachte und wie ihre Maschine sich an einem der Rhinos platt faltete.
Er kam nicht weit entfernt von ihr zum Stehen und schon rollten hinter ihnen ebenfalls Rhinos auf die Bahn.
Aus der hinteren Reihe trat die Gestalt die Hektor vor ein paar Tagen gesehen hatte.
„Ergebt euch elender Spion und empfangt die Strafe unseres Imperators!“ bellte er.
Mit einer ruhigen Geste, man hätte meinen können, dass nicht über ein Dutzend Bolter auf sie gerichtet wären, nahm sie ihren Helm ab. Ihre Haare hatten einen ganz anderen Glanz als noch vor ein paar Tagen, sie waren immer noch schwarz aber irgendwie glänzender. Sie drehte sich zu der Gestalt um. Ihre Augen hatten auch noch dieselbe Farbe wie zuvor nur schimmerten sie nun mit einer inneren Kraft. Zudem wirkten sie nun viel lang gezogener und schärfer geschlitzt, als es für die Menschen hier üblich war.
Ihre ganze Haltung, ihr ganzes Wesen, strahlte vor Macht.
Sie zog einen Mundwinkel in die Höhe und legte den Kopf leicht schief, wodurch ein spitzes Ohr zum Vorschein kam.
„Da sind Sie ja Herr Inquisitor Mercius.“ Ihre Stimme war äußerst klangvoll und schwang auf mehreren Tonlagen.
„Wir müssen uns dringend unterhalten oder Euer Imperator wird diese Welt bald verlieren.“
Das Brummen seiner Maschine war das einzige, das er hörte, als er mit Vollgas auf die Kurve zuhielt. Der graue Asphalt schoss näher, als er sich in die Kurve legte, kaum eine Handbreit Luft trennte seine Beine noch von der Fahrbahn.
Plötzlich sah er etwas Rotes in seinem Augenwinkel auftauchen. Er riskierte einen kurzen Seitenblick und sah, wie die Maschine seiner Gegnerin beinahe direkt neben ihm über die Strecke raste. Sie befand sich auf der Innenbahn und kam so früher aus der Kurve.
Eine Staubwolke hinter sich herziehend stoben die zwei aus der Kurve, der Rest des Feldes deutlich abgeschlagen hinter ihnen.
Inmitten der jubelnden Menge im Motodrom der mittleren Ebenen von Kai-Feng, waren drei Gestalten, die sich nicht um die heitere Atmosphäre um sie herum kümmerten. Sie beobachteten. Hätte einer von ihnen einen Blick auf die, von den Krallen der Aquilla getragenen, Monitore über dem wie eine liegenden Acht geformten Kurs geworfen, hätte er die Namen der beiden Führenden lesen können. Shizuka Han und Hektor Xian.
‚Beim Imperator. Diesmal wirst du mich nicht schlagen’ dachte er und duckte sich tief in ihren Windschatten, als sie auf die Mitte der Acht zusteuerten. Dies war der letzte Abschnitt des Rennens. Es war der oberirdische Teil der sich kreuzenden Strecke, die Wände der Bahn waren hier hoch genug um an ihnen entlang zu fahren. Sein Vorderrad klebte beinahe an ihrem Hinterrad als sie an die Steigung kamen. Er lies sich etwas zurückfallen, gab kurz vor der Kuppe Gas und brach seitlich aus ihrem Schatten aus.
Seine Reifen fraßen gierig die wenigen verbleibenden Meter zur Ziellinie als sein Schwung ihn die Bahnwand hinauf trug. Mit einem Ruck brachte er knapp vor dem Ende der hohen Wand sein Vorderrad in die Luft und auch sein Hinterrad verlor den Bodenkontakt.
Keinen der Zuschauer hielt es nun mehr auf seinen Platz. Es sah so aus als würde er glatt auf ihr landen, bevor sie das Ziel erreichten. Auch einer der drei Beobachter schien nun aufgeregt, zumindest bis der Blick seines Begleiters ihn traf.
Die Zeit schien sich zu verlangsamen, als er sich in der Luft befand. Er konnte sehen, wie sie ihren roten Helm nach oben wandte, und ihre durchdringenden grünen Augen darunter erkennen. Nachdem er erkannt hatte, dass er sie nicht treffen würde, setzte beim Aufprall die normale Zeit wieder ein und er kam hart, mit dem Vorderreifen zuerst, auf. Das ganze Gewicht des Sprungs ging auf ihm nieder und er fühlte etwas knacken in seinem Brustkorb. Er verlor die Kontrolle über seine Maschine und krachte seitlich zu Boden, er schlitterte bis zur nächsten Kurve und knallte gegen die Begrenzung. Sein ganzer Körper schmerzte, aber er war vor ihr auf der Linie gewesen.
Noch während die Nächsten die ins Ziel kamen, an ihm vorbeirauschten, riss er sich seinen Helm vom Schädel, um besser Luft zu kriegen. Der stechende Schmerz verschlimmerte sich, als er sich in eine bequemere Position hieven wollte, daher blieb er erstmal liegen. Sein Blick wanderte über die Zuschauerränge und verharrte an einer großen, schwarz-weiß gerüsteten Gestalt, die sich gerade einen Weg zum Ausgang bahnte. Obwohl, bahnen musste er eigentlich nicht, einem Space Marine machten die Leute bereitwillig Platz. Direkt hinter der Gestalt ging eine kleinere, auch in Schwarz gerüstet, aber deutlich kleiner. ‚Warum kommst du noch her, Jiu?’ fragte er sich, bevor sein Team kam und ihn von der Strecke holte.
„Was hast du dir eigentlich dabei gedacht?“ die hübsche Stimme gehörte Sybille. Mechanikern, Medicus und Geliebte in einer Person. Bevor er antworten konnte, drückte sie auf eine seiner Rippen und er zuckte lautstark zusammen. „Du hast dir mindestens zwei Rippen gebrochen, das nächste Rennen wirst du so nicht fahren.“
„Jiu war heute da.“ Sie sah ihm in seine blauen Augen und seufzte.
„Warum quälst du dich damit Hektor?“ Er setzte zur Antwort an, aber sie fuhr ihm dazwischen. „Er kommt nicht zurück, Liebling. Er wird in der Ordensmission bleiben, bis er mit dem nächsten Kreuzzug Shikomna verlassen wird.“
Er nickte. „Es ist nur...“
„Ich weiß du vermisst ihn, mir fehlt er auch.“
Sie trat einen Schritt näher und gab ihm einen leichten Kuss. „Und außerdem könnte er deine Maschine fahren, während deine Brüche heilen.“ Sie lachte und hüpfte aus seiner Reichweite, bevor er einen Teil ihrer blonden Mähne in die Finger bekommen konnte. Die rasche Bewegung allerdings sandte neue Schmerzen durch seinen Oberkörper. Er krampfte zusammen und musste erstmal nach Luft ringen.
Er sah wie in der Box nebenan Shizukas Maschine auf einen Transportschweber verladen wurde. Als ihr Team damit beschäftigt war, alles aufzuladen, kam sie auf ihn zu. Sie war hochgewachsen, sogar einen Kopf größer als er und damit eigentlich zu groß für eine Rennfahrerin. Sie hatte die seidigen, schwarzen Haare sowie die geschlitzten Augen, die für die einheimische Bevölkerung Shikomnas so typisch waren. Sie trug noch ihren roten Rennanzug, nur ihre Handschuhe hatte sie ausgezogen.
Sie blieb vor ihm stehen und verschränkte ihre Hände zu einer etwas veralteten Begrüßungsgeste, welche er erwiderte. „Ich hoffe Ihr habt Euch nicht allzu schwer verletzt.“
Ein wenig irritiert von dieser förmlichen Anrede zögerte er einen Augenblick bevor er antwortete. „Ich wurde schon schlimmer zugerichtet, danke der Nachfrage.“
„Es wäre bedauerlich wenn ich den Rest der Saison ohne Euch als Gegner bestreiten müsste.“
„Keine Sorge, so leicht gebe ich nicht auf.“
„Wenn dem so ist wünsche ich eine rasche Heilung und wir sehen uns beim nächsten Rennen.“
Damit verabschiedete sie sich und schritt gemächlich zurück zu ihren Leuten. Unter ihrem Rennanzug zeichnete sich ihr wohlgeformter Hintern deutlich ab. Er hatte aber nicht lange Zeit, den Anblick zu genießen, da Sybille ihm ein mit Öl verschmiertes Handtuch über den Kopf warf.
Es war ruhig geworden auf der Strecke und in den Boxen. Da sie sich mitten im Hive befanden, gab es hier natürlich keinen Sonnenuntergang, aber dennoch würde sich hier in den nächsten Stunden nicht viel abspielen. Seine Jungs waren gerade mit dem Transporter abgefahren, um seine Rennmaschine in ihre Werkstatt zu bringen und Sybille holte ihren Wagen. Er ging seinen üblichen letzten Gang durch die Box, um sicherzustellen, dass alles an seinem Platz war, als er ein Geräusch an der Tür hörte.
Er fuhr herum, konnte aber gegen das hereinströmende Licht nur eine undeutliche Gestalt erkennen. Die Gestalt hatte breite Schultern und trug einen breitkrempigen Hut.
„Hey, da…“ weiter kam er nicht, da die Gestalt ihm ins Wort fiel. „Finden sie es nicht seltsam?“
„Was denn? Und wer sind Sie überhaupt?“
„Ihr plötzliches Auftauchen. Hier in Kai-Feng dem zweitwichtigsten Hive des Planeten. Inmitten der Liga der besten Fahrer aus deren Mitte die Black Templars Neophyten rekrutieren. Und deren zwei besten Fahrer am großen Rennen teilnehmen, welches im Beisein des planetaren Gouverneurs stattfindet.“
Hektor wusste sofort, dass der Fremde von Shizuka sprach, die wirklich Anfang der Saison aus dem Nichts aufgetaucht war und ihm ernsthaft den Titel streitig machte.
„Worauf wollen Sie hinaus?“
„Darauf, dass wir uns nicht sicher sind, was sie im Schilde führt, und nicht wissen, wo sie herkommt.“ Zum ersten Mal richtete die Gestalt seinen Blick auf Hektor und er konnte zwei leuchtend blaue Augen erkennen.
„Als ihr Konkurrent sollten sie auf der Hut sein. Vielleicht stehen Sie ja auch auf ihrer Abschussliste.“
„Wie meinen Sie das?“
„Ich meine nur, Sie sollten die Augen offen halten.“ Der Fremde legte etwas auf den Tisch neben sich. Es war ein Voxcom. „Hiermit können Sie mich erreichen, wenn Ihnen was auffällt.“
Bevor Hektor was sagen konnte verschwand der Fremde. Er ging zu dem Tisch rüber und hob das Voxcom auf. Als er es umdrehte fand er in die Rückseite des Gerätes einen Buchstaben eingearbeitet. Es war ein stilisiertes I.
Ein Tag und eine Nacht waren, zumindest zeitlich betrachtet, vergangen, seine Brust steckte in einer ziemlich unnachgiebigen Bandage und seine Rippen pulsierten nur mit leichtem Schmerz. Die Gassen, durch die er sich bewegte, waren unbelebt um diese Zeit. Die meisten Leute waren entweder daheim oder in einer der vielen Bars verschwunden, welche die ganze Gegend hier durchzogen. Der nächste Arbeitstag in den Fabriken des Imperators war nur noch wenige Stunden entfernt und viele der hiesigen Arbeiter würden die meisten davon damit zubringen, sich zu betrinken.
Er hielt seinen Blick auf die Streckenkarte gerichtet, das Rennen war in vier Tagen, bis dahin würde er die Strecke blind beherrschen und natürlich mussten seine Rippen mitspielen. Er war so in seine Karte vertieft, dass er fast in die Gestalt gelaufen wäre, die aus der Gasse vor ihm getreten kam. Er verhielt seinen Schritt noch gerade rechtzeitig und blickte auf.
„Jiu?“ Tatsächlich vor ihm stand sein alter Freund, gekleidet in die Rüstung eines Neophyten der Black Templar. Er wirkte viel erwachsener, als früher und bedeutend stärker. Jiu drehte sich zu ihm um und erkannte ihn offenbar auch. „Wer ist das, Knappe?“ donnerte eine Stimme aus der Gasse. Kurz darauf trat der Black Templar in sein Blickfeld. Er war einen guten halben Meter größer als Hektor und mehr als anderthalbmal so breit. Gekleidet in die schwarz-weiße Rüstung seines Ordens wirkte er im Zwielicht der Gassen mehr wie ein Geist, denn wie ein Gottkrieger des Imperators.
Jiu drehte sich zu ihm um, neigte den Kopf und sprach: „Dies ist Hektor Xian. Er kümmerte sich um mich, bevor ich in die Mission und damit in eure Obhut kam, Meister.“
Der Templar richtete seinen Blick auf Hektor und begutachtete ihn. Hektor gab sich alle Mühe ruhig zu bleiben.
„Wenn dem so ist, dann muss ich euch dankbar sein, Bürger. Mein Knappe war bereits ein guter Mann, bevor ich ihn in meine Obhut nahm.“
Bevor Hektor irgendetwas auf diese eher unerwartet kommende Lobpreisung eines Space Marine erwidern konnte, hörten sie Waffenfeuer. Einen halben Herzschlag später war der Templar bereits wieder in der Gasse verschwunden und Jiu folgte ihm auf dem Fuße. Hektor schüttelte sich aus seiner Starre, als ein zweiter Schuss ertönte. Sofort hastete er den beiden nach, er konnte erkennen, dass der Templar eine Pistole im Anschlag hatte und sich mit erstaunlicher Geschwindigkeit durch die engen Wege zwängte.
Ein Schrei war zu vernehmen und dann folgte Stille.
Zwei Ecken weiter wäre Hektor beinahe in den Templar gelaufen, wenn Jiu ihn nicht vorher abgefangen hätte. Sie befanden sich auf einem kleinen Hinterhof, das Licht von der Adlerlaterne flackerte unsicher über den Hof und tauchte die beiden Leichen in bizarres Licht.
Auf dem Boden lagen zwei Männer, gekleidet waren sie in einfache Arbeiterkleidung, wenn auch etwas heruntergekommen. Der eine hielt noch eine Pistole in der Hand, aus der Mündung stieg noch ein schmaler Rauchfaden auf. Neben ihm lagen zwei Patronenhülsen.
Die rechte Hand des anderen war krampfhaft um ein Messer geschlossen, die Knöchel waren weiß hervorgetreten und es steckte in seinem eigenen Kopf.
Das Gesicht des Schützen war zu einem Schrei verzerrt, den er offenbar nie beendet hatte. Die ganze Szenerie wirkte irgendwie stark gespenstisch.
Der Templar verweilte nur kurz und nahm mit seiner Beutesicht die Wärmespur des Täters auf, zumindest war es das, was Jiu ihm sagte, das er es tue. Direkt im Anschluss machte er sich auf die Jagd, Jiu hängte sich natürlich sofort an seine Fersen und somit ließen sie ihn mit den beiden Leichen, dem beißenden Ozongestank und der Aufgabe, dies den Arbites zu melden zurück.
Nach einem tiefen Seufzer wollte er sich umwenden und sich auf den Weg machen, als ihm etwas Rotes ins Auge fiel. Er kniete sich hin um nachzusehen. Die linke Hand desjenigen mit dem Messer war ebenso verkrampft wie die andere, allerdings befand sich darin ein roter Stofffetzen. Vorsichtig löste Hektor es aus der Hand, es war ein elastischer Stoff von kräftiger Farbe. Er kannte diesen Stoff, sein eigener Rennanzug bestand auch daraus.
Mit einem Mal wog das Voxcom in seiner linken Brusttasche viel schwerer.
Mit einem ratterndem Geräusch fuhr das Rolltor in seine Verankerung, als er die Schaltung betätigte. Sofort schlug ihm der Lärm der entgegen. Das Brüllen der Motoren, die warmgefahren wurden, die Musik aus den Boxen, nur unterbrochen von den wenigen Durchsagen der Streckenleitung, und all das unterlegt mit dem Gejohle der Zuschauer, die sich bereits in Stimmung brachten. Die meisten Teams waren bereits auf der Strecke unterwegs. Sybille rollte seine Maschine neben ihn, durch den Helm hinweg konnte er ihren missmutigen Gesichtsausdruck sehen, bevor sie die Maschine auf die Bahn brachte, um sie auf Temperatur zu bringen. ‚Mir gefällt das genauso wenig, Liebste.’ dachte er, als er ihr nachsah.
Er wandte sich um und ging zu dem Tisch hinüber, auf dem seine Weste lag. Vorsichtig legte er sie sich um die Schulter und zwängte seine Arme hinein. Die Schmerzen setzten erst richtig ein, als er die Weste nach vorne zog. Mit einer Grimasse unterdrückte er einen Schmerzenslaut und verschloss die Magnethalterungen der Weste.
Er richtete sich auf, holte tief Luft und nahm seine Handschuhe vom Tisch. Sorgfältig wie immer zog er sie fest über seine Hände und griff danach nach seinem Helm.
Als er aus der Box trat sog, er sofort die vollen Zuschauerränge ein. Dies war das vorletzte Rennen der Saison und die ersten Plätze waren schwer umkämpft, dementsprechend aufgeheizt war die Stimmung. Seine Augen fanden die schwarzen Gestalten auf den Rängen, nichts Unübliches, aber heute würden sie nicht nach Rekruten Ausschau halten.
Er schritt zur Startlinie und übernahm seine Maschine von Sybille, sie gab ihm einen flüchtigen Kuss und umarmte ihn, bevor sie ging. Als er saß, setzte er seinen Helm auf und blickte die Startreihe hinab. Da er nicht hatte fahren können, belegte er den letzten Platz der Startaufstellung. Acht Fahrer trennten ihn von Shizuka, die von Platz eins aus starten würde. ‚Dich werd ich mir heute schnappen.’ dachte er sich, als er die Maschine erneut anließ.
Der Startschuss knallte laut in seinen Ohren und sofort ging er von der Bremse und entließ die angestaute Kraft des Motors auf den Asphalt. Mit Wucht wurde die Luft aus seiner Brust gepresst, als er die ersten drei Maschinen vor ihm im ersten Schwung überholte.
Der Schmerz setzte ein.
Mit einem Ruck legte er sich in die Linkskurve. Vor sich sah er nur das Hinterrad seines Vordermanns. Als sie aus der Kurve kamen, driftete er leicht nach links und drückte sich vorbei. Noch vier.
In schneller Folge kamen nun die Kurven. Rechts. Links. Rechts und die längere Grade.
Hier fächerten sie zunächst auseinander, die heulenden Motoren zeugten von der dauernden Beschleunigung.
Er biss die Zähne zusammen und legte sich in den Schatten der Maschine vor ihm, als es aufwärts ging. Mit enormem Schwung raste er kopfüber durch den Looping, hinter sich hörte er das Schliddern eines unangenehmen Rennabbruchs. Sein Vordermann kam am Ende des Loopings leicht ins Wanken und er nutzte das aus. Mit einem flappenden Geräusch fiel der andere hinter ihm zurück. Noch drei.
Nein, noch zwei, Shizuka hatte die Führung abgegeben. Nach der nächsten Rechts-Links-Kombination kamen sie in die lang gezogene Rechtskurve. Er sah, wie ihr Verfolger versuchte Shizuka abzudrängen. Aber sie riss ihren Lenker herum und vollführte in der Seitenlage, in der sie sich befanden, eine 360° Drehung. Der andere verlor die Kontrolle über die Maschine und knallte gegen die innere Bahnwand. Ihre Aktion hatte sie Boden gekostet und sie war nun auf gleicher Höhe mit dem letzten Fahrer zwischen ihm und ihr.
Die Kurve endete und sie fuhren auf die längste Gerade der Strecke. Seine Brust schmerzte fürchterlich und ihm wurde kurz schwarz vor Augen. Die kurze Rechtskurve vor der Haarnadel kam und alle wurden ein wenig langsamer. Shizuka war auf der Außenkurve und verlor dadurch ihren zweiten Platz. Er holte sie beinahe ein. In der letzten Kurve vor der Zielgeraden schloss er zu ihr auf. Sie ließ ihn aufschließen, da war er sich sicher.
Als sie auf Augenhöhe waren, warf sie ihm einen Blick zu. Er erschrak. In diesen grün schimmernden Augen lag nichts Menschliches. An ihren Augen konnte er ihr Grinsen sehen, bevor sie nickte und erneut Gas gab. Irgendwoher roch er plötzlich Ozon.
Als sie in die Rechts-Links-Kombination einfuhren, hatte er sich wieder gefangen und das Signal gegeben. Mit lautem Flattern flog der nächste Fahrer über seinen Kopf hinweg. Nur mit knapper Not vermied er es, über seine Maschine zu fahren.
Sie waren nun auf der Geraden mit dem Looping. Sie hatte beinahe schon wieder zu dem Führenden aufgeschlossen, als sie hinein fuhren. Er selbst erreichte gerade den Anfang des Loopings als sie ihre Maschine auf dem höchsten Punkt mit einer Drehung von der Strecke riss. Mit einem Hechtsprung katapultierte sie sich direkt auf die Maschine des Führenden und trat ihn herunter. Die Maschine kippte vornüber und überschlug sich. Als das Vorderrad wieder aufkam war sie bereits an den Lenker geklettert und brachte die Maschine zurück auf die Strecke.
Weit kam sie aber nicht, da die Mitte der langen Rechtskurve plötzlich von den bulligen Formen zweier Rhino Transporter blockiert war. Zwischen diesen standen sowohl Arbites als auch die gewaltigen Formen einiger Black Templars. Sie kippte ihre Maschine auf die Seite und sprang ab. Während Hektor noch bremste, sah er, wie sie sich in einer Reihe eleganter Rollen wieder auf die Beine brachte und wie ihre Maschine sich an einem der Rhinos platt faltete.
Er kam nicht weit entfernt von ihr zum Stehen und schon rollten hinter ihnen ebenfalls Rhinos auf die Bahn.
Aus der hinteren Reihe trat die Gestalt die Hektor vor ein paar Tagen gesehen hatte.
„Ergebt euch elender Spion und empfangt die Strafe unseres Imperators!“ bellte er.
Mit einer ruhigen Geste, man hätte meinen können, dass nicht über ein Dutzend Bolter auf sie gerichtet wären, nahm sie ihren Helm ab. Ihre Haare hatten einen ganz anderen Glanz als noch vor ein paar Tagen, sie waren immer noch schwarz aber irgendwie glänzender. Sie drehte sich zu der Gestalt um. Ihre Augen hatten auch noch dieselbe Farbe wie zuvor nur schimmerten sie nun mit einer inneren Kraft. Zudem wirkten sie nun viel lang gezogener und schärfer geschlitzt, als es für die Menschen hier üblich war.
Ihre ganze Haltung, ihr ganzes Wesen, strahlte vor Macht.
Sie zog einen Mundwinkel in die Höhe und legte den Kopf leicht schief, wodurch ein spitzes Ohr zum Vorschein kam.
„Da sind Sie ja Herr Inquisitor Mercius.“ Ihre Stimme war äußerst klangvoll und schwang auf mehreren Tonlagen.
„Wir müssen uns dringend unterhalten oder Euer Imperator wird diese Welt bald verlieren.“
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