[Archiv] [Wettbewerb Frühling 08] [W40k] "Jäger" — PLATZ 2

SHOKer

Mentor der flinken Federn
03. Februar 2006
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Anmerkung von Rabenfeder: diese Geschichte wurde von Viet_Cong verfasst.

Die schwüle Hitze des Regenwald drückte sich auf den einsamen Posten herab, wie ein Leviathan auf ein verletzliches Insekt. Void Fahrlein hasste diesen Planeten. Er hasste ihn fast so sehr wie seinen Vater, der ihn und seine anderen acht Geschwister immer mit der Rohrzange verprügelt hatte. Er hasste ihn fasst so sehr wie seinen alten Sergeant. Und er hasste ihn definitiv dafür, dass er seine wohldurchdachten Pläne der Lächerlichkeit preisgab. Pläne von einem ruhigen Leben. Wo waren jetzt die leichtbekleideten, willigen Damen, die Berge von Zaster und LHO, wo waren sie? Keine der tollen Versprechungen war eingehalten worden. Sein Hemd klebte auf seiner verschwitzten Haut und Moskitos drangen durch die Risse im Stoff ein. Void bereute inzwischen sein überstürztes Handeln. Er hatte sich damals, voller Enthusiasmus und Eifer, alle imperialen Insignia und Abzeichen von der Uniform gerissen, worunter diese sichtbar gelitten hatte. Jetzt durfte er hier in dieser grünen Hölle den Arsch wegschwitzen. Aber wenigstens besser als bei der imperialen Armee. Selbst hier draußen, im verlassensten Teil dieser Welt, deren Namen er nicht einmal kannte, war er sein eigener Boss. Endlich keine dreckige Brühe mehr zum Essen, endlich kein Strammstehen mehr, endlich niemand mehr, der ihn anbrüllte. Void strich sich durch den Dreitagebart. Außer ihm waren nur noch Rujn und Niea , zwei dümmliche, verschlagene Männer, ebenfalls Deserteure und Verräter, hier stationiert. Ihr Postengebäude bestand aus einem auf Holzstelzen stehenden Wellblechverschlag, der grade groß genug für ihre Schlafplätze war, einigen Hockern und anderen ramponierten Möbeln sowie jeder Menge Müll. Die drei Rebellen verließen die Lichtung so gut wie nie. Manchmal suchte einer nach Holz für das Feuer, aber dann nur nahe der Station. Bei diesem Dschungel konnte man nie wissen. Das gelbliche Gras war plattgetrampelt und mit Konservendosen überhäuft. Der Hydrogenerator stand unter den Stelzen, um nicht zu überhitzen, was bei seinem Dampfantrieb schon schwer genug war. Ständig musste man Holz nachlegen, was den eigentlich gemütlichen Tagesablauf gehörig außer Trott brachte. Void ging zum Stapel mit den Versorgungsgütern. Er wühlte ein bisschen in einer der offenen Sperrholzkisten, bis seine Hand eine warme Dose Recyclingbier umfasste. Mit den Zähnen öffnete er den Verschluss und kippte die teils klumpige Brühe hinunter. Seine Hand quetschte die leere Dose ein, um sie anschließend achtlos wegzuwerfen. Niea saß im Unterstand und versuchte, an seinem Funkgerät den imperialen Navy-Kanal zu erwischen. Die Navy hatten einen Pilotensender, der speziell Musik spielte, zur moralischen Unterstützung der Truppen. Die Rebellen hatten kein Problem damit, imperiale Musik zu hören, schließlich tranken sie auch imperiales Bier und aßen imperiales Pressbrot. Außerdem spielte die Navy abweichend von den sonst so typischen Märschen eher Jazz und Rock. Rujn war bis jetzt damit beschäftig gewesen, einen dünnen Strohhalm zu kauen, als er aufstand. Er wanderte in Richtung Dschungel, während sein Finger den Gürtel öffneten. Void und die anderen hatten sich darauf geeinigt, ihre Notdurft nur noch am Dschungelrand zu machen, da man sonst nach dem Aufstehen Gefahr lief, in einen frischen Dunghaufen zu treten. Das und die Regelung, täglich nicht mehr als sieben Bier zu trinken, waren die einzigen Gesetze die hier galten. Void wollte gar nicht daran denken, wie viele Gesetze er in seinem alten Regiment zu befolgen gehabt hatte. Das 299. Siederborg hatte nicht gerade zu den Lockersten seiner Art gehört. Aber all die Ordnung hatte ihnen nichts gebracht, sie waren alle im Stacheldraht oder in den Salven der Rebellen und Orks verreckt, die mit dem Imperium um diesen beschissenen Planeten kämpften. Obwohl er sagen musste, dass es ganz gut ausgesehen hatte. Zumindest noch während der Instruierung an Bord der Transporter. Es war alles planmäßig verlaufen, bis zu dem Zeitpunkt als sie landeten und direkt in eine Welt aus Schlamm, Asche und Staub fielen. Damals hätte er jeden für bescheuert erklärt, der ihm weiß machen wollte, es gäbe einen Dschungel hier. Aber diese Welt war größer als Siederborg. Seine Heimatwelt war nichts gegen dieses gigantische, runde Schlachtfeld. Außerdem war Siederborg nur eine zugepflasterte, überbevölkerte Feudalwelt. Das hier war, zumindest laut dem Sergeant, eine Makropolwelt. Auch wenn er noch nicht gesehen hatte, was eine Makropolwelt so besonders machte. Im Grunde hatte er noch keine Spuren nicht-militärischer, menschlicher Zivilisation gesehen. Kein Wunder, dass er irgendwann, während der Nacht aus dem Graben geschlichen war, seine Hände erhoben hatte und sich bei den „Anderen“ gemeldet hatte. Im Widerspruch zur Propaganda waren die im Grunde wie die Imperialen, nur dass sie nichts gegen die Orks hatten, sich gelassener benahmen und die ganze verdammte Zeit nicht zu wissen schienen, wofür sie eigentlich kämpften. Ein paar glaubten, sie würden den Imperator verraten und waren ständig am Hadern und Beten, während andere ganz offen zeigten, dass sie nicht mehr oder noch nie an einen Gedanken an ihn verschwendet hatten. Void glaubte den ganzen Stuss vom Goldenen Thron ohnehin nicht. Es interessierte ihn auch nicht sonderlich. Er wusste nur, dass der Pater seines Armenviertels seine Mutter genauso oft besucht hatte, wie sein Vater und diverse Schuldner zusammen. Nur, dass er Geld brachte und nicht verlangte. Aber das war Vergangenheit. Hey, vielleicht würde er irgendwann Mal aus dem Dreck entkommen. Vielleicht würde er irgendwann Frieden finden. Den ganzen Tag nichts tun, im Schatten liegen, eine schöne Frau heiraten und Kinder kriegen. Vielleicht.
Plötzlich fiel ihm auf, dass Rujn nun schon erstaunlich lange weg war. Nicht, dass ihn das Blasenvolumen seiner Mitstreiter interessierte, aber zehn Minuten waren ziemlich lange, selbst für so ein faules Schwein wie Rujn. Void drehte sich langsam um, kratzte sich über die sonnengebräunte, lederne Haut im Nacken und lief in Richtung Dschungel, dorthin wo er Rujn das letzte Mal gesehen hatte. Die Palmen und der Farn wogen leicht im heißen Wind. Der Rebell fuhr sich mit der Hand durch das schüttere Haar. Keine Spur von diesem Dreckskerl. Er konnte beide nicht leiden, was auf Gegenseitigkeit beruhte. Aber wenn Rujn sich verpissen wollte, nur um dem Holzhacken zu entfliehen, dann wurde auch ein notorischer Faulpelz wie Void wütend. Er ging einige Schritte in den Dschungel, nur um sich sehr lächerlich vorzukommen. Was machte er hier eigentlich? Rujn würde schon zurückkommen und-
Void konnte den Abdruck von Rujns Stiefel genau erkennen. Und die Spur seiner Abdrücke führte in den Dschungel. Wie magisch angezogen, folgte der Rebellensoldat ihnen. Nach ungefähr fünfzig Metern endete die Spur. Die letzten Abdrücke waren verrutscht und wirr durcheinander. Nichts ließ auf Rujns Präsenz schließen. Void drehte sich ratlos um und ging dann zurück in Richtung Lager, welches nicht mehr zu sehen war, so dicht waren Blattwerk und Busch. Mitten auf dem Weg lief ihm ein kalter Schauer über den Rücken, gemeinsam mit dem beängstigenden Gefühl, beobachtet zu werden. Mit tranceartiger Langsamkeit wandte er sich um. Eine Gestalt, dunkel abhebend von dem Grün um ihn herum, stand keine zehn Meter von ihm entfernt. Es war Rujn. Sein Kopf war seltsam auf die Brust genickt und er schien wie eine Marionette an unsichtbaren Fäden zu hängen, zumindest nach seinen Armen und Beinen, die schlaff herunterhingen, zu urteilen. Void konnte sich nicht bewegen, selbst sein Atem schien auszusetzen. Im Grunde konnte er nicht sagen, was nicht stimmte, aber irgendetwas stimmte ganz gewaltig nicht. In seinem Kopf tobten die Gedanken. Was hat das zu bedeuten? Warum sagt er nichts? Warum ist er hier? Warum steht er so komisch da? Endlich schienen seine Beine aufzutauen. Möglicherweise wollte Rujn ihn erschrecken. Er machte einige Schritte auf ihn zu und versuchte dann möglichst gelassen: „Ru...Rujn?“ zu sagen. Nichts passierte. Void machte noch eine Bewegung nach vorne und sprach ihn nochmals an. „Hey, w...was machst du da, Alter?“ Keine Reaktion. Jetzt konnte Void einen kleinen Schatten sehen, der unter Rujns Kinn verlief. Sein Gesicht lag jedoch in Schatten. „Verdammt, Rujn, lass den Scheiß, ich will jetzt...“ Plötzlich, ohne jede Vorwarnung wurde Rujn mit einem Ruck nach oben gerissen, während sein Körper unkontrolliert zuckte und sein Kopf zur Seite knickte. Noch während Void voller Entsetzen die dünne, klein Schnur um den Hals des Erhängten bemerkte, hörte er ein Knacken und spürte einen brennenden Schmerz in der rechten Wade. Mit einem schrillen Schmerzensschrei, aus dem zum größten Teil Angst zu hören war, krabbelte Void von der noch immer wackelnden Gestalt weg, das Gesicht von Grauen verzerrt. Ohne zu warten, rappelte er sich hoch, ignorierte den Schmerz im Bein und rannte, so schnell er konnte, in Richtung Lager. Halb humpelnd fand er den Weg zur Lichtung. Dort erwartete ihn schon Niea, welcher missgelaunt auf ihn blickte, jedoch schnell den Ausdruck in Verwunderung änderte. „Hey, Mann, was soll...“ konnte er noch von sich geben, dann unterbrach ihn Void hechelnd und die Stimme voller Panik:
„Angriff!! Ein Angriff, ich meine...Rujn hat es erwischt, verdammt, meine Waffe, wo ist meine...“
„Hey!“ unterbrach ihn Niea. „Was ist los? Was faselst du von wegen Angriff?“
„Verdammt, mein Bein, Niea, ich brauch mein Gewehr, wo sind die Waffen?!“
„Bleib cool, ich hole die Knarren schon. Was ist mit deinem Bein?“
Void blickte an seinem Bein herab. Der Anblick ließ seine Eingeweide sich vor Angst zusammenziehen und Übelkeit aufsteigen. Ein Holzpflock, doppelt so dick wie sein Daumen und so lang wie seine Hand, hatte die rechte Wade durchbohrt. Blut tropfte herab, auf das gelbe Gras und auf das Holz.
„Verdammte Scheiße, ich glaub ich spinne, verdammt!“ heulte der Rebell. Niea war zum Unterstand gelaufen und hatte die beiden Automatikgewehre der beiden geholt. Er warf dem schluchzenden Void eines und zwei Magazin vor die Füße.
„Hast du gesehen, was das für welche waren?“
„Nein, ich weiß nicht, es war nur Rjun da, aber der war tot!“
„Bist du sicher?“
„Ja, verdammt!“
„Ok, dann schnapp die dein Gewehr. Wir machen die Dreckskerle kalt, ok?“
„Verdammt, ich bin verwundet! War irgend so eine scheiß Falle!“
„Komm runter, ja?“ Niea war bleich im Gesicht und seine Hände zitterten. Er hatte das Automatikgewehr durchgeladen und blickte sich nun hektisch um.
Wimmernd versuchte Void sich den Pflock aus dem Fleisch zu ziehen, aber die kleinste Bewegung verursachte grauenhafte Schmerzen. Niea packte ihn am Arm und zog ihn hinter den Stapel Versorgungskisten. „Bleib hier, ich schau mich mal um.“ Entsetzt packte Void ihn am Arm. „Tu es nicht! Das ist Selbstmord!“ Ohne ihn anzusehen drehte sich der andere um, und lief geduckt in Richtung Wellblechverschlag, außerhalb der Sicht des Verletzten. Verzweifelt packte Void das Automatikgewehr und versuchte sich zu erinnern, wie man das Magazin einsetzte und durchlud. Nach einigen Fehlversuchen hatte er das 22-schüssige Gewehr geladen und entsichert. Mit Kaliber 0.33 ließ sich zwar gut durch Deckung schießen, aber dafür waren die Gewehre grauenhaft ungenau. Er krabbelte hinter der Deckung hervor, konnte seinen Kameraden jedoch nirgendwo ausmachen. Plötzlich hörte Void Schritte hinter sich. Schnell drehte er sich um und legte an. Niea stolperte, die Sonne im Rücken auf ihn zu. Der Rebell verengte die Augen zu Schlitzen. Das Gesicht war seltsam verzerr. Dann brach der Mann zusammen. Void keuchte vor Angst, als er den schwarzen Pfeil in Nieas Rücken sah. Blut durchnässte das Unterhemd und färbte nun auch den Boden. Voller Panik und unter großen Schmerzen riss sich der Verletzte hoch. Die Angst verlieh ihm ungeahnte Kräfte, denn er schaffte es noch bis auf die Mitte der Lichtung zu humpeln, bevor er schluchzend und wimmernd zusammenbrach. Als er den Schatten bemerkte, der sich über ihn legte, wusste er eines sicher: Er war im Dreck geboren, hatte im Dreck gelebt und würde nun mit dem Gesicht im Dreck sterben.
Als ihn zwei kräftige, menschliche Hände am Kopf packten, schloss er die Augen. Mach es schnell, dachte er noch.
Dann war es vorbei. Mit einem Knacken verabschiedete sich Void Fahrlein aus der Welt der Lebenden.



N’Hiko, ehemaliger Jäger und nun Gefreiter und Scharfschütze des 1. Malevian, richtete sich auf. Der tote Verräter am Boden vor ihm bot ein abstruses Bild mit seinem unnatürlich verrenkten Hals. Der Malevianer blickte sich um, auf der Suche nach wertvollen Materialien innerhalb des Außenpostens. Die in olivgrün gehaltene Hose war tief über seine braunen, nicht-militärischen Stiefel gewickelt, während er nur eine Weste auf seinem muskelbepackten, in Tarnfarben bemalten Oberkörper trug. An seinem Gürtel hin ein Holster für eine Autopistole und eine Scheide für ein leicht gekrümmtes Messer. Auf seinem Rücken hing ein schwarzer Kompositbogen sowie ein Köcher und ein Scharfschützenlasergewehr. Die knapp bis auf die Kopfhaut zurückgeschnittenen Haare und die kaum sichtbaren Tätowierungen ließen seine Augen wie Smaragde aus seinem gebräunten, aber nicht dunklem Gesicht scheinen. An seinem linken Arm waren drei kleine Zähne und Knochen unter Hautlappen gesteckt.
Ohne sichtlichen Erfolg wandte sich N’Hiko zum Gehen um. Er verschmolz Sekunden später mit dem Dschungel, während aus dem Funkgerät rauschend ertönte:
„Guten Morgen Armageddon!!“
 
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Bisherige Kommentare

Rabenfeder schrieb:
Schon wieder ein nicht so klischeehaftes Szenario. Das gefällt, da hatte ich viel mehr „wir sind die Imperiale Armee und fressen Schlamm!“-Geschichten erwartet.
Als ehemaliger Spieler eines Malevian-Alphas gefällt mir natürlich die Nennung dieses Planeten, und die Geschichte ist gut in sich abgeschlossen.
Quadratisch, praktisch, gut.
 
Zuletzt bearbeitet:
Mir hätte hier persönlich eine der "wir sind die Imperiale Armee und fressen Schlamm"-Geschichte wesentlich besser gefallen. Der Stil der Geschichte ist sehr gut, aber der Umbruch zum eigentlichen Höhepunkt erfolgt zu hastig. Außerdem fühle ich mich stark an Predator erinnert.
Insgesamt dennoch sehr gut.
 
Interessante Geschichte, vor allem der Beginn aus der Sicht der Opfer hat es mir angetan. Nur ist mir noch nicht alles so klar. Was machten die drei überhaupt auf dem Posten? Waren/sind sie Teil der "regulären" Streitkräfte der Rebellen oder eher auf eigene Faust? Das Ende hätte vielleicht noch einen Kampf oder zumindest einen Versuch, sich zu wehren, ertragen können. Ansonsten eine spannende Geschichte, die auch gut geschrieben ist.
 
@ Rabenfeder: nein ich verstehe es auch nicht, aber ich kann ja mal beim Autor anfragen, damit er sich nicht selbst verraten muss. und wegen des Fetten: das liegt an der Forensoft. Eigentlich ist es nur kursiv, aber irgendwie wollte das Forum das in Größe 5 zurückgeben. Ich hab es etwas kleiner gemacht. Mal sehen, ob das Fett auch noch weggeht.

Edit: so besser?
 
So ich hab jetzt nachgefragt.

"Guten Morgen Amageddon" soll nur ein Hinweis darauf sein, dass die Geschichte eben auf Amegeddon spielt, falls das jemanden interessiert. Ich persönlich hätte auch kein Problem damit, wenn es auf irgendeinem namenlosen Planeten spielt. Außerdem stellt sich jetzt die Frage, wieso Void den Namen des Planeten nicht kennt, wenn der doch jeden Morgen im Radio gesendet wird.

Zum Bogen: ist eine Traditionswaffe aus der Heimat des Jägers und außerdem leiser und unauffälliger.

Damit erstmal alles geklärt?