[Archiv] [Wettbewerb Frühling 08] [WHFantasy] "Gegen die eigenen Waffen"

SHOKer

Mentor der flinken Federn
03. Februar 2006
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Anmerkung von Rabenfeder: diese Geschichte wurde von SHOKer verfasst.

Wie ein schwerer, blaugrauer Vorhang fiel der Regen vom Himmel, an dem die finsteren Wolken tobten. Der eisige Wind, der von den drohenden Hängen des Eisendgebirges herab fegte, tat sein Übriges, um das Wetter so unangenehm wie möglich zu machen. In Strömen floss das Wasser über die schlammbespritzten Rüstungen der Soldaten und peitschte ihnen ins Gesicht. Weder dicke Kapuzen noch zusammengekniffene Augen halfen, diesen Naturgewalten Einhalt zu gebieten.
Vesril’ka, seines Zeichens Kommandant im Namen seines ruhmreichen Vaters, reckte das Gesicht in den Himmel und genoss das brennende Gefühl des eisigen Wassers. Es gab ihm ein Gefühl von Distanziertheit gegenüber den verdreckten Soldaten, die ihm zu dienen hatten. Ihm machte das Wetter nichts aus.
Ein Peitschenknall und wilde Rufe ertönten hinter ihm und mit einem Knurren, das eher zu einem Wolf denn zu einem intelligenten Wesen passen wollte, wandte sich der Hochgeborene um. Kaum bemerkten seine Leibwachen seinen funkelnden Blick, rückten sie auch schon auseinander, um ihm den Blick auf die Soldaten zu gewähren, die in einem langen Zug hinter ihm marschierten. Mit einem Naserümpfen ignorierte Vesril’ka die schlamm- und regennassen Rüstungen und die Gesichter, die ihre Müdigkeit nicht verbergen konnten.
Der Hochgeborene hatte schon eine unschöne Vermutung, was der Peitschenknall zu bedeuten hatte, und schlug seiner Kampfechse unsanft gegen den Kopf, damit sie wendete. Seine Leibgardisten, sechs schwergepanzerte Nauglir-Reiter, taten es ihm mit hastiger Eile nach. Niemand wollte sich den Zorn des adligen Druchii zuziehen, nur weil sein Reittier ihn aufgehalten hatte. Die Soldaten blickten überrascht auf, als die sieben Reiter an ihnen vorbeistürmten, wobei die aufgeweichte Erde unter den Pranken der Nauglir nach allen Seiten spritzte.
Vesril’ka ignorierte die Soldaten, selbst als vereinzeltes Murren zu hören war. Darum würden sich andere kümmern. Die sieben Reiter ritten schnell an den Männern vorbei zum Ende des Zugs. Es waren achthundert Krieger, allesamt gut ausgestattet und mehr oder weniger kampferprobt. Trotz seiner Verachtung für die einfachen Leute verspürte Vesril’ka einen gewissen Stolz, diese kleine Streitmacht befehligen zu können.
Zumal es nicht nur Soldaten waren, die seinem Befehl unterstanden. Ganz am Ende des Zuges erreichten sie schließlich die Gruppe, in der Vesril’ka seine Geheimwaffe sah. Es hatte ihn einige Mühe und Heimlichkeit gekostet, doch seine Pläne waren in Erfüllung gegangen. Er hatte einen Hexer gefunden, der gegen das Gesetz des Hexenkönigs als Mann Magie erlernt hatte, und ihn erpresst. Dieser hatte für Vesril’ka eine komplizierte Droge herstellen müssen. Sechs Flaschen besaß der Hochgeborene nun und jede einzelne reichte, um zwei Dutzend Männer in einen gewalttätigen Blutrausch zu stürzen.
Erst hatte Vesril’ka mit dem Gedanken gespielt, das Elixier gleich an dem Hexer auszuprobieren, dessen magische Begabung eher auf Kräutern und dummen Sprüchen bestand, denn auf richtiger Zauberei. Aber der Hochgeborene hatte es für klüger gehalten, ihn an seine Kampfechse zu verfüttern. Wer konnte schon sagen, welchen Schaden ein Mann mit magischem Potential — so schwach es auch sein mochte — im Blutrausch anrichten konnte?
Stattdessen hatte Vesril’ka fast vierzig andere Personen gefunden, die ihm ungeschickterweise ihren bedingungslosen Dienst versprochen hatten — oder ihm ohnehin schon als Sklaven gedient hatten. Es war leicht gewesen, ihnen die Droge ins Essen zu mischen, dafür umso schwerer, sie gleich darauf in sicheres Gewahrsam zu nehmen. Nun marschierten sie fest aneinander gekettet am Ende des Zuges, umgeben von einem Dutzend Bestienbändiger mit dornenbesetzten Peitschen. Eigentlich gar nicht so unpassend, dachte der Hochgeborene gehässig. Viel mehr als wilde Tiere sind diese Männer und Frauen ohnehin nicht mehr.
Er sah nun auch, was den Aufruhr verursacht hatte. Eine Frau hatte sich losgerissen und die Bestienbändiger angegriffen. Inzwischen war sie aber wieder angekettet und von tiefen Peitschenspuren gezeichnet, die sie nicht zu spüren schien, obwohl ihr das Blut aus Dutzenden von Wunden über die blasse Haut lief. Ihre Augen funkelten in einem Wahnsinn, dass selbst der Hochgeborene den Blick abwandte und die Bändiger musterte. Einer hatte eine schwere Wunde an der Schulter, verzog aber keine Miene. Vesril’ka ignorierte ihn. Solange der Mann Stärke zeigte, war er schon mehr wert als die Soldaten, die bereits vor Müdigkeit wankten.
Da hier offenbar alles wieder unter Kontrolle war, lenkte Vesril’ka seine Kampfechse zurück an die Spitze des Zugs, wo das Banner seins Hauses wehte, das in sich gedrehte Horn, das von einer Krallenhand umschlossen wurde. Dieses Zeichen war keine reine Fantasie. Mit einem Finger fuhr der Hochgeborene fast ehrfürchtig über das Horn, das an seinem Gürtel hing. Es war härter als jeder Stein und so uralt wie sein Volk. So lang wie sein Arm, würde das unwahrscheinlich gerade Horn eine brauchbare Waffe abgeben, wäre es nicht zu schwer, um vernünftig geschwungen zu werden.
Um dieses Artefakt rankten sich die verschiedensten Legenden. Es hieß, das Horn stamme aus dem alten Nagarythe und sei von magischer Macht durchdrungen, die aber kein lebender Zauberer zu nutzen wüsste. Angeblich habe es jene Elfe mitgenommen, die vor so endlos langer Zeit das Volk der Druchii nach Naggaroth geführt habe, als diese schon fast beschlossen hatten, nach dem Untergang von Nagarythe um einen Platz auf Ulthuan zu kämpfen, was womöglich das Ende für die geschwächten Druchii gewesen wäre.
Vesril’ka wusste nicht, was er von solchen Geschichten halten sollte. Er war ein Mann der Tat, ihn interessierte nur die Gegenwart. Dennoch verspürte er einen hungrigen Kitzel nach Macht, wenn er daran dachte, dass ein derart mächtiges Artefakt seiner Familie gehörte. Er hatte es von seinem Vater erhalten, es war das größte Zeichen des Vertrauens, zu dem sich der alte Elf jemals durchringen würde und Vesril’ka war bestrebt, seinem Vater ein dementsprechend guter Sohn zu sein.
Ein Zischen, dicht gefolgt von einem metallenen Klirren, riss ihn aus seinen Grübeleien. Er zischte leise, als ein pochender Schmerz seinen Oberschenkel empor kroch. Der Silberstahl seiner Beinschiene dort war verbeult, doch er hatte gehalten. Armbrustschützen, zuckte es durch den Verstand des Hochgeborenen und er sah sich hektisch um, während hinter ihm, entlang des ganzen Zuges Schreie laut wurden und Chaos ausbrach.
Sie befanden sich auf einer felsigen Fläche, in einer Entfernung von dreihundertfünfzig Metern zum dichten Nadelwald am Fuße des Eisengebirges. Hier waren die höchsten Erhebungen vielleicht zwanzig Meter hoch, aber überall lagen größere und kleinere Felsbrocken, welche die Ebene in ein unwegsames Gebiet verwandelten, durch das nur wenige Wege führte. Und sie bieten mehr als genug Deckung für Scharfschützen, dachte Vesril’ka, als er mit einem Zischen sein Schwert zog.
Um ihn herum taten es ihm seine Leibwachen gleich, zwei hoben große Schilde, um ihren Herrn abzuschirmen, aber er fauchte sie an: „Weg damit, ihr Hunde. Ich brauche Sicht.“
Sofort gehorchten die Männer und der Hochgeborene sah, dass sich die Soldaten inzwischen zu einem disziplinierten Schildwall formiert hatten, hinter dem die wenigen Armbrustschützen hockten, die sie bei sich hatten. Sobald hinter einem der Felsen auf der weiten Ebene eine Gestalt in graubraunem Umhang auftauchte, klackten die Repetierarmbrüste der Soldaten los, doch meist hatten sich die Angreifer bereits wieder in ihre Deckung geduckt. Natürlich, nicht ohne vorher ihrerseits einen Bolzen abgefeuert zu haben, die, wie Vesril’ka zornig feststellte, beängstigend gut trafen.
„Autarii, diese feigen Ausgeburten der Dunkelheit.“, zischte er. Diese Treffsicherheit und die Umhänge, die sie auf dem felsigen Untergrund beinahe unsichtbar machten, ließen kaum andere Schlüsse zu.
„Nauglir-Reiter: Sturmangriff! Stoßt diesen Abschaum in die Dunkelheit, aus der sie gekrochen sind!“, brüllte er und reckte das Schwert in Richtung einer Felsgruppe, hinter denen er einige Schützen ausgemacht hatte. Die beiden Schildträger aus seiner Leibgarde formierten sich auf beiden Seiten ihres Hauptmanns, während die anderen vier mit erhobenen Lanzen lospreschten. Die Kampfechsen flogen geradezu über die Ebene, zermalmten Steine und kleine Felsen unter ihren gewaltigen Pranken und übersprangen größere Hindernisse. Mehrmals kamen die gewaltigen Bestien auf dem schlammigen Boden ins Schlittern, doch keine stürzte. Insgesamt war der Boden hier auch fester als auf dem Weg, dem die Streitmacht gefolgt war.
Als die sieben Reiter die Felsengruppe erreichten, teilten sie sich. Drei liefen links herum, drei rechts. Während seine Gefolgsleute zu beiden Seiten abdrehten, hielt Vesril’ka seine Kampfechse geradewegs auf die Felsen zu. Nur mehrere Tritte in die geschuppte Flanke verhinderten, dass die Bestie zur Seite auswich, aber es gelang. Kurz vor dem Aufprall riss der Hochgeborene an den Zügeln und fauchte, „Auf, du Bestie der Tiefe! Spring!“
Sein Wagnis wurde mit entsetzten Gesichtern und aufgerissenen Augen auf der anderen Seite belohnt. Vierzehn Dunkelelfen in ihren graubraunen Kapuzenumhängen hockten hier in Deckung und luden eilig ihre Armbrüste nach. Sofort richteten sich die Waffen auf den Hochgeborenen, doch in ihrer Panik und dem niederprasselnden Regen verschätzten sich selbst die gefürchteten Armbrustschützen der Autarii.
Vesril’ka zog den Kopf ein, als zwei Bolzen nur knapp an ihm vorbeizischten und drei weitere gegen die Schuppen der Kampfechse knallten, was dieser ein wütenden Brüllen entlockte, ansonsten aber keinen Schaden anrichtete.
Dann prallten Reiter und Tier auf den Boden, wobei zwei der Schützen unter den Pranken der tonnenschweren Bestie zerquetscht wurden. Noch bevor die Autarii ihre Kurzschwerter ziehen konnten, beugte sich der Hochgeborene hinab und stach einem unter die Kapuze, wonach dieser zusammenbrach, und trat einem anderen mit seinem gepanzerten Stiefel in den Bauch. Als dieser wankte, rammte ihm Vesril’ka mit einem hasserfüllten Zornesschrei sein Schwert in den Hals. Ein Schwertstreich prallte auf der anderen Seite von seinem Oberschenkel ab. Dieses Mal gab das lädierte Metall mit einem Knacken nach und neuerlicher Schmerz ließ den Druchii mit den Zähnen knirschen, als er sich wieder aufrichtete und dem Autarii seinen Panzerhandschuh ins verdeckte Gesicht rammte.
Dieser wich zurück und spuckte Blut, aber Vesril’kas Kampfechse wirbelte um die eigene Achse und zerschmetterte den Krieger mit ihrem muskulösen Schwanz. Dadurch geriet ein anderer Krieger in die Reichweite des Hochgeborenen, der die überraschte Parade mühelos überwand und dem Mann die Kehle öffnete.
Inzwischen waren die übrigen Reiter angekommen und ihre blutverschmierten Lanzen sowie die Leichen auf dem Boden zeugten von Ausgang des Scharmützels. Zwei Autarii versuchten, zu fliehen, aber Vesril’ka sprang von seiner Echse und griff nach der Armbrust eines Gefallenen. Sie war geladen. Er zielte und ein gefiederter Bolzen traf den linken Mann in den Rücken. Der Hochgeborene genoss es, den anderen in Panik fliehen zu lassen, während er langsam nachlud. Er wusste, dass sich der Fliehende verzweifelt fragte, ob er es aus der Reichweite der Armbrust schaffen würde. Er schaffte es nicht.
Als der Leichnam zu Boden kippte, kletterte Vesril’ka zurück auf seinen Nauglir. Erst jetzt bemerkte er die panischen Rufe von der Straße. So schnell es den Nauglir gelang, umrundeten die sieben Reiter die Felsen wieder und blickten auf ein grausames Gemetzel. Am Ende des Zuges war die Straße auf zwanzig Meter von zerstückelten Leichen bedeckt, deren Rüstungen beziehungsweise Umhänge sie als Druchii und Autarii gleichermaßen auswiesen.
Während die Soldaten in heftige Nahkämpfe verstrickt waren, nahmen die Autarii sie weiterhin erbarmungslos unter Beschuss. Der Schildwall war inzwischen zerbrochen und einzelne Gruppen hatten versucht, die Schützen zu erreichen, um sie im Nahkampf zu überwinden. Abgesehen von einer schienen alle vorher erledigt worden zu sein. Und diese war auf eine zahlenmäßige Überlegenheit getroffen.
Während Vesril’ka, der die Angreifer mit derben Flüchen eindeckte, die eindeutige Zweifel an den ehrbaren Absichten ihrer Väter ließen, und seine Leibgarde im Eiltempo zurückritten, blieb ihnen nichts anderes übrig, als mit anzusehen, wie ihre Streitmacht gnadenlos auseinandergenommen wurde. Kurz bevor sie die Straße erreichten, brach die Kampfechse des Schildträgers links von Vesril’ka zusammen, während Armbrustbolzen auch die anderen Reiter dazu zwangen, sich tiefer in den Sattel zu ducken. Dennoch blieb es bei einer weiteren Schulterverletzung.
Dann endlich bemerkte Vesril’ka, was wirklich geschehen war: Die Autarii hatten die Kreaturen im Blutrausch, die Vesril’ka nicht mehr als Druchii ansehen wollte, losgelassen und diese hatten erst ihre Befreier und die Bestienbändiger, sofern diese nicht von den Autarii erledigt worden waren, zerhackt und sich dann auf die Soldaten gestürzt. Das Leichenfeld am Ende des Zuges bezeugte, dass Vesril’kas Idee genial gewesen war. Wenn auch nicht ohne Nebenwirkungen.
Als die Reiter die Straße erreichten, lebten nur noch achtzehn der Berauschten, dafür war weit mehr als die Hälfte der Soldaten tot oder schwer verletzt. Der eisige Regen wusch das Blut in Strömen von der Straße und ließ rote Bäche über die Haut der verletzten Druchii gleiten.
„Auf die Wahnsinnigen! Vernichtet diese Kreaturen!“, brüllte Vesril’ka und seine Leibwächter, inzwischen nur noch fünf, stimmten einen Schlachtruf an, als sie in das Gemetzel am Ende des Zuges stürmten. Vesril’ka sah sich plötzlich der Frau gegenüber, die zuvor den Aufruhr verursacht hatte. Zumindest wies sie dieselben Peitschenwunden auf. Jetzt hielt sie selbst eine solche Dornenpeitsche in den Händen und schwang sie furchtlos gegen das geschuppte Maul der Kampfechse. Die Bestie brüllte auf, als die Waffe eine blutige Spur über ihre Schnauze zog, und sprang vor. Die Frau wurde von den mächtigen Kiefern erfasst und in der Mitte zerrissen. Dennoch peitschte die dornenbesetzte Waffe kurz vor ihrem Tod noch einmal über die Flanke des Nauglir und sprengte die Kettenglieder über dem Knie des Hochgeborenen. Der Knurrte nur angesichts der Verletzung und stach mit dem Schwert nach dem Hinterkopf eines anderen Wahnsinnigen, der gerade einen Soldaten erwürgte. Es dauerte mehrere Sekunden, bis der Berauschte der Verletzung erlag. Sein Opfer nickte dem Hochgeborenen zu, bevor der Soldat von einem anderen Wahnsinnigen angefallen wurde, der mit einem geraubten Schwert nach der Schläfe des Mannes stach. Als der Soldat zusammenbrach, sprang Vesril’ka mit einem Brüllen von seiner Kampfechse.
Es war nicht der Tod des Soldaten, der seine Wut nährte, sondern die Tatsache, dass er gute Männer, die bereit waren, für ihn zu kämpfen, völlig sinnlos verlor. Er schlug nach dem Wahnsinnigen, doch der drückte die Waffe mit einem Arm beiseite. Zwar verlor er die Gliedmaße, doch es gelang ihm, den überraschten Hochgeborenen anzuspringen. Dieser verlor sein Schwert, während der Berauschte mit dem verbliebenen Arm auf seine Brust einstach. Das Metall ächzte und der der Belastung und Vesril’ka schlug dem Mann mit aller Kraft ins Gesicht. Die Nase brach und Blut spritzte ihm ins Gesicht, doch der Wahnsinnige störte sich nicht daran. Panisch griff der Hochgeborene nach dem Kurzschwert seines Gegners, doch dieser hielt mit übermenschlicher Kraft fest.
Erst, als Vesril’ka ihm die Augen ausdrückte, zeigte er eine Reaktion und warf sich panisch herum. Schnell rappelte sich der Hochgeborene auf, ohne auf die Schmerzen in seinem Bein zu achten, und griff nach seinem Schwert. Es war leicht, den Wahnsinnigen, der blind über den Boden krabbelte und auf alles einstach, zu töten.
Doch in den Getümmel hatte Vesril’ka seine Kampfechse verloren. Inzwischen hatten die Wahnsinnigen die Druchii weiter zurückgedrängt und unter dem Beschuss der Autarii, die sich inzwischen offen zeigten, fielen immer mehr Soldaten. Ganz in der Nähe sah Vesril’ka, wie ein Berauschter einen Soldaten tötete, indem er ihm die Kehle mit bloßen Händen aufriss. Als der Druchii zu Boden sank und die Hände vergeblich auf den Hals presste, warf sich der Hochgeborene auf dessen Mörder. Gemeinsam krachten sie auf den Boden, aber der Wahnsinnige griff nach dem Druchii auf seinem Rücken und kratzte über dessen Rüstung.
Vesril’ka packte den Kopf des Eingeklemmten mit beiden Händen — sein Schwert hatte er beim Sturz verloren — und zerrte mit aller Kraft, bis er das Genick brechen hörte. Ein Teil von ihm rechnete schon damit, dass der Mann trotzdem weiterleben würde, aber der Körper erschlaffte. Keuchend rappelte sich der Hochgeborene wieder hoch. Nicht weit entfernt entdeckte er zwei Kampfechsen, die mühsam atmend im Schlamm lagen, unter einem lag sein Reiter begraben.
Mit einem Zähnefletschen griff Vesril’ka erneut nach seinem Schwert und rammte es dem nächsten Wahnsinnigen einfach in den Rücken. Inzwischen waren die Soldaten zu dem Schluss gekommen, dass es besser wäre, ihr Glück mit den Autarii zu suchen. Die ganze überlebende Streitmacht hatte sich auf die Schatten gestürzt. Doch sie hatten deren Gegenwehr unterschätzt. Da die nicht einmalmehr hundert Soldaten immer nur eine Gruppe angreifen konnten, zögerten die anderen nicht, sondern nahmen sie weiterhin unter Beschuss. Außerdem waren ihnen drei der Wahnsinnigen in den Rücken gefallen. Zwei weitere stürzten sich gerade auf den letzten Nauglir-Reiter und zerrten ihn aus dem Sattel. Während Vesril’ka dorthin eilte, brach die Kampfechse zusammen, nachdem einer der Wahnsinnigen sein Schwert durch ihr Auge gebohrt hatte. Der andere rang noch mit dem Leibgardisten und der Hochgeborene sprang den Mörder der Echse an.
Doch dieser stieß seinerseits überraschend flink zu, sodass Vesril’ka einen Treffer in den Bauch bekam. Die Rüstung hielt nicht stand, verhinderte aber Schlimmeres. Nur ein kleiner Blutstrom sickerte durch den dünnen Stoff, den der Druchii unter der Rüstung trug.
Vesril’ka schlug seinerseits zu und zerschmetterte dem Wahnsinnigen die Schulter, aber der stach erneut zu. Nur mit Mühe konnte der Hochgeborene dem Stich entgehen und erhielt im Gegenzug einen Tritt gegens Knie, das ohnehin schon verletzt war. Mit einem Zischen merkte Vesril’ka, wie das Gelenk nachgab. Er brüllte auf und stach mit aller Kraft nach seinem Kontrahenten. Die Klinge bohrte sich tief in die Brust des Wahnsinnigen, der sie einen Moment lang erstaunt musterte und dann zur Seite gekippt, wobei er die Waffe aus den steifen Fingern des Druchii riss.
Nur mit Mühe konnte Vesril‘ka erneut aufstehen und sah sich nach seinem letzten Leibwächter um. Dieser war seinem Gegner erlegen, doch auch der Wahnsinnige hatte eine schwere Beinwunde davon getragen und schleppte sich nun nur noch auf den Hochgeborenen zu, der mit zitternden Beinen absprang und alle Kraft darin legte, den Kopf des Berauschten zu packen und auf den Boden zu schmettern. Immer wieder ließ er seiner Wut — der Quelle seiner letzten Kraft — freien Lauf und hämmerte mit Wutschreien auf den Schädel ein, bis der Körper nicht mehr zuckte.
Dann erst hielt er inne und fühlte, wie ihn die Kraft verließ. Er spürte keinen Zorn mehr, denn alles war verloren. Seine Streitmacht war vernichtet, seine Leibwachen tot und er am Ende seiner Kräfte. Als er leise Schritte hörte, mühte er sich dennoch hoch. Er wollte nicht jetzt Schwäche zeigen, schließlich zählte sein Vater auf ihn und er besaß das Horn, das Zeichen der Familie.
Vor Schreck wäre er beinahe wieder zusammengebrochen. Das Horn! Es hing nicht mehr an seinem Gürtel. Doch bevor er sich umsehen konnte, erklang ein gackerndes Lachen.
„Bewundernswert, ja wirklich bewundernswert. Dass Ihr Euch immer noch wieder auf die Beine müht. Dabei gibt es doch gar keinen Grund dazu. Für einfache Leute wie uns braucht Ihr doch nicht extra aufzustehen.“
Die Stimme hatte einen seltsamen Akzent und als Vesril’ka aufsah, erblickte er einen Autarii in dem gleichen braungrauen Umhang wie die anderen. Er zielte mit einer Repetierarmbrust auf den Hochgeborenen.
„Verzeiht mir, wenn ich es so direkt ausspreche, aber Ihr sehr müde aus, Hochgeborener. Warum legt Ihr Euch nicht einfach wieder hin?“
Ein gackerndes Lachen erklang unter der Kapuze und Vesril’ka sprang mit einem Brüllen in Richtung des Autarii. „Sollen eure Seelen bis in alle Ewigkeit verflucht sein, ihr dreckigen …“, die Worte blieben ihm im Halse stecken, als durch das gackernde Lachen das unverwechselbare Klacken einer Armbrust zu hören war.
Ein Bolzen schlug dem Druchii in die Brust, während auch andere Autarii in der Nähe anfingen, zu lachen. Vesril’ka spürte, wie sein Herz Blut durch die Brustwunde pumpte und dabei immer schwächer wurde. Ein letztes Knurren entrann sich seiner Kehle, als sich der Geist gegen den Tod auflehnte, doch es war zwecklos. Sein Körper war am Ende und sein Lebenssaft strömte in Bächen über seine Brust, während ihn der kalte Regen immer noch durchnässte. Jetzt war das kalte Nass im Gesicht sein einziger Trost.
Ich habe dich enttäuscht, Vater. Vergiss deinen Sohn, er ist es nicht wert, gerächt zu werden.
Mit diesem letzten Gedanken ergab sich Vesril’ka der herannahenden Finsternis und war erleichtert, als er zumindest das gackernde Lachen der Autarii nicht mehr hören musste.
 
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Bisherige Kommentare

Rabenfeder schrieb:
Mir gefällt der Schreibstil dieser Geschichte besonders – ebenso wie die Atmosphäre – und auch der Hintergrund ist schön ausgearbeitet. Allerdings gibt es auch hier einen ähnlichen Fehler wie in Geschichte Nr. 2: das wirklich Wichtige ist zu vage gehalten.
Wie gesagt, eine Geschichte lebt von den kleinen Lücken und Unklarheiten, in denen der Leser seine eigenen Erfahrungen projizieren kann und mit der Geschichte eben „arbeitet“. Fehlt einem aber wirklich der Grund für etwas, wie hier bei dem Vorgehen der Schatten, ist das ärgerlich.
Darauf kann man – wieder einmal – eine größere Geschichte aufbauen lassen, eigenständig hat man nur viele Details wie das Horn und viele kleine Stränge, die ins Nichts führen. Das ist... frustrierend.

flix schrieb:
Ok einen Punkt bekommt von mir Gegen die eigenen Waffen, weil der Schreibstil echt gut ist und der Überfall sehr detalliert beschrieben wird doch mit gefällt dieses ständige Knurren des Dunkelelfen nicht, sicher das lässt sie wilder erscheinen doch ein paarmal hätte man es durch Keuchen erstetzen können
 
Am Anfang konzentriert sich der insgesamt sehr angenehme Schreibstil eigentlich nur auf Schaffung der Atmosphäre, was sehr gut gelingt, wird später allerdings hastig und Beschreibungen werden vernachlässigt. Die Kampfszenen sind gut ausgearbeitet und nachvollziehbar. Insgesamt fehlen der Geschichte aber Hintergrundinformationen: wieso genau wurde das Druchii-Heer aufgestellt... für Nichtkenner des DE-Armeebuches... was sind sind Autari, was genau hat es mit dem Horn auf sich? Der Übergang von der Einleitung zum Kampf ist für meinen Geschmack zu plötzlich. Punkten kann die Geschichte bei mir allerdings mit dem gut dargestellten Charakter des Hochgeborenen.
Insgesamt gut.

P.S.: Ist es richtig, dass ich bei den Wahnsinnigen an die Infizierten aus 28 days/ weeks later denke?^^
 
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Mein Platz 2.
Positives: Wirklich gute Beschreibungen der Armee und vom Anfang des Überfalls, sehr guter Protagonist, gute Atmosphäre

Negatives: Teilweise zu hastig, etwas zu wenige Hintergrundinformationen

Fazit: Eine gute Story für Leute, die Schlachtbeschreibungen mögen, zu denen ich gehöre 😉
 
Da in anderen Threads die Autoren bereits eine Stellungnahme abgegeben haben, will ich das hier auch tun:

Nun, ich danke erstmal für die eigentlich ganz guten Bewertungen, ich hatte irgendwie das Gefühl, dass die Story schon zu den besseren gezählt wurde, es aber halt für einen Punkt auf Grund der genannten Mängel nicht reichte.

Der wichtigste Punkt ist wohl die Sache mit dem Horn, das viel zu sehr im Mittelpunkt stand, aber viel zu wenig Hintergrund hatte. Das stimmt und ich habe damit den gleichen Fehler gemacht wie Sansker und Sarash. Ich habe versucht, diese Wettbewerbsgeschichte an meine Hauptgeschichte anzupassen. Da kam das Horn vor. Deshalb habe ich es hier nicht näher erläutert, auch um mich nicht zu verraten.

Teilweise zu hastig, etwas zu wenige Hintergrundinformationen
das stimmt leider, aber ich bin nicht der erste der feststellt, das man leider kürzen und verzichten muss, wenn man die 5 Seiten nicht überschreiten will. Und ich hatte wirklich nicht bedacht, dass Hintergrundinfos eine solche Bedeutung haben könnten.

Nun gut, aber ich habe aus dieser Geschichte gelernt. Beim nächsten Mal werde ich auf mehr Hintergrund achten und auch an jene denken, die solche Begriffe wie Autarii nicht kennen. Und ich werde nicht noch einmal versuchen, eine eigenständige Geschichte an ein Hauptstory anzulehnen.

@Slaydo: warst du nicht beim letzten Mal auch der einzige, der für mich gestimmt hatte? Du magst Kämpfe wohl genauso sehr wie ich. :lol: