40k Awatrons Geschichtenmarathon2

Awatron

Tabletop-Fanatiker
25. November 2002
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So, das ist die zweite geschichte im marathon.
Hier wollte ich einfach mal einen blick auf einen bisher wenig untersuchten teil des fluffs werfen. Feddback wie immer erwünscht 😀



Caput Mortuum


Die grelle Lampe an der Decke tat seinen Augen weh, aber er hielt sie offen. Sobald er die Augen schloss, drehte sich alles.
Der Mann lag auf dem kalten Boden eines kleinen Raums mit weißen Wänden. Und er versuchte krampfhaft, sich zu erinnern. An irgend etwas, aber da war nichts. Sein Kopf schmerzte höllisch und jede Bewegung, auch die der Augen, schien den Schmerz zu verdoppeln.
Warum habe ich bloß so viel getrunken, fragte er sich. Moment, woher weiß ich, das ich getrunken habe, schloss sich sofort der nächste Gedanke an.
Wenn ich doch wenigstens wüsste, wie ich heiße...
Bei dem Gedanken an seinen Namen regte sich etwas. Erinnerungen kamen hoch. Irgend ein Tier... ein Großes... Rotes... Verdammt gefährliches Biest... Ein Fuchs! Jetzt wusste er es. Jakob Fuchs, das war sein Name! Und weiter?
Kaum hatte er sich an seinen Namen erinnert, schien sich ein Tor in seinem Kopf geöffnet zu haben und die Erinnerungen strömten nur so in seinen Kopf. Jetzt erinnerte er sich an alles.
Er war Jakob Fuchs, der Fahrer eines Antigravzugs. Diese Züge rasten über die flachen Salzwüsten von Heidon VII und beförderten Güter zwischen den verstreuten Städten. Der Fahrer eines solchen Zugs war eine angesehene Person. Jakob hatte Geld, Verbindungen und Macht, doch alles hatte sich geändert. Sein Leben wurde immer schwieriger, die Alpträume, die ihn seit seiner Kindheit verfolgten, wurden schlimmer und schließlich entwickelte er seltsame Kräfte. Ich hätte es geheim halten, und schon gar nicht in dieser Kneipe damit angeben sollen!
Von einem Tag auf den anderen war er plötzlich vogelfrei. Alle verfolgten ihn. Die Arbites, die Priesterschaft, sogar seine alten Freude, bis schließlich sein Antigravzug in der Horusschlucht abgeschossen wurde und diese seltsamen Typen ihn gefangen genommen hatten.
Man hat mich erwischt!, schoss es durch seinen Kopf. Bei diesem Gedanken richtete er sich schlagartig auf, nur um herauszufinden, dass es ein Fehler war.
Jakob wurde so schlecht, dass er sich lange und schmerzhaft übergab. Danach lag er noch lange zusammengerollt in der Ecke der Kammer und kämpfte um sein Bewusstsein.
Er wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war und kam erst dann richtig zu sich, als ein plötzliches Geräusch seine Aufmerksamkeit erregte. Er wälzte sich herum und sah, dass ein Panel zur Seite glitt und eine Nische in der Wand öffnete. Auf allen Vieren kroch er zur Nische und fand dort einen Napf mit einer braunen Brühe und einen Becher mit Wasser. Es sah alles andere als appetitlich aus und Jakob versuchte mit alle Kraft, den Geruch zu ignorieren. Sein Verstand weigerte sich, aber sein Magen siegte. Gierig schlang er den Fraß hinunter. Dann stellte er die Schüssel in die Nische zurück, die sich schloss und den Raum in seinen ursprünglichen Zustand versetzte.
Wo zum Teufel bin ich eigentlich?
Jakob stand auf und sah sich um. Der Raum war weiß und hatte keine sichtbare Tür. Jede Wand war vier Schritt lang und durch Klopfen fand Jakob heraus, dass die Wände aus einer Art Metall waren.
„Verdammte Kacke, wo bin ich?!“, schrie Jakob auf und hämmerte gegen die Wand.
Mehrere Minuten schlug und trat er auf die Wand ein, bis er sich die linke Hand blutig schlug. Sein plötzlicher Wutausbruch verschwand genauso schnell, wie er gekommen war. Jakob umklammerte seine schmerzende Hand und brach wimmernd in einer Ecke zusammen.
Er wusste nicht, wie viel Zeit er so dasaß, aber seine Hand hatte aufgehört zu bluten, als ein Teil der Wand zur Seite glitt und sich so eine Tür öffnete. Die Gestalt, die hineintrat, versetzte Jakob einen Schrecken und ließ ihn zurücktaumeln.
Da die Gestalt sich nicht bewegte, seit sie den Raum betreten hatte, konnte Jakob sie genauer anschauen. Sie konnte wirklich jedem Angst einjagen. Es war ein Mann, aber auch gleichzeitig eine Maschine. Der Mann trug nur eine Hose, aber Jakob bezweifelte, dass er sie wirklich brauchte, denn die Füße des Wesens waren aus Metall. Auch sein linker Arm war durch eine Ansammlung dünner Manipulatoren, die in spitzen Krallen ausliefen, ersetzt worden. Der Mund war zugenäht und die Augen durch Kameralinsen ersetzt worden. Mehrere Schläuche hingen aus seinem Körper und Nacken.
Als Jakob aufging, wen er da vor sich hatte, lachte er hysterisch auf.
„Ein Servitor, ein verfluchter Servitor!“, schrie er das Maschinenwesen an.
Auf seinen Güterzug hatte er selber mehrere Servitoren besessen. Meist handelte es sich um Sträflinge, die man lobotomisierte, mit kybernetischen Implantaten ausstattete und so in Maschinen umwandelte. Es war billiger, als komplette Maschinen zu konstruieren und Servitoren konnte Arbeiten verrichten, zu denen eine normaler Arbeiter nicht im Stande war.
„He, wo bin ich hier?“, fragte Jakob den Servitor und lachte, denn Servitoren konnten nicht sprechen. Wie denn auch, ohne Gehirn?
Als er jedoch eine Antwort erhielt, fuhr er entsetzt zurück.
„Du bist auf der Caput Mortuum.“
Ein kleiner Mann in einer schwarzen Robe und mit einem Stück Pergament in der Hand stand hinter dem Servitor.
„Und... warum bin ich hier?“, fragte Jakob.
Anstatt zu antworten, griff der Mann in seinen weiten Ärmel und holte eine unterarmlangen, silbernen Stab hervor.
„Du bist kein Bürger des Imperiums mehr, du bist Besitz. Und als solcher hast du keine Fragen zu stellen.“, sagte er kühl und berührte Jakob plötzlich mit dem Stab.
Unter grässlichen Schmerzen brach Jakob zusammen.
„Hörst du mich?“, fragte der Mann ihn, als Jakob aufgehört hatte, zu schreien.
Jakob nickte schwach. Er würde alles tun, nur um nicht wieder mit dem Stab geschlagen zu werden.
„Deine Name?“
„Jakob Fuchs.“, antwortete Jakob schwach und der Mann schrieb es auf dem Pergament auf.
Danach deutete er mit dem Stab auf Jakob und der Servitor tat einen Schritt auf ihn zu. Obwohl Jakob versuchte, sich zu wehren, ergriff der Servitor ihn mit eiserner Hand und brannte ihm einen Strichcode auf den Unterarm. Danach verließen der Schreiber und der Servitor die Zelle.
Mögest du verrecken, dachte Jakob und reib sich den schmerzenden Arm. Irgendwann schlief er ein.
Als er aufwachte, war wieder Essen in der Nische. Außerdem war die Tür noch immer offen. Sie war jetzt durch Gitterstäbe versperrt, aber Jakob konnte hinaussehen. Der Anblick, der sich ihm Bot, verschlug ihm dem Atem und er traute zunächst seinen Augen nicht.
Er sah lauter vergitterte Zellentüren, auf mehreren Ebenen. Schwarzgerüstete Wachen patrouillierten auf den Galerien.
Das ganze sah aus, wie ein Gefängnis, was es vermutlich auch war.
Jakob machte durch hecktisches Winken den Insassen der gegenüberliegenden Zelle auf sich aufmerksam.
„He! He du, weißt du, wo wir hier sind?“, schrie er zu ihm herüber.
Sofort war eine der Wachen bei ihm und schlug ihm ins Gesicht. Als Jakob sich das Blut aus dem Gesicht wischte und aufstand, richtete der Wächter seine Waffe auf ihn.
„Ist ja gut, ich hab´s verstanden.“, sagte Jakob und setzte sich auf den Boden.
Dies schien den Wächter zufrieden zu stellen und er ging weiter.
Irgendwann betrat der Schreiber von vorhin wieder seine Zelle. Als er seinen Stab herausholte, duckte Jakob sich instinktiv.
„Keine Angst, solange du die Anweisungen befolgst, wird dir nichts passieren.“, beruhigte der Schreiber ihn.
„Also, hör zu! Die wichtigsten Regeln sind: Nicht mit den anderen Gefangenen reden und all das tun, was man dir sagt. Verstanden?“
Jakob nickte.
„Und jetzt solltest du besonders aufpassen, denn unser Meister will dich sprechen. Von ihm hängt dein weiteres Schicksal ab.“, sagte der Schreiber und trat zur Seite.
Ein hagerer, groß gewachsener Mann betrat die Zelle. Ein goldenes „I“ mit drei Querbalken prangte auf seiner Brust.
Die Inquisiton? Ich bin geliefert!, schoss es durch Jakobs Kopf.
„Weißt du, warum du hier bist?“, fragte der Inquisitor ihn.
„Nein, weiß ich nicht. Ich habe doch keine Verbrechen begangen!“, versuchte Jakob, sich zu verteidigen.
„Kein Verbrechen? Latente psionische Fähigkeiten sind ein Verbrechen an der Menschheit, aber das Verheimlichen solcher ist Verrat am Imperator.“
„Was für Fähigkeiten? Was habt ihr mit mir vor?“, fragte Jakob völlig verständnislos.
Der kleine Trick, den er seinen Freunden vorgeführt hatte, konnte doch nicht für diesen Alptraum verantwortlich sein.
„Latente psionische Fähigkeiten. Jakob, du bist eine Gefahr. Um deine Neugier zu befriedigen: Du bist auf einem Schiff der Heiligen Inquisition und wirst auf das Geheiligte Terra gebracht, wo über dein Schicksal entschieden wird. Das ist alles, was du wissen musst.“, schloss der Inquisitor ab und wandte sich zum Gehen.
Eine nie gekannte Wut packte Jakob. Wie konnte dieser Mann einfach so über sein Schicksal entscheiden?
Du willst psionische Fähigkeiten? Du kannst sie haben!
Jakob sammelte all seinen Hass und richtete ihn auf auf den Inquisitor. Er hatte so etwas bisher nur zweimal gemacht. Das erste mal unbewusst, als er angegriffen wurde. Der Räuber, der ihn in einer dunkeln Gasse überfallen wollte, stand plötzlich in Flammen. Seit dem waren Jakobs Alpträume schlimmer geworden. Es war, als nagte etwas ständig an seinem Verstand. Das zweite Mal war es in einer Kneipe, wo er betrunken und unter Beifall einen Stuhl in Brand setzte.
Doch diesmal geschah nichts.
Der Inquisitor drehte sich langsam wieder um und sein Blick verhieß nichts Gutes.
„Du Narr, glaubst du denn, der Ordo Heretikus würde so eine Abscheulichkeit wie dich ungeschützt in seinen eigenen Mauern dulden?!“
Kaum hatte er den Satz beendet, stürzten Wachen in die Zelle und schlugen mit ihren Schockstäben auf ihn ein.
Als Jakob wieder zu sich kam, war er wieder alleine in der Zelle. Von da an kam niemand mehr zu ihm. Das Essen erschien in regelmäßigen Abständen und zu einer bestimmten Zeit wurde das Licht gedämmt. Jakob orientierte sich daran und malte für jeden Tag einen Strich an die Wand. Als Farbe benutzte er die Brühe, die er vorgesetzt bekam. Er hatte auch herausgefunden, dass sich mehr Nischen in den Wänden seiner Zelle verbargen. Eine von ihnen war eine Art Bad.
So zählte Jakob die Tage und versuchte auszurechnen, wie lange sie wohl nach Terra bräuchten.
Während der langen Tage blieb ihm nichts anderes zu tun, als die anderen Gefangenen zu beobachten.
Die unterschiedlichsten Menschen saßen in den Zellen. Sie schienen von verschiedenen Planeten zu stammen, denn Jakob hatte noch nie so viel verschieden aussehenden Menschen an einem Ort gesehen. Es erschreckte ihn, wie viele Kinder in den Zellen saßen. Für sie musste die Gefangenschaft noch schlimmer sein.
Meistens zogen sich die Tage dahin, aber ab und zu gab es Ereignisse, die Abwechslung in das Gefangenendasein brachten. Bei den meisten von ihnen wünschte sich Jakob aber, er hätte nie etwas von ihnen mitbekommen. Wenn etwa einer der Gefangenen starb, was häufig geschah und seine Leiche an seiner Zelle vorbeigetragen wurde. Oder der Mann in der Zelle über ihn, der immerzu schrie. Irgendwann gab es ein reißendes Geräusch und Blut tropfte auf den Gang vor Jakobs Zellentür.
Jakobs Alpträume, die er schon immer hatte, hatten hier aufgehört. Dafür hatte er jetzt neue und er konnte nicht sagen, welche schlimmer waren.
Das Furchterregendste, was er sah, war dieses kleine Mädchen. Es war höchstens sieben Jahre alt und saß in der gegenüberliegenden Zellenreihe, zwei Etagen über Jakob.
Eines Tages explodierte die Zellenwand der Zelle, in der es saß. Das Mädchen schritt einfach in die Freiheit. Sofort waren Wachen herbeigeeilt, aber das Mädchen hatte einfach die Arme ausgestreckt und die Wachen waren von Innen explodiert. Obwohl es ein grässlicher Anblick war, hatte Jakob die Augen nicht vom Mädchen wenden können. Er hatte es sogar gerufen. Und es hatte ihn gehört. Vollbespritzt mit Blut war es zu seiner Zelle gschwebt, wie ein grausamer und zugleich unschuldiger Todesengel. Ihre Augen waren das Schlimmste. Noch nie hatte Jakob eine so abgrundtiefe Bosheit gesehen. Dieses Mädchen war kein Mensch mehr, es war ein... Ding. Ein Ding, dass nicht in die Welt der Menschen gehörte. Und trotzdem hatte Jakob die Hand durch die Gitterstäbe gestreckt.
„Rette mich!“, hatte er geflüstert.
Es hatte ihn angelächelt und wollte seine Hand berühren. Ein Wachmann hatte es durch einen Kopfschuss getötet, bevor es Jakob berühren konnte.
Als er zwei Hundert Striche gezählt hatte, fingen die Wachen an, die Gefangenen einzeln aus ihren Zellen zu führen. Jakob konnte noch zwei Strich malen, bevor sie ihn holten.
Danach kam ein Servitor in die Zelle, desinfizierte sie und wischte die Strich weg. Die „Caput Mortuum“ war bereit, eine weitere Ladung Psioniker nach Terra zu bringen.