-00:15:37:45
Die Planetenoberfläche kam immer näher.
Sie brauste heran.
Unwiderstehlich.
Immer schneller.
Noch 100 Meter.
Tief in seinem Inneren wusste Quintillian, dass er in diesem Tempo unweigerlich wie ein Meteor auf der Oberfläche einschlagen würde. Das würde selbst er nicht überleben.
Noch 80 Meter.
Das Tosen wurde immer lauter. Sogar durch seinen Helm konnte er den Wind hören, der um seine Gestalt zischte, während die Schwerkraft unabwendbar an seinem Körper zog.
Noch 70 Meter.
Er aktivierte die Maschinen an seinem Rücken, die tosend mit Stichflammen erwachten. Neben dem Tosen des Windes drang nun ein zweites, immer lauter werdendes Geräusch an sein Ohr. Es war tiefer, röhrender. Seine Rüstung vibrierte immer stärker, als die Turbinen seines Sprungmoduls ihre Leistung hochfuhren.
Noch 50 Meter.
Das Sausen des Windes verblasste nun neben dem Jaulen der Turbinen. Eine Rune tauchte auf dem Visier seines Helm aufs. Eindringlich rot blinkend. Ein Warnsignal, der Näherungsalarm seines rüstungsinternen Auspex.
Noch 30 Meter.
Das Jaulen des Sprungmoduls übertönte nun alles, als es im Kampf gegen die Schwerkraft langsam die Oberhand gewann. Instinktiv spannte Quintillian seinen Körper an. Er bereitete sich auf den unausweichlichen Aufprall vor, wobei er mit Befriedigung spürte, wie die Servorüstung seine körpereigenen Bewegungen verstärkte.
Noch 10 Meter.
Er verstärkte den Griff in seiner rechten Hand um das Schwertheft und zog die Beine leicht an.
-00:15:34:12-
Quintillian landete hart. Die Fliehkräfte zwangen in kurz in die Hocke, aber nicht allzu lange. Kleine Kieselsteine prasselten von seiner Rüstung ab, hochgeworfen von der Macht seines Einschlages. Der rechte Daumen fand die Einschaltrune seines Kettenschwertes und aktivierte dieses, was das Schwert mit einem lauten Röhren befriedigend goutierte. Mit einem kurzen Gedankenbefehl deaktivierte er sein Sprungmodul, während die verstärkten Sensoren seiner MK-VII Rüstung ihm mitteilten, dass alle Systeme voll funktionstüchtig waren. Die Kennungen seiner Brüder erschienen auf dem Display, als sie nacheinander wie der buchstäbliche Zorn des Imperators vom Himmel fielen. In einem leichten Anflug von Stolz registrierte Quintillian, dass er als Erster im Zielgebiet angekommen war. Vor Mestron, vor Atrus, und noch vor seinem Mentor Deogenes. Doch nun war es an der Zeit, anzufangen, wollte er seinen Vorteil nicht verlieren. Er erhob sich, ein Titan unter den Menschen in seiner blau-weißen Servorüstung. Er erhob sich von den zermalmten Überresten der Feinde, auf denen er mit aller Macht gelandet war.
All dies war innerhalb einiger weniger Augenblicke passiert, denn seine genetisch veränderten Sinne waren schneller als die der Normalsterblichen rings um ihn. Seine Beute, die sich dem Erzfeind des Imperiums hingegeben hatte. Armselige Narren! Selbst mit all den unseligen Gaben des Chaos waren sie ihm und seinen Brüdern nicht gewachsen. Denn sie waren die auserwählten Krieger des Imperators, hervorgegangen aus der Gensaat seines bevorzugten Sohnes Roboute Guillaume. Ein Unsterblicher unter den Sterblichen, unendlich erhöht, dessen Erinnerung noch immer unten ihnen lebte. Er war einer seiner vielen Söhne, ein Sons of Guillaume. Der ruhmreiche Name seines Ordens, bei dem er vor vielen Jahren als Ordensaspirant eingetreten war. Und nun war er hier. Mitglied eines Sturmtrupps in der zweiten Kompanie des Ordens. Sein Schwert fuhr durch ein Gewehr, welches ein Ketzer verzweifelt zur Abwehr gehoben hatte. Mühelos zerteilte Quintillian den Brustkorb seines Gegners und wendete sich bereits den nächsten Feinden zu, die bereits in panischer Furcht vor den Astartes flohen. Quintillian hob die Boltpistole in seiner linken Hand und jagten den Fliehenden mehrer Schüsse nach. Jeder Schuss war ein Treffer.
Voller Stolz wandte sich Quintillian seinen Brüdern zu. Mestron stand inmitten der Überreste seines Gemetzels. Er wirkte sehr befriedigt und hatte sein Kettenschwert so geschultert, wie ein Holzfäller dies mit seiner Axt getan hätte. Atrus schienen die grausigen Überreste des Überfalls wenig zu kümmern. Er blickte in das Tal hinab. Quintillian folgte seinem Blick. Weit unten konnte er, dank seines verbesserten Sehvermögens und der optischen Sensoren seiner Rüstung, Bewegung erkennen. Außerdem sah er Lichtblitze, Explosionen und kleine Rauchsäulen. Dort unten, das wusste er aus der Besprechung, war die imperiale Garde damit beschäftigt, dem Ketzerheer den letzten Rest zu geben. Doch wie die Schlacht stand, konnte er trotz all seiner übermenschlichen Fähigkeiten nicht erkennen.
-00:13:49:45-
Ein riesiger Schatten fiel auf ihn. Ohne auf sein Display zu blicken, wusste Quintillian, dass es sich dabei um seinen Mentor Brudersergeant Deogenes handelte. Deogenes, der schon Anführer des Trupps gewesen war, seitdem Quintillian ihm als vollwertiger Space Marine zugeteilt worden war. Der Sergeant hatte ihn schon damals unter seine Fittiche genommen. Mit all der Erfahrung und dem Wissen eines Veteranen hatte er den Elan und die ungezügelte Wildheit eines jungen Kriegers in die richtigen Bahnen gelenkt und ihn schließlich zu der Waffe geformt, die er nun im Dienste des Imperiums war. Strenge Disziplin und die buchstabengetreue Befolgung des Codex ihres geliebten Primarchens waren der Grund, warum die Sons of Guillaume aus so vielen Schlachten siegreich hervorgegangen waren. Disziplin, die ihre übermenschliche Kraft in die richtigen Bahnen lenken konnte. Disziplin, so hatte man Quintillian immer wieder während seiner langen, schmerzvollen Ausbildung eingebläut, waren der Grundstock für den Sieg. Ein Sieg, den sie hier noch erringen mussten.
Sergeant Deogenes hob seine rechte Hand und legte sie Quintillian auf die Schulter. Obwohl von seiner Servorrüstung umhüllt, war sich Quintillian des Gewichts auf seiner Schulter bewusst. Er spürte die Kraft, die von der Hand seines Anführers ausging und die Macht, die in der Energiefaust lag. Es war eine kostbare Waffe aus den Waffenkammern ihres Ordens. Deogenes hatte sie zwar deaktiviert, aber Quintillians Geruchrezeptoren konnten immer noch den leichten Hauch von Ozon wahrnehmen, der in der Luft lag. Eines Tages, so hatte er sich schon beim ersten Anblick der mächtigen Waffe gewünscht, würde er auch selbst dieses mächtige und kostbare Artefakt in die Schlacht führen. Erst später war ihm in den Sinn gekommen, dass dies nur möglich war, wenn Deogenes gestorben war. Ein Umstand, der hoffentlich nie eintreten würde.
-00:13:48:37-
„Meine Brüder wir haben hier noch Arbeit vor uns“ erklang die volle, Autorität gebietende Stimme des Truppsergeanten über Kom. Atrus löste sich vom fesselnden Panorama der Schlacht und nickte. Wahrscheinlich, dachte Quintillian, würde er sich nach Beendigung ihres Auftrags selbst züchtigen, da er erst vom Sergeant wieder an ihre Aufgabe erinnert werden musste. Atrus, aus demselben Jahrgang wie Quintillian stammend, war ein streng asketischer Bruder, dessen Hingabe an den Imperator schon fanatische Züge annahm. Der Orden verbot solch ein Vorgehen zwar nicht, in manchen Fällen verhängte er sogar für Unachtsamkeiten auch ähnliche Strafen. Doch Quintillian war hier anderer Meinung. Atrus betrieb seinen Eifer bis hin zur Selbstverleugnung, eine Haltung, die Quintillian zutiefst widerstrebte. Er war sich bewusst, dass er trotz all seiner Fähigkeiten eben doch ein Mensch war. Er kannte Atrus seit ihrem Eintritt in den Orden. Aber seit damals, hatte er ihn noch nie lachen hören! Bei allen Heiligen des Imperiums, aber wie normal war das denn? Keinerlei Regung, keine Emotion! Für Quintillian war das der Anfang vom Ende.
Beim Absprung aus dem fliegenden Thunderhawk, der sie am Berg abgesetzt hatte, hatte Quintillian alle Beherrschung aufbieten müssen, um nicht einen freudiges Jauchzen von sich zu geben. Später dann, als sich der Bergpfad zum Gipfel geteilt hatte, war Bruder Agileus mit der Hälfte des Trupps der anderen Richtung gefolgt. Deogenes hatte diese Entscheidung schweren Herzens getroffen, denn Zeit war der Schlüssel zum Sieg.
Das war vor zehn Minuten gewesen. Sie waren gut vorangekommen und erst jetzt auf die erste Feindstellung getroffen. Sie hatte sich als kein zu großes Hindernis erwiesen. Doch Quintillian wussten, wie auch jeder seiner Brüder, dass auch viele kleine Kieselsteine eine unbezwingbare Felswand bilden konnten. Er hoffte, dass Bruder Agileus nicht auch auf allzu viele Schwierigkeiten stoßen würde. Vor fünf Minuten hatten sie allerdings jeglichen Kontakt zu ihm verloren. Und wenn Quintillian auf den von dunklen Wolken verhangenen Gipfel blickte, wusste er, dass das dicke Ende erst noch kam.
-00:13:40:56-
Quintillian aktivierte sein Sprungmodul und die Kraft der beiden Turbinen überwand mit einem Riesensprung dutzende Höhenmeter und brachte ihn vorwärts. Er landete sanft im Kreis seiner Brüder und spürte, wie das Sprungmodul wieder Energie sammelte, um ihn ein weiteres Mal davonzutragen.
Noch fünfhundert Meter bis zum Gipfel!
Wieder und wieder beförderten die Sprungmodule die vier Space Marines den Hang hinauf. Der Masse der gerüsteten Krieger und der Schwerkraft zum Trotz.
Noch vierhundertfünfzig Meter.
Noch vierhundert.
Noch dreihundertsiebzig, da sich die Steigung erhöht hatte.
Noch dreihundertvierzig.
Noch zweihundertneunzig, da es nun wieder etwas flacher wurde.
-00:10:34:59-
Sie waren schnell vorangekommen, doch nun standen sie vor einem unwiderstehlichen Hindernis. Eine Felswand baute sich gerade vor ihnen auf. Zu hoch, um sie mit einem einzigen Sprung zu überwinden. Der Weg bog nach rechts ab, um sich hinter der Felswand weiter empor zum Gipfel zu schlängeln. Quintillian konnte sich eines Gefühls der Enttäuschung nicht ganz erwehren. Dort oben war der Gipfel, so nah und doch so fern! Sergeant Deogenes deutete ihnen, ihm zu folgen. Sofort ordnete sich Quintillian in der Reihe ein. Jetzt ging es um jede Sekunde!
-00:10:32:08-
Der Weg lag gerade vor ihnen. Vierhundert Meter Distanz, bevor er sich um die Klippe schlängelte. Vierhundert Meter konnten sie, wenn sie auf keinen Widerstand stoßen würden, in weniger als einer Minute zurücklegen. Die Marines setzten sich in Bewegung.
Noch dreihundertfünfzig Meter, der Weg fiel leicht ab.
Noch dreihundert Meter,
eine Böschung erhob sich nun auf der einen Seite und stieg stetig an, während sich auf der anderen Seite der Weg eng an die hohe Steilwand schmiegte.
Noch zweihundertfünfzig Meter,
die Marines waren nun in einer kleinen Schlucht „gefangen“, da die Seitenwand sie nun vollständig überragte. Quintillian betrachtete dieses Szenario aufmerksam, während er sich fragte, ob diese Topographie natürlichen oder künstlichen Ursprungs war. Denn so bildete es die perfekte Falle, aus der es nur schwer ein Entrinnen gab.
Noch zweihundert Meter und Quintillian erblickte vor sich schon das Ende des Hohlwegs. Vor ihm, keine zweihundert Meter mehr entfernt, befand sich das zerklüftete Ende des Hohlwegs, wo mannshohe Felsbrocken lagen und an der rechten Flanke sich ein Wäldchen aus dunklen Nadelbäumen befand. Der Weg stieg wieder an. An dessen Ende würden sie endlich den finalen Aufstieg schaffen können!
-00:10:02:29-
Ein heißer Energiestrahl schoss an Quintillians Visier vorbei und zerstörte jäh die Hoffnung von einem schnellen, unkomplizierten Aufstieg. Sofort blinkten Warnrunen grellrot auf, während trotz aller Schutzvorrichtung seiner Servorüstung ein Nachhall des Energiestrahls in seinen Augen zurückblieb. Obwohl benommen, warf sich Quintillian intuitiv in Deckung hinter eine mächtigen Felsbrocken. Sein Bruder Atrus, der vor ihm in der Reihe sich befunden hatte, folgte ihm. Sofort setzte Beschuss von schweren Waffen aus dem dunklen Wäldchen ein. Ein Blick veriet Quintillian, dass auch Sergeant Deogenes und Mestron sich in Deckung geflüchtet hatten, um dem möderischen Feindfeuer zu entgehen. Schwerkalibrige Boltpatronen und mächtige Energiestrahlen deckten den gesamten Ausgang des Hohlwegs mit einer vernichtenden Kanonade ein, die selbst ein Space Marine nicht unbeschadet überstehen würde. Quintillian spürte, wie der Zorn in ihm aufstieg, sie waren so verdammt nah an ihrem Ziel gewesen! Doch nun war ihnen der Aufstieg versperrt, denn ihr „unsichtbarer“ Gegner konnte sie mühelos aus seinen Geschützstellungen festnageln. Würde sich nicht bald etwas an dieser Situation ändern, wäre ihre Mission gescheitert. Quintillian wusste, dass dies unter keinen Umständen tolerierbar war.
Mestron teilte wohl seine Einsicht, denn er erhob sich aus seiner Deckung um die Gegner anzugreifen. Sofort konzentrierte sich das Feindfeuer auf ihn. Quintillian sah wie die Garbe der Einschläge sich rasch seinem Ordensbruder näherte. Mestrons Körper wurde aufgrund der Einschläge erschüttert und er fiel zu Boden. Ungläubig sah Quintillian zu, während ihm seine verstärkten Sinne den Fall seines Bruders wie in Zeitlupe präsentierten. Sergeant Deogenes mühte sich ab, Mestron wieder in Deckung zu ziehen, was ihm unter Mühe und trotz des Beschusses, der rechts und links von ihm niederging, gelang. Ein Rune erschien blinkend auf Quintillians Visier und teilte ihm mit, dass Mestron schwer verwundet war. Er wusste, dass auch seine anderen Brüder diese Nachricht bekommen hatten. Das Feindfeuer verteilte sich wieder, als der Sergeant den Verwundeten in Deckung zog. Der Feind unternahm keinerlei Anstrengung, offensiv gegen sie vorzugehen. Offenbar wollte man sie nur festnageln. Denn das, was in wenigen Minuten geschah, würde ohnehin das Ende der Space Marines bedeuten. Und auch das Ende aller anderen Imperialen auf diesem Planeten.
-00:09:49:38-
Darauf hatte Quintillian gewartet! Endlich war die feindliche Salve vorbei, und die Ketzer mussten nachladen. Quintillian tippte auf seinen Spendergürtel und holte zwei Blendgranaten heraus. Er nahm sie in die Hand und nickte Bruder Atrus zu, der sein Signal verstand und ebenfalls zwei Granaten in seiner Hand bereithielt. Quintillian erhob sich kurz aus der Deckung und warf, ebenso Atrus. Es war ein perfekter Wurf. Weit, hoch, landeten die 4 Granaten genau in ihrem Ziel. Mit einem Gedankenimpuls aktivierte er die Triebwerke seines Rückenmoduls und stürzte vorwärts. Gleich einem Raubvogel im Sturzflug überwand Quintillian die Distanz und warf sich auf die Ketzer, dicht gefolgt von Atrus.
Quintillian schwang sein Kettenschwert und schlitzte den Brustkorb des ersten Gegners auf, dem er begegnete. Ein zweiter Feind sprang ihn schreiend an, wurde jedoch vom Einschlag der Boltpatrone mit unwiderstehlicher Gewalt nach hinten geschleudert. Nur kurz registrierte die Bildübermittlungseinheit in Quintillians Visier den zerfetzten, rauchenden Torso, bevor sich der Space Marine seinem nächsten Opfer zuwandte. Seine übermenschlichen Sinne erfassten jeden einzelnen Augenblick und sein überragendes Gedächtnis würde diese Eindrücke niemals vergessen. Den Ausdruck des durch Mutation entstellten Gesichtes seines Feindes, mehr Tier als Mensch. Das Entsetzen in den Knopfaugen des Ketzers, als Quintillian mit seinem Kettenschwert sein kümmerliches, verderbtes Leben beendete.
Noch fünf Feinde waren am Leben.
Vier als Quintillian einem weiteren mit seinem Schwert die Bauchdecke öffnete, und die Eingeweide herausquollen.
Drei als Atrus einem weiteren Gegner mit der Rückhand seiner Panzerfaust den Kiefer zerschmetterte, wobei aus dessen Mund eine Blutfontäne entwich.
Zwei als Quintillian einem weiteren Feind zu Boden stieß und dessen Kopf mit seinem gepanzerten Fuß eintrat.
Einer, als sich ein weiterer Feindkörper aufgrund eines tödlichen Treffers unnatürlich verdrehte und mit einem ersterbenden Schmerzensschrei zu Boden fiel.
Keiner, als Atrus den letzten Feind an der Gurgel packte und den zappelnden, schreienden Feind in den tiefen Abgrund warf.