WHFB Das kalte Herz von Mousillon

Auxo

Codexleser
25 April 2009
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[FONT=&quot]Abend. Hab mich aus zwei Gründen entschlossen einen kurzen Vierteiler zu schreiben.
Erstens weils mir Spaß macht und ich das Bretonenarmeebuch der 5. Edition mal wieder in der Hand hatte.
(Sind viel coolere Geschichten drin als im Neuen :p).
Zweitens weil ich gelesen habe, dass der Fantasy Geschichtenthread immer mehr abstirbt.
(Da muss man doch was dagegen tun!)
Hoffe somit der Sache zu dienen ;) Kritik ist erwünscht!!!


Das kalte Herz von Mousillon

I. Die Rückkehr
[/FONT]​

Schneidend peitschte der Nachtwind gegen seinen Helm. Mit eisigen Fingern umklammerte Gerald die raue Reling auf dem Wetterdeck.
Die Gischt spritzte über das Boot. Wieder und wieder hatte er seinen Oktanten hervorgeholt,
bis sie endlich auftauchte, diese fleckige alte Dirne, welcher all sein Streben galt.
Der bretonische Korsar pflügte durch die meterhohen Wellen. Dröhnend entlud sich die geballte Energie des Meeres an der Brandung.
Und doch lag der geisterhafte Klang von Musik und Gelächter in der Luft, wehte herüber, lullte die wackeren Seeleute in düstere Schleier.
Immer zu Winteranfang konnte man diesem toten Amoklauf lauschen.
Es war ein Nachhall der grenzenlosen Dekadenz früherer Herrscher dieses Landes.
Die Stadt war tot. Wie ein vergoldeter Pokal dessen Lack abblätterte,
schälten sich die einst weißen Gemäuer und offenbarten dem Betrachter ihr verrottetes Fleisch.
Brüchige Lehmziegel und morsches Holz quollen gleich eitrigen Geschwülsten durch den ergrauten Putz.

Kein Licht, kaum Schiffe, der Hafen war verwaist. Verlassen kauerte er in der Scham der einstigen Metropole.
Krampfhaft zappelte er nurmehr - oder sollte man sagen: noch? – im Würgegriff übel riechender Seepflanzen,
welche von ihm Besitz ergriffen hatten. Langsam aber sicher kroch er seinem Tod entgegen.

Im grellen Mondlicht huschten lange Schatten über die Docks. „Vermaledeite Ratten.“
Man hatte mit den Skaven rechnen müssen und er hatte mit ihnen gerechnet.
Gerald taumelte über das schwankende Schiff. „Kanonen laden und fertig machen zum Landen.“

Hektisches Gewusel entstand und kurz darauf schritt sein erster Offizier, ein blasser und schlaksiger Mann auf ihn zu.
„Kanonen geladen.“
„Zielt auf die Schatten.“
„Jawohl mein Herr.“
„Dann nehmen wir Kurs auf die Flussmündung. Wir gehen am nördlichen Kai von Bord.“
Stumm nickend wandte sich der bretonische Edelmann ab.
Was war es doch für ein Glücksfall gewesen, dass ihnen diese Bande einfältiger Taugenichtse das Boot nahezu freiwillig überlassen hatte. Bretonische Schiffe waren für solch schnelle Überfälle perfekt geeignet.
Sie waren wendig und verfügten über eine Bewaffnung die es Geralds Mannen ermöglichte,
das Ungeziefer, welches sich hier eingenistet hatte, in seine Löcher zu bannen.

‚Ach du mein Mousillon, wie lang ist‘s nun her, seit ich deine welken Blüten das letzte Mal roch?
Wie schmerzt es doch mein kaltes Herz, dich leiden zu sehen. Nicht mehr lange und du, meine holde Braut,
wirst dich wieder in deinen kostbarsten Gewändern schmücken dürfen, ‘ schwelgte Gerald.

Der Korsar ächzte unheilvoll. Nur noch wenige hundert Meter bis zum Ufer. Der Steuermann drehte bei.
Geralds Sehnen spannten sich. Wie ein Leuchtturm ragte seine gepanzerte Faust in den aufgewühlten Nachthimmel.
Gerade als die Schatten sich zwischen den eingefallenen Kontoren mehrten, fuhr der Arm nach unten.
Krachend spuckten die schweren Bronzerohre Tod und Verderben.
Leuchtende Brandgeschosse zerrissen die brüchigen Fassaden der Hafenanlagen.
Salve um Salve erschütterte die klirrend kalte Wintersnacht.
Kreischend hechteten Rattenmenschen in die tosende See und schon bald brannte das ganze südliche Hafenviertel lichterloh.
Beißender Gestank von versengtem Haar wehte vom Ufer her.

Der Hauch eines grimmigen Lächelns huschte über Geralds Gesicht, doch blieb es aller Welt verborgen.
„Fertig machen zum Landen!“ brüllte er.
Mit zielsicherer Leichtigkeit strebte das Schiff durch die qualmenden Rußwolken auf das Ufer zu.
Nur noch wenige Meter. Ein kurzer Kampf gegen die Strömung der Grismerie, dann rief er:
„Segel einholen und Enterbrücken runterlassen.“

Ketten rasselten und dumpf donnerte die Holzplanke auf die alten Steinquader.
Taue wurden an den rostigen Pollern festgezurrt. Polternd stürmten schwer gepanzerte Ritter über die Brücke an Land.
Er hatte es geschafft. Er, der von allen nur belächelt worden war.
Er, Gerald, den sie gehänselt hatten wegen seinen schmächtigen Schultern und seiner anrüchigen Herkunft.
Bespuckt hatten sie ihn, Narreteien schimpften sie seine ehrgeizigen Pläne. Doch er würde es ihnen zeigen.
Allen würde er es zeigen. Noch in tausend Jahren sollten die Barden seine ruhmreichen Taten besingen.
Gerald zog sein Schwert. „Für Mousillon!“
„Für Mousillon, “ riefen seine Mannen und ihre schwarzen Rüstungen schimmerten matt im fahlen Mondlicht.
 
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Auxo

Codexleser
25 April 2009
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II. Der steinige Weg

Jahrelang hatte Gerald sich auf diesen Tag vorbereitet.
Wochen und Monate hatte er in stickigen Archiven gekauert, alte Pläne und Karten studiert.
Wie viele Stunden hatte er wohl zugebracht im Sattel seines treuen Kleppers,
auf der Suche nach willigen Mitstreitern?
Und dann die Scherereien mit dem korrupten imperialen Pöbel, als er die Sprengladungen aus Nuln importieren musste.
Vielleicht hätte er sie zur Strafe nicht gleich bei lebendigem Leibe häuten sollen,
dann wäre ihm die überstürzte Flucht womöglich erspart geblieben.
So stand er nun da, mit seinen fünf lumpigen Tonnen Schwarzpulver. Doch es musste einfach klappen.

Er war nicht der Thor zu glauben Mousillon beherrschen zu können – noch nicht.
Vielmehr strebte er nach Ruhm und nach den sagenumwobenen Artefakten im Inneren des versiegelten Palastes.
Wenn es nötig sei, so würde er sie gar dem widerauferstandenen Maldred aus seinen knöchernen Klauen entreißen.
Zwei Dutzend Ritter, zumeist junge Heißsporne aus dem Umland von Mousillon, hatten sich Gerald angeschlossen.
Dreißig Bauern waren zwangsrekrutiert und fünf Knappen für teures Geld bei Graf Burden angeheuert worden.
‚Formidable Späher, mein alter Freund. Die kann ich nicht so einfach entbehren und noch unendlich schwieriger ersetzen.
Unter 500 Talern ist da nichts zu machen. ‘
„Dreckiger, fetter Schuft, “ dachte sich Gerald und dann hatte er sie doch erworben.

Gerade rollte eine Gruppe Bauern die Fässer an Land. Es durfte nichts dem Zufall überlassen werden.
Sollten sich die Legenden bewahrheiten und tatsächlich alle Ausgänge mit Steinquadern verbarrikadiert worden sein,
so musste man sich den Weg eben freisprengen.
Untugendhaft, aber praktisch.
„Chlodec!“
Sofort stand er vor ihm, sein treuer Offizier und Freund.
„Chlodec, “ sagte Gerald etwas gedämpft, „nimm die Späher mit und erkunde die Straße bis zum alten Markt.“
„Gerne, euer Hochwohlgeboren.“

Sie mussten sich beeilen. Zwar hatten die Ratten einen gehörigen Schrecken bekommen,
als ihre Brüder von den Kanonen zerfetzt worden waren, doch schlimmere Übel lauerten noch in den Gassen.
Schatten, deren Aufmerksamkeit man besser nicht erregte.
Die Ritter hatten bereits die Seitengassen gesichert.
Als die Sprengtonnen endlich auf kleine Handkarren verladen waren rief Gerald:
„Sammeln. Fünfzehn Bauern vorne, Fünferreihen, fünfzehn hinten.
Ritter von Bretonia, ihr bildet den Cordon um die Ladung. Gilles und Grilles ihr kommt mit mir.“
Dann stob er an die Spitze der kleinen Kolonne und auf einen Wink hin begann der Trommler sein blechernes Lied.
Im Takt hallten die dumpfen Schritte durch die modrige Luft.
Ein Gestank wie toter Fisch verpestete ihre Lungen.
Gelbes Moos und Schimmelpilze wucherten an den einst lieblichen Fassaden.
Feucht und doch ganz eisig kalt kroch die Nacht unter ihre Rüstungen.
Und immerzu die schauderhaften Klänge des tobenden Balls, der doch nicht toben konnte.

Achtsam zuckten seine Augen hinter den Sehschlitzen seines Vollhelms. Neben Gerald gingen die Zwillinge.
Gilles und Grilles waren vielleicht seine bedeutendste Errungenschaft gewesen.
Sie waren außerordentlich geschickte Kämpfer, zäh und unzertrennbar.
Ihnen wohnte diese unzähmbare Wildheit derer von Mousillon inne.
Die Schilder trugen sie auf dem Rücken, um mit zwei Streitkolben auf den Gegner einzudreschen.

Gerald kannte den Weg auswendig. Wie mit einem Brandeisen hatte er ihn sich in sein Gehirn gepresst.
Von den Docks aus musste man einer schmalen Gasse bis zum Untermarkt folgen,
danach führte die Grande Avenue direkt zum Schlossberg.

Gerade hatten sie die erste Engstelle passiert, als ein ziemlich aufgewühlter Bauer von hinten aufgerückt kam.
„M..Herr, “ nuschelte er mit seinem zahnlosen Gebiss, „da sin‘ so Gesichter in d’n Fenster drin‘. Die schaun uns so an.“
‚Du erbärmlicher Trottel, ‘ dachte Gerald und wusste nicht, ob er Abscheu oder Mitleid haben sollte.
„Sind die verfluchten Bewohner von Mousillon. Beobachten uns schon die ganze Zeit. Die werden uns nicht behelligen.“
„Wollte nua…“
„Schon gut. Zurück auf deinen Posten.“

Vielleicht war es doch ein Fehler, den bäurischen Aberglauben zu befeuern und sie jedweder Bildung fernzuhalten.
Nun musste man also das Fallobst der Gesellschaft, welches man selbst herangezüchtet hatte, so gut es eben ging verwerten.
Gerald war jedoch auch etwas aufgefallen. Der Gestank hatte sich verändert.
Es roch mehr nach verwestem Fleisch – ein schlechtes Zeichen.
„Haltet Augen und Ohren offen, “ zischte er den Zwillingen zu.
Und in ihm erwachte etwas. Groß und viehisch regte sich sein zweites Selbst. Seine Sinne schärften sich.
Lange konnte es nicht mehr dauern und er würde seine erste Schlacht in den greisen Mauern Mousillons schlagen.
Schon eine ganze Weile überlagerte unheimliches Stöhnen die musischen Klänge. Die Luft schmeckte ranzig.
Der Weg war leicht ansteigend. Gepflastert. Klackend hallten die Stiefel in den schmalen Gassen.
Die Knechte hatten alle Mühe mit den Wägelchen. Tröge glänzten die alten Steine. Unrat wohin man auch sah.
Geralds Finger klammerten sich um sein Schwert. Er spürte die feindliche Präsenz.
Sie bogen um eine Kurve und da waren sie. Hunderte ausdruckslose Gesichter.
Herabhängende Glieder. Leere Augenhöhlen.
„Da wandelnden Toten, “ keuchte ein Bauer schreckerfüllt.

Gerald zögerte keinen Augenblick. Geschwindigkeit war Trumpf. „Für die Herrin!“ Und er sprintete los.
Die Enge kam ihnen zugute. Mit Berserkerwut hackte er sich durch die wankenden Gestalten.
Ducken. Stechen. Ein Schlag gegen sein Knie. Keule. Schild hoch.
Neben ihm mähten Gilles und Grilles unaufhaltsam durch die Menge. Kreisende Streitkolben über ihren Köpfen.
Plötzlich ein Schrei: „Herr, da Wägel’chn.“
Entsetzt schreckte Gerald auf aus seinem Wahn. Riesige Ratten hatten sich auf die ungeschützten Knechte gestürzt.
„Nein!“ brüllte er.

Kurz jaulte er vor Schmerz. Ein Zombie hatte ihn in den Arm gebissen. Grob riss er sich frei,
zertrümmerte den Schädel seines Widersachers und drängte sich durch die Masse aus klebrigen Leibern.
„Die Wägen! Die Fässer!“
Einige der Ritter hatten es bemerkt und schlugen sich nun ebenfalls zu den Wägen durch.


Wut ermächtigte sich seiner. Er ergriff die erste Ratte am Kopf und riss ihr den Unterkiefer heraus.
Sie war fast so groß wie Gerald, doch er packte sie am Schwanz und schwang sie wie eine Axt.
Er drosch wahllos in die Menge aus haarigen Leibern. Blut spritzte auf seine Rüstung.
Im Augenwinkel bemerkte er, wie ein Fass zu Boden fiel und barst. „Ah“ er fletschte die Zähne.
Eine Staubwolke umhüllte das Gemetzel. Blind vor Rage warf er den blutenden Fleischsack von sich,
sprang die nächste Ratte an, stach ihr die Augen aus, ergötzte sich an ihrem jämmerlichen Quieken.
Balsam für seine Seele. Sie sollten Büßen. Verrecken. Seine Klinge zuckte, seine Klinge schlug,
Seine Klinge brach selbst dann noch Schädel, als alles Leben aus ihnen gewichen war.
Gleich einem Jungen Gott hatte er gemetzelt. Etwas angewidert beäugten ihn seine Ritter.
„Was ist?“ keuchte er „Was ist? Habt ihr Mitleid? Mitleid mit diesen schwächlichen Biestern?
Sie töten eure Kinder im Schlaf, sie bringen euch die Pest und ihr habt Mitleid?
Oder habt ihr gar Abscheu? Wie?“
Außer sich vor Zorn packte er einen Bauern beim Kragen und hob ihn in die Luft.
„Bin ich abscheulich?“ Röcheln und Wimmern. „Sag‘s, oder ich brech dir dein Genick!“
Kreidebleich strampelte der Jüngling, die Augen weit Aufgerissen in seiner unendlichen Angst.
Doch mehr als ein Gurgeln brachte er nicht hervor.

Sanft legte sich ein Arm auf Geralds Schulter.
„Es reicht.“ Kurz verharrte er noch. Gerald atmete schwer. Schließlich ließ er den Jungen fallen.
Der Japste. Schweißperlen rannen ihm über das sommersprossige Gesicht.
Gerald drehte sich um. Vor ihm stand Chlodec, den Helm am Gürtel. Seine blonden Locken waren zerzaust.
„Danke, “ stammelte Gerald und nach einer kurzen Pause sagte er:
„Ladet die restlichen Fässer wieder auf. Um die Verwundeten kümmern wir uns, wenn wir wieder kommen.“
Seine Stimme klang stumpf.

„Ihr habt gehört was er gesagt hat. Alles was laufen kann kommt mit, der Rest wartet hier.
Bernard und Hugo ihr bewacht die Verwundeten.“
Chlodec genoss einen fabelhaften Ruf unter den Männern und so folgten sie seinen Anweisungen.
Fast ein Dutzend Bauern und drei Ritter waren gemeuchelt, dazu alle Knechte.
Trotz klaffenden Wunden und gebrochenen Gliedern bestanden sämtliche Verwundeten darauf weiterzukämpfen.

„Das war dumm von dir.“
„Ich weiß, “ brummte Gerald. „ Was ist mit den Spähern?“
„Haben den Platz erreicht, warten dort.“

Wieder erklang das rhythmische Trommeln.

„Die Brunnen leuchten.“
„Warpstein.“
„Wir sollten vorsichtiger sein.“
„Hm.“ Seine Wut war verflogen und Gerald stierte mit glasigen Augen auf den verwüsteten Platz,
welcher sich vor seinen Augen in dieses Meer aus Schutt und Moder ergoss.
„Reizend.“
„Sehr. Warte ab bis wir zu den Marktständen kommen.“

Schimmelnde, zertretene Äpfel übersäten das Kopfsteinpflaster.
Einigen Bauern wurde es übel und sie übergaben sich. Grün gelbe, dampfende Flüssigkeiten schlängelten sich durch ihr Steinbett.
Die Späher erwarteten sie bereits.

„Gibt es was Neues?“ fragte Chlodec.
„In den Seitenstraßen wimmelt es nur so vor Ratten.
Wir werden den Palast nicht widerstandslos erreichen.“
Chlodec seufzte vielsagend. „Nun gut, sie wollen es nicht anders.“

Gerald ordnete seinen Haufen neu. Die Späher flankierten den Cordon, welchem die verbliebenen elf Bauern folgten,
die nicht gefallen waren, oder die Handkarren ziehen mussten.
„Ein trauriges Häuflein, “ dachte Gerald.
Rostende Gaslaternen und überquellende provisorische Jauchegruben zogen an ihnen vorüber.
Pockenübersäte Fratzen gierten hinter morschen Fensterläden hervor.
Manchmal verrieten ihre Mienen aber auch schlicht und einfach Resignation.
Es gab keine andere Welt für sie. Das war ihre Welt, ihre quälende Wirklichkeit und niemand konnte ihr entkommen.
Der Ring aus Türmen und Burgen – genannt Cordon Sanitaire – hatte sich als wetterfester Damm erwiesen.
Unüberwindbar.

Nur noch ein, zwei Straßenbiegungen und sie würden die Mauern des Palastes bewundern können.
Doch plötzlich geschah es …

Mit höllischem Krachen stießen grüne Blitze auf sie nieder. Zwei Bauern an den Karren sackten in sich zusammen
– der Herrin sei Dank verkeilte die Tonne und fiel somit nicht zu Boden.
„Haltet stand, wir sind umzingelt!“
Von allen Seiten fielen Ratten über sie her. Gerald zerhackte einer Klanratte die geifernde Fresse.
Fieberhaft suchte er nach den Heckenschützen.
Wenn er sie nicht ausmachen konnte, würden die Jezzails seine Männer zu Brei schießen.
Gerade noch rechtzeitig sah er die grünliche Klinge aufblitzen. Ein übermenschlicher Reflex.
Sein Schwertes kreischte, als er den Stoß des Assassinen blockte. Kurz starrten sie sich in die Augen.
Dann folgte ein Gewitter aus Schlägen, Finten und Riposten. Ducken, Seitenschritt. Sein Kampfgeist war erwacht.
Das Wesen in ihm regierte sein Handeln. Blitzschnell duckte er sich unter dem Schwertarm seines Gegners hindurch,
hieb nach seinem Rücken. Block. Schildeinsatz. Kurz taumelte der Assassine.
Doch Gerald nutzte diesen kleinen Fehler gnadenlos aus. Er roch die Angst seines Feindes.
Seine Sinne tauchten ein in den pelzigen Körper, drangen durch seine Poren, fraßen sich in das kleine Rattenherz.
Mit eisernem Griff packte er den verlausten Attentäter am Arm, schleuderte ihn zu Boden,
dass seine Rippen brachen. Und in seinem Rausch labte er sich an dem flehenden Quieken,
den vor Entsetzen starrenden Augen, bevor sein kaltes Herz seine Hand an die Gurgel seines Gegenübers führte.
Ein letztes Röcheln, dann erschlaffte das Knäuel aus Fell und Stoff.

Gerald blickte in die Runde. Viele waren gefallen, doch Gilles und Grilles hielten den Haufen zusammen.
Der salzige Geschmack von Blut lag in der Luft. „Die Jezzails. Da seid ihr ja, ihr madigen Brüder.“
Aus den zersplitterten Glasscheiben eines Erkers des Eckhauses gegenüber ragten ihre langen Gewehrläufe.
Gerald pflügte durch die wabernde Masse. Flink wie ein Wiesel erklomm er einen alten Sturzkarren,
sprang über die Köpfe einiger Sturmratten hinweg, geradewegs ins Halbdunkel des Hausflurs.
Hinter ihm tobte die Schlacht. Der derbe Lärm wummerte in seinen Ohren. Leichtfüßig erklomm er eine schmale,
steinerne Wendeltreppe. Vor ihm lag ein dunkler Korridor.
Löchrige Läufer dämpften den Schall seiner Schritte, welcher zweifellos auch so im Getöse untergegangen wäre.
Eine Welle heißen Warpsteindampfes umgarnte ihn. Gewaltsam trat er eine Tür ein.
Ratten.
Noch bevor die Schützen ihre Waffen ziehen konnten, badeten sie in ihrem Blut.
Fahles Licht fiel durch die staubigen Scheiben. Gerald blickte hinaus.
Die Skavenflut ebbte ab. Etwa ein Dutzend Ritter schlug die letzten Biester in die Flucht.
„Für Mousillon!“ schrie Gerald.
„Für Mousillon, “ hallte es aus Aller Kehlen zu ihm herauf. Voll Stolz schwoll seine Brust.
Er hatte es geschafft. Er ganz allein.

Keine fünf Minuten später fuhr er mit seinen blutverschmierten Handschuhen über die massiven Steinquader,
mit welchen man den Palasteingang versiegelt hatte.
„Stellt die Fässer auf.“
Nun sollte sich beweisen, ob der imperiale Firlefanz sein Geld wert gewesen war.
Aufregung ergriff Gerald und trug ihn auf güldenen Schwingen hinfort. Erst langsam begriff er sein Glück.
Dies waren die Mauern nach deren Eingeweiden er so lange getrachtet hatte. All sein Streben galt diesem einen Moment.
Die wenigen Bauern welche wider Erwarten noch am Leben waren,
postierten die Schwarzpulverfässer und legten eine Spur bis hinter eine hüfthohe, steinerne Gartenmauer,
welche in ausreichendem Abstand zum großen Tor lag.
Fast apathisch ließ er das Zündholz fallen. Mit rasendem Tempo fraß sich die knisternde Flamme vorwärts.
Gerald kauerte sich zu den Anderen hinter die Mauer. Ohrenbetäubender Krach zerriss die Stille.
Eine Reihe von massiven Explosionen, dann kehrte wieder Stille ein.
Tinnitusartiges Pfeifen marterte Geralds Ohr. Der aufgewirbelte Staub raubte die Sicht und erschwerte das Atmen.
Mühsam kämpfte sich Gerald vorwärts. Langsam lichteten sich die Nebel.
Gerald trat über die Schwelle des Palasttores und viel auf die Knie.
Ein gellender Schmerzensschrei durchtrennte die Nacht. Gerald starrte auf einen versiegelten Innenhof.
Nicht nur das Äußere – nein, alle Tore und Türen waren verrammelt worden.
Sein Traum schien geplatzt.
 
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Auxo

Codexleser
25 April 2009
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Danke, dass es gefällt. Ich hab zwar am dritten Teil mal ein wenig angefangen, aber dann die Geschichte abgebrochen, weil mir aufgefallen ist, dass Ungereimtheiten im Zusammenhang aufgetereten sind.

Dass Skaven und Untote auftreten ist in Mousillon kein direkter Widerspruch, ganz im Gegenteil lungert da einfach viel dunkles Gesindel herum. Vorstellbar wäre, dass die Skaven sich eher die Kanäle, die Untoten aber die Ruinen zur Behausung ausgesucht haben ;)

Das Ende will ich dir allerdings nicht vorenthalten. Nachdem es so scheint, als würde er nicht an sein Ziel gelangen, war sein einziger Ausweg, es durch die Kanäle zu versuchen. Dabei verliert er langsam alle außer Gilles und Grilles. Nachdem sie eine fiese Bestie vernichten, erlangen sie schließlich Zugang zum Thronraum, wo sie die untote Festgemeinschaft - allerdings leblos entdecken. Hier verrät Gerald die Zwillinge und meuchelt sie hinterrücks. Gerade als er sich den Siegelring von Mordreds Knochenhand klauen will, bricht der Mond durch die Wolken und die untote Gesellschaft "erwacht". Der Clou wäre gewesen, dass Gerald direkter Nachfahre Mordreds ist, selbst ein Vampir und fortan "Herzog" von Mousillon gewesen - nicht besonders originell, aber das war auch einer der Gründe, warum die Geschichte nicht mehr weiter geschrieben worden ist.