WHFB Der weite Weg

Auxo

Codexleser
25. April 2009
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Gibt mal wieder einen kleinen Happen von mir (selbst außerhalb des Wettbewerbs 😛) trotzdem könnte sich das ein oder andere Leitthema eingeschlichen haben 😉 Ich wünsche jedenfalls beste Unterhaltung und freue mich über eure Kommentare.

Der weite Weg


[FONT=Calibri, sans-serif]Die Herrin in ihrer Güte möge mir beistehen.[/FONT] In unbeugsamem Trotz durchdringen schneedeckenbrechende Hufe das grimmige Grollen des Sturms. Seine eisigen Lanzen bohren sich tief ins Unterzeug, durchbrechen die Haut, fahren mir bis ins Mark. Schauder um Schauder jagt von den Zehen bis hinauf ins Genick, lässt mich zucken und zittern. Mit steifgefrorenen Fingern ziehe ich die schneestarre Kapuze im Genick zurecht. Stoßweise ergießt sich feuchte Wärme aus meinen Lippen, umspült das Kinn und zieht sich hektisch in meine Nasenhöhlen zurück. Verzweifelte Ausfälle eines von Kälte belagerten Körpers. Wankendes Bollwerk, Knochenfundament, Ringwälle aus Fett und Fleisch, sehnerne Wehrgänge, verstärkt im jahrelangen Streben nach Perfektion. Eherner Geist in gestähltem Corpus. Aus den porenen Schießscharten zischen die Bolzen des heißen Lebens. Kraaa. Unter den wiegenden Wipfeln der Tannen müssen sie sitzen. Selbst den schwarzgefiederten Gesandten des Todes bleibt nichts weiter zu tun, als dem Treiben der Natur ihren gerechten Zorn entgegen zu krakeelen. Blitzenden Auges harren sie aufgeplusterten Leibes.

Bleigraue Wolkengeschwüre vollführen ihr altvorderes Manöver. Wildkrippen? Vielleicht ein Jagdhaus? Wirtsstube? Der süßschwere Geschmack bretonischen Gewürzweins quecksilbert mir bei diesem Gedanken über der Zunge. Tileanischer Zimt, über Holzkohle gebratene Äpfel. Zu lange reite ich schon durch diese Ödnis. Zu lange bin ich schon auf der Suche. Baum auf Baum defiliert an mir vorbei, ihre Äste biegen sich unter einer handhohen Schneeschicht. Mitten durch ihre Reihen schlängelt sich die schmale Bresche. Was einst ein Weg gewesen, ist nun jungfräulich weiß.
Oouuuu. Schon seit Stunden lauern sie, geheftet an meine Verse. Wolfsbrut, elendige. Treue bis ins Grab? Wir werden sehen. Gereizt wirft mein kraftvoller Rappe seinen Kopf in die Höhe, sein Wiehern und Schnauben ist Herausforderung. Hinter der Fassade bebt meine Seele. Verborgen unter dem Zwerchfell, es kribbelt in meiner Magengegend. Hinterrücks hat sich innere Unruhe in mein Herz geschlichen. Aufgewühlt? Beschleicht mich erneut ein Zweifel? Von innen heraus? Ich bin ein Ritter der Herrin. Wie soll jemals Zweifel mich zum Ziel führen? Ist das die Prüfung? Oder wütende Ohnmacht?

Es nagt in mich hinein. Mir zur Beruhigung tätschle ich mit starren Fingern den Hals des Pferdes. Dampfwolken schießen aus seinen Nüstern. Der Sturm ebbt ab. Sein Heulen wird heiser. Mit scharfen Krallen hat die tiefblaue Nacht die Wolkendecke aufgerissen. Einmal Blut geleckt dringt sie in die feindlichen Reihen, drängt die wabernde Masse zurück. Ich trinke die Stille Luft, eiskalt strömt sie meinen Rachen hinab, die Lungen blähen sich. Ich atme aus. Die Quest ist die Suche nach sich selbst. Das Selbst ist die Quelle heiliger Stärke, das Reine und Ewige. Es ist befleckt von menschlichen Makeln, die abgestriffen werden müssen, wie ein altbackenes Kleid. Erst vollkommene Reinheit ermöglicht die Verschmelzung mit dem göttlichen Geist, das Ende und den Neubeginn.

Noch hänge ich meinen Gedanken nach, da entdecke ich es. Wenige hundert Meter entfernt qualmen dichte Rauchsäulen den Sternen entgegen. Ich straffe die Zügel. Witternd tänzelt der Rappe. Aufgeregt pocht mein Herz gegen die Rippen. Ein Überfall? Ist das die Prüfung? Nur mutig voran! Nicht zweifeln, jetzt nicht. Hart stoße ich die Sporen in die Flanken des Hengstes. Zornig bäumt er sich auf, wiehert in die frostige Nacht, durchstößt sie wild mit den Vorderbeinen. Dann prescht er los. In mir glimmt die Glut der Hoffnung. Vergessen ist die eisige Kälte, vergessen sind Zweifel und Ängste. Inbrünstige Leidenschaft hat Ross und Reiter ergriffen. Mens sana in corpore sano. Der Hengst prescht voran. Seine Hufe trommeln die ritterliche Schlachtenhymne, dumpf und bedrohlich. Gefrorene Erdbrocken und Schneebatzen werden von seinen mächtigen Hufen in die Luft geschleudert und die ehemals kunstvoll bestickte Schabracke flattert um seine schlohweißen Fesseln. Ich ziehe das Schwert. Krampfhaft umklammern meine Finger die schimmernde Klinge. Aufgeregte Stimmen streifen mein Ohr. Schnalzend treibe ich mein Pferd weiter an. Heya! Hopp! Um eine Kurve herum, der Wald wird lichter. Wir galoppieren über verschneite Weiden. Da sehe ich grauhölzerne Hütten hinter eine verschneite Schanze geduckt und unter weißen Hauben. Holzbrandgeruch liegt in der Luft. Nun höre ich sie klar. Gellende Schreie. Funkenflug und Flammenschimmer im Herz der Siedlung. Eile, schneller, im Namen der Herrin!

Zwischen meinen Schenkeln spüre ich die Muskeln des Rappen. Wahrlich ein prächtiges Geschöpf! Er wirft die Hufe vor sich stößt sich unerbittlich voran an einem Gatter vorbei Fußspuren im Schnee Matsch Bellende Hunde vorbei an den ersten Hütten dem Feuer entgegen den Stimmen entgegen Wagen Gäule wir stürmen voran der Feind muss ganz nah sein nur noch die Hütte Holzstöße und dann plötzlich öffnet sich zwischen zwei aufragenden Ställen ein weiter Platz Flammen Scheiterhaufen Hitzewand Bratengeschmack in der Luft Menschen. Ich reiße am Zügel. Der Rappe rammt die Hufe ins Erdreich, er schlittert ein wenig, dann kommt er zum Stehen – Stille. Nur das prasseln des Feuers.

Dutzende Augen starren mich an, aus rotbackigen Gesichtern. Bucklige, Drallige, Männer wie Weiber, manche mit gehörnten Masken, gehüllt in Pelze. Schreckverzerrt. Langsam lasse ich mein Schwert zurück in die Scheide gleiten. Ich sacke ein wenig in mir zusammen, dann schwinge ich mich aus dem Sattel. Meine Knie geben ein Wenig nach. Mein Ross schnaubt vor Enttäuschung laut auf. Ich streichle seinen Kopf. Einer nach dem anderen scheinen sich die Dorfleute wieder zu fassen. Doch niemand will mehr um das Feuer tanzen. Ich krame einen kleinen goldenen Kelch unter meinem Wappenrock hervor. Zwischen meinen Fingern halte ich ihn, wende ihn, verharre noch kurz, dann stopfe ich ihn samt der Kordel, an der er befestigt ist, wieder zurück. Ich seufze, dann führe ich den Rappen am Zaumzeug zur Schenke. In meinem Rücken tuscheln die Bauern. Die Geister austreiben?! Abergläubisches Pack!

Anmerkung: kursive Schrift hat 'innere Monologe' des Protagonisten dargestellt. Die Passage ohne Satzzeichen ist bewusst so gehalten, um eine gewisse Dynamik zu erzeugen.
 
Schöne Geschichte. Abwechslungsreich, interessant und auch etwas humorvoll.

Interessant auch, dass der Beitrag nicht editiert wurde. Was bedeutet, dass sich auch später keine Rechtschreibfehler mehr vom Autor finden ließen.
Was mich gleich zu Folgendem bringt:

Es ist befleckt von menschlichen Makeln, die abgestriffen werden müssen, wie ein altbackenes Kleid.

Du hast hier in diesem Abschnitt durchweg Präsens verwendet und weichst bei "abgestriffen" davon ab. Wenn das keinen mir unbekannten grammatikalischen Grund hat müsste es "abgestreift" sein, oder nicht?

Großes Lob von meiner Seite für diese gelungene Kurzgeschichte.

(Und Nein!, der Geschichtenwettbewerb ist nicht der Grund, warum ich jetzt mal hier reinluge. Tiefsitzende Lesewut lässt sich eben nicht immer unterdrücken, da stolpert man auch mal über interessante Texte.)
 
Du hast hier in diesem Abschnitt durchweg Präsens verwendet und weichst bei "abgestriffen" davon ab. Wenn das keinen mir unbekannten grammatikalischen Grund hat müsste es "abgestreift" sein, oder nicht?

Ich hab die Geschichte noch nicht gelesen, aber muss es nicht immer abgestriffen heißen? Wobei mein Rechtschreibprogramm mir dieses Wort unterstreicht.
 
Tut mir leid, dass ich mich jetzt erst melde. Ich habs einfach immer wieder vergessen. Gut, dass TheMadWarlock die Geschichte mal wieder nach oben geholt hat.

Schade, dass es wieder um Bretonen geht, sonst hätte sich die Geschichte im Wettbewerb bestimmt gut gemacht. Erfrischend kurz und sprachlich hättest du damit Sarash vielleicht sogar noch schlagen können 😉

Interessant auch, dass der Beitrag nicht editiert wurde. Was bedeutet, dass sich auch später keine Rechtschreibfehler mehr vom Autor finden ließen.
Oder dass der Autor nicht weiter nach Fehlern gesucht hat. Mach ich nach dem Posten auch nicht mehr. Dafür vorher oft genug. Aber einiges übersieht man immer.

Ich trinke die Stille Luft,
Matsch Bellende Hunde (wenn es keine Satzzeichen gibt, dann bitte auch keine Großbuchstaben dort, wo vielleicht ein Satz anfangen könnte 😉)
das prasseln des Feuers.
wenig in mir zusammen
geben ein Wenig nach.

Die Passage ohne Satzzeichen finde ich ehrlich gesagt nicht so toll. Mich stört das beim Lesen mehr als dass es Dynamik schafft. Das hättest du mit vielen kurzen Sätzen eher erreicht. Ist aber vermutlich auch Geschmackssache.

Ansonsten gibts nichts zu meckern. Schön kurz und sprachlich einfach herrlich. Auch das Ende ist interessant. Es muss ja nicht immer gleich zum Kampf kommen. Wie gesagt, hätte ich gern im Wettbewerb gesehen.

@Sarash: Nein, ich wäre auch für "abgestreift". Würde ich in dem Fall aber als stilistische Freiheit durchgehen lassen.
 
Zuletzt bearbeitet:
So, jetzt hab ich sie gelesen.

Ich muss anerkennen, dass du mit dieser Geschichte mir im Wettbewerb sprachlich Konkurrenz gemacht hättest. Die Atmosphäre des Waldes und die stürmische Dynamik beim Galopp des Ritters kann man förmlich mit Löffeln essen.

Was natürlich gegen die Wettbewerbsteilnahme spricht ist das Thema Bretonen. Ich hätte mir sofort gedacht, dass du hinter der Geschichte steckst und weil du schon wieder über Bretonen schreibst, hätte ich wohl keine 5 Punkte vergeben.

Das Ende war nett, da es nicht abzusehen war. Ich mag nicht sehr fest im bretonischen Fluff sein, aber abergläubische Bauern die um ein Feuer tanzen hab ich wirklich nicht erwartet.

Den satzzeichenfreien Absatz fand ich auch nicht sehr gelungen. Ich erkenne die Idee an und auch hab ich schon beim Lesen gewusst, was du damit erreichen willst (der Kommentar am Ende war also imho nicht nötig), aber dennoch konnte mich die Umsetzung nicht überzeugen. Leider was ich nicht genau, woran es im Speziellen liegt. Wenn ich mich recht erinnere hat es schonmal eine versucht (Rabenfeder vielleicht), und ihm war es besser gelungen. Vielleicht waren es ein Wort Sätze, die im Absatz waren. Wenn beispielsweise mehrere Substantive aufeinander folgten, so brachte es mich leider erheblich aus dem Lesefluss.


Hm, falls du noch mehr Geschichten schreibst, könntest du mich bitte per PN oder sonstwie drauf hinweisen? Ich bin fast nie im Fantasy Bereich, aber von dir lese ich gerne mehr.
 
Schön, dass doch noch Kommentare kommen, freut mich sehr 🙂

Die Geschichte hab ich in relativ kurzer Zeit geschrieben, also etwa 3 Stunden und dann noch einmal Korrektur gelesen. Im Forum lese ich dann eigentlich nicht mehr drüber.

Abgestriffen ist m.E. in diesem Kontext "zulässig", wenn auch nicht absolut gebräuchlich. Abgestreift wäre das reguläre Wort. Abgestriffen ist - wenn ich mich nicht täusche - eine ältere Variante, die ich aber "melodischer" finde und deshalb lieber verwende. Klingt in meinen Augen halt besser.

Sprache stand ein wenig im Vordergrund der Erzählung, weil de Facto ja nicht so viel passiert. Während die Sprache mir auch im Wesentlichen ganz gut gelungen ist, hadere ich ein bisschen mit der Atmosphäre der Geschichte. Inspiration war nämlich eigentlich ein Bild, das ein verschneites, aus alten Holzhäusern bestehendes Dorf in einer tiefblauen Mondnacht zeigt. Diesen Eindruck wollte ich umsetzen, was mir aber nicht so ganz gelungen ist. Das wäre eigentlich auch mein größter eigener Kritikpunkt.

@SHOKer: Da lässt sich bestens erkennen, wie ich (ganz Dilletant) bei der Stelle vorgegangen bin. Ursprünglich hatte die Szene nämlich noch Satzzeichen - die ich dann rausgenommen habe. Nur die Großschreibung hab ich übersehen. Die kleineren Fehler sind auch ägerlich, aber sowas passiert mir bei eigenen Geschichten ganz gerne mal, dass ich Fehler überlese. Mit einigem zeitlichen Abstand ist das meistens nicht so problematisch, aber direkt danach steckt man meistens einfach noch zu tief drin und überliest relativ viel - so geht's mir zumindest immer. ^_^
Die Stelle ohne Satzzeichen ist sicherlich Geschmackssache. Vielleicht liegt es aber auch an meiner lausigen Umsetzung. In Ulysses von James Joyce ist dieses 'Stilmittel' gegen Ende hin auf - wenn ich nicht irre - fast 50 Seiten durchgezogen und es liest sich bestens. Kurze Sätze hätten diese Atemlosigkeit vermutlich auch erzeugen können, da hast du sicherlich recht.

Die Geschichte war nie für einen Wettbewerb konzipiert, sondern ist eigentlich erst während der Abstimmungsphase entstanden. Bretonen haben sich mit mir in Wettbewerben halt schon ein wenig erschöpft 😉 Leider zwingt mich das immer zu ausufernder Fluffrecherche, weil ich außer bei Bretonen eigentlich nirgends so richtig eingelesen bin.

Das mit der PN geht klar, aber jetzt ist erst mal wieder studieren angesagt, da hab ich nicht mehr so viel Zeit 😉
 
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