Ich dachte mir, ich stelle euch mal ein relativ neu auf dem Markt erschienenes Spiel vor, was mich persönlich sehr begeistert, nämlich Earth Reborn.
Nachfolgend ist ein etwas ausführlich ausgefallenes Review zu dem Spiel. Bilder dazu sind in Post 2.
Viel Spaß (und Geduld...). 🙂
Earth Reborn ist ein taktisches Tabletop-Rollen-Brettspiel, das mehrere hundert Jahre nach der von Menschen herbeigeführten Apokalypse spielt, in deren Verlauf die Erdoberfläche durch den Einsatz von nuklearen, biologischen und chemischen Massenvernichtungswaffen verseucht wurde.
Da abzusehen war, dass dies passieren würde, wurden entsprechende Vorbereitungen getroffen und unterirdische Städte angelegt, jeweils mit Kapazität für 5000 Personen. Earth Reborn fokussiert sich auf zwei der überlebenden Fraktionen: NORAD und Salemites.
NORAD
Wie der Name schon vermuten lässt, hat diese Fraktion die Apokalypse sowie die nachfolgende Zeit im ehemaligen Führungsbunker der nordamerikanischen Luft- und Raumverteidigung überlebt, der zuvor für diesen Zweck reaktiviert und umgebaut worden war. Der Fokus von NORAD liegt auf Disziplin, Überlegenheit durch Technik und Ausbildung sowie Kommandoeinsätzen – durch und durch militärisch also.
Salemites
Die Salemites haben in einem neu errichteten Bunker unter dem Friedhof von Salem überdauert. Ihre Gesellschaft bestand aus den größten Wissenschaftlern und Denkern ihrer Zeit (und ein paar Milliardären, die sich einen Platz gekauft haben), gelenkt von einem demokratisch gewählten Rat. Wie sich herausstellte, waren sämtliche Ratsmitglieder Anhänger eines okkulten Zirkels, der noch Großes mit seiner Bevölkerung vor hatte. Über die Jahrhunderte hinweg änderte sich die Gesellschaftsstruktur, unterstützt von gewaltsamen Revolten, und heute gibt es nur mehr zwei Klassen: die Anhänger des Okkulten und die Testobjekte.
Die Salemites haben durch die Kombination von Wissenschaft und Okkultismus ein Serum gefunden, mit dessen Hilfe sie kürzlich Verstorbene als Zombies wieder auferstehen lassen können. Da die Intelligenz der Kreaturen doch sehr zu wünschen übrig ließ, wurden darüberhinaus beachtliche Anstrengungen in der Entwicklung künstlicher Intelligenzen unternommen. Mit großem Erfolg.
Militärisch setzen die Salemites daher gerne auf wenige, aber gut ausgebildete und fähige menschliche Soldaten, die von mehreren Zombies unterstützt werden.
Spielmaterial
Das in der Box enthaltene Spielmaterial ist überaus reichhaltig und dürfte für lange Zeit Spaß garantieren. Den größten Teil machen die diversen Module zum Aufbau des Spielfelds aus. Ganz recht, das komplette Spielfeld ist modular. Dabei stehen, ähnlich wie bei Tetris, verschiedene Formen und Größen zur Auswahl, die allesamt doppelseitig bedruckt sind: in der Regel eine Seite mit Innenräumen, die andere mit Außengelände.
Dazu kommen noch etliche andere Dinge wie Türen, Marker für allerhand Gegenstände und Effekte, Kommandopunkte, etc.
Daneben ist ein dicker Stapel an Karten enthalten, der zum einen die Karten für die diversen Charaktere beider Fraktionen beinhaltet, zum anderen doppelseitig bedruckte Ausrüstungskarten (vom Messer über Sturmgewehre, Granatwerfer, Medipacks oder Werkzeugboxen bis hin zum Jetpack ist alles dabei). Anschließend hat man immer noch einen recht dicken Stapel an Karten vor sich liegen – nämlich Missionsziele, aufgeteilt nach Fraktion.
Würfel sind selbstverständlich ebenfalls enthalten, und zwar 12 Stück: 6 gelbe und 6 schwarze Würfel, beide mit speziell auf das Spiel abgestimmter Symbolik.
Und zu guter Letzt die Minis, die natürlich nicht fehlen dürfen.
NORAD stehen vier Minis zur Verfügung, darunter ein Mech, die Salemites bekommen die restlichen sieben Minis – unter anderem einen Zombie mit im Arm eingebauter Kreissäge (Jack Saw *g*).
Sämtliche Minis sind übrigens schon grundiert und können direkt bemalt werden.
Die Qualität sämtlicher Materialien ist durch die Bank als exzellent zu bezeichnen, sowohl was Haptik als auch was Gestaltung angeht. Die Minis sind ebenfalls sehr schön anzusehen und gehören zum Besten, was ich bei Brettspielen bisher zu Gesicht bekommen habe (Space Hulk 3rd Edition oder Hybrid mal außen vor gelassen).
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Spielablauf
Der grundsätzliche Spielablauf bei Earth Reborn ist relativ simpel:
Der Spieler, der die Initiative hat, aktiviert einen seiner Charaktere und führt mit diesem sämtliche Aktionen durch, die er machen möchte. Klingt einfach, ist es auch. Wenn man erstmal den zugrunde liegenden Mechanismus verinnerlicht hat.
Wie sieht also eine Runde aus?
I. Initiative-Phase: Kommandopunkte und Befehlsplättchen werden aufgefüllt, Initiative wird bestimmt
II. Aktions-Phase: die Spieler führen ihre Aktionen durch, immer abwechselnd
a. Ein neues Befehlsplättchen nehmen
b. Einen Charakter aktivieren und ihm ein Befehlsplättchen zuordnen
c. Einen Charakter aktivieren und ihm ein Befehlsplättchen zuordnen und dieses gleich ausführen (Kommandopunkte darauf verteilen)
d. Passen (haben beide gepasst, ist komplette Aktionsphase zu Ende!)
III. Final-Phase: übrige Kommandopunkte verfallen, unnütze Befehlsplättchen können abgelegt werden, bestimmte Funktionen treten (wieder) in Kraft
Ihr werdet euch jetzt fragen, was der Unterschied zwischen II.b und II.c ist – klingt ja recht ähnlich.
In Earth Reborn muss man ein zugeordnetes Befehlsplättchen nicht sofort nutzen, sondern kann auch mehrere Befehlsplättchen miteinander kombinieren, um komplexere Aktionen durchzuführen. Habe ich aber bereits Kommandopunkte auf ein Befehlsplättchen gelegt, steht mir dieses nicht mehr zur Verfügung, es ist „verbraucht“.
Bleibt noch die Frage zu klären, wozu man denn nun die Kommandopunkte benötigt.
Jedes Befehlsplättchen ist in vier Sektionen unterteilt, die verschiedene Einzelbefehle in unterschiedlicher Zusammenstellung zeigen: Fernkampfangriff, Nahkampfangriff, Interaktion, Suchen, Bewegen. Um einen solchen Befehl auszuführen, müssen Kommandopunkte auf die betreffende Befehlssektion des Befehlsplättchens gelegt werden.
Möchte ich also mit einem meiner Charaktere zuerst einen Fernkampfangriff machen, dann vorstürmen und anschließend einen Nahkampfangriff machen, brauche ich drei verschiedene Einzelbefehle: Fernkampfangriff, Nahkampfangriff und Bewegen. Habe ich kein Befehlsplättchen, was alle drei Befehle aufweist, kann ich zwei Befehlsplättchen kombinieren, um die gewünschte Zusammenstellung zu erhalten. Allerdings brauche ich dann mehr Vorbereitungszeit, da ich ja pro Charakteraktivierung nur ein Befehlsplättchen zuweisen darf.
Das mag jetzt vielleicht etwas kompliziert klingen, ist aber eigentlich ein sehr einfaches System: Charakter aktivieren, Befehlsplättchen zuordnen, Befehle ausführen, fertig.
Handlungsmöglichkeiten
Hier kommt jetzt die Vielfalt und die Komplexität ins Spiel. Bislang klingt Earth Reborn wie eines von vielen taktischen Brettspielen a là Space Hulk: Schießen, Bewegen, Nahkampf. Mitnichten.
Ich werde nun die diversen Einzelbefehle durchgehen und ihre verschiedenen Verwendungsmöglichkeiten im Spiel nennen. Einige haben lediglich eine Verwendungsmöglichkeit, andere offerieren eine ganze Palette an Optionen. Im Zusammenspiel der Optionen und Resultate gibt Earth Reborn dem Spieler eine gewaltige Palette an Möglichkeiten an die Hand.
Bewegen: dient der Bewegung
Nahkampfangriff: Angriff von Gegnern, Zerstörung von Geländeelementen, Raumeinrichtungen, Türen oder Wänden
Fernkampfangriff: Benutzung von Fernkampfwaffen, Zerstörung von Geländeelementen, Raumeinrichtungen, Türen oder Wänden
Suchen: Durchsuchen eines Raumes nach Gegenständen, Generierung von Spionagepunkten
Interaktion: Nutzen von Raumeinrichtungen, ausgerüsteten Gegenständen oder Spezialfähigkeit des Charakters (Beispiele: Heilen in der Krankenstation, zusätzliche Kommandopunkte durch Videoüberwachung, effektivere Zombies durch die Zombiekontrolleinheit, Überspringen von Gegnern und unpassierbaren Geländeelementen mittels Jetpack, etc.)
Ein Beispiel, wie die verschiedenen Befehle zu einem großen Ganzen kombiniert werden könnten:
NORAD muss in ein gut gesichertes Gebäude eindringen, aber die einzige Tür ist mit einem Magnetkartenschloss gesichert. Vasquez steht zwar direkt davor, ist aber zu schwach zum Öffnen. Deshalb bringt Nick Bolter einen Sprengsatz an der Wand zum Generator an, sprengt ein Loch in die Wand und schaltet den Generator ab (wodurch der Strom im ganzen Gebäude ausfällt und auch Magnetkartenschlösser nicht mehr funktionieren). Vasquez kann nun bequem durch die Tür spazieren.
Natürlich funktioniert nicht immer alles so schön reibungslos, der Gegner hat ja schließlich noch ein Wörtchen mitzureden. Das gilt bei Earth Reborn besonders, da es dem Gegner möglich ist, meine Aktion zu unterbrechen und mit einem seiner Charaktere zu kontern, bevor ich mit meiner Aktion fortfahre. Da Unterbrechungen in Bezug auf Kommandopunkte recht kostenintensiv sind, will dies aber gut überlegt sein. Dadurch hat man zwar die Option auf Unterbrechung der gegnerischen Aktion, es kommt aber nicht zu Spielsituationen, in denen die ganze gegnerische Mannschaft feuerbereit in der Gegend rumsteht.
Regeln
Die Regeln sind sehr gut erklärt und mit vielen Beispielen versehen.
Um das Lernen des Spiels zu vereinfachen, sind die mitgelieferten neun Szenarien ein einziges langes Tutorial. Mit jedem Szenario kommen zwei neue Regeln hinzu, wodurch sich der Leseaufwand sehr in Grenzen hält. Außerdem ist so gewährleistet, dass die Grundregeln sitzen, wenn man sich den fortgeschrittenen Möglichkeiten widmet.
Am Ende des Regelhefts ist außerdem das SAGS, das Scenario Auto Generating System, erläutert. Mit dessen Hilfe lassen sich mit den mitgelieferten Spielmaterialien immer neue zufällig generierte Szenarien spielen, wenn man mit den mitgelieferten Szenarien durch ist. Ich selbst konnte es leider noch nicht ausprobieren, aber laut Meinungen im Internet soll es angeblich sehr gut funktionieren und für gut ausgewogene Szenarien sorgen.
Vergleich mit Space Hulk
Mit Sicherheit ein wichtiger Punkt, schlagen doch beide Spiele in die gleiche Scharte. Und beide haben in einer Spielesammlung ihre Daseinsberechtigung.
Space Hulk ist schnell und brutal – man legt direkt mit massiv Action los und hört nicht damit auf, bis eine Seite verloren hat. Insgesamt sehr geradlinig, sowohl was Missionsziele als auch Mechanik angeht. Ungeschlagen, wenn atmosphärische, schnelle und intensive Kämpfe gesucht sind. Vergleichbar mit einem Shooter.
Earth Reborn schlägt ein gemächlicheres Tempo an, jede einzelne Mini ist wertvoller als ein Terminator bei Space Hulk. Bei jeder Aktion müssen mehr Möglichkeiten abgewogen werden als bei Space Hulk. Kämpfe dauern länger, sind aber in ihrem Ergebnis sehr befriedigend. Es ist zudem durchaus möglich, das Spiel zu gewinnen und dabei Kämpfen nach Möglichkeit aus dem Weg zu gehen. Wenn ein taktisch anspruchsvolles Spiel mit massig Optionen gesucht ist, dann ist man bei Earth Reborn genau richtig. Vergleichbar mit Jagged Alliance.
Fazit
Wer taktische Miniaturen-Brettspiele mag, sollte sich unbedingt mal Earth Reborn näher anschauen. Das Spiel fühlt sich an wie ein Skirmisch-Tabletop und schreit nur so nach Erweiterungen (nicht dass es wirklich nötig wäre, aber es ist genug Luft für neue Einheiten, neue Fraktionen, neue Ausrüstungen, etc.), bietet enorme Handlungsfreiheit (deshalb Rollenspiel) und verlangt nebenbei auch noch ganz ordentlich taktische Planung.
Für mich momentan definitiv das beste Spiel dieses Genres und eines meiner absoluten Lieblingsspiele.
Kurzübersicht
Pro:
- schönes Setting, das sehr gut ins Spiel eingearbeitet ist und für viel Atmosphäre sorgt
- durchwegs sehr hochwertige Spielmaterialien
- enorme Handlungsfreiheit und -vielfalt
- ermöglicht sehr unterschiedliche Herangehensweisen, die aber alle zum Ziel führen können
- taktisch anspruchsvoll; Umsetzung komplexer Taktiken möglich
- sehr gut ausgearbeitetes und erklärtes Regelsystem
- sehr hoher Wiederspielwert
- Minis bereits grundiert
- für das Gebotene fairer Preis
- fühlt sich im Grunde genommen an wie eine "Starterbox" zu einem Spielsystem
Kontra:
- Spielaufbau kann sich hinziehen (ca. 30 Minuten Aufbauzeit sind realistisch)
- wird mit zunehmendem Regelumfang sehr komplex
- braucht Einarbeitung; d.h. im Idealfall hat man einen festen Gegner (Grund: man kommt bei ständig wechselndem Gegner kaum über die Anfangs-Szenarien hinaus. Man kann den Einsteig zwar etwas verkürzen, indem man Szenario 1, eventuell auch noch Szenario 2 überspringt, aber mehr würde ich einem Neueinsteiger nicht zumuten wollen. Bereits bei Szenario 3 gibt es genug Optionen, um einen Neueinsteiger zu (über)fordern.)
Preis: UVP 60€, in einschlägigen Online-Shops zum Teil ab 53€ zu bekommen
Sprache: ausschließlich in Englisch verfügbar
Spieldauer: die Anfangs-Szenarien ca. 45-60 Minuten, ab Szenario 4 sind dann eher 2-4 Stunden einzuplanen
Spieleranzahl: 2; soll angeblich auch mit 3-4 Spielern möglich sein, hab ich aber noch nicht getestet (und werde es wohl auch nicht)
Edit:
Ein paar wichtige Informationen hinzugefügt (Preis, Sprache, etc.), die ich vergessen hatte... (Danke @ELute, beim Lesen deines Posts ists mir aufgefallen)
Kurzübersicht hinzugefügt.
Titel angepasst, Rechtschreibfehler korrigiert.
Nachfolgend ist ein etwas ausführlich ausgefallenes Review zu dem Spiel. Bilder dazu sind in Post 2.
Viel Spaß (und Geduld...). 🙂
Earth Reborn ist ein taktisches Tabletop-Rollen-Brettspiel, das mehrere hundert Jahre nach der von Menschen herbeigeführten Apokalypse spielt, in deren Verlauf die Erdoberfläche durch den Einsatz von nuklearen, biologischen und chemischen Massenvernichtungswaffen verseucht wurde.
Da abzusehen war, dass dies passieren würde, wurden entsprechende Vorbereitungen getroffen und unterirdische Städte angelegt, jeweils mit Kapazität für 5000 Personen. Earth Reborn fokussiert sich auf zwei der überlebenden Fraktionen: NORAD und Salemites.
NORAD
Wie der Name schon vermuten lässt, hat diese Fraktion die Apokalypse sowie die nachfolgende Zeit im ehemaligen Führungsbunker der nordamerikanischen Luft- und Raumverteidigung überlebt, der zuvor für diesen Zweck reaktiviert und umgebaut worden war. Der Fokus von NORAD liegt auf Disziplin, Überlegenheit durch Technik und Ausbildung sowie Kommandoeinsätzen – durch und durch militärisch also.
Salemites
Die Salemites haben in einem neu errichteten Bunker unter dem Friedhof von Salem überdauert. Ihre Gesellschaft bestand aus den größten Wissenschaftlern und Denkern ihrer Zeit (und ein paar Milliardären, die sich einen Platz gekauft haben), gelenkt von einem demokratisch gewählten Rat. Wie sich herausstellte, waren sämtliche Ratsmitglieder Anhänger eines okkulten Zirkels, der noch Großes mit seiner Bevölkerung vor hatte. Über die Jahrhunderte hinweg änderte sich die Gesellschaftsstruktur, unterstützt von gewaltsamen Revolten, und heute gibt es nur mehr zwei Klassen: die Anhänger des Okkulten und die Testobjekte.
Die Salemites haben durch die Kombination von Wissenschaft und Okkultismus ein Serum gefunden, mit dessen Hilfe sie kürzlich Verstorbene als Zombies wieder auferstehen lassen können. Da die Intelligenz der Kreaturen doch sehr zu wünschen übrig ließ, wurden darüberhinaus beachtliche Anstrengungen in der Entwicklung künstlicher Intelligenzen unternommen. Mit großem Erfolg.
Militärisch setzen die Salemites daher gerne auf wenige, aber gut ausgebildete und fähige menschliche Soldaten, die von mehreren Zombies unterstützt werden.
Spielmaterial
Das in der Box enthaltene Spielmaterial ist überaus reichhaltig und dürfte für lange Zeit Spaß garantieren. Den größten Teil machen die diversen Module zum Aufbau des Spielfelds aus. Ganz recht, das komplette Spielfeld ist modular. Dabei stehen, ähnlich wie bei Tetris, verschiedene Formen und Größen zur Auswahl, die allesamt doppelseitig bedruckt sind: in der Regel eine Seite mit Innenräumen, die andere mit Außengelände.
Dazu kommen noch etliche andere Dinge wie Türen, Marker für allerhand Gegenstände und Effekte, Kommandopunkte, etc.
Daneben ist ein dicker Stapel an Karten enthalten, der zum einen die Karten für die diversen Charaktere beider Fraktionen beinhaltet, zum anderen doppelseitig bedruckte Ausrüstungskarten (vom Messer über Sturmgewehre, Granatwerfer, Medipacks oder Werkzeugboxen bis hin zum Jetpack ist alles dabei). Anschließend hat man immer noch einen recht dicken Stapel an Karten vor sich liegen – nämlich Missionsziele, aufgeteilt nach Fraktion.
Würfel sind selbstverständlich ebenfalls enthalten, und zwar 12 Stück: 6 gelbe und 6 schwarze Würfel, beide mit speziell auf das Spiel abgestimmter Symbolik.
Und zu guter Letzt die Minis, die natürlich nicht fehlen dürfen.
NORAD stehen vier Minis zur Verfügung, darunter ein Mech, die Salemites bekommen die restlichen sieben Minis – unter anderem einen Zombie mit im Arm eingebauter Kreissäge (Jack Saw *g*).
Sämtliche Minis sind übrigens schon grundiert und können direkt bemalt werden.
Die Qualität sämtlicher Materialien ist durch die Bank als exzellent zu bezeichnen, sowohl was Haptik als auch was Gestaltung angeht. Die Minis sind ebenfalls sehr schön anzusehen und gehören zum Besten, was ich bei Brettspielen bisher zu Gesicht bekommen habe (Space Hulk 3rd Edition oder Hybrid mal außen vor gelassen).
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Spielablauf
Der grundsätzliche Spielablauf bei Earth Reborn ist relativ simpel:
Der Spieler, der die Initiative hat, aktiviert einen seiner Charaktere und führt mit diesem sämtliche Aktionen durch, die er machen möchte. Klingt einfach, ist es auch. Wenn man erstmal den zugrunde liegenden Mechanismus verinnerlicht hat.
Wie sieht also eine Runde aus?
I. Initiative-Phase: Kommandopunkte und Befehlsplättchen werden aufgefüllt, Initiative wird bestimmt
II. Aktions-Phase: die Spieler führen ihre Aktionen durch, immer abwechselnd
a. Ein neues Befehlsplättchen nehmen
b. Einen Charakter aktivieren und ihm ein Befehlsplättchen zuordnen
c. Einen Charakter aktivieren und ihm ein Befehlsplättchen zuordnen und dieses gleich ausführen (Kommandopunkte darauf verteilen)
d. Passen (haben beide gepasst, ist komplette Aktionsphase zu Ende!)
III. Final-Phase: übrige Kommandopunkte verfallen, unnütze Befehlsplättchen können abgelegt werden, bestimmte Funktionen treten (wieder) in Kraft
Ihr werdet euch jetzt fragen, was der Unterschied zwischen II.b und II.c ist – klingt ja recht ähnlich.
In Earth Reborn muss man ein zugeordnetes Befehlsplättchen nicht sofort nutzen, sondern kann auch mehrere Befehlsplättchen miteinander kombinieren, um komplexere Aktionen durchzuführen. Habe ich aber bereits Kommandopunkte auf ein Befehlsplättchen gelegt, steht mir dieses nicht mehr zur Verfügung, es ist „verbraucht“.
Bleibt noch die Frage zu klären, wozu man denn nun die Kommandopunkte benötigt.
Jedes Befehlsplättchen ist in vier Sektionen unterteilt, die verschiedene Einzelbefehle in unterschiedlicher Zusammenstellung zeigen: Fernkampfangriff, Nahkampfangriff, Interaktion, Suchen, Bewegen. Um einen solchen Befehl auszuführen, müssen Kommandopunkte auf die betreffende Befehlssektion des Befehlsplättchens gelegt werden.
Möchte ich also mit einem meiner Charaktere zuerst einen Fernkampfangriff machen, dann vorstürmen und anschließend einen Nahkampfangriff machen, brauche ich drei verschiedene Einzelbefehle: Fernkampfangriff, Nahkampfangriff und Bewegen. Habe ich kein Befehlsplättchen, was alle drei Befehle aufweist, kann ich zwei Befehlsplättchen kombinieren, um die gewünschte Zusammenstellung zu erhalten. Allerdings brauche ich dann mehr Vorbereitungszeit, da ich ja pro Charakteraktivierung nur ein Befehlsplättchen zuweisen darf.
Das mag jetzt vielleicht etwas kompliziert klingen, ist aber eigentlich ein sehr einfaches System: Charakter aktivieren, Befehlsplättchen zuordnen, Befehle ausführen, fertig.
Handlungsmöglichkeiten
Hier kommt jetzt die Vielfalt und die Komplexität ins Spiel. Bislang klingt Earth Reborn wie eines von vielen taktischen Brettspielen a là Space Hulk: Schießen, Bewegen, Nahkampf. Mitnichten.
Ich werde nun die diversen Einzelbefehle durchgehen und ihre verschiedenen Verwendungsmöglichkeiten im Spiel nennen. Einige haben lediglich eine Verwendungsmöglichkeit, andere offerieren eine ganze Palette an Optionen. Im Zusammenspiel der Optionen und Resultate gibt Earth Reborn dem Spieler eine gewaltige Palette an Möglichkeiten an die Hand.
Bewegen: dient der Bewegung
Nahkampfangriff: Angriff von Gegnern, Zerstörung von Geländeelementen, Raumeinrichtungen, Türen oder Wänden
Fernkampfangriff: Benutzung von Fernkampfwaffen, Zerstörung von Geländeelementen, Raumeinrichtungen, Türen oder Wänden
Suchen: Durchsuchen eines Raumes nach Gegenständen, Generierung von Spionagepunkten
Interaktion: Nutzen von Raumeinrichtungen, ausgerüsteten Gegenständen oder Spezialfähigkeit des Charakters (Beispiele: Heilen in der Krankenstation, zusätzliche Kommandopunkte durch Videoüberwachung, effektivere Zombies durch die Zombiekontrolleinheit, Überspringen von Gegnern und unpassierbaren Geländeelementen mittels Jetpack, etc.)
Ein Beispiel, wie die verschiedenen Befehle zu einem großen Ganzen kombiniert werden könnten:
NORAD muss in ein gut gesichertes Gebäude eindringen, aber die einzige Tür ist mit einem Magnetkartenschloss gesichert. Vasquez steht zwar direkt davor, ist aber zu schwach zum Öffnen. Deshalb bringt Nick Bolter einen Sprengsatz an der Wand zum Generator an, sprengt ein Loch in die Wand und schaltet den Generator ab (wodurch der Strom im ganzen Gebäude ausfällt und auch Magnetkartenschlösser nicht mehr funktionieren). Vasquez kann nun bequem durch die Tür spazieren.
Natürlich funktioniert nicht immer alles so schön reibungslos, der Gegner hat ja schließlich noch ein Wörtchen mitzureden. Das gilt bei Earth Reborn besonders, da es dem Gegner möglich ist, meine Aktion zu unterbrechen und mit einem seiner Charaktere zu kontern, bevor ich mit meiner Aktion fortfahre. Da Unterbrechungen in Bezug auf Kommandopunkte recht kostenintensiv sind, will dies aber gut überlegt sein. Dadurch hat man zwar die Option auf Unterbrechung der gegnerischen Aktion, es kommt aber nicht zu Spielsituationen, in denen die ganze gegnerische Mannschaft feuerbereit in der Gegend rumsteht.
Regeln
Die Regeln sind sehr gut erklärt und mit vielen Beispielen versehen.
Um das Lernen des Spiels zu vereinfachen, sind die mitgelieferten neun Szenarien ein einziges langes Tutorial. Mit jedem Szenario kommen zwei neue Regeln hinzu, wodurch sich der Leseaufwand sehr in Grenzen hält. Außerdem ist so gewährleistet, dass die Grundregeln sitzen, wenn man sich den fortgeschrittenen Möglichkeiten widmet.
Am Ende des Regelhefts ist außerdem das SAGS, das Scenario Auto Generating System, erläutert. Mit dessen Hilfe lassen sich mit den mitgelieferten Spielmaterialien immer neue zufällig generierte Szenarien spielen, wenn man mit den mitgelieferten Szenarien durch ist. Ich selbst konnte es leider noch nicht ausprobieren, aber laut Meinungen im Internet soll es angeblich sehr gut funktionieren und für gut ausgewogene Szenarien sorgen.
Vergleich mit Space Hulk
Mit Sicherheit ein wichtiger Punkt, schlagen doch beide Spiele in die gleiche Scharte. Und beide haben in einer Spielesammlung ihre Daseinsberechtigung.
Space Hulk ist schnell und brutal – man legt direkt mit massiv Action los und hört nicht damit auf, bis eine Seite verloren hat. Insgesamt sehr geradlinig, sowohl was Missionsziele als auch Mechanik angeht. Ungeschlagen, wenn atmosphärische, schnelle und intensive Kämpfe gesucht sind. Vergleichbar mit einem Shooter.
Earth Reborn schlägt ein gemächlicheres Tempo an, jede einzelne Mini ist wertvoller als ein Terminator bei Space Hulk. Bei jeder Aktion müssen mehr Möglichkeiten abgewogen werden als bei Space Hulk. Kämpfe dauern länger, sind aber in ihrem Ergebnis sehr befriedigend. Es ist zudem durchaus möglich, das Spiel zu gewinnen und dabei Kämpfen nach Möglichkeit aus dem Weg zu gehen. Wenn ein taktisch anspruchsvolles Spiel mit massig Optionen gesucht ist, dann ist man bei Earth Reborn genau richtig. Vergleichbar mit Jagged Alliance.
Fazit
Wer taktische Miniaturen-Brettspiele mag, sollte sich unbedingt mal Earth Reborn näher anschauen. Das Spiel fühlt sich an wie ein Skirmisch-Tabletop und schreit nur so nach Erweiterungen (nicht dass es wirklich nötig wäre, aber es ist genug Luft für neue Einheiten, neue Fraktionen, neue Ausrüstungen, etc.), bietet enorme Handlungsfreiheit (deshalb Rollenspiel) und verlangt nebenbei auch noch ganz ordentlich taktische Planung.
Für mich momentan definitiv das beste Spiel dieses Genres und eines meiner absoluten Lieblingsspiele.
Kurzübersicht
Pro:
- schönes Setting, das sehr gut ins Spiel eingearbeitet ist und für viel Atmosphäre sorgt
- durchwegs sehr hochwertige Spielmaterialien
- enorme Handlungsfreiheit und -vielfalt
- ermöglicht sehr unterschiedliche Herangehensweisen, die aber alle zum Ziel führen können
- taktisch anspruchsvoll; Umsetzung komplexer Taktiken möglich
- sehr gut ausgearbeitetes und erklärtes Regelsystem
- sehr hoher Wiederspielwert
- Minis bereits grundiert
- für das Gebotene fairer Preis
- fühlt sich im Grunde genommen an wie eine "Starterbox" zu einem Spielsystem
Kontra:
- Spielaufbau kann sich hinziehen (ca. 30 Minuten Aufbauzeit sind realistisch)
- wird mit zunehmendem Regelumfang sehr komplex
- braucht Einarbeitung; d.h. im Idealfall hat man einen festen Gegner (Grund: man kommt bei ständig wechselndem Gegner kaum über die Anfangs-Szenarien hinaus. Man kann den Einsteig zwar etwas verkürzen, indem man Szenario 1, eventuell auch noch Szenario 2 überspringt, aber mehr würde ich einem Neueinsteiger nicht zumuten wollen. Bereits bei Szenario 3 gibt es genug Optionen, um einen Neueinsteiger zu (über)fordern.)
Preis: UVP 60€, in einschlägigen Online-Shops zum Teil ab 53€ zu bekommen
Sprache: ausschließlich in Englisch verfügbar
Spieldauer: die Anfangs-Szenarien ca. 45-60 Minuten, ab Szenario 4 sind dann eher 2-4 Stunden einzuplanen
Spieleranzahl: 2; soll angeblich auch mit 3-4 Spielern möglich sein, hab ich aber noch nicht getestet (und werde es wohl auch nicht)
Edit:
Ein paar wichtige Informationen hinzugefügt (Preis, Sprache, etc.), die ich vergessen hatte... (Danke @ELute, beim Lesen deines Posts ists mir aufgefallen)
Kurzübersicht hinzugefügt.
Titel angepasst, Rechtschreibfehler korrigiert.
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