40k Ein Erklärungsversuch

Awatron

Tabletop-Fanatiker
25. November 2002
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Hi Leute!

Ich hatte mal nicht viel zu tun und da hab ich mir gedanken um das Sci-Fi Genre und so gemacht. Diese gedanken will ich euch natürlich nicht vorenthalten. Hier sind sie:

Warum ich "so´n Zeug" schreibe


Ich wurde ein mal gefragt, warum ich "so´n Zeug" schreibe. Um auf diese Frage zu antworten, sollte ich besser weit ausholen und zuerst erklären, was ich schreibe (und nicht zuschlagen, wie jetzt sicher manch einer gedacht hat, auch wenn´s nur ich war).
Also, ich schreibe ganz gerne kleine Geschichten. Es sind meistens Science Fiction oder Fantasy Geschichten und eben die wurden als "Zeug" bezeichnet. Gute Frage! Nein, wirklich! Warum eigentlich?
Warum muss es entweder Magie oder Weltraum oder Magie und Weltraum und Monster, Außerirdische und außerirdische Monster (und am besten, alles explodiert auch noch) sein?
Zuerst möchte ich sagen, dass eine Geschichte Handlung haben muss. Ja, ja, Handlung und zwar richtige Handlung. Eine Handlung, bei der etwas wirklich passiert. Eine Handlung, bei der der/die Charakter(e) mit einem schier unlösbaren Problem konfrontiert wird/werden und es lösen (sollen). Nicht so etwas wie Effi Briest! Aber da kann man ja dagegen halten, das man Handlung, wie ich sie verstehe, auch in ganz "normalen" Geschichten unterbringen kann. Ja, toll, sage ich, aber was soll ich denn da für ein "schier unlösbares Problem" finden? Die meisten Probleme, die im täglichen Leben auftauchen, sind so abgedroschen und wurden schon so oft behandelt, dass ich mit dem selben Erfolg Drehbücher für Seifenopern schreiben könnte.
Jetzt befinde ich mich aber in einer Zwickmühle. Wir haben uns auf normale Geschichten geeinigt aber finden keine Problemstellung. Was nun? Da bleiben ja wohl nur zwei Möglichkeiten. Die erste: Man öffnet sich dem lyrischen Teil der Seele (Welche Lyrik? die einen, Welche Seele? Die anderen) und schreibt Gedichte, Beschreibungen oder gar Liebesromane. Ja, ja, Liebesromane. Genau solche, die in Supermärkten kurz vor der Kasse stehen. "Der Falke", "In den Armen des Wikingers", "Verbotenen Begierde" und wie die alle heißen. Wo auf dem Cover halbnackte Kerle mit dem Gesichtsausdruck eines Schranks Frauen in den Armen halten, die Werbung für... äh, Luftballons machen könnten. Nein danke! Gedichte mag ich nicht, obwohl, oder gerade weil, ich es probiert habe. Beschreibungen á la "Ein Tag aus meinem Leben", oder "Eine Fahrt in die Berge" gehen schon (vor allem, wegen der Möglichkeit, lustige Kommentare in Klammern zu schreiben), sind auf die Dauer aber langweilig.
Die zweite Möglichkeit (Na, verehrter Leser, weißt du noch, wo wir sind? Wollte einfach mal den Ausdruck "verehrter Leser" benutzen, mag ihn irgendwie.) ist, ganz abstruse und surreale Geschichten zu schreiben. He, genau! Das wäre doch was für mich! Ich nenne mich, sagen wir mal, Kafka und schreibe dann so etwas! Ach verdammt, der Name ist schon vergeben, wie ich gerade höre. (Typisch, die besten Einfälle haben die anderen immer zuerst!) Dann lautet mein Pseudonym eben Plagiat.
Jetzt fällt mir aber etwas auf. Bei solchen Sachen gibt es ein Problem, und zwar eines mit dem "notwendigen Realismus". Was, höre ich Leute schon schreien, soll das denn sein? Der "notwendige Realismus" ist ein Begriff, den ich mir irgendwann ausgedacht habe. Vielleicht war es auch jemand anders (wahrscheinlich wieder Kafka). Beim notwendigen Ralismus geht es darum, selbst in der verrücktesten Handlung einen vernünftigen Rahmen zu wahren. D.h. Die alltäglichen Dinge bleiben alltäglich. Und wenn nicht, dann verlangt der Leser eine vernünftige, oder überhaupt eine, Erklärung. Und die sollte man ihm geben.
Sagen wir, z.B. Man schreibt eine Geschichte, in der alle Menschen von sich aus fliegen können. Aber ansonsten bleibt alles gleich, oder weicht zumindest kaum von der Wirklichkeit ab.
So, normalerweise kommt ungefähr jetzt das Argument: Ey, Alter! Was will ich mit der Wirklichkeit?! Wenn ich Wirklichkeit will, geh´ ich auf die Straße! Ich will ´ne gute Story!
Aber denken wir doch mal nach.
Mir ist aufgefallen, dass die meisten Menschen sich am besten bei den Geschichten fühlen, bei denen sie sich auch einigermaßen zurechtfinden und Vertrautes wiederfinden. Laos wo Menschen noch immer Menschen sind, obwohl sie Raumschiffe und Internet für umsonst haben. Eine Utopie, in der alle Menschen nett und höflich sind und das größte Problem der Welt darin besteht, ob man beim Yin- Yang-Zeichen das Weiß in ein Rosa ändern sollte? Na klar, und "Adlerauge"-Homer hilft dir beim schreiben.
Seht ihr (oder du, verehrter Leser), was ich mit dem notwendigen Realismus meine?
Gut, das hätten wir jetzt auch geklärt. Bleibt immer noch die letzte Frage nach dem "Zeug". Also, warum Sci-Fi oder Fantasy? Niemand wird wohl leugnen, dass diese Genres sich großer beliebtheit erfreuen. Obwohl man die oft kaum voneinander unterscheiden kann. Und sie wird steigen. Was glaubt ihr, was die Millionen von "Harry Potter" Lesern später lesen werden? (Ich hab´s nicht gelesen und will es auch gar nicht. Zu meiner Zeit gab´s vernünftige Literatur.) Glaubt mir, die werden nicht plötzlich auf Kleist umsteigen.
Also, die Gründe sind relativ offensichtlich. Als allererstes kann man in solche Geschichten wunderbar Gesellschaftsprobleme unserer Zeitoder sogenannte ewige Probleme der Menschheit einbauen. Glaubt ihr nicht? Was war denn mit Goethes "Faust"? Was war das eigentlich genau? Fantasy oder Mystery- Thriller? Nur ein Beispiel von vielen.
Und das beste daran ist, die angesprochenen Probleme sind nicht so eindeutig und leicht zu finden. Da muss sich der Leser schon ein wenig anstrengen.(Was selbst schlechten Schriftstellern die Möglichkeit bietet, so zu tun, als hätten ihre Geschichten Anspruch. Zitat aus dem Film "Nichts wie raus aus Orange County": Ich schreibe gerade an einem Drehbuch für einen Film über Vampire. Aber eigentlich geht es um die Wiedervereinigung von Deutschland.)
Alles klar? Na dann weiter.
Die schier unerschöpflich Menge an Problemstellungen und möglichen Widersachern ist ein anderer Grund für mich. Beispiel 1: (Sci-Fi/Fantasy) Held muss Stadt/Land/Welt retten, Gab´s schon? Bestimmt, aber mit ein wenig Fantasie lässt sich die grobe Handlung ausschmücken und so ganz gut gestalten. Sicher, wird vermutlich nicht gerade ein Bestseller, aber ganz unterhaltsam zu lesen.
Beispiel 2: ("normal") Er liebt sie, sie ihn nicht, dafür einen anderen, der sie nicht liebt. => Big Problem und jede zweite Seite weint einer. Gab´s auch schon oft genug. Problem: Um so etwas einigermaßen interessant zu gestalten muss man schon verdammt gut und begabt sein. Damit sich so etwas aus dem gigantischen Haufen solcher Geschichten abhebt und nicht nur in einer Frauenzeitschrift abgedruckt wird (Ich habe nichts gegen Frauenzeitschriften, stehen oft ganz interessante Sachen drin, aber so etwas nunmal auch.) muss man sich echt gewaltig anstrengen.
Lösung: Versuchen wir doch ein mal, die beiden Ansätze zu verknüpfen. Er liebt sie, sie ihn nicht und er muss auch noch die Welt retten. Hah, somit lösen wir die Problematik der Gefühle. Denn wir haben jetzt die Möglichkeit, action (sprich "akschn" oder "äkschn") einzubringen, sobald einem nichts mehr zu Gefühlen einfällt. Hast du Schwierigkeiten, die Gefühle der Charaktere zu beschreiben? Kein Problem, lass die Außerirdischen einfach mal kurz angreifen, vielleicht fällt dir danach etwas ein. Und nicht vergessen, alle muss explodieren. Im Zeitalter der Visualisierung, wo jeder Schinken, der sich einigermaßen gut verkauft hat, verfilmt wird, sollte man damit rechnen, dass es einem selber passiert. Und da wir ja dank Hollywood wissen, dass alles, was nur leicht nach action aussieht, explodieren kann/muss, sollte man den Drehbuchautoren etwas Arbeit abnehmen und selber ein paar Explosionen einbauen.
So, nun zu den Widersachern. Wen es schon action gibt, dann sollte es einem wohl hoffentlich klar sein, dass es dann auch zu Kämpfen kommen wird. Und gegen wen? Ja, endlich, hier ist sie, die Frage. Die Frage! Ich habe persönlich irgendwie ein Problem damit, wenn Menschen sich umbringen. Es mag in Filmen ganz lustig aussehen, ist es aber nicht! DA wir auf action aber nicht verzichten wollen, nehmen wir sofort irgend etwas als Ersatz. Aliens (sprich "älijens") oder Orks o.ä. als Fieslinge. Jemand, der die Welt vor glubschäugigen Außerirdischen rettet, ist schon ein Held, nicht wahr?
Aber jamand, der einen Haufen Menschen tötet, und sei es auch für eine "gute" Sache? Nein danke, das überlasse ich lieber anderen.
So, jetzt dürfte wohl alle geklärt sein, Zum Glück hat die Menschheit noch keine Außerirdischen getroffen. Wen es soweit ist, kriegen ale Sci-Fi Autoren Schwierigkeiten. Dann werden Kämpfe gegen Aliens in einem anderen Kontext stehen. Natürlich nur, wenn sie friedlich sind. Wenn nicht, sollen sie nur her kommen! Wir haben alle unsere Bücher gelesen, gell?
Bis dahin bleibt wohl alle beim alten, nur jetzt hoffentlich ein bisschen genauer geklärt.

Nachwort: Das, was ich hier geschrieben habe, gilt selbstverständlich/hauptsächlich nur für mich und stellt meine Meinung dar. Fall irgend jemand dem hier nicht zustimmt oder sich gar angegriffen/beleidigt (Weichei) fühlt, soll er es mir sagen. Ach ja, ich habe nichts gegen Kafka! Ich beziehe mich hier nur auf eines seiner Werke (der Belesen wird es kennen), welches, gelinde gesagt, seltsam ist.




So, was haltet ihr davon? Hatte ihr schon ma ähnliches erlebt? dass euch leute fragen, warum ihr so etwas macht?
Hats euch gefallen? Oder fandet ihr´s kacke?

Schreibt alles, was ihr sagen wollt. 😉
 
Du hast es ziemlich gut zusammengefasst.

Neue Ideen sind der Stoff für Geschichten, oder eine neue Art, alte Ideen zu erzählen.

Und die findet man in dem mißtönenden Chor von millionen Lohnschreibern nicht mehr häufig. Insofern ist SciFi und Fantasy durchaus die naheliegende Wahl, wobei Fantasy noch ein Stück unkreativer ist, da sich dort viel aus Märchen ableiten lässt.

Allerdings sind die Werke von Kafka allesamt seltsam. Am besten hat mir noch gefallen, wie er sich mal in einen Riesenkäfer verwandelt hat.
 
bitte verschont mich mit Kafka über den machen wir gerade was in der Schule :kotz: (hach, den wollte ich schon immer benutzen) genauso wie über Böll. Ich kann diese Geschichten nicht ausstehen.
Bücher die sich eigentlich (laut dem Autor) von schweren menschlichen Problemen handeln, aber so verwirrend sind, dass das ohne die erklärung gar nicht rauskäm. (ich weiß ist jetzt nen bisschen verwirrend)

Ach ja ich liebe dieses in den Klammern schreiben (manchmal habe ich dann aber nen Problem wenn ich nen Kommentar zum Kommentar abgeben will [dafür brauch ich unbedingt noch ne Lösung])