Der Name dieses Kapitels ist Programm: Eines Besseren belehrt.
Ich habe bereits eine ganze Menge Input bekommen und dadurch viele Ideen, sodass ich die kommenden Kapitel noch einmal ein wenig umschreiben und ändern möchte. Das wird Zeit brauchen – und da mir aktuell die Kapitel ein wenig ausgehen und ich außerdem die nächsten 2 Wochen nicht da bin, wird sich das noch etwas ziehen.
Sagen wir … Ende Mai geht es weiter?
Die Verwaltungsadministration der Imperialen Armee auf Bastet III war ein in sich geschlossener Sektor der Stadt Serareh, dessen Sicherheit durch eine fünfzehn Meter hohe und bis zu neun Meter breite Mauer sichergestellt wurde, auf der in regelmäßigen Abständen Wachposten stationiert waren.
Wuchtige Türme, lediglich mit wenigen Öffnungen versehen und daher eher Schießscharten denn richtige Fenster, standen als viereckige Beobachter in regelmäßigen Abständen über die Verteidigungsanlage verteilt.
Weitere Stellungen für Schwere Bolter und andere Maschinenwaffen säumten den Festungswall, beobachteten das umliegende Gelände mit wachen Augen.
Darunter reckten schwere Geschütze ihre langen Rohre aus kasemattartigen Stellungen in den Himmel wie die Stacheln eines sehr wehrhaften Tieres, bereit, jedem Angreifer im Notfall den Todesstoß zu versetzen.
Ekko schürzte anerkennend die Lippen und lehnte sich in seinem Sitz zurück, als der Stabswagen mit ihm an Bord von der breiten, stark befahrenen Hauptstraße abbog.
Die Kraft und Macht mit der die Bastion jeden Besucher (egal, ob Freund oder Feind) willkommen hieß, versetzte ihn ein ums andere Mal in Erstaunen.
Zwar war es noch nicht lange her, dass er das Gelände zum letzten Mal betreten hatte, doch seitdem schien eine Ewigkeit vergangen zu sein.
Und das Gefühl, die bösartige Fremde eines toten Planeten gegen die vertrauten Gefilde der Heimat eingetauscht zu haben, fühlte sich überdies fantastisch und erhebend an.
Mit diesem Ort verbanden ihn unendlich viele Erinnerungen. Viele von ihnen waren gut, andere wiederrum schlecht. Doch Fakt blieb: Bastet war seine Heimat – und sie würde es immer bleiben.
Das Fahrzeug wurde langsamer und kam schließlich vor einem Tor zum Halten, dessen Größe die einer imperialen Kathedrale nicht zu scheuen brauchte.
Zwei kolossale Pylonen, in Größe und Form den Beinen eines Warlord-Kampftitanen entsprechend, flankierten den Zugang in die ‚Verbotene Stadt‘, der durch einen dicken Schlagbaum versperrt war.
Zwei Wachsoldaten, in die Steppentarn-Uniformen der PVS von Bastet gehüllt und mit den obligatorischen Armaplast-Schutzwesten ausgerüstet, traten aus einem der Pylone, in den eine Art Sicherheitsposten integriert zu sein schien.
Ekko bemerkte, dass jenseits des Schlagbaumes ein Schwerer Bolter in einem befestigten Unterstand wartete, die Mündung auf den Stabswagen gerichtet. Wieso war ihm dieser nicht bei seinen letzten Besuchen aufgefallen?
Das Fenster des Fahrerplatzes fuhr unter dem leisen Surren von Elektromotoren herunter.
»Der Imperator und die Heilige Bastet beschützen«, grüßte der Wachsoldat, der dem Fahrzeug am Nächsten stand, in den Personenraum. »Papiere und Fahrtziel bitte.«
Sein Kamerad, gut anderthalb bis zwei Meter hinter ihm, umrundete die Fahrzeugfront, das Kantrael-Typ-36-Lasergewehr in Pirschhaltung.
»Der Imperator beschützt«; antwortete der Fahrer, ein Adept des Munitoriums. Die Heilige Bastet erwähnte er mit keiner Silbe. »Colonel Galard Ekko, 512. Sera, für Konsul Brag Fradd, Departmento Munitorium.«
Ein Klemmbrett, verziert mit den Insignien des Munitoriums, tauchte aus der Ablage zwischen Fahrer- und Beifahrersitz auf und wechselte den Besitzer.
Der Wachposten besaß sich die Informationen, die ihm die auf das Brett geklemmten Papiere verrieten, ein wenig genauer, dann warf er einen musternden Blick auf den imperialen Offizier auf der Rückbank, welcher diesen auf gleiche Weise erwiderte.
»In Ordnung«, sagte er schließlich und reichte Klemmbrett zurück an den Fahrer, der es wieder in der Ablage verstaute. »Sie können weiterfahren. Möge die Heilige Bastet Sie begleiten.«
»Danke, Corporal. Ruhige Wache. Der Imperator beschützt.«
Mit einem knappen Wink bedeutete der Soldat seinem Kameraden, den Weg freizumachen, dann trat er selbst vom Fahrzeug zurück.
Der Schlagbaum schwang hoch. Sie fuhren wieder an.
Jenseits des Tores öffnete sich das Gebiet urplötzlich.
Ekko kam sich vor wie ein Luftmolekül, das nach seinem Eintritt in die Nase und seinem Ritt durch eine (wenn auch recht kurze) Luftröhre schließlich in der großen Lunge ankam.
Gut einen Kilometer folgten sie einer breiten Straße durch ebenes Gelände, welche durch unregelmäßig gesetzte Schutzbauten und Bunkeranlagen gesichert wurde. Weitere kuppelartige Bauten verrieten, dass sich zusätzlich noch versenkte Unterstände im Gelände verbargen.
Wer diesen Stützpunkt der Imperialen Armee verschlingen wollte, der würde lange an den Verteidigungsanlagen zu knuspern haben und – mit ein bisschen guten Willen des Imperators – sich die Zähne daran ausbeißen.
Eine Unebenheit schüttelte das Fahrzeug durch, traf den Colonel mit dem trockenen Schlag einer detonierenden Handgranate. Soldaten sprangen rund um das Vehikel aus ihren Deckungen, traten den Rückzug vor einem unerbittlichen Feind an, der im Begriff war, die Himmelskathedrale von Agos Virgil im Sturm zu nehmen.
Unter dem dröhnenden Hämmern ihres Zwillingsbolters setzte eine Chimäre aus ihrer Stellung, wollte die Flucht der Infanteristen decken. Eine Rauchfahne zischte über Ekko hinweg, grub sich tief in das imperiale Kettenfahrzeug.
Mit einem trockenen Knall hob der Turm des Schützenpanzers ab, wirbelte in den azurblauen Himmel davon. Ekko blinzelte und wandte sich um.
Nur ein Tagtraum, versuchte er sich einzureden.
Eine Erinnerung an vergangene Zeiten. Aber aus irgendeinem Grund war er sich dessen selbst nicht ganz sicher.
Sie ließen das Areal, das als »Sperrstreifen« bezeichnet wurde, hinter sich und folgten der Straße bis zu deren Mündung, einem ausladenden Kreisverkehr, auf dessen Mittelinsel eine aufragende, reich verzierte Säule die Ankömmlinge ins Herz des Armeehauptquartiers willkommen hieß.
Richtungsweiser, unförmige Tafeln mit gotischer Schrift, erklärten Ortsfremden mit knappen Worten, in welche Schwerpunktbereiche des Festungssektors die Fahrtwege ausfächerten, mit denen der Kreisel verbunden war. Ekko allerdings kam gar nicht dazu, einen längeren Blick auf die Schriften zu werfen, die ihm den Weg zu seinem Ziel gewiesen hätten, denn der Fahrer lenkte sein Gefährt mit überraschend hoher Geschwindigkeit in und durch den Kreisel, bevor sie ihn durch die dritte Ausfahrt gegen den Uhrzeigersinn wieder verließen.
Immer tiefer drangen sie in das einem Bronchialgeflecht gleichende Straßenverkehrsnetz ein, das sich irgendwo zwischen den gewaltigen Silhouetten wuchtiger Gebäude verlor.
Alles in allem wollte es dem Colonel so vorkommen, als repräsentiere die Anlage an sich die gesamte Struktur, mit der das Imperium auf Bastet III eingefallen war. Zumindest beschlich ihn das Gefühl, als er versuchte, sich einen geistigen Lageplan des Weges zu skizzieren.
Nach einer Weile gab er es auf. Blieb nur zu hoffen, dass zumindest der Fahrer wusste, wo in dem tief verschachtelten Sektor er seinen Gast abzusetzen hatte. Andernfalls würde der Colonel sich verirren und nie wieder heil aus der Verwaltungsadministration herausfinden.
Aber, schoss es ihm durch den Kopf,
vielleicht hatte man ja auch gar nichts anderes beabsichtigt gehabt.
Wie die meisten Gebäude auf Bastet III war auch die Basilica Administratum des Departmento Munitorium ein auf Funktion ausgelegtes Gemäuer. Statt der trotz ihrer Wucht fragil erscheinenden, sehr vertikal betonten Bauwerke der imperialen Gotik, die vor allem durch ihre kunstvolle Bauweise und reiche Verzierungen bestachen, hatte man sich beim Bau des Administratums an einer im Vergleich dazu fast schon archaischen Baukunst bedient: der Monumentalbauweise. Das Gebäude musste nicht gut aussehen. Es sollte stattdessen möglichst starkem Beschuss standhalten und gut zu verteidigen sein.
Ein Horror für jeden Gegner, der es wagte, durch die Stadtmauern von Serareh zu brechen, den Festungssektor zu nehmen und das Munitorium zu attackieren.
Auf Bastet dachte man pragmatisch.
Dies begrenzte natürlich vor allem die Höhe der einzelnen Bauwerke, denn durch den Einsatz schwererer Materialien in Decken und Seitenwänden erhöhte sich der Druck, welcher auf besagten Seiten lag, exponentiell. Dadurch kam es, dass die Bauwerke mit wachsender Größe ‚kopflastig‘ zu werden drohten, was wiederrum eine Verstärkung der Mauern und somit eine Erhöhung des Gesamtgewichts notwendig machte.
Im Grunde ließ sich das Bauprinzip mit der Errichtung einer Sandburg vergleichen. Je mehr Sand man auf das Gebilde schüttete, umso massiger wurde es in seinen Ausmaßen. Allerdings verlor es dabei auch Beständigkeit und bereits eine kleine Erschütterung ließ ganze Teile des aufgeschichteten Sediments abrutschen.
Dasselbe Prinzip – wenn auch in anderen Ausmaßen und mit einem leicht differenzierten Hintergrund – konnte auf die Bauwerke Bastets angewandt werden. Und besonders die Bedrohung durch Feindfeuer erwies sich als katastrophal für die Lebensdauer der auf diese Weise errichteten Häuser, Tempel und Komplexe.
Und so hatte man mit der Zeit immer mehr Modifikationen vorgenommen, die sich auf die Sicherheit und die Statik auswirkten. Eine leichte Böschung der Außenwände ermöglichte es, die Stabilität der Gebäude zusätzlich zu erhöhen und ein wenig mehr des auf den Seitenwänden lastenden Drucks abzuleiten.
Aber im Grunde blieb das Problem unverändert:
Die basteter Bauwerke erschienen vergleichsweise blass und wenig beeindruckend im Angesicht anderer imperialer Konstruktionen, ähnlich einem kleinen, dicken Mann neben einer wohlgeformten Göttin.
Politisch, wirtschaftlich oder sozial bedeutende Gebäudekomplexe, Anlagen des öffentlichen Lebens sowie Stadttore oder Einlässe in bestimmte Gebiete bedienten sich daher eines kleinen Tricks, um ihre Bedeutung im generell sehr niedrigen gehaltenen Aufbau basteter Bauwerke ein wenig hervorzuheben: sie nutzten Pylone.
Pylone waren architektonische Besonderheiten, wie sie im Imperium nur auf wenigen Planeten vorkamen. Entgegen dem eigentlich obligatorischen gotischen Baustil, der die Macht und Eleganz eines Gebäudes als ebenmäßiges Werk auf dessen gesamter Größe präsentierte, taten Pylone im Grunde das Gegenteil.
Sie waren so etwas wie die Stein gewordenen potemkinschen Dörfer. Aufragende Turmkonstruktionen, die einer dahinterliegenden Anlage ein wuchtiges und vor allem wichtiges Erscheinungsbild verliehen, das diese eigentlich gar nicht besaß.
Auf Bastet symbolisierten diese wuchtigen Türme, die immer einen zentralen Torüberbau einrahmten, zudem die Berge des Horizonts, hinter denen die Sonne versank oder denen sie entstieg. Wie eine Grenze zwischen profanem und sakralem Raum, die das Leben der gewöhnlichen Menschen von den Heiligtümern des Imperators trennten.
Bauwerke, die sich reich verzierte Pylone leisten konnten, galten darüber hinaus als besonders wichtig und beachtenswert.
So auch die Verwaltung des Department Munitorium; ein gewaltiges, im Grundriss rechteckiges Bauwerk mit einer hochaufragenden Front aus insgesamt vier Pylonen, die ihm das Erscheinungsbild einer unfertigen Mauer gaben.
Gotische Zeichen, Statuen und Steinbilder zierten die Eingänge, hießen den ehrfürchtigen Besucher in ein Gelände Willkommen, von dem man wohl eher angenommen hätte, es sei einer besonders wichtigen und tragisch verschiedenen Persönlichkeit gewidmet.
Dass er in seinem Leben schon öfter falsch gelegen hatte, dass wusste Galardin Ekko. Aber als er sich an die Worte erinnerte, mit denen er Major Carrick vor nicht allzu langer Zeit beruhigt hatte, da keimte in ihm die Vermutung auf, dass er wieder einmal seiner großen Nemesis, dem allmächtigen Universum, in die Falle gegangen war.
Zumindest wollte es ihm so vorkommen, als er dem Wachposten, einem jungen Mann mit scharf geschnittenem Gesicht und dunklem Haar, vor dem Eingang zum Palast des Departmento Munitorium seinen Dienstausweis vorzeigte.
Der Mann beäugte ihn und die Angaben, auf der Identifikationsurkunde kritisch, so als gleiche er die schriftliche Behauptung eines Besuchers mit einer Liste geladener Bankettgäste ab. »Colonel Ekko?«, fragte er.
»Gibt’s hier sonst noch eine derart gut aussehende Persönlichkeit?«, fragte Ekko zurück.
Ein Moment der Stille folgte. Für kurze Zeit säuselte nur der Wind seine sanfte Melodie. In der Ferne schrie ein Gladius-Vogel lachend.
Sein Gegenüber versteifte sich und hob abrupt den Kopf. Eine Zeit lang suchte der Mann nach den richtigen Worten, um die Bemerkungen zu parieren, obwohl ihm die eingreifende Stille verschwörerisch zuflüsterte, er solle stattdessen doch lieber die Daten auf dem Ausweis mit den Identifikationsmerkmalen des imperialen Offiziers abgleichen.
Einige Gedankengänge später entschied sich der Wachposten, diesem doch sehr rationalen Vorschlag zu folgen.
Sein durchdringender Blick fiel auf das Gesicht, des Colonels, dann wieder auf den Ausweis. Als nächstes auf die Rangabzeichen auf dem Mantel, dann wieder auf den Ausweis. Zuletzt musterte der Sicherheitsposten den Nametag auf dem Drillich des Basteters, bevor er auch diese Information mit den Daten verglich, die ihm das Ausweispapier zeigte.
»Die Papiere sind in Ordnung«, gab er nach dieser doch sehr eingehenden Prüfung mit gewichtiger Stimme bekannt und gab den Ausweis zurück.
»Danke«, erwiderte Ekko, nahm den Ausweis an und steckte ihn in die Brusttasche seines Drillichs. Am liebsten hätte er den Soldaten aufgefordert, ihm im Gegenzug seinen Ausweis zu präsentieren, aber irgendwie war er dann doch viel zu faul dazu.
Er erwiderte den Gruß des Mannes und machte sich auf den Weg in die Tiefen der imperialen Administration.
Aus den Innenseiten der mächtigen Pylone beobachteten ihn die fein gehauenen Statuen bastetischer und imperialer Berühmtheiten.
Jenseits des wuchtigen Eingangs verstärkte sich der Eindruck, den die Anlage erweckte, in kürzester Zeit auf ungeahnte Weise.
Dort entspann sich ein massives Geflecht aus mehrstöckigen Administrationsgebäuden und Archiven, Bibliotheken und Amtszimmern, Sekretariaten und Kanzleien für die Arbeit von Tausenden, dank deren Hilfe sich nicht nur die PVS, sondern auch die auf Bastet ausgehobenen Truppenverbände der Imperialen Armee verwalten ließen.
Zentrum dieses ausladenden Areals war eine tempelartige Anlage aus großen, schweren Mauern und mächtigen Pylonentürmen, die ihr das Aussehen einer toten Spinne gaben, flankiert von langen Reihen aus Pfeilern und Säulen, Arkaden und Kolonnaden, die in gleichmäßigen Abständen voneinander die Längsfassaden säumten.
Allein der mit fein behauenen Steinen ausgelegte, breite Weg, der den Besucher durch den Haupteingang der Außenanlage bis ins Innerste der Armeeverwaltung führte, schüchterte durch die massive Zurschaustellung imperialer Macht derart ein, dass sich der Unglückliche wohl gefragt hätte, ob er diesen Bereich von Serareh jemals wieder würde verlassen können.
Alles an dem ehrfurchterregenden Werk zielte darauf ab, seinen Besuchern die allumfassende Macht des Imperiums zu präsentieren und mit erhobenem Finger daraufhin zu weisen, wie klein man in dessen Angesicht war.
Aufragende Palmen warfen eigenartige Schattenmuster auf den Vorplatz der Gebäudeflut. Seltsame, im leisen Säuseln des Winds lebendig erscheinende Gestalten, die über den Boden krochen wie zweidimensionale Monster, immer auf der Suche nach einem unvorsichtigen Ziel, das sie einhüllen und in ewige Dunkelheit stürzen konnten.
Einen Moment lang blieb der Colonel stehen, betrachtete den Bau vor sich und dachte an jenen Tag zurück, als er die Mauern des Administratums zum letzten Mal durchschritten hatte. Jenen Tag, an dem sich sein Schicksal untrennbar mit dem Schicksal des 512. Regiments Sera verknüpfte. Im Angesicht der vergangenen Monate fühlte sich die Erinnerung surreal an, fast unwirklich.
Konnte es wirklich wahr sein, dass er und seine Untergebenen sich erst vor einem halben Jahr aufgemacht hatten, gegen die Bösartigkeit des Universums anzutreten?
In seiner Erinnerung kam ihm das viel länger vor. Dort fochten sie bereits ein ganzes Zeitalter mit den Mächten der Finsternis – und gegen sich selbst.
»Entschuldigung, Colonel Ekko?«, adressierte ihn eine Stimme, irgendwo links im toten Winkel seiner Augen.
»Was würde Sie tun, wenn ich ‚Nein‘ sage?«, konterte er rhetorisch, während sein Blick auf dem Schattenspiel der Bäume fokussiert blieb.
»Das würde ich für sehr unwahrscheinlich halten«, fügte die Stimme an.
»Sehr mutig von Ihnen«, merkte der Offizier an, indem er sich nun doch umwandte.
Die rot berobte Gestalt vor ihm verneigte sich tief, sodass es dem Colonel nicht möglich war, ihr tatsächliches Aussehen zu erfassen. Allerdings ahnte er bereits, dass sicherlich kein Mensch vor ihm stand. In den administrativen Rängen der imperialen Verwaltung war der Anteil an reinen Menschen gering. Zu einem weit größeren Teil beschäftigte man dort Hybridwesen aus Lebewesen und Maschinen. Einerseits, weil diese in bestimmten Funktionen auf die mächtigen Fähigkeiten ihrer widernatürlichen Bauteile zurückgreifen mussten. Andererseits, weil es manche Leute schick fanden, ihre Körperteile durch Maschinenteile zu ersetzen – oder weil es nötig wurde.
In beiden Fällen wurden sie Colonel Ekko suspekt. Ihm war natürlich bewusst, dass kybernetische Lebewesen das Imperium am Leben (und am Laufen) hielten. Allerdings waren sie nun mal nicht mehr »ganz«. Und das beunruhigte den Offizier in ihm. Technologie war nicht so berechenbar wie der menschliche Wille. Diese Erfahrung hatte er mehrmals gemacht. Zumeist ging mit dem Machen einer solchen Erfahrung eine unglückliche Entwicklung einher, die ihn schon mehr als einmal in eine missliche Lage brachte.
Postwendend fiel ihm der Spiegel der Erinnerung mit Bildern aus der Schlacht vor Agos Virgil vor die Füße, wo er durchweg mit Technologie in Konflikt geriet und sogar in die Gefahr, von dieser getötet zu werden.
Thronverdammte Raketenbatterien, dachte er bei sich und betrauerte stumm seinen alten Mantel.
Dann fiel er zurück in den Normalraum und sah auf. Der Mann vor ihm verneigte sich nach wie vor. »Und wer sind Sie?«, wollte der Colonel wissen.
»Nator, Colonel, Lexicat ersten Ranges des Konsuln Brag Fradd, Departmento Munitorium, Dienststelle Bastet, zu Ihrer Verfügung.«
»Was haben Sie getan, damit Ihnen diese Ehre zu Teil wurde?«, entwich es dem Colonel noch bevor er es verhindern konnte.
Die andere Gestalt sah ihn verständnislos an.
Ja, natürlich, dachte Ekko bei sich. Lexicaten waren Verwaltungsservitoren, so wie die meisten Servitoren höchstwahrscheinlich ehemalige Verbrecher, die man durch Bauteile »ergänzte« und sie dann umprogrammierte, damit sie der Gesellschaft dienten. Wenn das Ding vor ihm auf dieselbe Weise in den Dienst des Munitorium gelangt war, dann würde es sich vermutlich nicht mehr daran erinnern.
»Vergessen Sie es«, meinte er abwinkend.
Der Lexicat verneigte sich andeutungsweise. »Wollen wir?«, fragte er und hob einladend die Hand, deren metallene Skelettfratze Ekko herausfordernd anblickte.
Er ließ sich vor ihn nicht beeindrucken, sondern nickte stattdessen. »Nach ihnen.« Es war sicherlich keine Freundlichkeit, die aus ihm sprach.
Sie überquerten den Platz und traten durch den reich verzierten Haupteingang.
Schatten schnappten nach ihnen, zogen schnell über die hinweg und blieben dann stirnrunzelnd stehen ob der Tatsache, dass sie ihre Opfer nicht packen und mit sich in die Dunkelheit zerren konnten.
Im weiteren Verlauf des Tages würden diese lichtlosen Räume jenseits der blockierenden Palmblätter in ihre düsteren Höhlen zurückkehren und erregt über die Tatsache debattieren, weshalb es ihnen nicht vergönnt war, denselben Festigkeitsgrad zu erreichen, den sie bei sämtlichen dreidimensionalen Körpern in ihrem Erfassungsbereich beobachteten. Im Augenblick allerdings ärgerten sie sich einfach nur.
Derweil folgte Ekko dem ihm vorausgehenden Lexicat, der mit seiner deutlich zu langen Kleidung den Boden wischte, durch ein Geflecht aus mehrstöckigen Administrationsetagen, auf denen die Archive, Bibliotheken und Amtszimmer, Sekretariate und Kanzleien für die Arbeit von Tausenden lagen, dank deren Hilfe sich die auf Bastet ausgehobenen Truppenverbände der imperialen Armee verwalten ließen.
Und aus irgendeinem Grund kam er sich dabei wie ein Vollidiot vor. Ob das allerdings an der Tatsache lag, dass er sich wieder einmal hoffnungslos in dem Gewirr aus Gängen verloren hatte oder er nach wie vor über die prekäre Situation nachgrübelte, in die er gebracht worden war, hätte er später nicht mehr sagen können.
Die Echos ihrer Schritte sprangen zwischen den langen Reihen der sie flankierten Pfeilern und Säulen, Arkaden und Kolonnaden umher wie eine kleine Hexe, die sich während ihrer ersten Flugversuche von den aufragenden Fassaden archaischer Häuser abstieß. (Ein Vergleich, für den der Chronist dieser Geschichte irgendwann einmal von zwei gut aussehenden Zwillingsschwestern des Adeptus Sororitas besucht wird.)
»Wie, sagten Sie noch einmal, heißen Sie?«, erkundigte sich Ekko, nachdem sie in einen Seitengang abgebogen waren und den Aufzug in die nächste Etage betreten hatten.
Noch während er auf dem Bedienelement das Ziel ihrer Reise eingab, spulte der andere seine Begrüßung erneut ab: »Nator, Colonel, Lexicat ersten Ranges des Konsuln Brag Fradd, Departmento Munitorium, Dienststelle Bastet, zu Ihrer Verfügung.«
»Verstehe«, antwortete Ekko und beobachtete, wie sich die grauen Türen des Lifts zuschoben, bevor er seine Augen auf den Lexicat richtete, der nun endlich die weite Kapuze seiner Robe abnahm.
Nator wirkte auf den ersten Blick wie ein unauffälliger, normaler Mensch mit wenig Haar und einer recht hohen Stirn, die ihm in Verbindung mit einer langen Nase ein vogelartiges Aussehen verliehen. Bei genauerem Hinsehen allerdings fiel dem Betrachter auf, dass die rechte Gesichtshälfte seltsam leblos wirkte. Fast wie bei einer Puppe, der man menschliche Haut aufgezogen hatte. Es war dem Colonel bereits bei der Begrüßung aufgefallen, denn dem eilig aus Nator hervorbrechenden Redeschwall schien zumindest diese Hälfte des Gesichts ein wenig hinterherzuhinken. Die Bewegungen der Wangen- und Mundpartie machten einen behäbigen Eindruck. Selbst ohne, dass dem Colonel der Technologisierungsgrad direkt offenbar wurde, ließ sich erkennen, dass Nator kein vollständig, funktionierender Mensch mehr war.
Einer der Gründe, aus denen Ekko seinen Blick nicht von ihm abwandte.
Nach einem kurzen Moment, der dem Colonel eher vorkam wie ein schwacher Ruck, hielt der Aufzug bereits auf der Etage, die der Lexicat eingegeben hatte. Sie stiegen aus.
Ein ausgewaschener, weinroter Teppich führte ihre Schritte tiefer in das triste, sandfarbene Innenleben der Munitoriums-Außenstelle, bemüht, wenigstens den Anschein einiger farblicher Akzente zu wahren.
»Bitte hier entlang«, bedeutete sein Führer ihm zu folgen, bevor er sich nach rechts in einen neuen Gang wandte, der von schmalen, eckigen Säulen flankiert wurde.
Wuchtige, mit Ornamenten reich verzierte Vasen duckten sich hinter die Pfeiler, musterten die Ankömmlinge kritisch und beobachteten jeden ihre Schritte aufmerksam, während die in ihnen lagernden Pflanzen traurig ins Leere starrten.
Ein unheimliches Gefühl der Rastlosigkeit machte sich in Ekko breit. Fast wie eine innere Stimme, die ihn regelrecht anflehte, den kalten Gebäudekomplex so schnell wie möglich zu verlassen.
Nun allerdings war es zu spät. Sie gelangten an ein großes, reich verziertes Tor, vor dem zwei Wachsoldaten ihre Posten hielten.
In dem Moment, da die beiden Ankömmlinge in Sicht kamen, nahmen die Männer zackig Haltung an. Die Gewehre schnellten in den Vorhalt.
Das Klirren der Repräsentationsrüstungen hallte weit über den erstaunlich leeren Gang, prallte von den Wänden und ab und verlor sich, ebenso hilflos wie Colonel Ekko, irgendwo zwischen den Säulen und Kolonnaden.
»Ist es nicht wunderbar, endlich wieder den straffen Formaldienst und die unbedingte Pflichterfüllung der PVS von Bastet III zu erleben?«, erkundigte sich der Lexicat, bevor er die roten, mit engen Reihen aus Totenschädeln besetzten Flügeltüren aufstieß und in den Raum dahinter trat.
Ekko derweil blieb direkt neben einem der in Präsentierhaltung verharrenden Soldaten stehen und betrachtete ihn eine Weile, bevor er drohend den Finger hob. »Sie haben da ein Staubkorn«, mahnte er und folgte dem Lexicaten erst, als die Antwort darauf ausblieb.
Brag Fradd, seines Zeichens Konsul des Departmento Munitorium, stand am Glas des mächtigen gotischen Fensters seines Büros und blickte auf die glitzernden Fluten der Maat, eines der großen Flüsse, welche die wenigen Meere Bastets speisten.
Die Basteter bezeichneten die Maat als Fluss des Schicksals, der die Träume, Wünsche und Hoffnungen der Menschen mit sich nahm und sie in das Meer der Tränen führte, wo sie verdunsteten und sich mit dem Universum vereinigten, auf dass der Imperator sie erhörte und in seiner unendlichen Gnade vielleicht die eine oder andere Bitte gewährte.
Ohne Frage bot der mächtige Strom einen erhebenden Anblick, aber für Fradd war er tatsächlich nicht viel mehr als eine stete Erinnerung an sein eigenes Schicksal.
Er war kein Basteter. Beileibe nicht. Die Menschen und die Kultur dieses Planeten waren ihm fremd. So fremd, dass er sie jeden Tag aufs Neue verteufelte.
Doch mehr als das konnte er nicht tun. Das wehrhafte Tier, das das Departmento Munitorium in Vertretung des Imperiums darstellte, schnappte nicht nur nach Feinden außerhalb seiner Reihen. Es riss die Menschen aus ihren Welten und verschleppte sie, irgendwohin in eine dunkle Höhle abseits der gewohnten Gefilde.
Doch wo die Furcht grassierte, sich der eigenen Welt zu entfremden, da gab es auch Widerstand. Da versuchte man, den Unannehmlichkeiten zu entfliehen, sobald sich einem die Gelegenheit bot.
Besonders traf dies auf ‚Außenweltler‘ zu, die, in die Regionen Bastets getrieben, dort strandeten und nach jeder Möglichkeit griffen, sich der wenig wohlgesonnen Umwelt und beziehungslosen Kultur zu entziehen.
Eigentlich an die gemäßigteren Zonen seiner Heimatwelt Abudant Minor gewöhnt, hatte es Fradd im Laufe seiner Dienstzeit in die ariden Gegenden verschlagen, aus denen sich das Gros der bewohnbaren Landfläche Bastets zusammensetzte. Tatsächlich glaubte er, in seiner Versetzung – wenn auch verknüpft mit einer Beförderung zum Konsul des Departmento – einen verzweifelten Versuch der Administration zu erkennen, seinem steilen Aufstieg auf die gleiche Weise ein Ende zu bereiten, wie eine Guillotine einem Delinquenten.
Wer einmal auf eine Welt wie Bastet versetzt worden war, eine unwirtliche und ungastliche Gegend, von der sich jeder zivilisierte Einwohner des Imperiums so weit wie möglich entfernt hielt, der erlitt einen tiefen Knick im weiteren Fortschritt seiner Karriere.
Tatsächlich bezeichnete man Posten wie den des Obersten Konsuls der Departmento Munitorium, Außenstelle Bastet, als Posten ohne Widerkehr – passend zu den Legenden, die sich in den Gegenden dieser fast schon neo-barbarischen Provinz hielten.
Zugegeben. Es handelte sich bei Bastet weder um eine Todeswelt, noch irgendeinen vom dauerhaften Krieg gebeutelten Planeten.
Wen es an einen solcher Ort verschlug, der brauchte sich keine Illusionen zu machen: Er würde nie wieder in die Wirklichkeit eines gemäßigten Lebens zurückfinden.
Bastet lag also nicht wirklich am Ende der Galaxie. Aber man konnte es von dort aus sehen.
Es wollte einem beinahe so vorkommen, als löste sich die Welt von Brag Fradd allmählich auf. Als zerfiel sie wie eine Papyrusrolle, die nach Jahrtausenden in einer Krypta von einem unachtsamen Archäologen ans Tageslicht befördert wurde.
Und das ärgerte ihn. Sehr sogar.
Denn Brag Fradd war ein sehr ambitionierter Mensch. Dass man seinem Fortkommen im mächtigen Verwaltungsapparat des Munitorium auf diese Weise ein Ende bereiten zu bereiten schien, das wollte er einfach nicht akzeptieren. Er konnte es nicht.
Für ihn, den eleganten, halbaristokratischen Sohn eines Magistraten des Imperiums, hatte es so etwas wie den hingebungsvollen Dienst nie wirklich gegeben. Der Imperator nahm und der Imperator gab.
Und da er Brag Fradds Dienste in Anspruch nahm, erachtete dieser eine Belohnung für seine Arbeit stets als selbstverständlich.
Dass es plötzlich anders sein sollte, wäre ihm nie in den Sinn gekommen. Dabei hatte er fortwährend versucht, seine Position durch kleine, aber gezielte Schläge gegen seine zumeist unfähigeren Kontrahenten zu behaupten.
Der Zweck heiligte nun einmal die Mittel. Zumindest von Zeit zu Zeit.
Dass ihn das Adeptus Administratum auf diese Weise für seinen Einsatz regelrecht bestrafte, das wollte ihm einfach nicht in den Kopf. Undankbares Pack.
Leider half leises Fluchen ihm an diesem Punkt auch nicht unbedingt weiter, sodass ihm lediglich blieb, die seinem Rang angediehenen Annehmlichkeiten in Anspruch zu nehmen, um der traurigen Wahrheit zumindest für einige Zeit zu entfliehen.
Und außerdem, zumindest das beruhigte ihn ein wenig, gab es Menschen, die sich in einer deutlich schlechteren Position wiederfanden als er.
Einer dieser Menschen wurde gerade von einem seiner Servitoren in den ausladenden Amtsraum geführt, in dem Fradd residierte, und bedachte ihn nun mit abwesenden Blicken aus Augen, die die Farbe brackigen Wassers besaßen.
Sein Name war Galardin Alberic Ekko, geboren und aufgewachsen auf Bastet. Allein das stellte bereits eine Sonderheit ohnegleichen dar. Wie sich jemand an einem Ort wie diesem aus dem Mutterleib quälen konnte, würde einem Menschen wie Fradd wohl immer ein Rätsel bleiben.
Dass Ekko überdies auch noch entschieden hatte, als Offizier im Astra Militarum – so der offizielle, hochgotische Name der Imperialen Armee – zu dienen, konnte man nur als passend bezeichnen … oder als abartig. Aus der Unwirtlichkeit in das Vergessen.
Vermutlich der Weg eines jeden Kriegers. Zumindest, wenn er für das Imperium der Menschheit kämpfte.
Und dabei wirkte der Mann, dessen Rangabzeichen ihn als Colonel auswiesen, nicht einmal wie ein Soldat.
Zwar trug er die unauffällige Steppentarnuniform aller bastetischen Einheiten, sowie einen Offiziersmantel und eine Schirmmütze mit dienstlich gelieferter Staubschutzbrille, aber dennoch erweckte er eher den Eindruck, sich demnächst auf eine Wandertour irgendwo in den Gebirgen des Jareth-Bezirkes begeben zu wollen, als den eines heroischen Kämpfers.
Sein Haar und Bart, beides von einer kräftigen, dunklen Färbung durchsetzt, wirkte zerzaust und in der Entscheidung gefangen, ob es sich als gestutzt oder wild bezeichnen lassen wollte. Die Haltung, mit der er sich präsentierte, ließ ihn irgendwie kraftlos erscheinen.
Hätte Fradd es aufgrund der Aktenlage nicht besser gewusst, er wäre überzeugt gewesen, dass sich die Person vor ihm einen Scherz erlaubte.
Doch neben den Informationen, die er über Ekko besaß, waren es vor allem die seltsam undefinierbaren Augen, die den Konsul warnten, sich vor seinem Gegenüber in Acht zu nehmen. Trotz aller Verschwommenheit wohnte ihnen ein gefährliches Funkeln inne, das normalerweise einem ungemein scharfen Verstand zu Eigen war.
Er erhob sich. »Colonel Ekko!«, begrüßte er den Ankömmling, während er seinen ausladenden Schreitisch aus dem Holz einer antiken Palmenart umrundete. »Willkommen auf Bastet – oder sollte ich sagen: zu Hause?«
Der Colonel ließ einen Augenblick verstreichen, den Fradd nutzte, ihm entgegenzutreten, bevor er die ihm dargebotene Hand recht desinteressiert schüttelte. »Bleiben wir bei Bastet«, sagte er mit einer Stimme, die auf bizarre Weise zu ihm passte. Sie war tief und mit einer Spur Nachdenklichkeit durchsetzt.
Für einen Basteter beeindruckend akzentfrei, glaubte Fradd dennoch zu bemerken, dass die Worte des Mannes schwer an einer Art Gelassenheit schleppten, die fast an Desinteresse grenzte.
Fast so, als stünde der Mann unter Drogeneinfluss. Ein Eindruck, der im Angesicht seiner doch eher abenteuerlichen Beurteilungen durchaus im Bereich des Möglichen lag.
»Natürlich«, erwiderte der Beamte. Hätte er sich in einem Spiegel betrachten können, ihm wäre aufgefallen, dass sein in Jahren administrativen Dienstes antrainiertes Lächeln verrutscht war. Nicht viel, aber es hätte gereicht, um Fradd zu ärgern, wo er sich anderen gegenüber doch eigentlich sehr gerne überlegen gab. »Wollen wir uns setzen?«
Ekko ließ einen Moment verstreichen, bevor er reagierte, der freundlichen Aufforderung nachkam, auf einem von zwei vor dem Palmenholzschreibtisch drapierten, archaischen Sesseln Platz zu nehmen. Altehrwürdiges Leder knirschte, als er sich setzte.
Auch der Konsul kehrte zu seinem Platz zurück, um sich mit einem hörbaren Ächzen in seine opulente Sitzgelegenheit sinken zu lassen.
Stille füllte den riesigen Raum, den Fradd als sein Arbeitszimmer zu bezeichnen pflegte, wie Wasser, das durch ein breites Rohr in einem leeren Tank gepresst wurde.
Als sie bereits zwei Handbreit unter der Decke stand, atmete der Konsul tief ein. »Tja, Colonel. Die Umstände, die Sie herführen, sind höchst unerfreulich«, umschrieb er den ersten Grund, aus dem er Ekko an diesem Tag in das Munitoriums-Hauptquartier von Bastet hatte kommen lassen.
»Ja«, antwortete der Besucher. »Ich wäre auch lieber ganz woanders.«
Nicht sicher, wie diese Bemerkung gemeint war, überhörte Fradd sie geflissentlich und fuhr stattdessen fort: »Fünf Regimenter, einfach vernichtet …«
»Vier Regimenter«, unterbrach der Colonel. »So etwa vierhundert Leute habe ich noch.«
»Aber – das ist noch nicht einmal Bataillonsstärke!«, versuchte der imperiale Administrat die Worte einzuordnen. »Sie hatten mal dreitausend Mann!« Er schüttelte entsetzt den Kopf. »Wie konnte es soweit kommen?«
Bei diesen letzten Worten wurde sein Tonfall bissiger und anklagender, gewürzt mit einem aggressiven Sarkasmus, der dem Gast sicherlich nicht entging. Zumindest deutete der ruckartige Augenaufschlag von Seiten Ekkos darauf hin, der das gefährliche Feuer hinter seinen brackwasserfarbenen Augen zum Vorschein brachte.
»Würden Sie mir glauben, wenn ich behaupte, dass es ein unglücksseliger Navigationsfehler war?«, erkundigte sich der Offizier.
Fradd öffnete den Mund zu einer scharfen Erwiderung, schloss ihn jedoch unverrichteter Dinge wieder. Wie sollte er darauf antworten?
Ekko kämpfte mit einem zweischneidigen Schwert. Als Militärführer für die Erfolge und Missgeschicke seiner Einheit verantwortlich, ließ er sich dennoch nicht für Schäden haftbar machen, für deren Geschehen er sich nicht schuldig sah.
Und wie Fradd nicht nur aus den sehr ausführlichen Berichten zur Schlacht von Agos Virgil, sondern vor allem dem Verhalten seines Gegenübers schloss, sah dieser keinen Grund, sich für den Verlust von dermaßen vielen Leben haftbar zu sehen.
Er war an jenen Ort befohlen worden und hatte dort das getan, was man von ihm erwartete und vor allem, was ihm laut all der über ihn existierenden Berichte entsprach: Trotz aller Widrigkeiten weiter ums Überleben zu kämpfen.
Kurz gesagt: Im Verständnis des gewöhnlichen imperialen Bürgers galt dieser Mann als Held, nicht als Schuldiger.
Im Grunde konnte man ihn auch nur als begrenzt verantwortlich bezeichnen, denn er war weder der Oberkommandierende des Verbandes gewesen, noch hatte er dessen Ansichten uneingeschränkt gestützt. Doch vor allem das in seinen eigenen Berichten skizzierte Verhalten seiner Person warf die eine oder andere Frage auf. Fragen, die zu stellen Brag Fradd nicht befugt war. Zumindest nicht öffentlich.
Natürlich hätte er den imperialen Offizier für seine Bemerkung zurechtweisen können, doch er bezweifelte, dass das Ekko wirklich imponiert hätte. Er schien nicht der Typ dafür zu sein.
»Ich hätte nicht gedacht, dass Sie auf derartige Schwierigkeiten stoßen würden«, stellte der Konsul nachdenklich fest, lehnte sich in seinem Sessel zurück und strich sich über den Kinnteil seines Knebelbarts.
»Als
Schwierigkeit würde ich das nicht bezeichnen.« Ekko zuckte die Achseln. »Eher als Katastrophe.«
Fradd, immer noch damit beschäftigt, sein Barthaar zu striegeln, hakte nach. »Hätte es denn eine Möglichkeit gegeben, die Verluste zu vermeiden?«
Wieder füllte Stille den Raum, gurgelte über Sitzmöbel, Tische und Regale, ertränkte Papiere und Datenblätter, von denen mehrere Dutzend fein säuberlich auf Fradds Schreibtisch gestapelt lagen, und schickte sich an, erneut bis an die gut fünf Meter über ihnen residierende Decke zu steigen, als sie zum wiederholten Male von dieser Tätigkeit abgehalten wurde. Dieses Mal war es das urplötzliche Auflachen von Galardin Ekko, das nicht nur die Stille, sondern auch den verhältnismäßig schlanken Konsul überraschte, auf dessen länglichem Gesicht tiefe Falten erschienen.
»Na ja«, sagte der Colonel schließlich. »Wenn wir nicht hingegangen wären, dann schon.«
Erneut landete Galardin Ekko einen Volltreffer mit seinem zweischneidigen Schwert. Als Kommandeur seiner Einheit war er für den Dienst und die Leben seiner Untergebenen verantwortlich, ebenso wie für den ihm erteilten Auftrag. Es oblag seiner Verantwortung, diese beiden sich opponierenden Pflichten eines Kommandeurs gegeneinander abzuwägen und im Namen und zum Wohl des Imperiums zu entscheiden, welche von ihnen schwerer wog und wie er sie am besten gewichtete und kombinierte.
Nun aber stand dem Colonel nicht frei zu entscheiden, einen ihm gegebenen Befehl einfach zu ignorieren oder den Sinn dessen zu hinterfragen, was ihm aufgetragen worden war.
Allein das ließ sich als Kritik am Verwaltungsapparat des Imperiums auffassen und konnte zu schweren Strafen, zumindest aber zu Entrüstung und Ablehnung führen.
Dementsprechend aufgebracht reagierte Fradd auf die Worte seines Gegenübers: »Das ist beschämend!«, rief der Konsul entrüstet aus. »Blasphemisch! Wie können Sie es wagen …?!«
Doch darauf schien Ekko nur gewartet zu haben. Noch während der Konsul seine Wut über die sarkastisch-freche Aussage in den ausladenden Raum warf, begann bereits der verbale Gegenschlag des Colonels. Deutlich ruhiger, aber mit bestimmter und eindringlicher Stimme, die dem Administraten den Mund schloss, erwiderte er: »Nein! Wie können Sie es wagen?!«
Brag Fradd hatte nämlich eines vergessen: das Militär des Imperiums auf dieselbe abwertende Weise zu betrachten, wie er sich von dessen Vertreter behandelt führte, war im Angesicht der Lage ebenso unklug.
»Es ist erstaunlich, dass der Erfolg, die für das Imperium so wichtige Schreinwelt bis zum Eintreffen einer weitaus größeren Streitmacht zu halten, ins Gegenteil verkehrt und zu einer Schwäche stilisiert wird«, zwang der Offizier den Administraten auf seinen Platz zurück. »Die Männer und Frauen unter meinem Kommando haben ihren Dienst für den Imperator unter widrigsten Bedingungen getan, stets im Glauben an ihren Auftrag und das vor uns liegende Ziel. Wir haben den Verlust von vier Regimentern überlebt und dem Feind unter Aufbietung all unserer Kraft die Stirn geboten.« Er knirschte mit den Zähnen. »Glauben Sie wirklich, dass noch irgendeine Armee erfolgreich auf dem Planeten gelandet wäre, wenn es nicht gelungen wäre, die Himmelskathedrale zu halten?«
Er stieß verächtlich Luft aus. »Der Feind war uns überlegen. Bei weitem. Er hatte mehr Truppen, einen offensichtlich fähigen Anführer – soweit man das bei Xenos überhaupt annehmen mag« – bei diesen Worten vollführte er eine wegwerfende Handbewegung – »und deutlich mehr Ausrüstung als das bisschen trauriger Entsatz, das sich über Agos Virgil sammelte und dann entschied, dass man noch mehr Leben für den Imperator sinnlos opfern kann.«
Bei diesen Worten fuhr Brag Fradd entrüstet auf, doch als er seine feine Stimme zu einem Protest erhob, redete ihm Ekko einfach über den Mund.
»Sie sitzen hier in diesem Hauch von Dekadenz und rümpfen die Nase über Statistiken. Wir hatten nicht mal genügend Schützenpanzer, um alle meine Infanteristen ins Gefecht zu bringen. Wir sind gerannt wie die Blöden, nur um erschöpft in den Nahkampf gegen einen Gegner zu gehen, der sich von einem einfachen Lasergewehr nicht aufhalten lässt. Haben Sie schon mal gegen einen zwei Meter großen Ork gekämpft? Gegen eine Gruppe Squiggs oder ein Chefoberboss-Dings mit Rüstung? Sie haben sich doch sicherlich noch nie zuvor mit Blut bespritzen, von Explosionen blenden oder mit Gedärmen bewerfen lassen, bis Ihnen die Reste des Essens vom vorherigen Tag wieder hochkamen, weil sie aufgrund der Rationierung und der Versorgungslage hungrig auf dem kalten Wüstenboden gelegen haben und kein Auge zu machen konnten. Gehen Sie durch solch ein Erlebnis, behalten Sie dabei Ihren Glauben an das Imperium und den Imperator und kehren Sie danach lebend zurück. Und dann kommen Sie noch mal zu mir und sagen mir, was Sie gerade gesagt haben. Sagen Sie es mir ins Gesicht und überzeugen Sie mich, dass Sie es immer noch ernst meinen.«
Fradd erblasste sichtlich.
»So habe ich das doch gar nicht gemeint«, stammelte er, obwohl er sich durch die ganze Aufregung schon gar nicht mehr daran erinnern konnte, was er überhaupt gesagt hatte.
Nicht, dass es für ihn irgendeine Bedeutung gehabt hätte. Galard Ekko war ein Colonel, ein kleines Licht in der Kommandokette und unwichtiger als ein abgelöstes Kettenpolster an den Gleisketten eines Leman-Russ-Kampfpanzers. Tatsächlich hätte es keinen einzigen Grund dafür gegeben, dass der Colonel überhaupt die Stimme gegen einen Konsul erheben durfte.
Allerdings war der imperiale Administrator im Angesicht von dermaßen viel verbalem Offensivpotential vollkommen überrumpelt und unfähig, sich auf seine Imperator-gegebenen Rechte zu berufen.
»Colonel«, antwortete er stattdessen, ein leichtes Zittern der Aufregung in der Stimme, »niemand würde es wagen, die Schuld des Feldmarschalls auf Sie abzuwälzen. Es war Iglianus, der seine Streitmacht in den Untergang führte. Die Chronisten werden seine Rolle in die imperiale Geschichtsschreibung einordnen. Dennoch: Neben Lord-Kommissar Del Mar sind Sie der ranghöchste überlebende Offizier und Ihre Taten werden dementsprechend kritisch beäugt.«
Sein Besucher lachte verhalten und schüttelte den Kopf.
Ruhelos strich sich Fradd durch sein dünnes, schulterlanges Haar, das künstlich und mit viel Aufwand aufgebrauscht worden war, und das ihn irgendwie wie einen fehlrasierten Pudel aussehen ließ. »Ich nehme an, dass sie sich derartige Fragen in den kommenden Wochen noch öfter anhören dürfen.«
Es dauerte einen oder zwei Anläufe, bis sich sein Besucher innerlich darauf einigte, welche Antwort er geben wollte und diese sinngemäß an sein Sprachzentrum übermittelt hatte.
»Ja, ich auch.« Ekko seufzte leise und lehnte sich in einem Sitz zurück. Altehrwürdiges Leder knirschte erneut, als wollte es ihn daran erinnern, dass es bessere Momente gab, in denen er sich mit der Vergangenheit seines Lebens auseinandersetzen konnte.
Eine Weile lang schwieg er, versunken in finsteren Gedanken und Erinnerungen an jene Dinge, durch die er und seine Einheit gegangen waren, bis schließlich ein kurzer, kühler Zug aus Vermutungen durch seine Gehirnwindungen zog, erst zur Überlegung und schließlich zur Wahrheit wurde.
Seine Miene verdüsterte sich. »Heißt das, dass es das Munitorium war, das mir diese Inquisitorin auf den Hals gehetzt hat?«, wollte er mit scharfer Stimme wissen.
Fradd erbleichte. »Inquisitorin?«, brachte er hervor.
Ekko nickte. »Ja. Sie wissen schon: So ein schlankes Ding, ungefähr so hoch.« Bei diesen Worten zeigte er die ungefähre Höhe der Frau mit seiner Hand an. »Feines Gesicht, aristokratische Haltung und eine ganze Menge Panzerung im Frontbereich.«
Der Konsul blieb eine Erwiderung schuldig, gleichermaßen erstaunt und erschüttert von der Offenbarung seines Gegenübers.
Ekko deutete die Reaktion teilweise richtig. »Wollen Sie mir sagen, Sie wussten es nicht?«, brach es aus ihm hervor. »Ihnen war nicht bewusst, dass sich eine Inquisitorin auf Bastet aufhält?
»Doch …«, erwiderte der andere schnell. Vielleicht ein wenig zu schnell. »Doch. Ich … aber … ich wusste nicht, dass sie bei Ihnen …« Er verstummte erneut.
»So, wie Sie sich gerade über unseren Fehl ereifert haben, würde es mich wundern, wenn sie wegen einer anderen Angelegenheit hier wäre. Zumal sich die Dame mir gegenüber doch sehr drohend verhielt«, stichelte der Colonel weiter.
»Drohend?«, wiederholte sein Gesprächsgegner die Worte abwesend. »Ich verstehe nicht … ihre Mission auf Bastet ist geheim …«
»So, so«, begriff der Colonel die Worte des anderen. »Die Mission ist also geheim.«
Die betont ruhige und nachdenkliche Art, in der der imperiale Offizier gesprochen hatte, ließ den Konsul aufblicken. Er bemühte sich die Gedanken seines Gegenübers zu ergründen oder zumindest zu verstehen, wie dessen Aussage interpretiert werden konnte, blieb jedoch dabei seltsam erfolglos.
Eines der vielen Dinge, die Brag Fradd an Bastet nicht verstand, war das Wesen der Basteter. Einer Zivilisation, die sich in vielen Punkten vom Gros der imperialen Welten unterschied und die, weit draußen in den Weiten des Segementum Pacificus, fast so etwas wie eine Sonderstellung einnahm. Neo-Barbaren, die sich unter Gewand einer vermeintlichen Hochkultur verbargen.
Vor allem aber kannte der Konsul das Wesen von Galardin Alberic Ekko nicht.
Und im Wesen der Basteter stellte dieses noch einmal eine Besonderheit dar.
Für Colonel Ekko gab es den Begriff ‚geheim‘ nicht. Er kannte auch das Trennungsgebot zwischen ‚Kenntnis wenn erforderlich‘ und ‚Kenntnis nur wenn nötig‘ nicht. Zumindest, wenn es die Pläne eines anderen betraf.
Mit demselben Funken, mit dem die ersten Urmenschen das Feuer erweckten – oder zumindest einem Funken, der ähnlich stark glühte und ebenso verkohlt roch – entzündete sich die Neugier des imperialen Offiziers.
Schnell gewann sie an Form, Farbe und Intensität und malte mit den Flammen unbändiger Vorfreude auf eine nicht näher einzuschätzende Zukunft ein schwaches Glühen in das Gesicht des imperialen Offiziers.
Für diejenigen, denen diese Eigenheiten des imperialen Offiziers bekannt waren, bedeutete eine derartige Entwicklung ein erstes, unheimliches Zeichen auf eine bevorstehende Interessenschwerpunktfokussierung.
Brag Fradd bemerkte es nicht.
Das Einzige, was ihm auffiel war, dass Ekko in den letzten Momenten einen recht gesunden Farbton entwickelt zu haben schien, deutlich dunkler und kräftiger als der eines durchschnittlichen imperialen Bürgers, aber nicht dunkel genug, um ihn als Bewohner der südlichen Äquatorialebene von Bastet zu identifizieren. Es war mehr eine ins bronzefarbene gehende Haut, die dem Colonel eine bald schon charismatische Ausstrahlung verlieh. Hätte er behauptet, er wolle mit mächtigen Rüsseltieren über ein Gebirge ziehen, um ein riesiges Imperium zu attackieren, man hätte ihm diese Behauptung ohne weiteres abgenommen.
»Aber vermutlich wird das auch nicht Ihr Problem sein, richtig?«, riss der Colonel den Konsul aus seinen Gedanken.
Der war für einen Moment nun vollkommen verwirrt und brauchte einige Momente, um sich zu fangen. »Ich … was?«
»Für Sie stellt sich doch einfach nur die Frage: ‚Wie können wir das Regiment auffüllen und möglichst schnell wieder einsatzbereit machen‘, nicht wahr?«, fuhr der Colonel fort, ohne dass Fradd die Gelegenheit erhielt, etwas zu der Thematik beizusteuern. »Ich vermute, dass sich uns diese Frage ebenso stellt. Wir alle haben einen Grund, aus dem wir kämpfen. Auf Bastet haben wir keine Zukunft. Dafür haben wir uns dieser Welt zu sehr entfremdet. Weswegen wir auch nicht vorhatten, jemals hierher zurückzukehren. Ich selbst habe die Einheit vor gut anderthalb Jahren übernommen, aber andere kämpfen bereits seit fünfzehn Jahren. Es gibt für uns kein ‚einfach aufhören‘. Wir können nicht einfach sagen: ‚Jetzt ist Schluss. Gehen wir nach Hause‘.«
Fradd nickte verstehend, auch wenn er nicht unbedingt begriff, worauf Ekko hinauswollte. Er betrachtete den Mann, dem er gegenüber saß, musterte dessen gut einen halben Kopf größere, schlanke Statur.
»Das ist gut«, bemerkte der Konsul unsicher. »Die Galaxie ist groß – und die Feinde des Imperators sind zahlreich. Wir benötigen jedes Regiment und jeden Mann.«
»Dann haben Sie also schon einen Plan, wie Sie uns neu ausrüsten und einsetzen wollen?«
Fradd zögerte. »Im Grunde … ja. Grob.«
»Also nicht«, schloss sein Gast aus der ungenauen Aussage.
»Doch«, versicherte der Konsul. »Es ist bereits bekannt, dass Sie eine Art Luftkavallerieregiment bilden werden, das bisher noch undesigniert ist.«
»Ein Luftkavallerieregiment?«, überlegte Ekko und sah sich suchend um. Dann beugte er sich verschwörerisch vor und bedeutete dem Konsul, sich selbst über seinen Tisch zu lehnen, bevor er ihm ins Ohr flüsterte. »Das klingt nach einer thronverdammten Scheißidee.«
Fradd stieß entrüstet Luft aus.
»Wir haben ja nicht einmal Gerät dafür«, brachte sein Gegenüber zum Ausdruck, während er sich entspannt zurücklehnte und den geschockten Blick des Konsuls genoss. Seine Hände wedelten in nichtssagenden Gesten umher. »Und keine Ausbildung.«
»Richtig«, stimmte den Konsul zu, sichtlich darum bemüht, die Fassung zu behalten. »Aber das wird sich bald ändern. Entsprechend geschultes Personal und Ausrüstung sind bereits auf dem Weg hierher, um in Ihr Regiment eingegliedert zu werden.« Als sich der bronzefarbene Hautton des Colonels weiter zu verdunkeln schien, fügte er schnell hinzu: »Sehen Sie das Ganze als eine Möglichkeit zur Erweiterung der eigenen Fähigkeiten.«
Ekko sah Fradd an, ein leicht entrücktes Lächeln auf den Lippen, und schüttelte entnervt den Kopf. »Sie haben recht. Das klingt nach einem groben Plan.«
»Sie werden sich daran gewöhnen«, versicherte der Konsul mit ein wenig Nachdruck, bevor er zu einem der auf dem Tisch residierenden Datenpads griff und dieses dem ungläubigen Colonel reichte.
»Hier sind die bisher zu Ihrem neuen Kommando verfügbaren Informationen sowie die Spezifikationen, nach denen Sie Ihr bitte Ihr Einsatztagebuch neu konfigurieren.«
Ekko nahm das ihm gereichte Anzeigegerät entgegen und warf einen Blick darauf. »Astra Militarum«, las er laut vor. »Was ist das denn jetzt schon wieder?«
»Was?«, brachte der Konsul seinen Schreck zum Ausdruck. »Das ist der offizielle Name der Imperialen Armee!«
»Aber nicht, als ich diesen Planeten verlassen habe«, zischte der Colonel. »Und da wäre noch etwas«, stoppte er seine eigenen Gedanken, bevor sie aus seinem Kopf sprangen, zu Fradd stürmten und diesem die Nase demolierten. »Wir haben auf Agos Virgil eine Gruppe von Kasrkin zugeteilt bekommen. Von denen wabern noch drei in meinem Regiment herum.«
Der plötzliche Themenwechsel überraschte den Administraten. Natürlich hatte er vom Einsatz cadianischer Kasrkin während der Schlacht gelesen (und deren Vernichtung im Zuge der Kämpfe), aber er war dennoch nicht in der Lage, die Worte seines Gegenübers richtig einzuordnen. »Was ist mit den anderen passiert?«, wollte er wissen.
Ekko hob seine Hand und ließ die Handfläche wie eine Blume in Zeitraffer aufschnappen. Dazu stieß er explosionsartig Luft aus. Es bestand keine Zweifel daran, was er mit dieser Geste meinte.
»Oh«, murmelte Fradd und nickte verstehend. »Und was möchten Sie nun wissen?«
»Na ja, wo kann ich die loswerden?«
»Wieso wollen Sie eine derart erfahrene Grenadiereinheit loswerden? Es ist eine große Ehre, solch eine Eliteeinheit zugeteilt zu bekommen.«
»Das mag stimmen«, gab Ekko zu, um seine Aussage sofort wieder einzuschränken. »Aber was soll ich mit drei Kommandosoldaten?« In zuckte nachdrücklich die Schultern. »Das ist ja nicht einmal ein vollwertiger Einsatztrupp.«
»Dann machen Sie einen draus.«
»Bitte, was?«
»Na ja – die Einheit aus ihrem Kommando zu lösen und einer anderen Eliteeinheit zuzuführen wäre kostenintensiver, als sie in Ihrem Regiment zu belassen und ihr weiteres Personal zuzuführen.«
»Das soll ein Scherz sein«, brachte der Colonel hervor. »Ich meine … woher soll ich das Personal nehmen?«
»Sie haben doch sicherlich verdiente Infanteristen, oder?«
»Haben Sie zufällig noch einen weicheren Sessel? Dass ich mich besser setzen kann?«
»Wenn Ihnen das Personal nicht reicht … mit den Gravschirmjägern, die Ihnen zugeteilt werden, haben Sie sicherlich genügend Soldaten, die solch einen Posten ausfüllen können.«
Einige Momente vergingen, während atemlose Stille die Gesprächsführung an sich riss. Sie umtanzte die beiden Männer fröhlich und erzählte einige schmutzige Witze, die ihre Wirkung tatsächlich nicht verfehlten.
Zumindest Ekko begann, erst zaghaft, dann immer stärker, zu lachen.
Diese erneute, plötzliche Wandlung des Colonels verwirrte und beunruhigte den Administraten umso mehr. »Habe … habe ich etwas Falsches gesagt?«
Ekko schüttelte in dem Versuch den Kopf, sein Lachen unter Kontrolle zu bringen, benötigte aber noch eine ganze Weile, bis es ihm gelang, dass er wieder ein Wort hervorbringen konnte.
Dann seufzte er schicksalsergeben und lehnte sich zurück. Das Leder seines Sessels knirschte. »Als ich herkam glaubte ich, dass es nicht schlimmer werden kann«, gestand er mit einer Stimme, die sich irgendwo zwischen Ungläubigkeit und Verzweiflung einpendelte. »Sie haben mich gerade eines besseren belehrt.«
Und yay! Ende Mai geht es weiter!