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Equilibrium (letztes Update: Februar 2021)
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Beitrag
<blockquote data-quote="Sistermarynapalm" data-source="post: 3000101" data-attributes="member: 18790"><p><strong>Guten Morgen,</strong></p><p> </p><p><strong>Hier kommt er – der neue Ekko … mit einem Knick in der Ecke …</strong></p><p> </p><p><strong>Viel Spaß beim Lesen.</strong></p><p> </p><p> </p><p> </p><p> </p><p style="text-align: center"><strong>09</strong></p> <p style="text-align: center"></p><p> </p><p>Die Stimmung im Besprechungs- und Kommandozelt des 512. Regiments hätte man nicht unbedingt mit »Panik« beschreiben müssen. »Aufregung« wäre vollkommen ausreichend gewesen.</p><p>Außerdem wurde nicht das ganze Regiment, sondern nur eine kleine, elitäre Gruppe imperialer Offiziere, deren Aufgaben sich zufälligerweise mit der des Führungsstabs überschnitten, von Fassungslosigkeit, Erstaunen und Erregung ergriffen.</p><p>Namentlich waren dies Captain Solmaar, Captain Fendel, Captain Balgor und – leider – auch Captain Retexer. Also jene Personen, die während einer Abwesenheit von Major Carrick und Colonel Ekko über die absolute Befehlsgewalt im 512. Regiment verfügten, sowie einige wenige glücklose Infanteristen, denen die zweifelhafte Ehre zuteil war, von ihnen als Melder oder Informanten ausgewählt worden zu sein.</p><p>Als besonders fassungslos, erstaunt und ergriffen stellte sich Achad Alit heraus.</p><p>Der Jung-Kommissar zeigte Bemühungen, seine Rolle als Moraloffizier des Regiments im Führungs- und Entscheidungsprozess nicht untergehen zu lassen, wusste aber nicht so recht, was er sagen sollte, schwieg daher und beschränkte sich schließlich darauf, dem Chaos mit offenem Mund lediglich zuzusehen.</p><p>Diese sehr aufschlussreiche Tätigkeit verband ihn mit Doktor Calgrow, welche die sich ihr bietende Szene mit einem Hauch amüsierter Abscheu beobachtete.</p><p>»Haben Sie Colonel Ekko erreicht?«, richtete Balgor seine Aufmerksamkeit auf Gireth, Ekkos persönlichen Funker und Adjutanten, als dieser die Schutzplane über dem Eingang zur Seite schob und keuchend eintrat. In Balgors für sein Alter noch sehr eleganten Gesicht zeichnete sich die diebische Freude vollkommener Ratlosigkeit ab.</p><p>»Nein, Sir«, erwiderte der junge Funker unglücklich.</p><p>»Ja«, seufzte der Captain und ließ die Arme ratlos gegen die Hosennaht fallen, wobei ein Laut erklang, der an ein totes Schwein erinnerte, das mit einer harten Eisenplatte Bekanntschaft macht. »Das hat man davon, wenn man ihn alleine losziehen lässt.«</p><p>Er blickte zu den drei anderen Offizieren. Doch auch in ihren Mienen konnte er keinen Hinweis auf die nun zu unternehmenden Schritte erkennen.</p><p>Solmaar und Fendel bedachten ihr Gegenüber mit nachdenklichen Blicken, dann sahen sie einander an, kamen darüber überein, dass sie nicht unbedingt zur Lösung des Problems beitragen konnten und fanden interessante Punkte auf dem Plottisch, der zwischen ihnen und Balgor drapiert stand.</p><p>Retexer hingegen starrte betont missvergnügt ins Nichts, das irgendwo zwischen seinem Standort und dem anderen Ende des Zelts residierte. Die Aussage seines Blicks war unzweifelhaft deutlich: <em>Mit mir als Kommandeursvertreter wäre es nicht soweit gekommen</em>.</p><p>»Irgendeiner von den beiden muss es übernehmen«, stellte Solmaar schließlich fest. »Es steht ganz klar in dem Befehl.«</p><p>»Vermutlich«, bestätigte Balgor zögernd. Er warf einen neuerlichen Blick auf das Schriftstück in der Hoffnung, es könnte sich entschieden haben, ihm dieses Mal eine andere Information zu präsentieren als die, die er nun bereits zum wiederholten Male gelesen hatte: Das Munitorium forderte Personal des 512. Regiments zur Teilnahme, Begleitung und Absicherung der Saatfest-Prozession an.</p><p>»Sie können es nicht delegieren«, fuhr der andere Captain fort und meinte damit Ekko und Carrick. »Oder hat man Sie offiziell zum stellvertretenden Regimentskommandeur ernannt?«</p><p>»Nein«, musste der Angesprochene zugeben. Was hätte er auch anderes sagen sollen? Es stimmte nun einmal. Ekko hatte ihn mit der Aufsicht über sein Kommando betraut, solange er und Carrick anderweitig verhindert waren. Die Senioritätsregelung der imperialen Armee regelte den Rest. Zumindest in der Tradition. Papier hingegen war eine andere Sache. Dort konnte man die Tatsache, dass man nach dem Regimentskommandeur und seinem Stellvertreter der nächste, ranghöchste und dienstälteste Offizier war, leider nicht geltend machen.</p><p>Alles, was von offizieller Seite – sprich also vom Departmento Munitorium in Vertretung des Departmento Administratum – an Einheiten der imperialen Armee verteilt wurde, gestaltete sich in dem Punkt leider bisweilen als hinderlich für einen reibungslosen Dienstablauf.</p><p>Dort hieß es dann zumeist: »Zu Händen von …« oder »an … oder Vertreter im Amt« und jeder, der nicht in der Liste der in solchen Schreiben angesprochenen Personen auftauchte, ließ besser die Finger vom Inhalt. Andernfalls fand er – oder sie – sich sehr schnell in einer sehr langen, sehr unangenehmen Befragung wieder. Diese wurde zumeist durch den Regimentskommissar und, beziehungsweise oder, entsprechende Vertreter anderer imperialer Organisationen durchgeführt, verfolgte das Ziel der Feststellung eines Sicherheitsrisikos und enthielt eine oder mehrere der folgenden Fragen: Sind Sie berechtigt? Befugt? Hat man Sie ermächtigt? Haben Sie Zugang? Umgang? Wurden Sie beauftragt? Waren Sie sicherheitsüberprüft? Gibt es dafür Zeugnisse? Beurteilungen? Bescheinigungen? Bestätigungen? Vielleicht Zeugen?</p><p>Konnte man eine oder mehrere davon mit »Ja« beantworten, so folgte meist eine Verwarnung, vielleicht auch eine Eintragung in die ohnehin nur unvollständige und eher schlampig geführte Dienstakte.</p><p>Gelang es dem augenscheinlichen Delinquenten, keine zufriedenstellende Antwort zu geben, so schloss sich im Grunde nur noch eine Erkundigung an, vorgetragen mit bedeutungsschwangerer Stimme und bösartig verengten Augenbrauen: »Was, beim Thron, hatten Sie dann damit vor?«</p><p>Man kann darüber nun nachdenken und wird recht schnell feststellen, dass jegliche Erwiderung darauf immer negativ ausgelegt werden wird. Immerhin ist die Imperiale Armee nicht der menschenverachtende Moloch, der sie heute ist, weil ihre Diener überzeugt davon sind, dass man im besten Gewissen für das große Reich der Menschheit gedient hat. Oh, nein. Beileibe nicht.</p><p>Sie wird einen für einen widerwärtigen Verräter halten, für vom schmierigen Makel des Chaos korrumpierten Abschaum, der nichts weiter im Sinn hatte, als die ihm eigentlich nicht zugänglichen Anweisungen zu entwenden und der Kriegsmaschinerie des Imperiums einen irreparablen Schaden zuzufügen.</p><p>Der Rest klärt sich dann (fast) sang- und klanglos von ganz allein.</p><p>Schon aus diesem Grund vermieden es die Offiziere des 512. Regiments, sich auf die vor ihnen liegende Aufgabe zu stürzen. Immerhin war es möglich, dass sich dabei ein Abgrund auftat, der ihren Sturz in eine bisher nicht abschätzbare Tiefe lenkte. Wann und wo sie dann aufschlugen, lag einzig und allein in den Händen des Imperators.</p><p>Balgor seufzte schicksalsergeben und hob ahnungsvoll eine Hand. »Dann haben wir keine Wahl. Wir müssen Major Carrick informieren.« Zustimmendes Brummen der anderen Offiziere antwortete ihm.</p><p>Er wandte sich um, dem Kommissar und der Ärztin zu, adressierte allerdings nur letzte direkt. »Ich denke, Doktor, das hier wird noch eine ganze Weile dauern«, erklärte er entschuldigend. »Wenn Sie möchten, können Sie gehen und ich lasse Sie rufen, wenn der Colonel wieder da ist.«</p><p>»Nein. Vielen Dank«, gab Marith Calgrow, die Regimentsärztin des 512. Regiments, in der ihr eigenen, typischen Ausdrucksweise perfektionierten Hochgotischs zurück, mit der sie ihrem Gesprächsgegner normalerweise einen verbalen Handschuh ins Gesicht schleuderte. »Ich habe noch eine Unterhaltung mit Colonel Ekko zu führen. Und so wie ich ihn kenne, wird er jede Möglichkeit nutzen, ihr aus dem Weg zu gehen. Also werde ich hier auf ihn warten.«</p><p>»Tja«, meinte der Captain und zuckte ahnungsvoll die Schultern. »Vermutlich können Sie da warten, bis das Tor von Cadia implodiert.«</p><p>»Das macht nichts«, erwiderte sie. »Ich habe Zeit.«</p><p>»Ja«, meinte eine Stimme von draußen, als wollte sie den Beweis für das Sprichwort erbringen wollen, dass das Chaos immer dann erschien, wenn man davon sprach. »Das glaube ich Ihnen.«</p><p>Der improvisierte Zugang zum Zelt flatterte zur Seite. Ekko trat ein. Er wirkte müde und abgespannt. Fast so, als hätte er gerade an einer Kundgebung teilgenommen. Natürlich nicht irgendeiner Kundgebung. Nein. Bei dieser Informationsveranstaltung hatte es sich offensichtlich um eine Traumdeutung gehandelt, bei der man ihm berichtete, dass er sich aktuell in einer Traumphase befand und nur nicht aufwachte, weil die vor seinen Augenlidern residierende Realität ein ganzes Deut schrecklicher war als die Katastrophe, die er gerade als sein Leben zu betrachten glaubte.</p><p>Er blickte auf und ließ seinen Blick durchs Zelt schweifen. Für einen Moment prangte eine unsichtbare, aber deutlich zu erkennende ‚<em>Was machen Sie alle in meinem Zeit?</em>‘-Plakette auf seiner Brust.</p><p>Die Anwesenden konnten beobachten, wie sich der Mund des Colonels zu einer sarkastischen Bemerkung öffnete, kurz zuckte und sich dann wieder schloss.</p><p>Stattdessen seufzte der Regimentskommandeur leise und winkte ab.</p><p>»Egal, was es ist«, setzte er neu an und bedeutete dem Captain zu seiner Linken, ihm den Quell seiner Sorgen zu überreichen, »geben Sie her.«</p><p>Wortlos reichte ihm Balgor das Pergament, während sich um die beiden Männer herum Schweigen ausbreitete.</p><p>Ekko überflog das Schreiben, kniff die Augen zusammen und blickte Balgor scharf an. Dann las er noch einmal, dieses Mal jedoch etwas gründlicher.</p><p>Das nutzte der temporär stellvertretende Regimentskommandeur, um ihm eine Frage zu stellen, die sich so plötzlich in seinen Gedanken breitgemacht hatte wie ein akuter, marternder Kopfschmerz. »Haben Sie draußen gestanden und gelauscht?«</p><p>»Hm«, erklang die nachdenkliche Stimme seines Vorgesetzten, während er die Lektüre beendete und das Pergament an Balgor zurückreichte, der aus Reflex – mehr noch aus Prinzip – einen neuerlichen Blick darauf warf, bevor ihm aufging, dass dies eigentlich vollkommener Unsinn war.</p><p>Eine wirkliche Antwort auf seine Frage sollte er nicht mehr erhalten – oder hatte Ekko sie ihm längst gegeben?</p><p>Die Hände in den Taschen versenkt, wanderte der Regimentskommandeur nachdenklich an den Anwesenden vorbei bis zum anderen Ende des Zelts, blieb eine Weile dort stehen und erging sich in einer Vielzahl von Überlegungen, von denen sich vermutlich nur ein gewisser Teil mit der Problemstellung beschäftigte. Der Rest weilte in ganz anderen Sphären.</p><p>Und so dauerte es noch ein wenig länger, bis der Colonel entschied, dem Thema mehr Gewicht zu verleihen und sich wieder umdrehte.</p><p>»Meine Herren … und Ärztin«, adressierte er die vor ihm Stehenden, »ich denke, Captain Balgor und ich haben einiges zu besprechen. Ich würde Sie daher jetzt bitten zu gehen.« Ein kurzer Handwink unterstrich die Aufforderung.</p><p>Die Captains warfen einander vielsagende Blicke zu, lösten sich vom Besprechungstisch und verließen nacheinander das Zelt. Lediglich Calgrow und der Kommissar verharrten an ihren Plätzen, beobachteten die Szenerie wie zwei unbeteiligte Zuschauer.</p><p>Es war Ekko der ihnen bewies, dass sie Teil des Geschehens waren und ihm nicht nur beiwohnten.</p><p>»Das … war doch deutlich, oder?«, hakte er betont neutral nach. Aus seinem Mund klang es wie eine Drohung. »Doktor?«</p><p>Die Ärztin schürzte die Lippen, zögerte und runzelte die Stirn. Nur widerwillig straffte sie ihre trotz des relativ fortgeschrittenen Alters noch immer attraktive Figur, um sich in Richtung Ausgang zu begeben.</p><p>Der Kommissar hingegen rührte sich nicht. »Vielleicht«, startete er den zögerlichen Versuch, seiner Präsenz mehr Nachdruck zu verleihen, »sollte ich ebenfalls an der Besprechung teilnehmen?«</p><p>»Nein«, gab Ekko zurück.</p><p>»Aber …«</p><p>»Nein!«, wiederholte der Regimentskommandeur, dieses Mal deutlich energischer. »Raus!«</p><p>Langsam, wie von einer zähen Masse festgehalten, setzte sich sein Gesprächsgegner in Richtung Ausgang in Bewegung.</p><p>»Danke. Zu freundlich«, kommentierte Ekko das Geschehen.</p><p>»Denken Sie daran, Colonel«, erinnerte ihn Calgrow, ehe auch sie an der Seite des Jung-Kommissars durch den Zelteingang verschwand, »wir beide haben noch ein Gespräch zu führen.«</p><p>Er nickte abwesend. »Raus.«</p><p>Die Plane schwang hinter den beiden zu.</p><p>Balgor glaubte zu erkennen, wie Ekko den Kopf schüttelte. Vielleicht war es auch nur ein unwillkürliches Zucken gewesen.</p><p>Zumindest ließ der Colonel keinen Zweifel daran, was er über das Thema dachte. »Das ist ja doof«, merkte er an. »Das passt mir gerade irgendwie gar nicht.« Damit hatte er natürlich Recht – leider half ihnen das bei der Lösung des Problems auch nicht weiter.</p><p>»Es wird dadurch nicht weniger wahr«, bestätigte Balgor diese Tatsache.</p><p>Ekko seufzte leise. »Ja, leider. Das Universum ist eben nicht gerecht.« Eine ungewisse Anzahl von viel zu langen Sekunden paradierte an den beiden Offizieren vorbei, präsentierte die schicken Uniformen und marschierte durch den Haupteingang aus dem Zelt, bevor sich der Colonel entschied, sein Leid nicht länger hinzunehmen: »Können Sie das nicht wegmachen?«</p><p>»Ich habe das nicht geschrieben, Colonel.«</p><p>»Dann ändern Sie es, Balgor.« Nichtssagend wedelte der Regimentskommandeur mit den Armen. »Schreiben Sie was Nettes drauf. Einen schönen Kommentar.«</p><p>»Soll ich mich vielleicht auch noch verschreiben, damit Sie was zum Lachen haben?«, lautete die bissige Antwort, veranlasste den Adressaten, seinen Sarkasmus zur Seite zu schieben und sich dem unausweichlichen Problem zu stellen.</p><p>»Geben Sie her«, brummte der Colonel missgestimmt, während er am Pergament zog. Das Schreiben wechselte erneut den Besitzer. »Wer ist denn auf die total dämliche Idee gekommen, eine Einheit der Imperialen Armee in die Prozession zum Saatfest zu integrieren?«</p><p>Während er die Befehle des Munitoriums zum wiederholten Male las, tippte Ekko diese ganz bestimmte Passage abwertend mit dem Rücken seiner Finger an, so als wollte er dafür sorgen, dass sie sich mit einem »Aua, das hat wehgetan, Mann« zur Wehr setzte, um dann fortzufahren: »Weiß ich doch auch nicht! Ich bin nur der Bote!«</p><p>Leider tat sie ihm diesen Gefallen nicht. Vermutlich war das Schreiben auf Qo’nos erschaffen worden. Oder auf Narn. Zumindest stand außer Frage, dass es unheimlich stolz war und es daher vorzog, stumm zu leiden.</p><p>Vielmehr hätte es ohnehin nicht zur Lösung des Problems beitragen können.</p><p>Einige Momente später entspannten sich die Züge des Colonels merklich. »Da steht nicht, wie groß die Abteilung sein muss«, stellte er ein wenig beruhigter fest. »Zumindest eine gute Nachricht.«</p><p>Dann setzte der Regimentskommandeur an, die auf diese ganz spezielle Form der Auftragstaktik folgenden Gedankengänge in seinem Kopf zu skizzieren.</p><p>»Nehmen wir …«, begann er, bevor er abbrach um zu überlegen. »Es sollte nicht zu klein sein, aber auch nicht zu groß, damit es nicht allzu wichtig erscheint.« Er nickte, bestätigte seine eigenen Gedanken. »Nehmen wir Retexers Kompanie.«</p><p>Balgor stöhnte auf. »Ausgerechnet Retexer.«</p><p>Sein Gegenüber begann erneut zu wandern, versuchte die aus seinem Kopf heraussprudelnden Gedanken zu treiben, in eine Ecke des Zelts zu zwingen und dort wieder einzufangen. »Sie können das auch machen, Balgor«, meinte er nach einiger Zeit.</p><p>Der Kompaniechef wusste natürlich, was das für ihn bedeutet hätte.</p><p>Ihnen blieb nicht einmal mal mehr zehn Tage bis zum Saatfest und die Aufstellung einer militärischen Formation in einer eigentlich zivilen Parade bedurfte einiger Organisation. Immerhin ging es dabei um die Koordination eines wirren, wuselnden Haufens halbnackter Männer und Frauen, die sich in ekstatischen Tänzen Kleider vom Leib rissen, Blümchen in die Luft warfen und bisweilen sogar auf den Gedanken kamen, die ganze Angelegenheit um die Sache mit den Bienen zu erweitern, und einer professionellen Armeeeinheit. <em>Zumindest einer Armeeeinheit</em>, verbesserte er sich in Gedanken.</p><p>Gleichsam mussten die eigenen Truppen instruiert, vorbereitet und aufgestellt, eine Wegstrecke definiert und ein Zeitansatz geplant werden. Es galt, auf die Besonderheiten zu achten, wenn man nicht die eigene Heilige, sondern den Imperator repräsentierte, die eingesetzten Einheiten waren noch einmal einer Stell- und Marschprobe zusammenzufassen und die formaldienstlichen Defizite galt es auszumerzen.</p><p>Dazu kamen die persönlichen Vorbereitungen. Immerhin besaß man als Führer einer Abordnung eine ganz bestimmte Wirkung, die es voll zu entfalten galt.</p><p>Im Endeffekt blamierte man mit einem Fehlverhalten nicht nur sich selbst und die Abordnung, sondern das Regiment, den Colonel als Vertreter der nächsthöheren Kommandoebene, in deren Vertretung das Sektoroberkommando des Sub-Sektors, dessen vorgesetzte Dienststelle und das Munitorium. Dies wiederrum führte dazu, dass sich auch das Adeptus Administratum mit der Angelegenheit beschäftigte und seinen Namen an die Hohen Lords von Terra telepathierte, die dann über das Vergehen debattierten und sich in ihrer Ratlosigkeit an den Imperator wandten, der auf seinem Goldenen Thron vor Wut rot anlief.</p><p>Das wiederrum führte schlussendlich dazu, dass das Unglück gleich einem Tsunami zwischen zwei Wellenbrechern hin- und herschwappte, bis es sich am Ende über den unseligen Delinquenten ergoss, der dann auch etwas vergoss. Zumeist noch ein paar letzte, bittere Tränen und dann ein wenig Blut. Oder viel. Je nachdem, welche Hinrichtungsmethode gewählt wurde.</p><p>Zusammengefasst: Führer einer zeremoniellen Abordnung zu sein war eine anspruchsvolle Aufgabe, die viel Wissen, viel Erfahrung und viel Vorbereitung benötigte. Eine ehrenvolle Tätigkeit, die man aber keinem vernünftigen Offizier jemals zugemutet hätte.</p><p>Nachdem sich ihm diese Tatsache präsentierte wie ein Vorschlaghammer, der auf einen Gong trifft, entschied Balgor, lediglich die Achseln zu zucken. »Nehmen wir Retexers Kompanie«, ließ er dem anderen Offizier den Vortritt.</p><p>»Und dann …« Ekko überlegte erneut. »Denken Sie, diese PVS-Einheit kriegt eine Kompanie zusammen?«</p><p>»Keine Ahnung.«</p><p>»Wer kann uns das beantworten? Gibt es da einen Einheitsführer?«</p><p>Balgor verschränkte nachdenklich die Arme, während er versuchte, sich an den Namen des Kommandanten der ‚Überläufer‘ zu erinnern, wie man freiwillig Dienende in der Imperialen Armee auf Bastet zu bezeichnen pflegte. »Ein Lieutenant Sennen«, fiel es ihm kurz darauf wieder ein.</p><p>Ekko zeigte sich überrascht. »Ein Lieutenant?«</p><p>»Ja, Sir. Er ist nur kommissarischer Führer der Einheiten. Die werden nämlich unter den ganzen Kompanien aufgeteilt.«</p><p>»Ach – dann <em>ist</em> das also schon Retexers Kompanie?«, dachte der Colonel laut nach. »Dann hat sich meine Idee bereits erübrigt.« Er überlegte etwas länger, dieses Mal jedoch stumm. »Hatten Sie schon mit dem zu tun?«, wollte er wissen.</p><p>»Nur wenig, Sir«, konnte Balgor berichten. »Er stellte sich kurz vor, als Sie bereits unterwegs waren. Ich sagte ihm, er müsse warten bis Sie wieder da sind.«</p><p>Ekko nickte. »Verstehe. Und was war das für ein Mann?«</p><p>»Warum lernen Sie ihn nicht selbst kennen, Colonel? Sie sind der Regimentskommandeur.« Ein vernünftiger Vorschlag, dem Ekko allerdings nicht ganz so viel abgewinnen konnte.</p><p>»Mussten Sie mich daran erinnern? Ich hatte es gerade ganz erfolgreich verdrängt«, brummte er missmutig, bevor er sich an etwas anderes erinnerte, das es unbedingt noch zu klären galt. »Und bevor ich es vergessen«, wedelte er mit dem Schriftstück, »wir müssen auch noch dieser komischen Schutzgeschichte Rechnung tragen.«</p><p>»Schutzgeschichte?«, hakte Balgor stirnrunzelnd nach.</p><p>»Ja«, fuhr der Colonel gelangweilt fort. »Wir sollen die Tribüne an der großen Maatbrücke bewachen. Da, wo all die wichtigen Leute sitzen. Sie wissen schon: Ich. Sie. Carrick. Calgrow vielleicht auch.« Die Aufzählung verebbte. »Egal«, schloss der Colonel den Einwurf ab. »Ich will zehn Mann in voller Ausrüstung als Absicherung.«</p><p>Wieder konnte Balgor nicht anders als erneut die Stirn zu runzeln. »Halten Sie das nicht für etwas wenig?«, fragte er rhetorisch.</p><p>»Halten Sie das nicht für meine Entscheidung?«, gab der Regimentskommandeur zurück.</p><p>Stille breitete sich aus.</p><p>Sie war so tief, dass sie selbst Form annahm und begann im Zelt umherzuwandern, laut über die Bösartigkeit des Lebens lamentierend, bevor sie sich umwandte und den Colonel klagend anschrie.</p><p>Es war seltsam, dass sie sich gar nicht um Balgor zu kümmern schien, aber im Grunde war das auch nicht weiter wichtig.</p><p>Ekko und die Stille hatten sich genug zu sagen.</p><p>Während die Wortlosigkeit damit fortfuhr, den Colonel bösartige Verwünschungen an den Kopf zu schleudern, um dessen existenzleeres Dasein noch weiter in die Bedeutungslosigkeit abgleiten zu lassen, wanderte dieser – rein zufällig scheinend – aus seinem kleinen Refugium in der Ecke des Zelts zurück zu dessen Ausgang.</p><p>Er schien so mit seinen eigenen Gedanken zu kämpfen, dass Balgor nicht anders konnte als sich zu fragen, was den Colonel wohl beschäftigte.</p><p>Schließlich trat Ekko an die provisorische Zutrittssperre und verharrte.</p><p>Der lautlose, fein getaktete Schlag endloser Sekunden verging, während der Colonel regungslos auf die zugezogene Plane blickte.</p><p>Dann, vollkommen unerwartet, riss er sie zur Seite und starrte hinaus in die brüllende Hitze, die sich ihrerseits anschickte, einen Blick ins Zelt zu werfen. Selbst in den Abendstunden wollte sich die Luft einfach nicht abkühlen.</p><p>Taous und Tages hatten sich in rote Abendkleider geworfen und zogen zum ewig summenden Chor des leise rauschenden Windes feiernd dem Horizont entgegen. Ab und an schien es, als hickste eine von ihnen in der flimmernden Luft. Unter diesen Umständen war keine klare Sternennacht zu erwarten. Erste Wolken trübten das von Sternen gesprenkelte Sternenzelt ein und in der Ferne zuckten stumme Blitze wie die stroposkopartigen Lichter jener Party, von der Taous und Tages gerade nach Hause taumelten.</p><p>»Ich bin überrascht«, bemerkte der imperiale Stabsoffizier und zog die Plane vor der geräuschlos protestierenden Hitzewand zu. »Ich hätte wirklich gedacht, dass irgendeiner stehenbleiben und lauschen würde«, verlieh er seiner Enttäuschung Luft.</p><p>Der Captain beobachtete ihn dabei.</p><p>Er verschränkte die Arme vor der Brust. »Colonel – was machen Sie da?«</p><p>Ekko wandte sich um. Er sah sich suchend um, so als erwartete er, dass sich jede Sekunde ein von ihm längst antizipierter Gegner manifestieren und ihre Konversation durch einen plötzlichen Sprungangriff auf einen von ihnen beiden beenden würde.</p><p>Dabei war es natürlich vollkommen unerheblich, dass das Zelt lediglich einen Zugang besaß.</p><p>Wer konnte schon wissen, welche Gemeinheiten sich ein Gegner einfallen ließ, wenn er einen Meuchelmord an einer Persönlichkeit des imperialen Lebens plante.</p><p>Die Stille zumindest hatte es geschafft, vollkommen ungesehen und unbehelligt aus dem Besprechungszelt zu entkommen. Wie sie das vollbrachte, würde wohl auf ewig ein Rätsel bleiben.</p><p>In diesem Moment war es auch nicht weiter wichtig. Zumindest für Ekko nicht – auch wenn er nicht vergessen konnte, was ihm die finstere kleine Stimme in seinem Kopf in den letzten Minuten zugeflüstert hatte.</p><p>»Ich muss da kurz mal was anderes klären«, lenkte er das Gespräch in neue Bahnen. »Balgor, ich habe heute einige Dinge erfahren, denen ich nachgehen muss. Es ist unerlässlich, dass ich mehr darüber hinausfinde, was auf diesem Planeten los ist.«</p><p>»Wollen Sie es mir mitteilen?«, erkundigte sich Ekkos Gesprächspartner.</p><p>»Nein«, erwiderte dieser postwendend. Vielleicht sogar ein bisschen zu schnell. »Nein. Auf jeden Fall nicht sofort. Erst muss ich wissen, ob das alles wirklich wahr ist oder ich einfach nur verrückt werde.«</p><p>Balgor zog die Augenbrauen hoch, sagte aber nichts. Was hätte er auch sagen sollen?</p><p>»Auf jeden Fall«, kehrte das Gespräch zum Thema zurück, »werde ich dadurch nur wenig Zeit haben, mich so um das Regiment zu kümmern, wie ich es gerne möchte. Besonders betrifft das die Sache mit den Elysianern.«</p><p>Ja, die Sache mit dem Elysianern. Balgor kannte nicht alle Einzelheiten, aber er wusste, dass das 512. Regiment durch eine Abteilung Elysianer verstärkt werden sollte, Verbände, die nach blutigen Schlachten irgendwo im Segmentum einer neuen Bestimmung zugeführt werden sollten.</p><p>Natürlich gab es Stimmen, die sich gegen eine solche Zusammenführung verwahrten. Verwahrloste, einst motorisierte Infanterie und Sprungtruppen – das passte einfach nicht zusammen. Wie nur konnte das Departmento Munitorium eine derartige Vermischung zweier grundverschiedener Doktrinen zulassen?</p><p>Hier – und das konnte Balgor nicht wissen – hatte eine größere Macht eingegriffen als das, was Feder und Schwert zu leisten in der Lage gewesen wären.</p><p>Die Wege des Imperators waren unergründlich. Und gerade waren die Schicksale zweier zerschundener Armeen auf eine gemeinsame Straße geführt worden.</p><p>Natürlich hatte sich der Autor dieser Verbindung etwas dabei gedacht. Eine Bündelung der Kräfte. Ein Gewinn an Masse, an Energie und an Stärke. Aber vor allem … vor allem würde dies der Beginn einer neuen Geschichte sein, eines neuen Abenteuers, das beide Kampfgruppen als eine große Armee erleben würden. Sofern der hohe Herr der Menschheit sich nicht plötzlich doch noch anders entschied. Da konnte das Munitorium protestieren wie es wollte.</p><p>In den göttlichen Augen des Imperators waren die menschlichen Narren einfach nur Unwissende, die das größere Wohl einer gut erzählten Geschichte einfach nicht akzeptieren konnten.</p><p>Allerdings – und das muss man ihnen zugutehalten – beschäftigte sich der Imperator auch nicht wirklich mit logistischer Aktenführung und dem Chaos, das aus einer ungeplanten Aktion wie dieser entstand.</p><p>Balgor für seinen Teil verstand von beidem nicht viel. Für ihn gab es nur eine wichtige, um nicht zu sagen essentielle, Tatsache.</p><p>»Ich kann Carrick damit nicht belasten«, erklärte Ekko matt. »Er ist mit seinen Gedanken vermutlich schon gar nicht mehr in diesem Regiment, sondern verbirgt sie hinter einer Totenmaske.«</p><p>Ein Seufzen folgte. Es war nicht wirklich ein Seufzen, mehr ein raues Ausatmen, aber es reichte, damit Balgor das Ziel der Einleitung offenbar wurde, noch bevor sein Vorgesetzter Gelegenheit erhielt, es wirklich auszusprechen.</p><p>»Und damit bleibe nur ich?«, kürzte er eine weitere Ausführung ab, noch bevor sie begann.</p><p>Ekko nickte. »Ja.« Er räusperte sich. »Balgor, ich möchte Sie zum stellvertretenden Interims-Regimentskommandeur machen. Mit allen dazugehörigen Befugnissen.«</p><p>Natürlich hatte sich der Colonel in Vorbereitung auf dieses – in seinen Augen sehr unangenehme – Gespräch bereits länger vorbereitet. Während seiner Rückfahrt durch die leblose Wüste von Bastet waren ihm ganze Romane an Gedanken, Überlegungen und Vermutungen durch den Kopf geschossen, abwechselnd die vor ihm liegende und die längst vergangene Zeit betrachtend.</p><p>Irgendwo während dieser Zeit reifte in ihm die Überlegung, das Kommando über sein Regiment in temporärer Ermangelung eines Stellvertreters an den dienstältesten Kompaniechef abzugeben: Balgor.</p><p>Ja, er ging sogar soweit, sich jede für Balgor und ihn typische Gesprächsführung zu überlegen und eine entsprechende, für ihre Wortgefechte immer notwendige, Verteidigungs- und Gegenschlagsstrategie zurechtzulegen.</p><p>Allerdings – und das erkannte er erst im Nachhinein – vergaß er dabei einen essentiellen Punkt: Auch Captain Balgor konnte ehrlich überrascht sein.</p><p>»Wollen Sie Carrick ersetzen?«, brach es aus dem rangniederen Offizier hervor. Er klang dabei derart vorwurfsvoll, dass Ekkos vorbereitete, von Ironie und Sarkasmus gewürzte Vorgehensweise ihre Koffer packte und von dannen schlich.</p><p>Außerdem kam die Frage so unerwartet, dass der Regimentskommandeur über die Worte erst einmal nachdenken musste.</p><p>»Nein«, verkündete er das Ergebnis seiner Überlegungen nach einiger Zeit mit betont kraftloser, aber dennoch bedeutsamer Stimme. »Nein … zumindest nicht sofort.«</p><p>Was eigentlich als ernste Nachdenklichkeit geplant war, hörte sich im Endeffekt eher an wie ein Schuldeingeständnis.</p><p>»Hm.« Der Captain überlegte eine Zeitlang. Dann versenkte er, eine im Grunde eher für Ekko typische Geste, die Hände in den Taschen seines Drillichs. »Und was würden Sie machen, wenn ich Nein sage?«</p><p>Sein Gegenüber zögerte. An seiner Miene ließ sich ablesen, dass er eine solche Antwort bereits erwartet, wenn nicht sogar gefürchtet hatte.</p><p>Er seufzte schicksalsergeben. »Dann würde ich einen Fünfziger draufpacken und einfach noch einmal fragen.«</p><p>»Colonel, ich will Ihr Geld nicht«, erklärte sein Untergeber entschieden, was dem Regimentskommandeur ein erleichtertes Reaktion entlockte.</p><p>»Danke, Balgor. Das macht es für mich einfacher. Nicht auszudenken, wenn ich deswegen noch zur Imperial Reserve Bank von Bastet gemusst hätte.«</p><p>»Das mag sein – aber das ist nicht das Problem.«</p><p>»Ich verstehe«, gab der Colonel zurück. Er vollführte eine nichtssagende Geste. »Wollen Sie mir denn sagen, was das Problem ist?«</p><p>Sein Captain schüttelte den Kopf. »Nein«, erklärte er mit gemessener Stimme. »Auf jeden Fall nicht sofort. Erst muss ich wissen, ob das alles wirklich wahr ist oder ich einfach nur verrückt werde.«</p><p>Ekko hob die Augenbrauen. »Ich habe mich wirklich lange zurückgehalten, Balgor«, meinte er, »aber es wird immer offensichtlicher … ich kann es nicht länger leugnen …« Er holte tief Luft. »Punkt für Sie.«</p><p>Ekko und Balgor hatten lange Zeit eine Tradition gepflegt, die sich ‚Punkte-Sammeln‘ nannte. Dabei vergab derjenige, der sich vom anderen in einem Wortduell geschlagen oder durch eine sehr schlagfertige Antwort aus dem Konzept gebracht sah, an diesen Punkte. Am Ende eines Jahres – oder vielmehr einer Schlacht – wurden alle Punkte zusammengezählt und der Verlierer gab dem Gewinner ein Getränk, Lho-Stäbchen oder andere Verbrauchsgüter aus, bevor man dann erneut zu zählen begann.</p><p>Nach der Schlacht von Agos Virgil hatten die beiden diese Tradition aufgegeben, und das eigentlich auch nur, weil sie sich lange Zeit wirklich nicht viel zu sagen gehabt hatten.</p><p>Balgor nahm das Zugeständnis wortlos hin, freute sich aber insgeheim ein wenig und fügte den Punkt seiner aktuellen Liste hinzu. Sie war bereits deutlich länger.</p><p>Eigentlich wollte der Colonel seinen Worten noch etwas hinzufügen, aber ein herzhaftes Gähnen kam jeder Aussage zuvor. »Herr auf dem Thron«, brummte er im Anschluss, »was für ein Tag.«</p><p>»Sie sehen müde aus«, präsentierte ihm sein Gegenüber die Tatsache des Offensichtlichen.</p><p>»Ich war schon immer gut darin, meine wahren Gefühle zu verstecken.«</p><p>»Und was ist mit Doktor Calgrow?«, erinnerte Balgor ihn.</p><p>Ekko winkte ab. »Die war auch immer gut darin, ihre wahren Gefühle zu verstecken.«</p><p>Balgor legte den Kopf schief und deutete mit den Augen so deutlich auf den Zeltausgang, dass es einem überdeutlichen Zeigen mit dem Finger gleichkam.</p><p>Der so Angesprochene zuckte die Achseln. »Sie soll mich einfach irgendwann anders ansprechen.«</p><p>»Was … nie sein wird?«, wollte der Captain wissen.</p><p>»Doch. Irgendwann. Nur nicht jetzt.« Ekko hob die Hand und winkte müde. »Gute Nacht, Balgor. Denken Sie über mein Angebot nach.« Dann ging er.</p><p>Er ließ dem anderen Offizier nicht einmal Zeit, sich eine entsprechende Antwort zurechtzulegen.</p><p> </p><p style="text-align: center">***</p> <p style="text-align: center"></p><p> </p><p>Es liegt in der Natur der Sache, dass Feldbetten unbequem sind. Was soll man auch von einem kreuzförmig angelegten Gestell aus Holspanten erwarten, das mit einem reißfesten Stoff bezogen ist und nicht viel mehr bietet als eine etwas höher gelegene Raststätte für die von Unruhe geplagte Nacht im Kriegseinsatz?</p><p>Zumindest erlaubte es das Bett, dass Galard Ekko nicht, wie so oft, über seinen Schlafsack einen direkten Bodenkontakt herstellte und dabei allerlei Insekten lästern hörte. Auch konnte er beruhigt in dem Wissen schlafen, dass besagte Insekten nicht gerade mit einem Kartenspiel beschäftigt waren, dessen Hauptgewinn eine geführte Reise durch sein Ohr darstellte.</p><p>Tatsächlich befand sich so viel Luft zwischen Ekko und dem Boden, dass er selbst in der nächtlichen Hitze glaubte, einen kühlenden Luftzug zu spüren. Auf einer heißen Welt wie Bastet kam dies einem erfrischenden Regen gleich.</p><p>Allerdings half ihm das auch nicht bei seiner Reise in die Bewusstlosigkeit.</p><p>Überlegungen hielten ihn wach. Gedanken und Erinnerungen, die durch seine Hirnwindungen krochen und dabei ähnlich viel Lärm veranstalteten wie eine Marschkapelle.</p><p>Seltsame Dinge gingen hier vor.</p><p>Er dachte an Carrick und seine Frau, dachte an die Sororitas und das, was ihm Bruder Demetrius offenbarte und konnte auch nicht anders, als sich an die Inquisitorin zu erinnern, die ihm vor einigen Tagen einen Besuch abgestattet hatte.</p><p>All diese Dinge fühlten sich nicht richtig an. Sie waren seltsam, passten einfach nicht zusammen und ergaben dennoch Sinn.</p><p>Auf der einen Seite verschwanden sämtliche Truppen der Ekklesiarchie von Bastet, auf der anderen Seite kam eine Inquisitorin auf den Planeten, um dort … Dinge zu untersuchen.</p><p>Er rollte sich auf die Seite.</p><p>Ja. Dinge. Anders ließ es sich nicht beschreiben. Was mochte Galia Sinwell wohl auf Bastet suchen? Und warum sollte sie ihm einen Besuch abstatten? Ihm, einem einfachen Colonel? Ob sie seine Unterstützung benötigte? Wollte sie sich seiner versichern?</p><p>Die Position wurde unbequem, also rollte er sich auf die andere Seite.</p><p>Aber gegen was oder für was? Eigentlich kam ein Inquisitor doch nur in dringenden Notfällen mit irgendwelchen ganz wichtigen Inquisitions-Dekreten zum Kommandeur einer verfügbaren Einheit und requirierte diese für eine Operation.</p><p>Normalerweise stand dazwischen immer noch das Departmento Munitorium als Truppenverwalter. Aber Fradds Erstaunen – vielmehr sein Entsetzen – als er erfuhr, dass Sinwell mit Ekko direkt Kontakt aufnahm, ließ darauf schließen, dass er keine Ahnung davon hatte, was die Inquisition auf Bastet suchte, oder …?</p><p>Wieder wechselte er die Position, dieses Mal in Rückenlage.</p><p><em>Nein</em>, verbesserte sich der Colonel in Gedanken. Das war falsch. Fradd schien zu wissen, zumindest glaubte er das, weswegen Sinwell auf dem Planeten herumschnüffelte. Das hatte seine Bemerkung über die geheime Mission ausgesagt.</p><p>Dank Ekkos Offenbarung allerdings brach der Schein des Wissens in sich zusammen und enthüllte einen Kokon aus Entsetzen.</p><p>Es stellte sich nun die Frage, was Fradd so dermaßen erschütterte.</p><p>Ekko schwor sich, eine Antwort darauf zu finden. Er musste einfach. Dringend! Andernfalls würde er nie zur Ruhe finden.</p><p>Ohne, dass er es merkte, sank sein Geist dabei in einen tiefen Schlaf, dessen regenerative Wirkung sein Körper dringend brauchte.</p><p>Es hätte in diesem Moment keine Sorge, keine Angst und keine Trauer gegeben, die stark genug gewesen wäre, diesen Vorgang noch aufzuhalten.</p><p>Dahinter allerdings erwartete ihn keine Erholung.</p><p>Schwere Ketten rasselten in stockfinsterer Dunkelheit, klirrten mit der Inbrunst erfrorener Bäume, die unter der Last eines harten Winters zusammenbrachen.</p><p>Ekko sah sich um. Irgendwo in der Ferne konnte er schwache Lichter erkennen, hilfloses, in Gitter gezwängtes Leuchten, das verzweifelt versuchte, irgendeine Form von Helligkeit in die Welt zu bringen. Vermutlich verausgabte es sich bei dem Versuch derart, dass es am Ende seiner Bemühungen an einem Herzanfall sterben würde.</p><p>Für den Moment allerdings gelang es ihm, zumindest die harten Kanten eines vom Imperator verlassenen Ortes zu akzentuieren.</p><p>Die schwachen Konturen eines dunklen, kalten Verlieses zeichneten sich vor dem Hintergrund pechschwarzer Nacht ab, ließen der Fantasie des Colonels viel Spielraum sich das vorzustellen, was man bei Flutlicht erkannt hätte.</p><p>Vorsichtig machte er einen Schritt vorwärts, prüfte den Boden auf seine Festigkeit. Wer konnte schon wissen, ob sich in der Dunkelheit nicht ein besonders hinterhältiges Stückchen Boden verbarg, das ihn mit vorgetäuschter Festigkeit narrte und im Moment, da er sich in Sicherheit wähnte, doch einbrach?</p><p>Die Frage war sicherlich nicht, was dann geschah. Vielmehr wollte er nicht herausfinden, wo er landete.</p><p>Der Boden knarrte bedenklich.</p><p>Vor ihm gewann eine Bewegung an Form, materialisierte aus der Schwärze und verharrte dann als vom Licht mit schwach schraffierten Konturen versehener Schatten.</p><p>Wieder klirrten die Ketten. Ihr marterndes, grausames Zittern hallte in die Ewigkeit fort. </p><p>»Hallo?«, brachte der Schatten mit schwacher, kraftloser Stimme hervor. »Wer ist da?«</p><p>Ekko verharrte.</p><p>Es war nicht der Untergrund, der ihm mit dem baldigen Tode drohte, noch die Tatsache dass sich etwas vor ihm auf dem Boden bewegte.</p><p>Nein. Der Grund, aus dem ihm der Schock in die Glieder fuhr war jene Stimme, die ihn in seinem Leben so oft elektrisiert hatte.</p><p>»Bist … bist du das?«, keuchte er, als der Schemen vor ihm in seiner Gedankenwelt zum Abbild seiner Frau zusammensetzte.</p><p>Erkennen konnte er sie selbstverständlich nicht, aber die Worte, die Intonation zu etwas größerem, von den Wänden wiederhallen zu hören, reichte bereits, ihm ein klares Bild der Person zu offenbaren, die dort auf dem Boden kauerte.</p><p>»Ich kann nichts sehen. Wer sind Sie?«, brachte sie hervor.</p><p>Kälte griff dem Colonel an die Füße. Etwas, das er nicht sehen, nicht verstehen und nicht wirklich erfassen konnte. Es fühlte sich nicht an wie eine physische Klaue, sondern eher wie die Entwicklung eines Prozesses. Vom Gedanken über die erste Zelle bis hin zum existierenden Organismus.</p><p>Etwas bemächtigte sich seiner, nahm ihn gefangen und schnürte ihm Magen, Herz und Kehle gleichzeitig zu.</p><p>Hatte seine liebliche Frau gerade kundgetan, dass sie ihn nicht erkannte?</p><p>»Ich bin es. Alb«, krächzte er.</p><p>»Und wissen Sie denn, wer ich bin?«, fragte sie, ohne auf seine Erklärung einzugehen.</p><p>»Ja«, nickte er, obwohl sie ihn ebenso wenig sehen konnte wie er sie. »Ja, natürlich. Du bist Ayle. Du bist meine Frau.«</p><p>»Wenn Sie wissen, wer ich bin, wissen Sie auch, wo ich bin?«, fragte sie in die Stille. Erst jetzt ging ihm auf, wie entrückt sie klang.</p><p>»Wo du bist?«, gab er verwirrt zurück. Eine nachdenkliche Minute schloss sich an, überlegte gemeinsam mit dem Colonel, was diese Aussage wohl bedeuten mochte.</p><p>Nein. Das war verkehrt. Es war nicht richtig. Nichts stimmte hier. Was war das für ein Ort? Und was tat sie hier?</p><p>War es wirklich Ayle, die da zu ihm sprach? Oder gaukelte ihm jemand etwas vor?</p><p>Als hätte sie alle diese Fragen gekannt oder seine Gedanken gelesen, erklang die Stimme wieder, wisperte die Antwort gleich einem feinen Schauer horizontalen Regens in die Dunkelheit.</p><p>Die Worte glitten an seinen Ohren vorbei wie ein reißender Strom, brachten seine Gehörgänge in Bedrängnis und trommelten gegen sein Gehirn.</p><p>Er verstand kein Wort.</p><p>Die Geräuschflut echote in die Unendlichkeit fort, entwand sich ihm wie ein glitschiger Fisch. Dann waren die Worte fort, hinterließen lediglich den kalten, unheimlichen Klang vollkommener Stille.</p><p>Dabei handelte es sich nicht um Stille im herkömmlichen Sinn.</p><p>Sie glänzte nicht durch die Abwesenheit von Geräuschen. Nein. Vielmehr war sie der Hort eines konzentrierten Anti-Geräuschs, vergleichbar mit den vier, fünf Millisekunden nach einem ohrenbetäubenden Knall, in dem sich die umgebenden Geräusche erst nicht trauen, irgendeinen Ton zu erzeugen und selbst das Universum vor Schreck den Atem anhält.</p><p>Es war jene Art von Lautlosigkeit, die selbst entstehende Laute mit der gleichen Inbrunst schluckt, mit der ein Schwarzes Loch das Licht verschlingt.</p><p>Allerdings dauerte es nicht lange, bis ein fast unhörbarer Wind aufkam, über ihn hinwegstrich, von seiner linken Schläfe abprallte und sich aufmachte zur rechten. Da er dort auch nicht weiterkam, eilte er wieder zurück, schaukelte sich auf und gewann an Kraft. Leise, flüsternde Worte ernteten Substanz, sprangen in seinem Schädel umher wie die Tonspur einer kaputten Schallplatte.</p><p>Als sie schließlich genügend Kraft entwickelt hatten, um bei ihrer nächsten Runde durch seine Gedankenwelt eine Resonanzkatastrophe auszulösen, platzte die Geräuschblase und zurück blieb nur eine ruhige, klare Stimme: die seiner Frau.</p><p>»Wenn wir einen Ort verlassen, geht ein Teil von dort mit uns und ein Teil von uns bleibt da. Und wenn wir eine Welt verlassen, lassen wir immer etwas zurück.«</p><p>Die warme, weiche Art, mit der sie diese Worte sprach, ließ kein Unglück erkennen, keine Selbstgeißelung und keine Vorwürfe.</p><p>»Hier bin ich gestorben. Im Glauben an dich.«</p><p>Sie hasste ihn nicht dafür. Nein. Sie bewies ihm, dass sie bis zuletzt an ihn gedacht und ihre Entscheidung ihn zu lieben nie bereut hatte.</p><p>Es hatte nicht viele Momente gegeben, in denen Galardin Alberic Ekko geweint hatte. </p><p>Nun aber spürte er, wie sich etwas in ihm aufbaute. Empfindungen drängten als Form gewordene Kraft seinen inneren Staudamm empor, fluteten die über den Damm führende Schnellstraße und spülten einige Überlegungen, die sich gerade auf dem Weg zur Arbeit befanden, fort.</p><p>Ekkos Beine, vom in ihm tobenden Sturm überanstrengt und schwach geworden, gaben zitternd nach.</p><p>Dumpf prallte der Colonel auf den Boden, ließ den Kopf in seine Hände fallen und versuchte, die in seinem Innersten aufbegehrende Wasserflut zurückzuhalten.</p><p>»Wo?«, fragte er erstickt. »Wo bist du?«</p><p>»Ich bin immer hier gewesen. Nur du … du warst sehr lange fort«, erklärte sie mit ihrer unglaublich klaren Stimme. »Und deine Reise ist noch nicht zu Ende. Es gibt noch einen Ort, an den du zurückkehren musst, Galardin Alberic Ekko. Dort wartet jemand auf dich.«</p><p>Die Worte verklangen. Ekko hob den Kopf und blinzelte einige Tränen fort.</p><p>Es war wieder dunkel geworden. Kein Kettenklirren, keine eindringliche Stimme, keine Verzweiflung. Er fühlte sich leer. Verlassen. Allein.</p><p>Der Colonel wandte sich um seine eigene Achse, suchte nach einem Fixpunkt oder einer anderen, brauchbaren Orientierungshilfe. Aber wie sich herausstellte, konnte er in der vollkommenen Düsternis nicht einmal seine Hand vor Augen sehen.</p><p>»Wo bin ich?!«, rief er aus. »Sag mir, wo ich bin!« Das Echo seiner Stimme, weit hallend und eigentlich damit beschäftigt, irgendwo ins unendliche Nichts zu verschwinden, brach so unvermittelt ab, als sei es aus vollen Lauf gegen eine Wand geprallt und hätte sich dabei selbst bewusstlos geschlagen.</p><p>Eine andere Stimme, tief und gemessen sprechend, sodass jeder Buchstabe ein Kapitälchen hätte sein können, erklang in der Ferne, überwand die Distanz per Warpsprung und re-materialisierte direkt in Ekkos Gehörgang. »SIEHE, NICHTSWÜRDIGER! ERKENNE DEN GLANZ DES HERREN DER MENSCHEIT. KNIE NIEDER UND SENKE DEIN HAUPT IN DEMUT, DENN SEIN IST DAS REICH UND DIE HERRLICHKEIT IN EWIGKEIT.«</p><p>Ein harter, durchdringender Schlag, dem Geräusch einer flachen Hand gleich, die auf eine Betonwand prallt, füllte das akustische Umfeld des imperialen Offiziers. Es kam derart plötzlich und unerwartet, dass Ekko zusammenzuckte und sich unwillkürlich duckte.</p><p>So dauerte es einen Augenblick – vielleicht auch zwei – bis er bemerkte, dass der scharfe Knall nicht die einzige plötzliche Entwicklung gewesen war.</p><p>Damit einher ging eine Veränderung in der Luft. Ein schwaches, summendes Vibrieren, so als hätte jemand eine eiskalte, schlecht verkabelte Leuchtstoffröhre eingeschaltet.</p><p>Es schwang durch die Luft, tanzte gleich akustischen Derwischen durchs Nichts und löste sich schließlich nahezu auf. Nur ein leises, unscheinbares Summen blieb zurück.</p><p>Ekko öffnete die Augen. Seltsam. Er konnte sich gar nicht daran erinnern, sie geschlossen zu haben.</p><p>Die Umgebung hatte sich verändert. Sicher: Himmel und Horizont erschienen nach wie vor im nachtschwarzen Gewand – vielleicht sogar noch stärker als die im Universum existierende Durchschnittsdunkelheit – darunter jedoch erstreckte sich nun ein in die Unendlichkeit reichender Boden, gefliest mit in brillantem Weiß gehaltenen Kacheln, die seltsame Muster formten. Eigentlich konnte das gar nicht möglich sein, denn sie sahen alle gleich aus. Trotzdem bildete sich aus dem marmornen Bodenbelag ein Pfeil, hieß dem Colonel in mehr als nur deutlicher Zeichensprache, den Blick doch eilig nach Links zu richten.</p><p>Er kam der Aufforderung nach … und zuckte zusammen. Selbst sein Körper trat einen Schritt zurück, was zu einem komischen Paradoxon führte. Ekko stand nämlich noch genau da, wo er vor einigen Herzschlägen gewesen war. Interessant. So konnte er sich also beim Zurückweichen zusehen.</p><p>Doch er vergaß diese Tatsache recht schnell, denn dort – direkt vor ihm – saß <em>er</em>.</p><p>Erschrocken und entsetzt fiel der Colonel auf die Knie. Es war nicht einmal eine bewusste Entscheidung. Nein. Sein Körper … zumindest das, was davon übrig war, da die fleischliche Hülle gerade so etwa einen Meter hinter ihm stand … gab einfach nach, brach zusammen unter dem Gewicht einer derart ehrvollen Begegnung.</p><p>Direkt vor ihm, vielleicht zwanzig, dreißig Meter entfernt, hatte sich ein bordeauxroter Teppich entrollt, kroch in langen, gleichmäßigen Wellen eine hohe Treppe empor und endete schließlich unter einem ausladenden Podest, mehr noch einer Bühne, von der aus sich die Macht des Imperiums präsentierte. Prächtige Apparaturen, blinkende und leuchtende Geräte und von der Zeit zerfranste Banner bedachten den imperialen Offizier mit finsteren Blicken aus nicht existenten Augen.</p><p>Seltsam verdrehte und verschobene Totenschädel, mehr die Opfer eines besonders obskuren Tennisspiels denn ordnungsgemäß platzierte Reliquien, richteten sich auf und aus, zentrierten ihre Aufmerksamkeit ebenfalls auf den gerade erschienen Ankömmling.</p><p>Schläuche und Stränge umrahmten das Gebilde wie die bereits durchhängen Strahlen einer übernächtigten Sonne; und im Zentrum all dessen stand ein gewaltiger, vor allem mit einer fortgeschrittenen Patina verzierter, goldener Thron. In seinem Zentrum wiederrum saß ein in reiche Gewandung gehülltes Skelett: Der Göttliche Imperator.</p><p>Ekko senkte den Kopf und wagte es nicht aufzusehen. Eigentlich besaß er so etwas wie Gottesfurcht nicht. Er hatte sich nie dem kultischen Treiben der Ekklesiarchie ergeben und war bisher auch nie dem Drang erlegen, sich wirklich allzu viele Gedanken um das Sein und die Existenz des Imperators zu machen. Dafür verband ihn eine viel zu deutliche Feindschaft mit dem obersten Herren des von Menschen beherrschten Weltraums.</p><p>Die Geschichte war lang, traurig und bisweilen sogar ein wenig tragikomisch. Die Kurzform aber lautete: Ekko sah im Imperator eine Gestalt, der er all seine Trauer, all seine Verzweiflung und all sein Unglück aufbürden konnte, und die er dafür verantwortlichen machen konnte dass sein Leben in den Bahnen verlief, in denen es verlief.</p><p>Und der Imperator? Ihm schien es Freude zu machen, den Scheiterhaufen des Unglücks, auf dem man Die Träume und Hoffnungen von Galard Ekko irgendwann einmal platzierte hatte, immer weiter anzufachen und den Colonel langsam, bei lebendigem Leibe, zu verbrennen.</p><p>So kam es auch, dass seine Skepsis sich umgehend meldete und selbstsicher verkündete, dass da ein großes Skelett auf dem Goldenen Thron saß, nicht der Imperator.</p><p>»Galardin. Alberic. Ekko«, sprach der hohe Herr der Menschheit langsam. Seine Stimme war dunkel und nachdenklich, aber nicht so unheimlich oder gnadenlos, wie man sie in Televid-Dramen hörte, wenn der Imperator aus dem Immaterium zu seinen Dienern sprach. »Endlich also lernen wir uns kennen.«</p><p>Völlig überrumpelt runzelte Ekkos Skepsis die Stirn, dachte kurz nach, klopfte dem imperialen Offizier auf die Schulter und machte sich klammheimlich davon.</p><p>»Es … es ist mir eine unbeschreibliche Ehre«, bezeugte der Colonel seine Ehrerbietung stockend und fühlte sich dabei erstaunlich unwohl.</p><p>Das Skelett legte die Finger aneinander. Es klang wie Essstäbchen, die man achtlos gegeneinander warf.</p><p>Er ging nicht auf die Ergebenheitsbekundung seines Untertanen ein. Vermutlich wusste er, dass sie sowieso nicht ehrlich gemeint war.</p><p>»Einer meiner vielversprechendsten Diener …«, begann er ruhig, aber mit einer Spur von Enttäuschung in der gewaltigen Stimme. »Und ausgerechnet du schändest meine Tochter.« Er meinte Ekkos liebliche Frau. </p><p>»Geschändet?«, brachte der Angesprochene hervor. »Ich habe sie geliebt!«, schrie er, klopfte sich dabei in dem verzweifelten Versuch auf die Brust, sein Herz herauszuschlagen und den darauf eingravierten Namen zu präsentieren, den unauslöschlichen Beweis dafür, dass er es ihr geschenkt hatte. </p><p>Der mächtige Herrscher hob seine skelettierte Hand, deutete mit ausgestrecktem Finger auf den imperialen Offizier. »Weißt du, was mit ihr geschehen ist? Weißt du, was Ayle wiederfuhr?«</p><p>In seiner Wut fiel Ekko lediglich eine Antwort ein. Eine Antwort, die in diesem Augenblick unfair und gerecht zugleich war: »Ich weiß genug! Ich weiß, dass sie sie getötet haben!« Natürlich meinte er die Schwestern des Adeptus Sororitas, aber ihm war vollends klar, dass man die Worte auch anders verstehen konnte.</p><p>Dann senkte er den Kopf, versuchte der toten Gestalt nicht in die leeren Augenhöhlen zu blicken.</p><p>»Nein!«, rief der Imperator und seine Stimme donnerte durch die Luft wie der Überschallknall einer heranbrausenden Walküre. »Sie hat mich getötet!«</p><p>Ekkos Gedanken überschlugen sich. Der nächste Schwall Worte blieb ihm im Hals stecken, so fest, dass es ihm schwer fiel zu schlucken. Er konnte sich später nicht einmal mehr daran erinnern, was er in diesem Moment hatte sagen wollen.</p><p>»Was?!«, brachte er seine Verwirrung zum Ausdruck. Allerdings kam er nicht einmal dazu, dem Ausruf tadelnde Schärfe zu verleihen, denn als er seine Aufmerksamkeit zurück auf den Goldenen Thron richtete … war dieser verschwunden.</p><p>Ekko war wieder allein.</p><p>Stattdessen öffnete sich in der Ferne ein schwach glimmendes Portal, verhieß ihm das sprichwörtliche Licht am Ende eines langen, dunklen Tunnels.</p><p>Langsam erhob er sich und torkelte dem Licht entgegen.</p><p>Sein Kopf war leer. Er wusste nichts mehr, konnte nichts sagen, nichts sehen, nichts hören.</p><p>Er war am Ende.</p><p>Jenseits des pulsierenden Lichts erwartete ihn eine kleine grüne Wiese, eingerahmt von hohen, zerklüfteten Felsen. Dahinter erstreckte sich ein Tal, gleich der verdorrten Oberfläche von Agos Virgil. Eine gewaltige Makropole stand dort, brannte lichterloh. Schwarzer Rauch verdunkelte den Himmel.</p><p>Auf der Wiese selbst stand eine einsame Schaukel, der letzte Überrest eines längst zu Staub zerfallenen Spielplatzes.</p><p>Ein junges Mädchen saß darauf, den Blick auf die brennende Riesenstadt gerichtet und holte, die Beine und ihren Körper bewegend, in regelmäßigen Abständen Schwung. Dabei sang sie ein Kinderlied, das Ekko aber überhaupt nicht kindlich vorkam.</p><p>»Meine Welt, die steht in Flammen, steht in Flammen, steht in Flammen.</p><p>Meine Welt die steht in Flammen. Nichts als Asche.</p><p>Deine Kleider brennen auch, brennen auch, brennen auch.</p><p>Deine Kleider brennen auch. Nichts als Asche.</p><p>Sieh nur wie dein Haar verkohlt, Haar verkohlt, Haar verkohlt.</p><p>Sieh nur wie dein Haar verkohlt. Nichts als Asche.</p><p>Jetzt verschmort auch deine Haut, deine Haut, deine Haut</p><p>Jetzt verschmort auch deine Haut. Nichts als Asche.</p><p>Du liegst vor mir, ganz verbrannt, ganz verbrannt, ganz verbrannt.</p><p>Du liegst vor mir, ganz verbrannt. Nichts als Asche.</p><p>Meine Welt, die ist nun fort, sie ist fort und du bist fort.</p><p>Meine Welt die ist nun fort. Nur noch Asche.«</p><p>Dann fuhr das Mädchen fort, die Melodie zu summen, während die gewaltige Stadt in der Ferne von gewaltigen Explosionen zerrissen wurde.</p><p>Ekko kam näher. »Eine schöne Stimme«, stellte er wertneutral fest.</p><p>Das Mädchen wandte nicht einmal den Kopf, als sie seine Worte ignorierte und stattdessen fragte: »Möchtest du mit mir spielen?«</p><p>Ekko marschierte an ihr vorbei, nun seinerseits ihre Worte ignorierend. »Was ist passiert?«, erkundigte er sich, während er an den zerbrochenen Zaun trat, der die Kinder auf dem Spielplatz einst vor einem Sturz in die viele Kilometer unter ihnen liegende Ebene bewahrt hatte. Als er nach unten sah, wurde ihm schwindelig. Vorsichtshalber ging er wieder einige Schritte zurück.</p><p>»Sie wollten nicht spielen«, berichtete das Mädchen traurig. » Nein. Sie wurden böse.«</p><p>Der Colonel begriff. Ein kalter Schauer wanderte seine Wirbelsäule entlang.. »Hast du das getan?«</p><p>»Nein«, erklärte sie liebenswert. »Aber ich habe auch nichts dagegen unternommen.«</p><p>Ihr Blick bohrte sich in seinen Rücken, so fest, dass er sich fühlte, als hätte sie ihm eine doppelläufige Infernopistole ins Kreuz gesetzt. »Ich mag keine bösen Menschen«, stellte sie mit derart abgeklärter Stimme fest, dass Ekko herumfuhr.</p><p>Das Mädchen war von der Schaukel gesprungen und ging mit wiegenden, verspielt wirkenden Schritten von ihm weg in Richtung des bedrohlichen Mauls jener Öffnung, die er gerade eben erst verlassen hatte.</p><p>»Wer bist du?«, rief er ihr hinterher. »Und was willst du?«</p><p>Das Mädchen hielt vergnügt in ihrem Schritt inne, lehnte sich zurück und betrachtete ihn über die Schulter hinweg.</p><p>»Mein Name ist Gabriel. Ich möchte dich vernichten«, tat sie mit einer Stimme kund, die so mädchenhaft süß war, dass niemand ihr diese Bitte hätte abschlagen können. Nur war Colonel Ekko nicht wirklich niemand und seine Begeisterung für dieses Vorhaben dementsprechend gering.</p><p>»Das ist aber doof«, teilte er seiner Gesprächsgegnerin mit. »Das passt mir aktuell gar nicht.«</p><p>Sie lächelte das niedlichste Lächeln, das eine kindliche Frau lächeln konnte. »Das macht nichts. Ich habe Zeit … zudem … solltest du dich wohl eher um deinen Besuch kümmern.«</p><p>»Besuch? Ich habe keinen …« Ekko brach ab und dachte nach. Doch. Da war jemand. Er hatte Besuch. Er war nicht allein. Vor allem nicht hier. Seltsam.</p><p>Er drehte den Kopf. »Und wer sind Sie?«, fragte er.</p><p>Die Frau neben ihm sah ihn erstaunt an. »Oh«, brachte sie hervor und löste sich auf.</p><p>Er erhielt nicht einmal Zeit, sie einer näheren Musterung zu unterziehen.</p><p> </p><p style="text-align: center">***</p> <p style="text-align: center"></p><p> </p><p>Wie ein imperialer Schlachtkreuzer, der einen Gewalttransit aus dem Warp in den Normalraum durchführte, fiel Galardin Alberic Ekko aus der wenig friedlichen Ruhe eines in diesem Moment gar nicht erholsamen Schlafes.</p><p>Tatsächlich reichte die durch den plötzlichen Sinneswechsel hervorgerufene Verwirrung aus, damit er hochschnappte wie ein entsetztes Klappmesser und dabei nach kurzer Wegstrecke auf einen harten Gegenstand traf.</p><p>Es knallte, ein überraschtes Keuchen erklang und etwas löste sich von ihm, nahm eine schwere Last von seinem Körper und die Bettdecke gleich mit. Dumpfes Poltern dröhnte vom Boden zum Feldbett hinaus.</p><p>»Thronverdammte :..!«, fluchte eine kräftige, weibliche Stimme, bevor sie ertappt abbrach.</p><p>Noch irgendwo zwischen der benebelnden Umnachtung einer unerwartet auftretenden Schlafstörung und dem betäubten Erstaunen eines plötzlich aufplatzenden Schmerzes gefangen, rollte sich Ekko herum und tastete nach der Laserpistole, die griffbereit im Holster an seinem Alarmstuhl hing. Das Holster war da, nur die Waffe war weg. Interessant.</p><p>Er konnte sich dunkel daran erinnern, dass ihm so etwas vor gar nicht allzu langer Zeit schon einmal passiert war, aber er schaffte es nicht, irgendeinen Gedanken auf die Hintergründe dafür zu lenken.</p><p>Alarmiert und von grässlichen Kopfschmerzen um jeden klaren Gedanken gebracht, torkelte seine Wahrnehmung zurück in die Realität, während seine zitternde Hand in die Leere fühlte.</p><p>Plötzlich traf sie etwas Festes. Stoff, wie der Colonel kurz darauf erkannte. In einer schnellen Bewegung krallte er seine Finger in das Material, fragte sich im selben Moment, warum da plötzlich Stoff an seinem Bett in der Luft schwebte und zog kräftig.</p><p>»Das …«, erklärte ihm eine männliche Stimme höflich, »… wäre sehr unklug.« Dann wandte sie sich an von ihm ab. »Alles in Ordnung?«</p><p>»Ja«, keuchte die andere, deutlich weiblichere, wenn auch erstaunlich kräftige Stimme. »Mir ist nur eben die Luft weggeblieben.«</p><p>»Wagen Sie es nicht, nach einer Lampe zu suchen, Colonel«, warnte ihn der Mann. »Wir sind bewaffnet, Sie nicht.«</p><p>»Hm«, brummte der Colonel. »Ich kann ja auch einfach Sie anzünden. Dann erübrigt sich die Sache mit der Beleuchtung.« Der dröhnende Schmerz in seinem Schädel begann nun auch, hinter seinen Augen zu tanzen. So wie es sich anfühlte, war es offensichtlich eine Remix-Version des Klassikers »Des Imperators Wächter tragen rote Pantoffeln«.</p><p>»Thronverdammte Scheiße«, zischte er und rollte sich auf den Bauch, um so eine stabile Lage zum Aufstehen zu finden. »Dieser Schmerz! Diese Agonie!«</p><p>»Wollen Sie sich über uns lustig machen?«, fragte die Frau giftig. Es klang, als koste es sie körperliche Überwindung, die Worte hervorzupressen.</p><p>»Sie waren in meinem Kopf. Sagen Sie es mir!«, knirschte der imperiale Offizier, bevor er sich darauf besann, besser eine Frage zu stellen. »Wofür das Ganze?«</p><p>Dann verstand er. Es war nicht die Art des Verstehens, die einem durch die Kraft des eigenen Geistes zuteilwird. Nein. Die Art des Verstehens, die Ekkos arg demolierten Kopf nun flutete, wurde durch eine externe Quelle gespeist. Wie die Stimme des Haushofmeisters, der ihm die Ankunft zweier wichtiger Gäste kundtat.</p><p>»Ja, natürlich«, winkte der Colonel jede in Vorbereitung befindliche Antwort verbal ab. »Sie sind der Dekan Benedict Defay und die mit dem roten Halsband ist Evi Biasz. Sie arbeiten beide für die Dame mit der Turmfrisur.«</p><p>Diese Aussage verschaffte ihm einige wertvolle Sekunden des Nachdenkens, in denen er feststellte, dass er aktuell absolut nichts tun konnte, um seine Lage zu verbessern. Dann holte ihn die Wirklichkeit ein.</p><p>»Woher wissen Sie das?«, brachte der Mann erstaunt hervor.</p><p>Darüber musste Ekko erst einmal eine Weile lang nachdenken.</p><p>»Ich … ich habe keine Ahnung«, entwich es ihm schließlich.</p><p>»Die Kleine hat es Ihnen verraten, oder?«, wollte die Frau wissen, während sie sich, dem Geräusch nach zu urteilen, auf wackelige Beine erhob. »Das Mädchen auf dem Spielplatz.«</p><p>»Nein«, zerdrückte der Colonel einen weiteren Fluch zwischen den Zähnen. Er hatte bereits zu viel verraten. »Ich will nur wissen: Was machen Sie in meinem Zelt?! Und noch viel wichtiger …«, fügte er an und deutete irgendwo ins tiefe Dunkel vor seinem Bett, »was machen Sie in meinem Traum?!« </p><p>»Im Schlaf offenbart sich das wahre Wesen eines Menschen«, erklärte der Mann. »Und wir möchten wissen, was Sie für ein Mensch sind.«</p><p>Ekko spürte, wie seine Kopfschmerzen hinter aufwallendes Adrenalin zurückwichen. Seine nebelumwölkte Gedankenwelt lichtete sich.</p><p>»Oh – wenn Sie das so sehr wünschen, dann kann ich Ihnen jetzt mal mein wahres Wesen zeigen«, schlug er vor. </p><p>Im nächsten Augenblick flog die Zeltplane vor dem Eingang zur Seite.</p></blockquote><p></p>
[QUOTE="Sistermarynapalm, post: 3000101, member: 18790"] [B]Guten Morgen,[/B] [B]Hier kommt er – der neue Ekko … mit einem Knick in der Ecke …[/B] [B]Viel Spaß beim Lesen.[/B] [CENTER][B]09[/B] [/CENTER] Die Stimmung im Besprechungs- und Kommandozelt des 512. Regiments hätte man nicht unbedingt mit »Panik« beschreiben müssen. »Aufregung« wäre vollkommen ausreichend gewesen. Außerdem wurde nicht das ganze Regiment, sondern nur eine kleine, elitäre Gruppe imperialer Offiziere, deren Aufgaben sich zufälligerweise mit der des Führungsstabs überschnitten, von Fassungslosigkeit, Erstaunen und Erregung ergriffen. Namentlich waren dies Captain Solmaar, Captain Fendel, Captain Balgor und – leider – auch Captain Retexer. Also jene Personen, die während einer Abwesenheit von Major Carrick und Colonel Ekko über die absolute Befehlsgewalt im 512. Regiment verfügten, sowie einige wenige glücklose Infanteristen, denen die zweifelhafte Ehre zuteil war, von ihnen als Melder oder Informanten ausgewählt worden zu sein. Als besonders fassungslos, erstaunt und ergriffen stellte sich Achad Alit heraus. Der Jung-Kommissar zeigte Bemühungen, seine Rolle als Moraloffizier des Regiments im Führungs- und Entscheidungsprozess nicht untergehen zu lassen, wusste aber nicht so recht, was er sagen sollte, schwieg daher und beschränkte sich schließlich darauf, dem Chaos mit offenem Mund lediglich zuzusehen. Diese sehr aufschlussreiche Tätigkeit verband ihn mit Doktor Calgrow, welche die sich ihr bietende Szene mit einem Hauch amüsierter Abscheu beobachtete. »Haben Sie Colonel Ekko erreicht?«, richtete Balgor seine Aufmerksamkeit auf Gireth, Ekkos persönlichen Funker und Adjutanten, als dieser die Schutzplane über dem Eingang zur Seite schob und keuchend eintrat. In Balgors für sein Alter noch sehr eleganten Gesicht zeichnete sich die diebische Freude vollkommener Ratlosigkeit ab. »Nein, Sir«, erwiderte der junge Funker unglücklich. »Ja«, seufzte der Captain und ließ die Arme ratlos gegen die Hosennaht fallen, wobei ein Laut erklang, der an ein totes Schwein erinnerte, das mit einer harten Eisenplatte Bekanntschaft macht. »Das hat man davon, wenn man ihn alleine losziehen lässt.« Er blickte zu den drei anderen Offizieren. Doch auch in ihren Mienen konnte er keinen Hinweis auf die nun zu unternehmenden Schritte erkennen. Solmaar und Fendel bedachten ihr Gegenüber mit nachdenklichen Blicken, dann sahen sie einander an, kamen darüber überein, dass sie nicht unbedingt zur Lösung des Problems beitragen konnten und fanden interessante Punkte auf dem Plottisch, der zwischen ihnen und Balgor drapiert stand. Retexer hingegen starrte betont missvergnügt ins Nichts, das irgendwo zwischen seinem Standort und dem anderen Ende des Zelts residierte. Die Aussage seines Blicks war unzweifelhaft deutlich: [I]Mit mir als Kommandeursvertreter wäre es nicht soweit gekommen[/I]. »Irgendeiner von den beiden muss es übernehmen«, stellte Solmaar schließlich fest. »Es steht ganz klar in dem Befehl.« »Vermutlich«, bestätigte Balgor zögernd. Er warf einen neuerlichen Blick auf das Schriftstück in der Hoffnung, es könnte sich entschieden haben, ihm dieses Mal eine andere Information zu präsentieren als die, die er nun bereits zum wiederholten Male gelesen hatte: Das Munitorium forderte Personal des 512. Regiments zur Teilnahme, Begleitung und Absicherung der Saatfest-Prozession an. »Sie können es nicht delegieren«, fuhr der andere Captain fort und meinte damit Ekko und Carrick. »Oder hat man Sie offiziell zum stellvertretenden Regimentskommandeur ernannt?« »Nein«, musste der Angesprochene zugeben. Was hätte er auch anderes sagen sollen? Es stimmte nun einmal. Ekko hatte ihn mit der Aufsicht über sein Kommando betraut, solange er und Carrick anderweitig verhindert waren. Die Senioritätsregelung der imperialen Armee regelte den Rest. Zumindest in der Tradition. Papier hingegen war eine andere Sache. Dort konnte man die Tatsache, dass man nach dem Regimentskommandeur und seinem Stellvertreter der nächste, ranghöchste und dienstälteste Offizier war, leider nicht geltend machen. Alles, was von offizieller Seite – sprich also vom Departmento Munitorium in Vertretung des Departmento Administratum – an Einheiten der imperialen Armee verteilt wurde, gestaltete sich in dem Punkt leider bisweilen als hinderlich für einen reibungslosen Dienstablauf. Dort hieß es dann zumeist: »Zu Händen von …« oder »an … oder Vertreter im Amt« und jeder, der nicht in der Liste der in solchen Schreiben angesprochenen Personen auftauchte, ließ besser die Finger vom Inhalt. Andernfalls fand er – oder sie – sich sehr schnell in einer sehr langen, sehr unangenehmen Befragung wieder. Diese wurde zumeist durch den Regimentskommissar und, beziehungsweise oder, entsprechende Vertreter anderer imperialer Organisationen durchgeführt, verfolgte das Ziel der Feststellung eines Sicherheitsrisikos und enthielt eine oder mehrere der folgenden Fragen: Sind Sie berechtigt? Befugt? Hat man Sie ermächtigt? Haben Sie Zugang? Umgang? Wurden Sie beauftragt? Waren Sie sicherheitsüberprüft? Gibt es dafür Zeugnisse? Beurteilungen? Bescheinigungen? Bestätigungen? Vielleicht Zeugen? Konnte man eine oder mehrere davon mit »Ja« beantworten, so folgte meist eine Verwarnung, vielleicht auch eine Eintragung in die ohnehin nur unvollständige und eher schlampig geführte Dienstakte. Gelang es dem augenscheinlichen Delinquenten, keine zufriedenstellende Antwort zu geben, so schloss sich im Grunde nur noch eine Erkundigung an, vorgetragen mit bedeutungsschwangerer Stimme und bösartig verengten Augenbrauen: »Was, beim Thron, hatten Sie dann damit vor?« Man kann darüber nun nachdenken und wird recht schnell feststellen, dass jegliche Erwiderung darauf immer negativ ausgelegt werden wird. Immerhin ist die Imperiale Armee nicht der menschenverachtende Moloch, der sie heute ist, weil ihre Diener überzeugt davon sind, dass man im besten Gewissen für das große Reich der Menschheit gedient hat. Oh, nein. Beileibe nicht. Sie wird einen für einen widerwärtigen Verräter halten, für vom schmierigen Makel des Chaos korrumpierten Abschaum, der nichts weiter im Sinn hatte, als die ihm eigentlich nicht zugänglichen Anweisungen zu entwenden und der Kriegsmaschinerie des Imperiums einen irreparablen Schaden zuzufügen. Der Rest klärt sich dann (fast) sang- und klanglos von ganz allein. Schon aus diesem Grund vermieden es die Offiziere des 512. Regiments, sich auf die vor ihnen liegende Aufgabe zu stürzen. Immerhin war es möglich, dass sich dabei ein Abgrund auftat, der ihren Sturz in eine bisher nicht abschätzbare Tiefe lenkte. Wann und wo sie dann aufschlugen, lag einzig und allein in den Händen des Imperators. Balgor seufzte schicksalsergeben und hob ahnungsvoll eine Hand. »Dann haben wir keine Wahl. Wir müssen Major Carrick informieren.« Zustimmendes Brummen der anderen Offiziere antwortete ihm. Er wandte sich um, dem Kommissar und der Ärztin zu, adressierte allerdings nur letzte direkt. »Ich denke, Doktor, das hier wird noch eine ganze Weile dauern«, erklärte er entschuldigend. »Wenn Sie möchten, können Sie gehen und ich lasse Sie rufen, wenn der Colonel wieder da ist.« »Nein. Vielen Dank«, gab Marith Calgrow, die Regimentsärztin des 512. Regiments, in der ihr eigenen, typischen Ausdrucksweise perfektionierten Hochgotischs zurück, mit der sie ihrem Gesprächsgegner normalerweise einen verbalen Handschuh ins Gesicht schleuderte. »Ich habe noch eine Unterhaltung mit Colonel Ekko zu führen. Und so wie ich ihn kenne, wird er jede Möglichkeit nutzen, ihr aus dem Weg zu gehen. Also werde ich hier auf ihn warten.« »Tja«, meinte der Captain und zuckte ahnungsvoll die Schultern. »Vermutlich können Sie da warten, bis das Tor von Cadia implodiert.« »Das macht nichts«, erwiderte sie. »Ich habe Zeit.« »Ja«, meinte eine Stimme von draußen, als wollte sie den Beweis für das Sprichwort erbringen wollen, dass das Chaos immer dann erschien, wenn man davon sprach. »Das glaube ich Ihnen.« Der improvisierte Zugang zum Zelt flatterte zur Seite. Ekko trat ein. Er wirkte müde und abgespannt. Fast so, als hätte er gerade an einer Kundgebung teilgenommen. Natürlich nicht irgendeiner Kundgebung. Nein. Bei dieser Informationsveranstaltung hatte es sich offensichtlich um eine Traumdeutung gehandelt, bei der man ihm berichtete, dass er sich aktuell in einer Traumphase befand und nur nicht aufwachte, weil die vor seinen Augenlidern residierende Realität ein ganzes Deut schrecklicher war als die Katastrophe, die er gerade als sein Leben zu betrachten glaubte. Er blickte auf und ließ seinen Blick durchs Zelt schweifen. Für einen Moment prangte eine unsichtbare, aber deutlich zu erkennende ‚[I]Was machen Sie alle in meinem Zeit?[/I]‘-Plakette auf seiner Brust. Die Anwesenden konnten beobachten, wie sich der Mund des Colonels zu einer sarkastischen Bemerkung öffnete, kurz zuckte und sich dann wieder schloss. Stattdessen seufzte der Regimentskommandeur leise und winkte ab. »Egal, was es ist«, setzte er neu an und bedeutete dem Captain zu seiner Linken, ihm den Quell seiner Sorgen zu überreichen, »geben Sie her.« Wortlos reichte ihm Balgor das Pergament, während sich um die beiden Männer herum Schweigen ausbreitete. Ekko überflog das Schreiben, kniff die Augen zusammen und blickte Balgor scharf an. Dann las er noch einmal, dieses Mal jedoch etwas gründlicher. Das nutzte der temporär stellvertretende Regimentskommandeur, um ihm eine Frage zu stellen, die sich so plötzlich in seinen Gedanken breitgemacht hatte wie ein akuter, marternder Kopfschmerz. »Haben Sie draußen gestanden und gelauscht?« »Hm«, erklang die nachdenkliche Stimme seines Vorgesetzten, während er die Lektüre beendete und das Pergament an Balgor zurückreichte, der aus Reflex – mehr noch aus Prinzip – einen neuerlichen Blick darauf warf, bevor ihm aufging, dass dies eigentlich vollkommener Unsinn war. Eine wirkliche Antwort auf seine Frage sollte er nicht mehr erhalten – oder hatte Ekko sie ihm längst gegeben? Die Hände in den Taschen versenkt, wanderte der Regimentskommandeur nachdenklich an den Anwesenden vorbei bis zum anderen Ende des Zelts, blieb eine Weile dort stehen und erging sich in einer Vielzahl von Überlegungen, von denen sich vermutlich nur ein gewisser Teil mit der Problemstellung beschäftigte. Der Rest weilte in ganz anderen Sphären. Und so dauerte es noch ein wenig länger, bis der Colonel entschied, dem Thema mehr Gewicht zu verleihen und sich wieder umdrehte. »Meine Herren … und Ärztin«, adressierte er die vor ihm Stehenden, »ich denke, Captain Balgor und ich haben einiges zu besprechen. Ich würde Sie daher jetzt bitten zu gehen.« Ein kurzer Handwink unterstrich die Aufforderung. Die Captains warfen einander vielsagende Blicke zu, lösten sich vom Besprechungstisch und verließen nacheinander das Zelt. Lediglich Calgrow und der Kommissar verharrten an ihren Plätzen, beobachteten die Szenerie wie zwei unbeteiligte Zuschauer. Es war Ekko der ihnen bewies, dass sie Teil des Geschehens waren und ihm nicht nur beiwohnten. »Das … war doch deutlich, oder?«, hakte er betont neutral nach. Aus seinem Mund klang es wie eine Drohung. »Doktor?« Die Ärztin schürzte die Lippen, zögerte und runzelte die Stirn. Nur widerwillig straffte sie ihre trotz des relativ fortgeschrittenen Alters noch immer attraktive Figur, um sich in Richtung Ausgang zu begeben. Der Kommissar hingegen rührte sich nicht. »Vielleicht«, startete er den zögerlichen Versuch, seiner Präsenz mehr Nachdruck zu verleihen, »sollte ich ebenfalls an der Besprechung teilnehmen?« »Nein«, gab Ekko zurück. »Aber …« »Nein!«, wiederholte der Regimentskommandeur, dieses Mal deutlich energischer. »Raus!« Langsam, wie von einer zähen Masse festgehalten, setzte sich sein Gesprächsgegner in Richtung Ausgang in Bewegung. »Danke. Zu freundlich«, kommentierte Ekko das Geschehen. »Denken Sie daran, Colonel«, erinnerte ihn Calgrow, ehe auch sie an der Seite des Jung-Kommissars durch den Zelteingang verschwand, »wir beide haben noch ein Gespräch zu führen.« Er nickte abwesend. »Raus.« Die Plane schwang hinter den beiden zu. Balgor glaubte zu erkennen, wie Ekko den Kopf schüttelte. Vielleicht war es auch nur ein unwillkürliches Zucken gewesen. Zumindest ließ der Colonel keinen Zweifel daran, was er über das Thema dachte. »Das ist ja doof«, merkte er an. »Das passt mir gerade irgendwie gar nicht.« Damit hatte er natürlich Recht – leider half ihnen das bei der Lösung des Problems auch nicht weiter. »Es wird dadurch nicht weniger wahr«, bestätigte Balgor diese Tatsache. Ekko seufzte leise. »Ja, leider. Das Universum ist eben nicht gerecht.« Eine ungewisse Anzahl von viel zu langen Sekunden paradierte an den beiden Offizieren vorbei, präsentierte die schicken Uniformen und marschierte durch den Haupteingang aus dem Zelt, bevor sich der Colonel entschied, sein Leid nicht länger hinzunehmen: »Können Sie das nicht wegmachen?« »Ich habe das nicht geschrieben, Colonel.« »Dann ändern Sie es, Balgor.« Nichtssagend wedelte der Regimentskommandeur mit den Armen. »Schreiben Sie was Nettes drauf. Einen schönen Kommentar.« »Soll ich mich vielleicht auch noch verschreiben, damit Sie was zum Lachen haben?«, lautete die bissige Antwort, veranlasste den Adressaten, seinen Sarkasmus zur Seite zu schieben und sich dem unausweichlichen Problem zu stellen. »Geben Sie her«, brummte der Colonel missgestimmt, während er am Pergament zog. Das Schreiben wechselte erneut den Besitzer. »Wer ist denn auf die total dämliche Idee gekommen, eine Einheit der Imperialen Armee in die Prozession zum Saatfest zu integrieren?« Während er die Befehle des Munitoriums zum wiederholten Male las, tippte Ekko diese ganz bestimmte Passage abwertend mit dem Rücken seiner Finger an, so als wollte er dafür sorgen, dass sie sich mit einem »Aua, das hat wehgetan, Mann« zur Wehr setzte, um dann fortzufahren: »Weiß ich doch auch nicht! Ich bin nur der Bote!« Leider tat sie ihm diesen Gefallen nicht. Vermutlich war das Schreiben auf Qo’nos erschaffen worden. Oder auf Narn. Zumindest stand außer Frage, dass es unheimlich stolz war und es daher vorzog, stumm zu leiden. Vielmehr hätte es ohnehin nicht zur Lösung des Problems beitragen können. Einige Momente später entspannten sich die Züge des Colonels merklich. »Da steht nicht, wie groß die Abteilung sein muss«, stellte er ein wenig beruhigter fest. »Zumindest eine gute Nachricht.« Dann setzte der Regimentskommandeur an, die auf diese ganz spezielle Form der Auftragstaktik folgenden Gedankengänge in seinem Kopf zu skizzieren. »Nehmen wir …«, begann er, bevor er abbrach um zu überlegen. »Es sollte nicht zu klein sein, aber auch nicht zu groß, damit es nicht allzu wichtig erscheint.« Er nickte, bestätigte seine eigenen Gedanken. »Nehmen wir Retexers Kompanie.« Balgor stöhnte auf. »Ausgerechnet Retexer.« Sein Gegenüber begann erneut zu wandern, versuchte die aus seinem Kopf heraussprudelnden Gedanken zu treiben, in eine Ecke des Zelts zu zwingen und dort wieder einzufangen. »Sie können das auch machen, Balgor«, meinte er nach einiger Zeit. Der Kompaniechef wusste natürlich, was das für ihn bedeutet hätte. Ihnen blieb nicht einmal mal mehr zehn Tage bis zum Saatfest und die Aufstellung einer militärischen Formation in einer eigentlich zivilen Parade bedurfte einiger Organisation. Immerhin ging es dabei um die Koordination eines wirren, wuselnden Haufens halbnackter Männer und Frauen, die sich in ekstatischen Tänzen Kleider vom Leib rissen, Blümchen in die Luft warfen und bisweilen sogar auf den Gedanken kamen, die ganze Angelegenheit um die Sache mit den Bienen zu erweitern, und einer professionellen Armeeeinheit. [I]Zumindest einer Armeeeinheit[/I], verbesserte er sich in Gedanken. Gleichsam mussten die eigenen Truppen instruiert, vorbereitet und aufgestellt, eine Wegstrecke definiert und ein Zeitansatz geplant werden. Es galt, auf die Besonderheiten zu achten, wenn man nicht die eigene Heilige, sondern den Imperator repräsentierte, die eingesetzten Einheiten waren noch einmal einer Stell- und Marschprobe zusammenzufassen und die formaldienstlichen Defizite galt es auszumerzen. Dazu kamen die persönlichen Vorbereitungen. Immerhin besaß man als Führer einer Abordnung eine ganz bestimmte Wirkung, die es voll zu entfalten galt. Im Endeffekt blamierte man mit einem Fehlverhalten nicht nur sich selbst und die Abordnung, sondern das Regiment, den Colonel als Vertreter der nächsthöheren Kommandoebene, in deren Vertretung das Sektoroberkommando des Sub-Sektors, dessen vorgesetzte Dienststelle und das Munitorium. Dies wiederrum führte dazu, dass sich auch das Adeptus Administratum mit der Angelegenheit beschäftigte und seinen Namen an die Hohen Lords von Terra telepathierte, die dann über das Vergehen debattierten und sich in ihrer Ratlosigkeit an den Imperator wandten, der auf seinem Goldenen Thron vor Wut rot anlief. Das wiederrum führte schlussendlich dazu, dass das Unglück gleich einem Tsunami zwischen zwei Wellenbrechern hin- und herschwappte, bis es sich am Ende über den unseligen Delinquenten ergoss, der dann auch etwas vergoss. Zumeist noch ein paar letzte, bittere Tränen und dann ein wenig Blut. Oder viel. Je nachdem, welche Hinrichtungsmethode gewählt wurde. Zusammengefasst: Führer einer zeremoniellen Abordnung zu sein war eine anspruchsvolle Aufgabe, die viel Wissen, viel Erfahrung und viel Vorbereitung benötigte. Eine ehrenvolle Tätigkeit, die man aber keinem vernünftigen Offizier jemals zugemutet hätte. Nachdem sich ihm diese Tatsache präsentierte wie ein Vorschlaghammer, der auf einen Gong trifft, entschied Balgor, lediglich die Achseln zu zucken. »Nehmen wir Retexers Kompanie«, ließ er dem anderen Offizier den Vortritt. »Und dann …« Ekko überlegte erneut. »Denken Sie, diese PVS-Einheit kriegt eine Kompanie zusammen?« »Keine Ahnung.« »Wer kann uns das beantworten? Gibt es da einen Einheitsführer?« Balgor verschränkte nachdenklich die Arme, während er versuchte, sich an den Namen des Kommandanten der ‚Überläufer‘ zu erinnern, wie man freiwillig Dienende in der Imperialen Armee auf Bastet zu bezeichnen pflegte. »Ein Lieutenant Sennen«, fiel es ihm kurz darauf wieder ein. Ekko zeigte sich überrascht. »Ein Lieutenant?« »Ja, Sir. Er ist nur kommissarischer Führer der Einheiten. Die werden nämlich unter den ganzen Kompanien aufgeteilt.« »Ach – dann [I]ist[/I] das also schon Retexers Kompanie?«, dachte der Colonel laut nach. »Dann hat sich meine Idee bereits erübrigt.« Er überlegte etwas länger, dieses Mal jedoch stumm. »Hatten Sie schon mit dem zu tun?«, wollte er wissen. »Nur wenig, Sir«, konnte Balgor berichten. »Er stellte sich kurz vor, als Sie bereits unterwegs waren. Ich sagte ihm, er müsse warten bis Sie wieder da sind.« Ekko nickte. »Verstehe. Und was war das für ein Mann?« »Warum lernen Sie ihn nicht selbst kennen, Colonel? Sie sind der Regimentskommandeur.« Ein vernünftiger Vorschlag, dem Ekko allerdings nicht ganz so viel abgewinnen konnte. »Mussten Sie mich daran erinnern? Ich hatte es gerade ganz erfolgreich verdrängt«, brummte er missmutig, bevor er sich an etwas anderes erinnerte, das es unbedingt noch zu klären galt. »Und bevor ich es vergessen«, wedelte er mit dem Schriftstück, »wir müssen auch noch dieser komischen Schutzgeschichte Rechnung tragen.« »Schutzgeschichte?«, hakte Balgor stirnrunzelnd nach. »Ja«, fuhr der Colonel gelangweilt fort. »Wir sollen die Tribüne an der großen Maatbrücke bewachen. Da, wo all die wichtigen Leute sitzen. Sie wissen schon: Ich. Sie. Carrick. Calgrow vielleicht auch.« Die Aufzählung verebbte. »Egal«, schloss der Colonel den Einwurf ab. »Ich will zehn Mann in voller Ausrüstung als Absicherung.« Wieder konnte Balgor nicht anders als erneut die Stirn zu runzeln. »Halten Sie das nicht für etwas wenig?«, fragte er rhetorisch. »Halten Sie das nicht für meine Entscheidung?«, gab der Regimentskommandeur zurück. Stille breitete sich aus. Sie war so tief, dass sie selbst Form annahm und begann im Zelt umherzuwandern, laut über die Bösartigkeit des Lebens lamentierend, bevor sie sich umwandte und den Colonel klagend anschrie. Es war seltsam, dass sie sich gar nicht um Balgor zu kümmern schien, aber im Grunde war das auch nicht weiter wichtig. Ekko und die Stille hatten sich genug zu sagen. Während die Wortlosigkeit damit fortfuhr, den Colonel bösartige Verwünschungen an den Kopf zu schleudern, um dessen existenzleeres Dasein noch weiter in die Bedeutungslosigkeit abgleiten zu lassen, wanderte dieser – rein zufällig scheinend – aus seinem kleinen Refugium in der Ecke des Zelts zurück zu dessen Ausgang. Er schien so mit seinen eigenen Gedanken zu kämpfen, dass Balgor nicht anders konnte als sich zu fragen, was den Colonel wohl beschäftigte. Schließlich trat Ekko an die provisorische Zutrittssperre und verharrte. Der lautlose, fein getaktete Schlag endloser Sekunden verging, während der Colonel regungslos auf die zugezogene Plane blickte. Dann, vollkommen unerwartet, riss er sie zur Seite und starrte hinaus in die brüllende Hitze, die sich ihrerseits anschickte, einen Blick ins Zelt zu werfen. Selbst in den Abendstunden wollte sich die Luft einfach nicht abkühlen. Taous und Tages hatten sich in rote Abendkleider geworfen und zogen zum ewig summenden Chor des leise rauschenden Windes feiernd dem Horizont entgegen. Ab und an schien es, als hickste eine von ihnen in der flimmernden Luft. Unter diesen Umständen war keine klare Sternennacht zu erwarten. Erste Wolken trübten das von Sternen gesprenkelte Sternenzelt ein und in der Ferne zuckten stumme Blitze wie die stroposkopartigen Lichter jener Party, von der Taous und Tages gerade nach Hause taumelten. »Ich bin überrascht«, bemerkte der imperiale Stabsoffizier und zog die Plane vor der geräuschlos protestierenden Hitzewand zu. »Ich hätte wirklich gedacht, dass irgendeiner stehenbleiben und lauschen würde«, verlieh er seiner Enttäuschung Luft. Der Captain beobachtete ihn dabei. Er verschränkte die Arme vor der Brust. »Colonel – was machen Sie da?« Ekko wandte sich um. Er sah sich suchend um, so als erwartete er, dass sich jede Sekunde ein von ihm längst antizipierter Gegner manifestieren und ihre Konversation durch einen plötzlichen Sprungangriff auf einen von ihnen beiden beenden würde. Dabei war es natürlich vollkommen unerheblich, dass das Zelt lediglich einen Zugang besaß. Wer konnte schon wissen, welche Gemeinheiten sich ein Gegner einfallen ließ, wenn er einen Meuchelmord an einer Persönlichkeit des imperialen Lebens plante. Die Stille zumindest hatte es geschafft, vollkommen ungesehen und unbehelligt aus dem Besprechungszelt zu entkommen. Wie sie das vollbrachte, würde wohl auf ewig ein Rätsel bleiben. In diesem Moment war es auch nicht weiter wichtig. Zumindest für Ekko nicht – auch wenn er nicht vergessen konnte, was ihm die finstere kleine Stimme in seinem Kopf in den letzten Minuten zugeflüstert hatte. »Ich muss da kurz mal was anderes klären«, lenkte er das Gespräch in neue Bahnen. »Balgor, ich habe heute einige Dinge erfahren, denen ich nachgehen muss. Es ist unerlässlich, dass ich mehr darüber hinausfinde, was auf diesem Planeten los ist.« »Wollen Sie es mir mitteilen?«, erkundigte sich Ekkos Gesprächspartner. »Nein«, erwiderte dieser postwendend. Vielleicht sogar ein bisschen zu schnell. »Nein. Auf jeden Fall nicht sofort. Erst muss ich wissen, ob das alles wirklich wahr ist oder ich einfach nur verrückt werde.« Balgor zog die Augenbrauen hoch, sagte aber nichts. Was hätte er auch sagen sollen? »Auf jeden Fall«, kehrte das Gespräch zum Thema zurück, »werde ich dadurch nur wenig Zeit haben, mich so um das Regiment zu kümmern, wie ich es gerne möchte. Besonders betrifft das die Sache mit den Elysianern.« Ja, die Sache mit dem Elysianern. Balgor kannte nicht alle Einzelheiten, aber er wusste, dass das 512. Regiment durch eine Abteilung Elysianer verstärkt werden sollte, Verbände, die nach blutigen Schlachten irgendwo im Segmentum einer neuen Bestimmung zugeführt werden sollten. Natürlich gab es Stimmen, die sich gegen eine solche Zusammenführung verwahrten. Verwahrloste, einst motorisierte Infanterie und Sprungtruppen – das passte einfach nicht zusammen. Wie nur konnte das Departmento Munitorium eine derartige Vermischung zweier grundverschiedener Doktrinen zulassen? Hier – und das konnte Balgor nicht wissen – hatte eine größere Macht eingegriffen als das, was Feder und Schwert zu leisten in der Lage gewesen wären. Die Wege des Imperators waren unergründlich. Und gerade waren die Schicksale zweier zerschundener Armeen auf eine gemeinsame Straße geführt worden. Natürlich hatte sich der Autor dieser Verbindung etwas dabei gedacht. Eine Bündelung der Kräfte. Ein Gewinn an Masse, an Energie und an Stärke. Aber vor allem … vor allem würde dies der Beginn einer neuen Geschichte sein, eines neuen Abenteuers, das beide Kampfgruppen als eine große Armee erleben würden. Sofern der hohe Herr der Menschheit sich nicht plötzlich doch noch anders entschied. Da konnte das Munitorium protestieren wie es wollte. In den göttlichen Augen des Imperators waren die menschlichen Narren einfach nur Unwissende, die das größere Wohl einer gut erzählten Geschichte einfach nicht akzeptieren konnten. Allerdings – und das muss man ihnen zugutehalten – beschäftigte sich der Imperator auch nicht wirklich mit logistischer Aktenführung und dem Chaos, das aus einer ungeplanten Aktion wie dieser entstand. Balgor für seinen Teil verstand von beidem nicht viel. Für ihn gab es nur eine wichtige, um nicht zu sagen essentielle, Tatsache. »Ich kann Carrick damit nicht belasten«, erklärte Ekko matt. »Er ist mit seinen Gedanken vermutlich schon gar nicht mehr in diesem Regiment, sondern verbirgt sie hinter einer Totenmaske.« Ein Seufzen folgte. Es war nicht wirklich ein Seufzen, mehr ein raues Ausatmen, aber es reichte, damit Balgor das Ziel der Einleitung offenbar wurde, noch bevor sein Vorgesetzter Gelegenheit erhielt, es wirklich auszusprechen. »Und damit bleibe nur ich?«, kürzte er eine weitere Ausführung ab, noch bevor sie begann. Ekko nickte. »Ja.« Er räusperte sich. »Balgor, ich möchte Sie zum stellvertretenden Interims-Regimentskommandeur machen. Mit allen dazugehörigen Befugnissen.« Natürlich hatte sich der Colonel in Vorbereitung auf dieses – in seinen Augen sehr unangenehme – Gespräch bereits länger vorbereitet. Während seiner Rückfahrt durch die leblose Wüste von Bastet waren ihm ganze Romane an Gedanken, Überlegungen und Vermutungen durch den Kopf geschossen, abwechselnd die vor ihm liegende und die längst vergangene Zeit betrachtend. Irgendwo während dieser Zeit reifte in ihm die Überlegung, das Kommando über sein Regiment in temporärer Ermangelung eines Stellvertreters an den dienstältesten Kompaniechef abzugeben: Balgor. Ja, er ging sogar soweit, sich jede für Balgor und ihn typische Gesprächsführung zu überlegen und eine entsprechende, für ihre Wortgefechte immer notwendige, Verteidigungs- und Gegenschlagsstrategie zurechtzulegen. Allerdings – und das erkannte er erst im Nachhinein – vergaß er dabei einen essentiellen Punkt: Auch Captain Balgor konnte ehrlich überrascht sein. »Wollen Sie Carrick ersetzen?«, brach es aus dem rangniederen Offizier hervor. Er klang dabei derart vorwurfsvoll, dass Ekkos vorbereitete, von Ironie und Sarkasmus gewürzte Vorgehensweise ihre Koffer packte und von dannen schlich. Außerdem kam die Frage so unerwartet, dass der Regimentskommandeur über die Worte erst einmal nachdenken musste. »Nein«, verkündete er das Ergebnis seiner Überlegungen nach einiger Zeit mit betont kraftloser, aber dennoch bedeutsamer Stimme. »Nein … zumindest nicht sofort.« Was eigentlich als ernste Nachdenklichkeit geplant war, hörte sich im Endeffekt eher an wie ein Schuldeingeständnis. »Hm.« Der Captain überlegte eine Zeitlang. Dann versenkte er, eine im Grunde eher für Ekko typische Geste, die Hände in den Taschen seines Drillichs. »Und was würden Sie machen, wenn ich Nein sage?« Sein Gegenüber zögerte. An seiner Miene ließ sich ablesen, dass er eine solche Antwort bereits erwartet, wenn nicht sogar gefürchtet hatte. Er seufzte schicksalsergeben. »Dann würde ich einen Fünfziger draufpacken und einfach noch einmal fragen.« »Colonel, ich will Ihr Geld nicht«, erklärte sein Untergeber entschieden, was dem Regimentskommandeur ein erleichtertes Reaktion entlockte. »Danke, Balgor. Das macht es für mich einfacher. Nicht auszudenken, wenn ich deswegen noch zur Imperial Reserve Bank von Bastet gemusst hätte.« »Das mag sein – aber das ist nicht das Problem.« »Ich verstehe«, gab der Colonel zurück. Er vollführte eine nichtssagende Geste. »Wollen Sie mir denn sagen, was das Problem ist?« Sein Captain schüttelte den Kopf. »Nein«, erklärte er mit gemessener Stimme. »Auf jeden Fall nicht sofort. Erst muss ich wissen, ob das alles wirklich wahr ist oder ich einfach nur verrückt werde.« Ekko hob die Augenbrauen. »Ich habe mich wirklich lange zurückgehalten, Balgor«, meinte er, »aber es wird immer offensichtlicher … ich kann es nicht länger leugnen …« Er holte tief Luft. »Punkt für Sie.« Ekko und Balgor hatten lange Zeit eine Tradition gepflegt, die sich ‚Punkte-Sammeln‘ nannte. Dabei vergab derjenige, der sich vom anderen in einem Wortduell geschlagen oder durch eine sehr schlagfertige Antwort aus dem Konzept gebracht sah, an diesen Punkte. Am Ende eines Jahres – oder vielmehr einer Schlacht – wurden alle Punkte zusammengezählt und der Verlierer gab dem Gewinner ein Getränk, Lho-Stäbchen oder andere Verbrauchsgüter aus, bevor man dann erneut zu zählen begann. Nach der Schlacht von Agos Virgil hatten die beiden diese Tradition aufgegeben, und das eigentlich auch nur, weil sie sich lange Zeit wirklich nicht viel zu sagen gehabt hatten. Balgor nahm das Zugeständnis wortlos hin, freute sich aber insgeheim ein wenig und fügte den Punkt seiner aktuellen Liste hinzu. Sie war bereits deutlich länger. Eigentlich wollte der Colonel seinen Worten noch etwas hinzufügen, aber ein herzhaftes Gähnen kam jeder Aussage zuvor. »Herr auf dem Thron«, brummte er im Anschluss, »was für ein Tag.« »Sie sehen müde aus«, präsentierte ihm sein Gegenüber die Tatsache des Offensichtlichen. »Ich war schon immer gut darin, meine wahren Gefühle zu verstecken.« »Und was ist mit Doktor Calgrow?«, erinnerte Balgor ihn. Ekko winkte ab. »Die war auch immer gut darin, ihre wahren Gefühle zu verstecken.« Balgor legte den Kopf schief und deutete mit den Augen so deutlich auf den Zeltausgang, dass es einem überdeutlichen Zeigen mit dem Finger gleichkam. Der so Angesprochene zuckte die Achseln. »Sie soll mich einfach irgendwann anders ansprechen.« »Was … nie sein wird?«, wollte der Captain wissen. »Doch. Irgendwann. Nur nicht jetzt.« Ekko hob die Hand und winkte müde. »Gute Nacht, Balgor. Denken Sie über mein Angebot nach.« Dann ging er. Er ließ dem anderen Offizier nicht einmal Zeit, sich eine entsprechende Antwort zurechtzulegen. [CENTER]*** [/CENTER] Es liegt in der Natur der Sache, dass Feldbetten unbequem sind. Was soll man auch von einem kreuzförmig angelegten Gestell aus Holspanten erwarten, das mit einem reißfesten Stoff bezogen ist und nicht viel mehr bietet als eine etwas höher gelegene Raststätte für die von Unruhe geplagte Nacht im Kriegseinsatz? Zumindest erlaubte es das Bett, dass Galard Ekko nicht, wie so oft, über seinen Schlafsack einen direkten Bodenkontakt herstellte und dabei allerlei Insekten lästern hörte. Auch konnte er beruhigt in dem Wissen schlafen, dass besagte Insekten nicht gerade mit einem Kartenspiel beschäftigt waren, dessen Hauptgewinn eine geführte Reise durch sein Ohr darstellte. Tatsächlich befand sich so viel Luft zwischen Ekko und dem Boden, dass er selbst in der nächtlichen Hitze glaubte, einen kühlenden Luftzug zu spüren. Auf einer heißen Welt wie Bastet kam dies einem erfrischenden Regen gleich. Allerdings half ihm das auch nicht bei seiner Reise in die Bewusstlosigkeit. Überlegungen hielten ihn wach. Gedanken und Erinnerungen, die durch seine Hirnwindungen krochen und dabei ähnlich viel Lärm veranstalteten wie eine Marschkapelle. Seltsame Dinge gingen hier vor. Er dachte an Carrick und seine Frau, dachte an die Sororitas und das, was ihm Bruder Demetrius offenbarte und konnte auch nicht anders, als sich an die Inquisitorin zu erinnern, die ihm vor einigen Tagen einen Besuch abgestattet hatte. All diese Dinge fühlten sich nicht richtig an. Sie waren seltsam, passten einfach nicht zusammen und ergaben dennoch Sinn. Auf der einen Seite verschwanden sämtliche Truppen der Ekklesiarchie von Bastet, auf der anderen Seite kam eine Inquisitorin auf den Planeten, um dort … Dinge zu untersuchen. Er rollte sich auf die Seite. Ja. Dinge. Anders ließ es sich nicht beschreiben. Was mochte Galia Sinwell wohl auf Bastet suchen? Und warum sollte sie ihm einen Besuch abstatten? Ihm, einem einfachen Colonel? Ob sie seine Unterstützung benötigte? Wollte sie sich seiner versichern? Die Position wurde unbequem, also rollte er sich auf die andere Seite. Aber gegen was oder für was? Eigentlich kam ein Inquisitor doch nur in dringenden Notfällen mit irgendwelchen ganz wichtigen Inquisitions-Dekreten zum Kommandeur einer verfügbaren Einheit und requirierte diese für eine Operation. Normalerweise stand dazwischen immer noch das Departmento Munitorium als Truppenverwalter. Aber Fradds Erstaunen – vielmehr sein Entsetzen – als er erfuhr, dass Sinwell mit Ekko direkt Kontakt aufnahm, ließ darauf schließen, dass er keine Ahnung davon hatte, was die Inquisition auf Bastet suchte, oder …? Wieder wechselte er die Position, dieses Mal in Rückenlage. [I]Nein[/I], verbesserte sich der Colonel in Gedanken. Das war falsch. Fradd schien zu wissen, zumindest glaubte er das, weswegen Sinwell auf dem Planeten herumschnüffelte. Das hatte seine Bemerkung über die geheime Mission ausgesagt. Dank Ekkos Offenbarung allerdings brach der Schein des Wissens in sich zusammen und enthüllte einen Kokon aus Entsetzen. Es stellte sich nun die Frage, was Fradd so dermaßen erschütterte. Ekko schwor sich, eine Antwort darauf zu finden. Er musste einfach. Dringend! Andernfalls würde er nie zur Ruhe finden. Ohne, dass er es merkte, sank sein Geist dabei in einen tiefen Schlaf, dessen regenerative Wirkung sein Körper dringend brauchte. Es hätte in diesem Moment keine Sorge, keine Angst und keine Trauer gegeben, die stark genug gewesen wäre, diesen Vorgang noch aufzuhalten. Dahinter allerdings erwartete ihn keine Erholung. Schwere Ketten rasselten in stockfinsterer Dunkelheit, klirrten mit der Inbrunst erfrorener Bäume, die unter der Last eines harten Winters zusammenbrachen. Ekko sah sich um. Irgendwo in der Ferne konnte er schwache Lichter erkennen, hilfloses, in Gitter gezwängtes Leuchten, das verzweifelt versuchte, irgendeine Form von Helligkeit in die Welt zu bringen. Vermutlich verausgabte es sich bei dem Versuch derart, dass es am Ende seiner Bemühungen an einem Herzanfall sterben würde. Für den Moment allerdings gelang es ihm, zumindest die harten Kanten eines vom Imperator verlassenen Ortes zu akzentuieren. Die schwachen Konturen eines dunklen, kalten Verlieses zeichneten sich vor dem Hintergrund pechschwarzer Nacht ab, ließen der Fantasie des Colonels viel Spielraum sich das vorzustellen, was man bei Flutlicht erkannt hätte. Vorsichtig machte er einen Schritt vorwärts, prüfte den Boden auf seine Festigkeit. Wer konnte schon wissen, ob sich in der Dunkelheit nicht ein besonders hinterhältiges Stückchen Boden verbarg, das ihn mit vorgetäuschter Festigkeit narrte und im Moment, da er sich in Sicherheit wähnte, doch einbrach? Die Frage war sicherlich nicht, was dann geschah. Vielmehr wollte er nicht herausfinden, wo er landete. Der Boden knarrte bedenklich. Vor ihm gewann eine Bewegung an Form, materialisierte aus der Schwärze und verharrte dann als vom Licht mit schwach schraffierten Konturen versehener Schatten. Wieder klirrten die Ketten. Ihr marterndes, grausames Zittern hallte in die Ewigkeit fort. »Hallo?«, brachte der Schatten mit schwacher, kraftloser Stimme hervor. »Wer ist da?« Ekko verharrte. Es war nicht der Untergrund, der ihm mit dem baldigen Tode drohte, noch die Tatsache dass sich etwas vor ihm auf dem Boden bewegte. Nein. Der Grund, aus dem ihm der Schock in die Glieder fuhr war jene Stimme, die ihn in seinem Leben so oft elektrisiert hatte. »Bist … bist du das?«, keuchte er, als der Schemen vor ihm in seiner Gedankenwelt zum Abbild seiner Frau zusammensetzte. Erkennen konnte er sie selbstverständlich nicht, aber die Worte, die Intonation zu etwas größerem, von den Wänden wiederhallen zu hören, reichte bereits, ihm ein klares Bild der Person zu offenbaren, die dort auf dem Boden kauerte. »Ich kann nichts sehen. Wer sind Sie?«, brachte sie hervor. Kälte griff dem Colonel an die Füße. Etwas, das er nicht sehen, nicht verstehen und nicht wirklich erfassen konnte. Es fühlte sich nicht an wie eine physische Klaue, sondern eher wie die Entwicklung eines Prozesses. Vom Gedanken über die erste Zelle bis hin zum existierenden Organismus. Etwas bemächtigte sich seiner, nahm ihn gefangen und schnürte ihm Magen, Herz und Kehle gleichzeitig zu. Hatte seine liebliche Frau gerade kundgetan, dass sie ihn nicht erkannte? »Ich bin es. Alb«, krächzte er. »Und wissen Sie denn, wer ich bin?«, fragte sie, ohne auf seine Erklärung einzugehen. »Ja«, nickte er, obwohl sie ihn ebenso wenig sehen konnte wie er sie. »Ja, natürlich. Du bist Ayle. Du bist meine Frau.« »Wenn Sie wissen, wer ich bin, wissen Sie auch, wo ich bin?«, fragte sie in die Stille. Erst jetzt ging ihm auf, wie entrückt sie klang. »Wo du bist?«, gab er verwirrt zurück. Eine nachdenkliche Minute schloss sich an, überlegte gemeinsam mit dem Colonel, was diese Aussage wohl bedeuten mochte. Nein. Das war verkehrt. Es war nicht richtig. Nichts stimmte hier. Was war das für ein Ort? Und was tat sie hier? War es wirklich Ayle, die da zu ihm sprach? Oder gaukelte ihm jemand etwas vor? Als hätte sie alle diese Fragen gekannt oder seine Gedanken gelesen, erklang die Stimme wieder, wisperte die Antwort gleich einem feinen Schauer horizontalen Regens in die Dunkelheit. Die Worte glitten an seinen Ohren vorbei wie ein reißender Strom, brachten seine Gehörgänge in Bedrängnis und trommelten gegen sein Gehirn. Er verstand kein Wort. Die Geräuschflut echote in die Unendlichkeit fort, entwand sich ihm wie ein glitschiger Fisch. Dann waren die Worte fort, hinterließen lediglich den kalten, unheimlichen Klang vollkommener Stille. Dabei handelte es sich nicht um Stille im herkömmlichen Sinn. Sie glänzte nicht durch die Abwesenheit von Geräuschen. Nein. Vielmehr war sie der Hort eines konzentrierten Anti-Geräuschs, vergleichbar mit den vier, fünf Millisekunden nach einem ohrenbetäubenden Knall, in dem sich die umgebenden Geräusche erst nicht trauen, irgendeinen Ton zu erzeugen und selbst das Universum vor Schreck den Atem anhält. Es war jene Art von Lautlosigkeit, die selbst entstehende Laute mit der gleichen Inbrunst schluckt, mit der ein Schwarzes Loch das Licht verschlingt. Allerdings dauerte es nicht lange, bis ein fast unhörbarer Wind aufkam, über ihn hinwegstrich, von seiner linken Schläfe abprallte und sich aufmachte zur rechten. Da er dort auch nicht weiterkam, eilte er wieder zurück, schaukelte sich auf und gewann an Kraft. Leise, flüsternde Worte ernteten Substanz, sprangen in seinem Schädel umher wie die Tonspur einer kaputten Schallplatte. Als sie schließlich genügend Kraft entwickelt hatten, um bei ihrer nächsten Runde durch seine Gedankenwelt eine Resonanzkatastrophe auszulösen, platzte die Geräuschblase und zurück blieb nur eine ruhige, klare Stimme: die seiner Frau. »Wenn wir einen Ort verlassen, geht ein Teil von dort mit uns und ein Teil von uns bleibt da. Und wenn wir eine Welt verlassen, lassen wir immer etwas zurück.« Die warme, weiche Art, mit der sie diese Worte sprach, ließ kein Unglück erkennen, keine Selbstgeißelung und keine Vorwürfe. »Hier bin ich gestorben. Im Glauben an dich.« Sie hasste ihn nicht dafür. Nein. Sie bewies ihm, dass sie bis zuletzt an ihn gedacht und ihre Entscheidung ihn zu lieben nie bereut hatte. Es hatte nicht viele Momente gegeben, in denen Galardin Alberic Ekko geweint hatte. Nun aber spürte er, wie sich etwas in ihm aufbaute. Empfindungen drängten als Form gewordene Kraft seinen inneren Staudamm empor, fluteten die über den Damm führende Schnellstraße und spülten einige Überlegungen, die sich gerade auf dem Weg zur Arbeit befanden, fort. Ekkos Beine, vom in ihm tobenden Sturm überanstrengt und schwach geworden, gaben zitternd nach. Dumpf prallte der Colonel auf den Boden, ließ den Kopf in seine Hände fallen und versuchte, die in seinem Innersten aufbegehrende Wasserflut zurückzuhalten. »Wo?«, fragte er erstickt. »Wo bist du?« »Ich bin immer hier gewesen. Nur du … du warst sehr lange fort«, erklärte sie mit ihrer unglaublich klaren Stimme. »Und deine Reise ist noch nicht zu Ende. Es gibt noch einen Ort, an den du zurückkehren musst, Galardin Alberic Ekko. Dort wartet jemand auf dich.« Die Worte verklangen. Ekko hob den Kopf und blinzelte einige Tränen fort. Es war wieder dunkel geworden. Kein Kettenklirren, keine eindringliche Stimme, keine Verzweiflung. Er fühlte sich leer. Verlassen. Allein. Der Colonel wandte sich um seine eigene Achse, suchte nach einem Fixpunkt oder einer anderen, brauchbaren Orientierungshilfe. Aber wie sich herausstellte, konnte er in der vollkommenen Düsternis nicht einmal seine Hand vor Augen sehen. »Wo bin ich?!«, rief er aus. »Sag mir, wo ich bin!« Das Echo seiner Stimme, weit hallend und eigentlich damit beschäftigt, irgendwo ins unendliche Nichts zu verschwinden, brach so unvermittelt ab, als sei es aus vollen Lauf gegen eine Wand geprallt und hätte sich dabei selbst bewusstlos geschlagen. Eine andere Stimme, tief und gemessen sprechend, sodass jeder Buchstabe ein Kapitälchen hätte sein können, erklang in der Ferne, überwand die Distanz per Warpsprung und re-materialisierte direkt in Ekkos Gehörgang. »SIEHE, NICHTSWÜRDIGER! ERKENNE DEN GLANZ DES HERREN DER MENSCHEIT. KNIE NIEDER UND SENKE DEIN HAUPT IN DEMUT, DENN SEIN IST DAS REICH UND DIE HERRLICHKEIT IN EWIGKEIT.« Ein harter, durchdringender Schlag, dem Geräusch einer flachen Hand gleich, die auf eine Betonwand prallt, füllte das akustische Umfeld des imperialen Offiziers. Es kam derart plötzlich und unerwartet, dass Ekko zusammenzuckte und sich unwillkürlich duckte. So dauerte es einen Augenblick – vielleicht auch zwei – bis er bemerkte, dass der scharfe Knall nicht die einzige plötzliche Entwicklung gewesen war. Damit einher ging eine Veränderung in der Luft. Ein schwaches, summendes Vibrieren, so als hätte jemand eine eiskalte, schlecht verkabelte Leuchtstoffröhre eingeschaltet. Es schwang durch die Luft, tanzte gleich akustischen Derwischen durchs Nichts und löste sich schließlich nahezu auf. Nur ein leises, unscheinbares Summen blieb zurück. Ekko öffnete die Augen. Seltsam. Er konnte sich gar nicht daran erinnern, sie geschlossen zu haben. Die Umgebung hatte sich verändert. Sicher: Himmel und Horizont erschienen nach wie vor im nachtschwarzen Gewand – vielleicht sogar noch stärker als die im Universum existierende Durchschnittsdunkelheit – darunter jedoch erstreckte sich nun ein in die Unendlichkeit reichender Boden, gefliest mit in brillantem Weiß gehaltenen Kacheln, die seltsame Muster formten. Eigentlich konnte das gar nicht möglich sein, denn sie sahen alle gleich aus. Trotzdem bildete sich aus dem marmornen Bodenbelag ein Pfeil, hieß dem Colonel in mehr als nur deutlicher Zeichensprache, den Blick doch eilig nach Links zu richten. Er kam der Aufforderung nach … und zuckte zusammen. Selbst sein Körper trat einen Schritt zurück, was zu einem komischen Paradoxon führte. Ekko stand nämlich noch genau da, wo er vor einigen Herzschlägen gewesen war. Interessant. So konnte er sich also beim Zurückweichen zusehen. Doch er vergaß diese Tatsache recht schnell, denn dort – direkt vor ihm – saß [I]er[/I]. Erschrocken und entsetzt fiel der Colonel auf die Knie. Es war nicht einmal eine bewusste Entscheidung. Nein. Sein Körper … zumindest das, was davon übrig war, da die fleischliche Hülle gerade so etwa einen Meter hinter ihm stand … gab einfach nach, brach zusammen unter dem Gewicht einer derart ehrvollen Begegnung. Direkt vor ihm, vielleicht zwanzig, dreißig Meter entfernt, hatte sich ein bordeauxroter Teppich entrollt, kroch in langen, gleichmäßigen Wellen eine hohe Treppe empor und endete schließlich unter einem ausladenden Podest, mehr noch einer Bühne, von der aus sich die Macht des Imperiums präsentierte. Prächtige Apparaturen, blinkende und leuchtende Geräte und von der Zeit zerfranste Banner bedachten den imperialen Offizier mit finsteren Blicken aus nicht existenten Augen. Seltsam verdrehte und verschobene Totenschädel, mehr die Opfer eines besonders obskuren Tennisspiels denn ordnungsgemäß platzierte Reliquien, richteten sich auf und aus, zentrierten ihre Aufmerksamkeit ebenfalls auf den gerade erschienen Ankömmling. Schläuche und Stränge umrahmten das Gebilde wie die bereits durchhängen Strahlen einer übernächtigten Sonne; und im Zentrum all dessen stand ein gewaltiger, vor allem mit einer fortgeschrittenen Patina verzierter, goldener Thron. In seinem Zentrum wiederrum saß ein in reiche Gewandung gehülltes Skelett: Der Göttliche Imperator. Ekko senkte den Kopf und wagte es nicht aufzusehen. Eigentlich besaß er so etwas wie Gottesfurcht nicht. Er hatte sich nie dem kultischen Treiben der Ekklesiarchie ergeben und war bisher auch nie dem Drang erlegen, sich wirklich allzu viele Gedanken um das Sein und die Existenz des Imperators zu machen. Dafür verband ihn eine viel zu deutliche Feindschaft mit dem obersten Herren des von Menschen beherrschten Weltraums. Die Geschichte war lang, traurig und bisweilen sogar ein wenig tragikomisch. Die Kurzform aber lautete: Ekko sah im Imperator eine Gestalt, der er all seine Trauer, all seine Verzweiflung und all sein Unglück aufbürden konnte, und die er dafür verantwortlichen machen konnte dass sein Leben in den Bahnen verlief, in denen es verlief. Und der Imperator? Ihm schien es Freude zu machen, den Scheiterhaufen des Unglücks, auf dem man Die Träume und Hoffnungen von Galard Ekko irgendwann einmal platzierte hatte, immer weiter anzufachen und den Colonel langsam, bei lebendigem Leibe, zu verbrennen. So kam es auch, dass seine Skepsis sich umgehend meldete und selbstsicher verkündete, dass da ein großes Skelett auf dem Goldenen Thron saß, nicht der Imperator. »Galardin. Alberic. Ekko«, sprach der hohe Herr der Menschheit langsam. Seine Stimme war dunkel und nachdenklich, aber nicht so unheimlich oder gnadenlos, wie man sie in Televid-Dramen hörte, wenn der Imperator aus dem Immaterium zu seinen Dienern sprach. »Endlich also lernen wir uns kennen.« Völlig überrumpelt runzelte Ekkos Skepsis die Stirn, dachte kurz nach, klopfte dem imperialen Offizier auf die Schulter und machte sich klammheimlich davon. »Es … es ist mir eine unbeschreibliche Ehre«, bezeugte der Colonel seine Ehrerbietung stockend und fühlte sich dabei erstaunlich unwohl. Das Skelett legte die Finger aneinander. Es klang wie Essstäbchen, die man achtlos gegeneinander warf. Er ging nicht auf die Ergebenheitsbekundung seines Untertanen ein. Vermutlich wusste er, dass sie sowieso nicht ehrlich gemeint war. »Einer meiner vielversprechendsten Diener …«, begann er ruhig, aber mit einer Spur von Enttäuschung in der gewaltigen Stimme. »Und ausgerechnet du schändest meine Tochter.« Er meinte Ekkos liebliche Frau. »Geschändet?«, brachte der Angesprochene hervor. »Ich habe sie geliebt!«, schrie er, klopfte sich dabei in dem verzweifelten Versuch auf die Brust, sein Herz herauszuschlagen und den darauf eingravierten Namen zu präsentieren, den unauslöschlichen Beweis dafür, dass er es ihr geschenkt hatte. Der mächtige Herrscher hob seine skelettierte Hand, deutete mit ausgestrecktem Finger auf den imperialen Offizier. »Weißt du, was mit ihr geschehen ist? Weißt du, was Ayle wiederfuhr?« In seiner Wut fiel Ekko lediglich eine Antwort ein. Eine Antwort, die in diesem Augenblick unfair und gerecht zugleich war: »Ich weiß genug! Ich weiß, dass sie sie getötet haben!« Natürlich meinte er die Schwestern des Adeptus Sororitas, aber ihm war vollends klar, dass man die Worte auch anders verstehen konnte. Dann senkte er den Kopf, versuchte der toten Gestalt nicht in die leeren Augenhöhlen zu blicken. »Nein!«, rief der Imperator und seine Stimme donnerte durch die Luft wie der Überschallknall einer heranbrausenden Walküre. »Sie hat mich getötet!« Ekkos Gedanken überschlugen sich. Der nächste Schwall Worte blieb ihm im Hals stecken, so fest, dass es ihm schwer fiel zu schlucken. Er konnte sich später nicht einmal mehr daran erinnern, was er in diesem Moment hatte sagen wollen. »Was?!«, brachte er seine Verwirrung zum Ausdruck. Allerdings kam er nicht einmal dazu, dem Ausruf tadelnde Schärfe zu verleihen, denn als er seine Aufmerksamkeit zurück auf den Goldenen Thron richtete … war dieser verschwunden. Ekko war wieder allein. Stattdessen öffnete sich in der Ferne ein schwach glimmendes Portal, verhieß ihm das sprichwörtliche Licht am Ende eines langen, dunklen Tunnels. Langsam erhob er sich und torkelte dem Licht entgegen. Sein Kopf war leer. Er wusste nichts mehr, konnte nichts sagen, nichts sehen, nichts hören. Er war am Ende. Jenseits des pulsierenden Lichts erwartete ihn eine kleine grüne Wiese, eingerahmt von hohen, zerklüfteten Felsen. Dahinter erstreckte sich ein Tal, gleich der verdorrten Oberfläche von Agos Virgil. Eine gewaltige Makropole stand dort, brannte lichterloh. Schwarzer Rauch verdunkelte den Himmel. Auf der Wiese selbst stand eine einsame Schaukel, der letzte Überrest eines längst zu Staub zerfallenen Spielplatzes. Ein junges Mädchen saß darauf, den Blick auf die brennende Riesenstadt gerichtet und holte, die Beine und ihren Körper bewegend, in regelmäßigen Abständen Schwung. Dabei sang sie ein Kinderlied, das Ekko aber überhaupt nicht kindlich vorkam. »Meine Welt, die steht in Flammen, steht in Flammen, steht in Flammen. Meine Welt die steht in Flammen. Nichts als Asche. Deine Kleider brennen auch, brennen auch, brennen auch. Deine Kleider brennen auch. Nichts als Asche. Sieh nur wie dein Haar verkohlt, Haar verkohlt, Haar verkohlt. Sieh nur wie dein Haar verkohlt. Nichts als Asche. Jetzt verschmort auch deine Haut, deine Haut, deine Haut Jetzt verschmort auch deine Haut. Nichts als Asche. Du liegst vor mir, ganz verbrannt, ganz verbrannt, ganz verbrannt. Du liegst vor mir, ganz verbrannt. Nichts als Asche. Meine Welt, die ist nun fort, sie ist fort und du bist fort. Meine Welt die ist nun fort. Nur noch Asche.« Dann fuhr das Mädchen fort, die Melodie zu summen, während die gewaltige Stadt in der Ferne von gewaltigen Explosionen zerrissen wurde. Ekko kam näher. »Eine schöne Stimme«, stellte er wertneutral fest. Das Mädchen wandte nicht einmal den Kopf, als sie seine Worte ignorierte und stattdessen fragte: »Möchtest du mit mir spielen?« Ekko marschierte an ihr vorbei, nun seinerseits ihre Worte ignorierend. »Was ist passiert?«, erkundigte er sich, während er an den zerbrochenen Zaun trat, der die Kinder auf dem Spielplatz einst vor einem Sturz in die viele Kilometer unter ihnen liegende Ebene bewahrt hatte. Als er nach unten sah, wurde ihm schwindelig. Vorsichtshalber ging er wieder einige Schritte zurück. »Sie wollten nicht spielen«, berichtete das Mädchen traurig. » Nein. Sie wurden böse.« Der Colonel begriff. Ein kalter Schauer wanderte seine Wirbelsäule entlang.. »Hast du das getan?« »Nein«, erklärte sie liebenswert. »Aber ich habe auch nichts dagegen unternommen.« Ihr Blick bohrte sich in seinen Rücken, so fest, dass er sich fühlte, als hätte sie ihm eine doppelläufige Infernopistole ins Kreuz gesetzt. »Ich mag keine bösen Menschen«, stellte sie mit derart abgeklärter Stimme fest, dass Ekko herumfuhr. Das Mädchen war von der Schaukel gesprungen und ging mit wiegenden, verspielt wirkenden Schritten von ihm weg in Richtung des bedrohlichen Mauls jener Öffnung, die er gerade eben erst verlassen hatte. »Wer bist du?«, rief er ihr hinterher. »Und was willst du?« Das Mädchen hielt vergnügt in ihrem Schritt inne, lehnte sich zurück und betrachtete ihn über die Schulter hinweg. »Mein Name ist Gabriel. Ich möchte dich vernichten«, tat sie mit einer Stimme kund, die so mädchenhaft süß war, dass niemand ihr diese Bitte hätte abschlagen können. Nur war Colonel Ekko nicht wirklich niemand und seine Begeisterung für dieses Vorhaben dementsprechend gering. »Das ist aber doof«, teilte er seiner Gesprächsgegnerin mit. »Das passt mir aktuell gar nicht.« Sie lächelte das niedlichste Lächeln, das eine kindliche Frau lächeln konnte. »Das macht nichts. Ich habe Zeit … zudem … solltest du dich wohl eher um deinen Besuch kümmern.« »Besuch? Ich habe keinen …« Ekko brach ab und dachte nach. Doch. Da war jemand. Er hatte Besuch. Er war nicht allein. Vor allem nicht hier. Seltsam. Er drehte den Kopf. »Und wer sind Sie?«, fragte er. Die Frau neben ihm sah ihn erstaunt an. »Oh«, brachte sie hervor und löste sich auf. Er erhielt nicht einmal Zeit, sie einer näheren Musterung zu unterziehen. [CENTER]*** [/CENTER] Wie ein imperialer Schlachtkreuzer, der einen Gewalttransit aus dem Warp in den Normalraum durchführte, fiel Galardin Alberic Ekko aus der wenig friedlichen Ruhe eines in diesem Moment gar nicht erholsamen Schlafes. Tatsächlich reichte die durch den plötzlichen Sinneswechsel hervorgerufene Verwirrung aus, damit er hochschnappte wie ein entsetztes Klappmesser und dabei nach kurzer Wegstrecke auf einen harten Gegenstand traf. Es knallte, ein überraschtes Keuchen erklang und etwas löste sich von ihm, nahm eine schwere Last von seinem Körper und die Bettdecke gleich mit. Dumpfes Poltern dröhnte vom Boden zum Feldbett hinaus. »Thronverdammte :..!«, fluchte eine kräftige, weibliche Stimme, bevor sie ertappt abbrach. Noch irgendwo zwischen der benebelnden Umnachtung einer unerwartet auftretenden Schlafstörung und dem betäubten Erstaunen eines plötzlich aufplatzenden Schmerzes gefangen, rollte sich Ekko herum und tastete nach der Laserpistole, die griffbereit im Holster an seinem Alarmstuhl hing. Das Holster war da, nur die Waffe war weg. Interessant. Er konnte sich dunkel daran erinnern, dass ihm so etwas vor gar nicht allzu langer Zeit schon einmal passiert war, aber er schaffte es nicht, irgendeinen Gedanken auf die Hintergründe dafür zu lenken. Alarmiert und von grässlichen Kopfschmerzen um jeden klaren Gedanken gebracht, torkelte seine Wahrnehmung zurück in die Realität, während seine zitternde Hand in die Leere fühlte. Plötzlich traf sie etwas Festes. Stoff, wie der Colonel kurz darauf erkannte. In einer schnellen Bewegung krallte er seine Finger in das Material, fragte sich im selben Moment, warum da plötzlich Stoff an seinem Bett in der Luft schwebte und zog kräftig. »Das …«, erklärte ihm eine männliche Stimme höflich, »… wäre sehr unklug.« Dann wandte sie sich an von ihm ab. »Alles in Ordnung?« »Ja«, keuchte die andere, deutlich weiblichere, wenn auch erstaunlich kräftige Stimme. »Mir ist nur eben die Luft weggeblieben.« »Wagen Sie es nicht, nach einer Lampe zu suchen, Colonel«, warnte ihn der Mann. »Wir sind bewaffnet, Sie nicht.« »Hm«, brummte der Colonel. »Ich kann ja auch einfach Sie anzünden. Dann erübrigt sich die Sache mit der Beleuchtung.« Der dröhnende Schmerz in seinem Schädel begann nun auch, hinter seinen Augen zu tanzen. So wie es sich anfühlte, war es offensichtlich eine Remix-Version des Klassikers »Des Imperators Wächter tragen rote Pantoffeln«. »Thronverdammte Scheiße«, zischte er und rollte sich auf den Bauch, um so eine stabile Lage zum Aufstehen zu finden. »Dieser Schmerz! Diese Agonie!« »Wollen Sie sich über uns lustig machen?«, fragte die Frau giftig. Es klang, als koste es sie körperliche Überwindung, die Worte hervorzupressen. »Sie waren in meinem Kopf. Sagen Sie es mir!«, knirschte der imperiale Offizier, bevor er sich darauf besann, besser eine Frage zu stellen. »Wofür das Ganze?« Dann verstand er. Es war nicht die Art des Verstehens, die einem durch die Kraft des eigenen Geistes zuteilwird. Nein. Die Art des Verstehens, die Ekkos arg demolierten Kopf nun flutete, wurde durch eine externe Quelle gespeist. Wie die Stimme des Haushofmeisters, der ihm die Ankunft zweier wichtiger Gäste kundtat. »Ja, natürlich«, winkte der Colonel jede in Vorbereitung befindliche Antwort verbal ab. »Sie sind der Dekan Benedict Defay und die mit dem roten Halsband ist Evi Biasz. Sie arbeiten beide für die Dame mit der Turmfrisur.« Diese Aussage verschaffte ihm einige wertvolle Sekunden des Nachdenkens, in denen er feststellte, dass er aktuell absolut nichts tun konnte, um seine Lage zu verbessern. Dann holte ihn die Wirklichkeit ein. »Woher wissen Sie das?«, brachte der Mann erstaunt hervor. Darüber musste Ekko erst einmal eine Weile lang nachdenken. »Ich … ich habe keine Ahnung«, entwich es ihm schließlich. »Die Kleine hat es Ihnen verraten, oder?«, wollte die Frau wissen, während sie sich, dem Geräusch nach zu urteilen, auf wackelige Beine erhob. »Das Mädchen auf dem Spielplatz.« »Nein«, zerdrückte der Colonel einen weiteren Fluch zwischen den Zähnen. Er hatte bereits zu viel verraten. »Ich will nur wissen: Was machen Sie in meinem Zelt?! Und noch viel wichtiger …«, fügte er an und deutete irgendwo ins tiefe Dunkel vor seinem Bett, »was machen Sie in meinem Traum?!« »Im Schlaf offenbart sich das wahre Wesen eines Menschen«, erklärte der Mann. »Und wir möchten wissen, was Sie für ein Mensch sind.« Ekko spürte, wie seine Kopfschmerzen hinter aufwallendes Adrenalin zurückwichen. Seine nebelumwölkte Gedankenwelt lichtete sich. »Oh – wenn Sie das so sehr wünschen, dann kann ich Ihnen jetzt mal mein wahres Wesen zeigen«, schlug er vor. Im nächsten Augenblick flog die Zeltplane vor dem Eingang zur Seite. [/QUOTE]
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Equilibrium (letztes Update: Februar 2021)
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