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Equilibrium (letztes Update: Februar 2021)
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Beitrag
<blockquote data-quote="Sistermarynapalm" data-source="post: 3000108" data-attributes="member: 18790"><p style="text-align: center"><strong>Und weiter geht’s!</strong></p> <p style="text-align: center"><strong></strong></p> <p style="text-align: center"><strong></strong></p> <p style="text-align: center"></p><p> <p style="text-align: center"><strong>Wie immer vielen Dank an den Fluffinator.</strong></p> <p style="text-align: center"><strong></strong></p> <p style="text-align: center"><strong></strong></p> <p style="text-align: center"></p><p> <p style="text-align: center"><strong>Viel Spaß beim Lesen.</strong></p> <p style="text-align: center"><strong></strong></p> <p style="text-align: center"><strong></strong></p> <p style="text-align: center"><strong></strong></p> <p style="text-align: center"></p><p> <p style="text-align: center"><p style="text-align: center"><strong>12</strong></p> <p style="text-align: center"><strong></strong></p> <p style="text-align: center"><strong></strong></p> <p style="text-align: center"><strong></strong></p> <p style="text-align: center"></p> </p><p> Das leise Piepen des elektronischen Datenpads durchbrach die von mittäglicher Hitze erfüllte Stille im Kommandozelt des 512. Regiments.</p><p> »Und? War es das jetzt?«, folgte die ebenso entnervte wie verwirrte Stimme Captain Balgors dem Laut, verstärkte den Riss im lautlosen Gefüge zwischen den Sekunden.</p><p> »Nein, Sir«, entschuldigte sich Achad Alit. Vielleicht tätigte er auch nur eine Aussage. »Sie müssen noch zwei Exemplare der Vertretungsregelung für das Kriegstagebuch und Ihre Personalakte unterschreiben.«</p><p> Noch zwei Exemplare – nur noch zwei. In der letzten halben Stunde hatte Balgor bereits vier Exemplare der Verpflichtungserklärung zur Wahrung der militärischen Disziplin abgezeichnet, eine Erstbelehrung nach Kommandoübernahme erhalten, war über die grundsätzlichen Pflichten bei Ausübung eines temporären Dienstgeschäfts informiert worden, gelangte dann in den ehrenvollen Kreis der zur Regimentsführung berechtigten Personen, wurde zum Umgang mit den entsprechenden Geheimhaltungsstufen ermächtigt und gleichzeitig als Geheimnisträger verpflichtet, hatte dieses bestätigen müssen (wie alle vorherigen Dokumente in vierfacher Ausführung) und hoffte eigentlich, dass die bürokratische Odyssee nun bald ihr Ende fand.</p><p> »Unterschreiben auch noch?«, brach purer Sarkasmus aus dem Captain hervor. »Soll ich das Ganze dann auch noch einmal singen?«</p><p> Alit bedachte ihn mit einem tadelnden Blick. »Ihr Verhalten ist unangemessen, Captain.«</p><p> »Unangemessen? Seit einer halben Stunde bereue ich meine Bereitschaft, das Kommando über dieses Regiment temporär zu übernehmen.«</p><p> »Dieser Akt ist ein heiliges Ritual, Captain«, belehrte ihn der Jung-Kommissar mit erhobenem Zeigefinger, bevor er fortfuhr, Vergleiche zwischen der Salbung einer gesegneten Maschine und der Übernahme eines militärischen Kommandos zu ziehen.</p><p> Das Funkeln in seinen Augen hatte nichts mehr von einem unsicheren, jungen Mann, der sich nicht so recht mit seiner plötzlich erworbenen Macht zu identifizieren vermochte.</p><p> Man konnte fast dem Gedanken anheimfallen, er fühle sich durch Balgors Umgang mit den dienstlichen Verwaltungspflichten regelrecht beleidigt. So war es auch. »Seit Jahrtausenden werden die Männer und Frauen, die mit dem Kommando über eine Armee des Astra Militarum betraut werden, auf diese Weise initiiert. Sie sind doch selbst ein Captain!«, fügte der Jung-Kommissar an. »Sie müssten den Ritus doch kennen!«</p><p> Das stimmte. Zwar war Balgor bereits mehrfach die Übernahme einer Befehlshaberposition innegeworden – seine Beförderungen zum Lieutenant und zum Captain unterstrichen dies (Sergeant zählt hier nicht, da es sich um eine Feldbeförderung handelte) – allerdings stets unter Ekko und seinem Kommando, was die eine oder andere Besonderheit mit sich brachte.</p><p> »Um ganz ehrlich zu sein«, musste er zugeben und empfand dabei ein gewisses Maß an persönlicher Scham, »ging es bei mir ganz schnell. Colonel Ekko sagte zu mir: ‚You have it‘ und das war’s.«</p><p> »You have it?«, wiederholte Alit und hob fragend die Augenbraue.</p><p> »Na ja, nicht ganz«, präzisierte der imperiale Offizier. »Tatsächlich sagte er: ‚Tuum!‘«</p><p> Der hochgotische Begriff ‚Tuum‘ war eigentlich kein richtiges Wort. Es war eine Kunstform, die sich irgendwann aus dem Satz ‚Tuis Dictum‘, entwickelte, was so viel wie »dein Befehl« bedeutete. Wenn man das Ganze nun wortgetreu übersetzte, hieß ‚Tuum‘ also so viel wie »Deins«. Die sinnhafte Bedeutung dahinter stellte aber eine vollkommrn andere Schlagkraft in den Raum. Hier bedeutete das »Deins« nämlich tatsächlich eher eine Form des ‚Mach’s einfach«, beziehungsweise. »Quatsch nicht und tu’s«.</p><p> »Oh«, begriff der Jung-Kommissar, bevor ihn sein Unterbewusstsein zwang, über diese Aussage ein wenig länger nachzudenken. »Weshalb haben Sie sich dann entschieden, doch noch zu unterschreiben?«</p><p> Balgor zuckte die Achseln. »Weil ich genau weiß, wer es sonst machen würde. Und das möchte ich nicht riskieren.«</p><p> Er ließ die Aussage im Zelt stehen und war ein wenig überrascht, dass Alit die Worte nicht weiter kommentierte.</p><p> Allerdings gab die Natur der Antwort dem deutlich jüngeren Offizier ebenso wenig Gelegenheit zu einer passenden Erwiderung wie die Brisanz der kurz darauf in Gang gesetzten Ereignisse.</p><p> Eine weitere Person stürmte das Zelt, wehte durch den Eingang wie der windige Vorbote eines nahenden Sommergewitters.</p><p> Das Zelt kannte ein derartiges Verhalten seiner menschlichen Verwender bereits und daher leistete der Stoff wenig Widerstand gegen den Eindringversuch.</p><p> Panzerbesatzungen waren immer etwas kleiner geraten als normal gewachsene Infanteristen. Es gehörte zum Wesen ihrer Aufgabe wie eine Gesetzmäßigkeit der Natur. Vermutlich war diese Tatsache sogar in den genetischen Code ganzen Panzerfahrer-Generationen eingraviert worden wie ein von feinen Werkzeugen gehauenes Gütesiegel.</p><p> Der Grund dafür lag in den beengten Verhältnissen ihres Arbeitsplatzes. Für den normalen imperialen Bürger mochte dies unverständlich erscheinen. Imperiale Panzerfahrzeuge waren immerhin große, Keramid-bewehrte Ungetüme, die hoch aufragend in die Schlacht rollten, wo sie aus Geschützen, Kanonen, Flammenwerfern, Plasmawaffen, schweren Boltern oder Maschinengewehren Munition auf den Feind entluden und dem einen oder anderen Waaaghboss mit eherner Selbstverständlichkeit über den Fuß marschierten (was Letzteren dann eine Symphonie des Schmerzes anstimmen ließ).</p><p> Wie also konnte es sein, dass die Besatzungen von gepanzerten Fahrzeugen kleiner sein mussten als die an ihrer Seite in den Kampf gehenden Infanteristen?</p><p> Der größte und somit wichtigste Unterschied lag in der Tatsache, dass der Infanterist für sich allein stand. Er war Schild und Schwert in einem. Er musste seine Waffe, seine Ausrüstung und seinen Willen in den Kampf führen, um dort die schrecklichsten Ereignisse zu durchleben, die sich ein Mensch nur vorstellen kann. Ein kleiner, schwächlicher Mensch kann das nur schwerlich aushalten. Wer wirklich in den Krieg um das Imperium ziehen, mit Space Marines marschieren und Feinde unter seinen Stiefelsohlen zertreten will, der braucht Stärke. Er benötigt Energie, Kraft und Erscheinung, die in dieser Form nur ein von Grund auf trainierter Körper bereitzustellen in der Lage ist.</p><p> Der Panzer hingegen braucht Platz. Er ist eine Plattform, deren Waffen die im Vergleich nur schwachen menschlichen Körper auf ihrem Weg ans Ende der Galaxie begleiten.</p><p> Dafür benötigt er Treibstoff, Munition und Ersatzteile. Er muss ausreichend gepanzert und geländegängig genug sein, damit er auch in unwegsamstem Territorium stets seinen Weg in Richtung Schlachtfeld findet. Er muss in der Lage sein, sich in alle Richtungen zu verteidigen und den Erzfeind mit schierer Gewalt zu zerschmettern. Die Besatzung spielt dabei nur eine untergeordnete Rolle.</p><p> Theoretisch könnte ein Panzer auch ohne die Menschen existieren. Er müsste lediglich einen entsprechend mehraufgabenbefähigten Maschinengeist besitzen. Nun gab es in der Geschichte der Menschheit eine ganze Reihe von Auseinandersetzungen zwischen den Erdenbürgern und dem von ihnen geschaffenen, künstlichen Leben. Die meisten dieser Auseinandersetzungen wuchsen sich zu uneingeschränkten Kriegen aus, die nicht nur ganze Planeten zerstörten, sondern auch die Menschheit an den Rand der Vernichtung trieben. Seit dieser, in der vom Imperium beherrschten Region des Weltraums als »Dunkles Zeitalter der Technologie« bekannten Verirrung, die man ironischerweise als ‚Fortschritt‘ bezeichnet hatte, war die Nutzung solcher künstlicher, verabscheuungswürdiger, Intelligenzen bei Kapitalstrafe untersagt.</p><p> Da die übriggeblieben Entitäten, die man Maschinengeister nennt, zu schwach sind, eine ganze Maschine zu betreiben, müssen die Menschen die unliebsame Aufgabe der Führung für den Panzer übernehmen.</p><p> Und wie bei einem Barbaren, einem muskelbepackten, mit Testosteron gefluteten Körper, erhält das für das Denken und Lenken notwendige, organische Bauteil in den Fahrzeugen lediglich einen kleinen, sehr beschränkten Raum.</p><p> In Jaorah Nurins Genpool zumindest schien die notwendige Mutation innerhalb der Symbiose Menschen und Panzer schon vor langer Zeit zur Perfektion gelangt zu sein.</p><p> Mit einer Körpergröße von irgendwo bei einhundertfünfundsechzig Zentimetern und eher trainierter, wenn auch nicht muskulöser Statur gehörte der in eine schwarze Panzerfahreruniform gehüllte Captain zu jenen Soldaten, die Balgor als Beispiel für das typische Bild einer imperialen Fahrzeugbesatzung angeführt hätte.</p><p> Ein kantiges, nachdenkliches und bisweilen finster dreinblickendes Gesicht, dessen Effekt von dem Schiffchen auf seinem Kopf noch verstärkt wurde, verlieh ihm eine heroische Erscheinung, wie man sie normalerweise auf Rekrutierungsplakaten seiner Heimatwelt Desposia für den Dienst in der Panzertruppe vermutet hätte.</p><p> Normalerweise.</p><p> Im Augenblick nämlich erweckte der Offizier nämlich eher den Eindruck eines gehetzten und verfolgten Wildtieres. »Wo ist Colonel Ekko?«</p><p> »Unterwegs«, gab Balgor zurück.</p><p> Nurin ließ nicht locker. »Wo ist Major Carrick?«</p><p> »Unterwegs.«</p><p> »Wer hat dann das Kommando?«</p><p> »Ich.«</p><p> »Sie?«</p><p> »Und er.«</p><p> »Was denn?«, entwich es dem Desposianer. Sein Finger hob sich von ganz allein und zeigte auf den Jung-Kommissar. Selbst wenn er es gewollt hätte, es wäre ihm nicht gelungen, diese Reaktion zu verhindern. »Er auch?«</p><p> Balgor nickte. »Er auch.«</p><p> »Sie auch?«</p><p> Alit schien ebenso wenig überzeugt. »Ich auch?«</p><p> »Sie sind der Kommissar«, erklärte Balgor nachsichtig.</p><p> Das überzeugte den jungen Moraloffizier aber nicht wirklich. »Ich bin der Kommissar?«</p><p> Nurin übersprang Alits Verwirrung einfach, erweitere seine bereits eingeleitete Unmutsbekundung um eine zusätzliche, bittere Note. »Captain – das ist ein Skandal!«</p><p> »Warum? Was ist denn los?«</p><p> »Ihre Männer haben sich an unseren Fahrzeugen zu schaffen gemacht!«</p><p> »Was?«, sprengte die Überraschung Balgors Ruhe. »Sie meinen, unsere Leute haben Ihre Panzer sabotiert?« Er wirbelte so schnell herum, dass Alit einen unwillkürlichen Schritt rückwärts machte.</p><p> Nurin hingegen blieb unbeeindruckt. »Warum sehen Sie es sich nicht selbst an?«, schlug er vor.</p><p> Balgor nickte abgehackt. »Ich bin sofort bei Ihnen.« Er wandte sich an Alit. »Sind wir fertig?«, fragte er.</p><p> »Ja«, bestätigte der Jung-Kommissar, von derselben Überraschung wie Balgor in einen Zustand gelinder Panik getrieben, die er selbst nicht genau verstand, die aber sein Denken in die Spurrinnen kopfloser Aufregung lenkte.</p><p> »Gut«, schloss der temporär stellvertretende Regimentskommandeur das heilige Ritual der Kommandoübernahme ab. Er wandte sich Nurin zu. »Lassen Sie uns gehen.«</p><p></p><p> </p><p> <p style="text-align: center"><p style="text-align: center">***</p> <p style="text-align: center"></p> <p style="text-align: center"></p> </p><p> <em>Einforcer 1</em> und <em>Enforcer 2</em> waren ‚die‘ Jagdpanzer des 512. Regiments Sera.</p><p> Beide Fahrzeuge gehörten zu einer Vielzahl von Derivaten des Standard-Technologie-Konstrukts Leman Russ, des Standard-Kampfpanzers der Imperialen Armee.</p><p> Anders als das hochaufragende, mit einem schwer gepanzerten Turmgeschütz und einer Vielzahl von Sekundärwaffen ausgerüstete Kettenfahrzeug zählte man die Destroyer eher zu den Scharfschützen der imperialen Panzerwaffe.</p><p> Ausgerüstet mit einem als ‚Schnitter‘ bezeichneten Destroyer-Lasergeschütz in Form einer in den Rumpf eingelassenen Bewaffnung, stellte der auch als »Kasematt-Panzer« bezeichnete Destroyer ein Kuriosum im Fuhrpark der Imperialen Armee dar. Seine eigentlich eher als defensiv verstandene Aufgabe widersprach nämlich in Teilen der Doktrin des Astra Militarum, und seine verhältnismäßig archaische Erscheinung machte ihn zu einem besonderen Blickfang auf dem Schlachtfeld.</p><p> Ekkos Regiment war während ihrer letzten Schlacht mit den Jagdpanzern des 35. Desposia-Panzerregiments in Berührung gekommen und hatte die Fahrzeuge während einer tagelangen Belagerungsschlacht schätzen gelernt.</p><p> Bei der Panzer hatten die Schlacht mehr oder wenig stark beschädigt überstanden, und während <em>Enforcer 2</em> noch einen recht soliden Eindruck machte, konnte Enforcer 1 sich rühmen, der wohl am schwersten getroffene und dennoch einsatzbereite Teilnehmer der Schlacht um Agos Virgil geworden zu sein. Mit Schäden, die einem vergleichbar verwunderten Menschen wohl zu einem organischen Wrack mit maschinellen Anbauteilen gemacht hätten, war der Panzerjäger nach wie vor ein formidabler Gefechtsgegner, auch wenn er aktuell auf seinen zerschlagenen Gleisketten eher umherkroch denn fuhr.</p><p> Aber ein Heer aus Maschinensehern, halb-humanoiden Maschinenmischwesen, hatte dem stark zerstörten Gefechtsfahrzeug bereits einen Teil seiner alten Macht – und damit seiner Würde – zurückgegeben. Technisch gesehen fehlte nur noch eine gewisse Anzahl an kleineren Ritualen der Wiederherstellung, um den Panzer gefechtsbereit machen, und damit zur Eingliederung in die Reihen des 512. Regiments, freigeben zu können. Eine Entscheidung, die im Angesicht der Umwandlung in eine luftgestützte Infanterieeinheit im Nachhinein als fragwürdig erscheint.</p><p> Das aber wirklich Erstaunliche an den beiden Jagdpanzern, so stellte Balgor nach kurzer Betrachtung fest, war die Tatsache, dass die mehrfarbige Hinterhalt-Tarnung der Fahrzeuge nicht mehr die einzige künstlerische Darstellungsform auf den Fahrzeugrümpfen bildete.</p><p> »Herr auf dem Thron!«, keuchte der Jung-Kommissar und lief rot an. »Das ist … das ist …«</p><p> Irgendwer war auf die glorreiche Idee gekommen, die beiden Jagdpanzer mit einem neuen Namen und Abzeichen auszustatten: <em>Bruder Janus</em> und <em>Schwester Demeure</em>, auf deren Heck jeweils einen Space Marine und eine Adeptus Sororitas von hinten gezeichnet worden waren. Die Servorüstungen der Figuren verdeckten die nackte Haut dabei nur spärlich. Die Idee hätte von Ekko persönlich sein können. Balgor aber ahnte: Hier erwachte gerade Konfliktpotenzial, und dass er einen heißen Schauer auf der Haut spürte, lag nicht am knackigen Hintern der halbnackten Ordensschwester. Die einzige Möglichkeit, diese schmachvollen Bilder ein wenig zu verdecken, bestand in der Zuhilfenahme eines Tarnnetzes, das gleich einer Schürze über die heckwärts gelegenen Partien des Fahrzeugs gespannt wurde. Dies erweckte den Eindruck, die beiden Figuren würden Röcke tragen. Schwester Demeure erschien damit wenigstens noch ein wenig elegant. Bruder Janus hingegen … »Ich finde, das haben Sie ausgezeichnet gelöst«, stellte der Captain diplomatisch fest, während er den Kopf schieflegte. »Was hat es mit dem langen, schwarzen Balken auf sich?«</p><p> »Den haben wir als Notlösung draufgemalt. Sie wollen nicht wissen, was man da vorher sehen konnte«, gab Nurin verdrießlich zurück und rümpfte die Nase.</p><p> »Oh«, war alles, was der Jung-Kommissar zu der Situation beitragen konnte, während sich der temporär stellvertretende Regimentskommandeur am Kopf kratzte.</p><p> »Und woher wissen Sie, dass das unsere Leute waren?«, fragte er in dem fast verzweifelten Versuch, das Offensichtliche zu ignorieren.</p><p> »Außer Ihnen gibt es hier nicht viel anderes«, erklang die Antwort. Damit hatte Nurin leider Recht, was sie der Lösung des Falles aber auch nicht näher brachte.</p><p> »Ja«, musste der imperiale Captain dennoch zugeben. »Das leuchtet ein.« Dann schwieg er, suchte nach einer Möglichkeit, die ganze Angelegenheit vielleicht noch ein wenig herunterzuspielen. Er fand keine.</p><p> Balgor hatte schon bemerkt, dass mit dem Wegfall der steten Bedrohung des bevorstehenden Todes eine seltsame Wandlung bei den Männern des 512. Regiments Sera einsetzte.</p><p> Ihre Energie staute sich, entlud sich in andere Richtungen, in denen die Aufregung und Wärme des heimatlichen Schlachtfelds gegenüber der Rolle eines Bettes mit williger Gefährtin in den Hintergrund trat.</p><p> Kurzum: Sie waren heiß. Und die Hitze in ihnen suchte nach einem Ventil, um den steigenden Druck irgendwie abzulassen.</p><p> Auch an sich hatte Balgor diese Änderung bereits festgestellt und mit wachsender Sorge zur Kenntnis genommen, dass seine Gedankengänge ihre gewohnten Bahnen verließen und mit steigender Intensität um die niedliche Frau Corporal zu kreisen begannen, die im Stab der neuen Quartiermeisterin des 512. Regiments diente.</p><p> Nur Colonel Ekko schien nichts zu merken, was allerdings nicht unbedingt etwas bedeutete. Immerhin stellte man sich die durchaus berechtigte Frage, ob Colonel Ekko überhaupt noch etwas merkte.</p><p> Das allerdings brachte sie auch nicht weiter.</p><p> Balgor wusste: die Gefahr, der sie sich gegenübersahen, war die ganz allmähliche Einbuße der Moral.</p><p> Die Männer hatten einfach nichts zu tun. Der eintönige Gefechtsdrill, abgeschottet von ihrer früheren Heimat, und die Eingliederung der PVS-Männer fügte vor ihren Augen ein Bild einer Welt zusammen, die ihnen so vertraut war wie das eigene Heim. Sie wollten zurückkehren. Sie wollten ihren Abdruck hinterlassen und sich mit Gewalt im Herzen Bastets verewigen. <em>Wir waren hier! Und wir haben gelebt!</em></p><p> Solche Überlegungen führten meist zu geistigen Kurzschlüssen und sehr dummen Handlungen.</p><p> Ein nacktes Weib war eine Obszönität. Ein nackter Space Marine war … seltsam, aber ebenso anstößig und bisweilen sogar ketzerisch. Was kam danach? Huren? Diebstahl? Raub? Mord? Häresie?</p><p> Soldaten waren geboren, um zu kämpfen. Ihnen oblag die Verteidigung des menschlichen Reiches, und diese Energie nicht auf ihre Aufgabe zu konzentrieren, würde katastrophale Folgen haben. Für sie, für ihre Familien und schlussendlich alles, für das sie kämpften.</p><p> Das hier war nicht zu tolerieren.</p><p> »Das ist nicht zu tolerieren!«, verlangte Nurin und wies auf die Fahrzeuge, was Balgors Überlegungen in Unordnung brachte und seine Aufmerksamkeit zurück auf das Hier und Jetzt richtete.</p><p> »Nein«, musste er zugeben, auch wenn er dem unbekannten Künstler für seine anatomisch korrekten Darstellungen insgeheim beglückwünschte. »Ich muss mit Colonel Ekko darüber sprechen. Aktuell kann ich Ihnen nur anbieten, Wachtposten zur Sicherung der Fahrzeuge abzustellen. Können Sie die …« – er suchte nach dem richtigen Wort – »… Bilder irgendwie kaschieren?«</p><p> Man sah Nurin an, dass er mit der Lösung nicht zufrieden war, aber im Augenblick auch keine andere Möglichkeit sah, als auf die Rückkehr des ausgeflogenen Regimentskommandeurs zu warten. »Was bleibt uns anderes übrig?«, erkundigte er sich rhetorisch. Seine Stimme klang dabei derart müde und enttäuscht, dass sich Balgor vornahm, das Problem wirklich anzugehen.</p><p> »Nichts«, stellte er dennoch fest und zuckte entschuldigend die Schultern.</p><p> »Ja«, brummte Nurin und wandte sich ab, um seinen Besatzungen die entsprechenden Befehle zu geben.</p><p> Balgor und Alit blieben zurück.</p><p> Es dauerte nicht lange, sich der temporär stellvertretende Regimentskommandeur ebenfalls abwandte und sich nachdenklich am Kopf kratzte. »Wir müssen herausfinden, wer das war.«</p><p> »Ich stimme zu«, versetzte Alit mit einer für sein Alter überraschend berechnender Stimme. »Eine angemessene Bestrafung …«</p><p> »… wäre eine Versetzung.«</p><p> Das brachte den Jung-Kommissar aus dem Konzept. »Eine Versetzung?«</p><p> »Ja. Das künstlerische Talent war nicht ohne. Und ich möchte nicht, dass Colonel Ekko das herausfindet.«</p><p> Die Falten in der Stirn des Moraloffiziers vertieften sich. »Warum nicht?«, verlangte er zu wissen.</p><p> Balgor seufzte. »Wer was, auf was für Ideen er kommt, wenn er merkt, dass ihm so ein Medium zur Verfügung steht.«</p><p> Er sagte diese Worte einfach frei heraus, dachte im Grunde gar nicht wirklich darüber nach, doch sobald er sie ausgesprochen hatte, ging ihm auf, wie prophetisch sie waren.</p><p> Ja, er würde darüber mit Ekko sprechen müssen. Und in seiner typischen Art würde der Colonel die Angelegenheit angehen – im Grund so, wie er alles anging: mit einer fatalistischen Grundeinstellung, die dem Imperator eine gewisse Schuld an der Situation einräumte. Aber ob er das Problem wirklich verstand? Ob er sich darauf einlassen und seine Untergebenen zu Räson bringen, sie zwingen würde, einfach wieder ihren Platz im Universum einzunehmen?</p><p> Balgor zumindest glaubte das nicht. Er fürchtete, dass ihnen die Situation entgleiten würde. Ohne Carricks führende Hand, die den Schaden abzuwenden wusste, den Ekkos sehr unorthodoxer Führungsstil bei der Disziplin seiner Männer anrichtete, würde das 512. Regiment sehr bald eine Reihe von sehr unangenehmen Situation erleben.</p><p> Stille beeilte sich ihm zuzustimmen. Alit hingegen sagte nichts.</p><p> Er kam auch nicht wirklich dazu, irgendein weiteres Wort zu äußern.</p><p> »Captain Balgor!«, hallte eine aufgeregte Stimme durchs Lager. Es war die von Gireth.</p><p> Noch während sie den Funker beim eiligen Nähertraben beobachteten, hörte Alit ein entnervtes Seufzen von dem ranghöheren Offizier an seiner Seite. »Hat man denn hier gar keine Ruhe?«</p><p> Atemlos kam der Mannschaftssoldat vor ihnen zum Halten. Schweiß hatte seine Haut in eine glänzende, klebrige Oberfläche verwandelt, auf der der Sand der Wüste besonders gut zu haften schien. »Captain Balgor, wir haben soeben ein Schreiben vom Munitorium erhalten.«</p><p> Der Angesprochene strich sich übers Gesicht, und verdrehte dann Körper und Augen erstaunlich synchron. »Was ist denn jetzt schon wieder?«</p><p> Ganz allmählich verstand er, wie sich Ekko fühlen musste, wenn er immer und immer wieder durch verschiedenste Kleinigkeiten aus den Reihen des Regiments auf Trab gehalten wurden – auch wenn Balgor annahm, dass dem Colonel seine Tätigkeit besonders in solchen Moment immer am meisten zu gefallen schien.</p><p> Kein Wunder. Immerhin besaß Ekko eine ganz eigene Art, seine Probleme zu lösen.</p><p> Glücklicherweise befand sich Balgor noch ganz am Anfang dieser Entwicklung, und die Möglichkeit dem Ganzen zu entfliehen und lediglich wieder in die Fußstapfen eines einfachen Kompanieführers zu treten, bot eine verführerische Alternative.</p><p> Dennoch nahm er dem atemlosen Funker das kleine Datenpad aus der Hand und überflog es, bevor der japsende Mann Gelegenheit erhielt, dem Vorgesetzten seine Sicht der Dinge zu präsentieren.</p><p> Je weiter er kam, umso weniger begriff er. Er musste noch einmal von vorn anfangen, bis sich das Puzzle aus Informationen ganz allmählich in seinem Kopf zusammensetzte.</p><p> Tatsächlich trug die resultierende Schlussfolgerung nicht zur Besserung seiner Laune bei.</p><p> »Das kann nicht deren Ernst sein …«, brach es aus ihm heraus.</p><p> Alit beugte sich vor. »Was ist denn?«, wollte er wissen.</p><p> Balgor reichte ihm das reichverzierte Datendarstellungsmittel, bevor er sich fluchend in Bewegung setzte.</p><p> Der Jung-Kommissar warf einen Blick auf den Bildschirm, sah die hochgotischen Lettern, machte sich nicht einmal die Mühe sie zu lesen und blickte auf. »Was heißt das?«</p><p> »Was da steht«, erklärte ihm der Captain kurz angebunden und drehte sich um. »‚<em>Rechnen Sie mit dem Eintreffen der zugewiesenen Kräfte bei Beginn des Festus Sementis</em>‘.«</p><p> Der Kommissar schien immer noch nicht zu verstehen. »Und das bedeutet?«, verlieh er seiner Verwirrung Form.</p><p> »Einigen Leuten stehen bald sehr spannende Zeiten ins Haus«, grummelte der Captain, seinen Schritt wieder aufnehmend. »Ich werde einer davon sein. Colonel Ekko muss uns ja beim Saatfest vertreten.«</p><p> Er konnte später nicht einmal mehr sagen, ob die Worte ehrlich oder sarkastisch gemeint waren.</p><p></p><p> </p><p> <p style="text-align: center"><p style="text-align: center">***</p> <p style="text-align: center"></p> <p style="text-align: center"></p> </p><p> Brag Fradd war in Aufruhr – zum wiederholten Male in den letzten paar Wochen. Er konnte sich nicht erinnern, jemals zuvor derart viel Aufregung in so kurzer Zeit erlebt zu haben. Zumindest nicht, wenn keine unmittelbare Todesgefahr drohte, eine Möglichkeit, die auf Bastet von Zeit zu Zeit tatsächlich bestand.</p><p> Zumeist allerdings ging einer derartigen Bedrohung ein Generalalarm an alle verfügbaren Streitkräfte der PVS und des Sektors zuvor, gekoppelt mit einer Angriffswarnung vor Orks, Kultisten oder anderen, ähnlich schrecklichen Mächten des Bösen.</p><p> Dieses Mal war nicht so. Und dennoch: Sein Herz krampfte, schien mit aller Macht aus seiner Brust brechen, sich von ihm lösen und aus dem Raum laufen zu wollen. Vermutlich hätte es sich dabei sogar geschickter angestellt als er selbst jemals zuvor in seinem Leben.</p><p> Der Konsul keuchte, als er an die kommende Begegnung dachte, griff in eine der überbordenden Schubladen an seinem Schreibtisch und kramte fieberhaft nach einem zerknitterten Stofftaschentuch, das er dort für den Fall hinterlegt hatte, dass ihm der Schweiß aus allen Poren rann. Nicht, dass so eine Maßnahme auf einem Planeten wie Bastet wirklich sinnig gewesen wäre.</p><p> Zumindest aber beruhigte es den Administraten und erlaubte es ihm, sich für eine kleine Weile wieder auf das Wesentliche zu konzentrieren.</p><p> Er zupfte das Tuch zwischen Papieren und Pergamenten hervor, wischte sich eilig über die Stirn und atmete tief durch.</p><p> Taous und Tages hatten sich angekündigt, sandten ihre glühenden Strahlen gegen die großen, gotischen Fenster von Fradds Büro und klopften schon seit geraumer Zeit geräuschlos hinter den zugezogenen Gardinen.</p><p> Fradd aber interessierte sich nicht für sie. Ein anderer, wieder einmal erst kurz zuvor bekanntgegebener Gast befand sich auf dem Weg zu ihm.</p><p> Der Konsul grübelte, was ihm die Ehre dieses – gerade eigentlich eher unerwarteten Besuchs – verschaffte. Tatsächlich hatte sich die Besucherin schon vor einigen Tagen mit ihm treffen wollen, den Besuch aber kurzerhand abgesagt. Eine Angabe von Gründen erhielt er nicht.</p><p> Nun aber, wie aus dem Nichts, meldete sich ihr Stabschef und arrangierte ein kurzfristiges Treffen, auch wieder ohne Angabe von Gründen.</p><p> Die ganze Angelegenheit kam ihm höchst seltsam vor.</p><p> Er war Administrat der größten militärischen Organisation der Galaxis, beim Thron von Terra – und trotz seiner Abneigung gegen diese Welt konnte man ihn getrost als einen der großen Männer Bastets bezeichnen. Er verwaltete die Kräfte der Imperialen Armeen, welche von diesem Planeten aus in den heiligen Krieg um die Menschheit zogen.</p><p> Dennoch fühlte er sich gerade seltsam. So, als sei er gar nicht der große Mann, für den er sich immer gehalten hatte.</p><p> Ganz allmählich merkte der Konsul, dass sich die Welt um ihn herum immer schneller zu drehen schien, während er sich dem Gefühl nicht erwehren konnte, sein persönliches Fortkommen würde immer langsamer vonstattengehen.</p><p> Das wirklich Erschreckende daran war, dass dies nicht nur auf seinen Dienst im Imperium bezogen werden konnte, sondern inzwischen auch seinen Alltag auf Bastet III wiederspiegelte. Brag Fradd war auf ein Abstellgleis geraten und stand nun direkt vor dem Prellbock.</p><p> Diese Erkenntnis erschütterte und frustrierte ihn. Er, der er ein Leben im Namen des Imperators geführt hatte – oder sich das zumindest ab und an erfolgreich einredete – gerade er erlebte nun das Ende seiner Ambitionen. Den steten Niedergang seiner von Streben und stetem Fortschritt geleiteten Karriere.</p><p> Und er fragte sich, woran das wohl liegen mochte. Vermutlich hatte er seinem Standpunkt und seiner Aufgabe nicht genügend Gewicht verliehen. Sich von der Sorge um die Tatsache leiten und verunsichern lassen, dass er auf einer Welt wie Bastet gelandet war.</p><p> Aber damit würde in Zukunft Schluss sein. Es war Zeit, dass Brag Fradd endlich wieder daran arbeitete, sich Gehör zu verschaffen.</p><p> Es pochte dumpf an der reich verzierten Flügeltür des Büros.</p><p> »Ja?«, rief er mit energischer Stimme.</p><p> Mühevoll schob Nator die schwere, missbilligend knarrende Zutrittssperre auf.</p><p> »Sie ist hier«, sagte er knapp.</p><p> »Bitte …!«, manifestierte sich der Beginn einer Anweisung in Fradds Kehle. Es handelte sich dabei um jene Art von Laut, der entsteht, wenn ein Gedanke zu lange vom Denk- zum Sprachzentrum benötigt, sich unterwegs verläuft und verloren in den Windungen des eigenen Gehirns umherirrt, während er von den Geschehnissen außerhalb der Schädeldecke überholt wird.</p><p> Der Konsul erhob sich eilig, als die elegante Gestalt Gallia Sinwells durch die breiten Flügeltüren schritt, mehrere ihrer Akolythen und Schergen im Schlepptau. Die Aura, die sie dabei ausstrahlte, schob Nator einfach aus dem Weg.</p><p> Dass die mächtige Dienerin des Imperiums dem Lexicaten dabei, ganz beiläufig, in einer fast liebevollen Geste mit der linken Hand unterm Kinn entlang strich, was wohl in etwa einem »Danke, Schätzchen« entsprach, verwirrte und beunruhigte Fradd umso mehr. Nator übrigens auch.</p><p> Der stöhnte, keuchte eher, und musste sich gegen den Türflügel lehnen, damit seine plötzlich wacklig gewordenen Beine nicht vollends zusammenbrachen und ihm somit unnötige und ungewollte Aufmerksamkeit bescherten.</p><p> Dann zog er sich zurück, so schnell, dass einer der die Inquisitorin begleitenden Gardisten einen Ausfallschritt machen musste, damit er nicht mit der zufallenden Tür kollidierte.</p><p> Der Konsul konnte für einen Augenblick nicht anders als angewurzelt stehen zu bleiben, die sich ihm bietende Szenerie zu beobachten und dabei darüber zu sinnieren, wie er der Besucherin am besten begegnen sollte. Sein vorgefasster Plan hatte sich nämlich gerade verabschiedet und war in die hinterste Ecke des Büros geflüchtet, wo er sich die Gardine über den Kopf zog und hemmungslos wimmerte.</p><p> Selbst Cobis‘ herrschsüchtiges Wesen hätte sich willfährig vor der körperlosen Königin verneigt, die der Inquisitorin stolz vorausmarschierte und dabei alle anderen Präsenzen mit einem Wink ihrer nichtexistenten Hand im Vorübergehen zu einem Kotau zwang.</p><p> Schließlich aber fasste sich Fradd. Tatsächlich fand er sogar einen Teil seiner Zuversicht wieder.</p><p> »Hochverehrte Inquisitorin Sinwell«, glitt der imperiale Administrat auf einer Schleimspur epischen Ausmaßes an sie heran.</p><p> Die Gründe dafür waren vielfältiger Natur. Zum einen lag es daran, dass nicht nur eine schöne Frau sein Büro betreten hatte, sondern sie auch noch eine kleinere Version ihrer selbst mitbrachte, und überdies die Dekolletés der beiden Frauen um die Vorherrschaft in seinem Blickfeld rangen.</p><p> Ebenso wichtig, wenn auch für seine normalerweise eher unaufgeregte Libido nur von geringerer Bedeutung, war die Tatsache, dass es sich bei Sinwell um eine der wohl mächtigsten Vertreterinnen des imperialen Willens handelte, die Fradd jemals zu Gesicht bekommen würde.</p><p> Er hatte bereits von ihr gehört, war ihr jedoch nie begegnet, und stellte somit erst jetzt fest, wie anziehend sie war. Sie strahlte eine schwer zu definierende Sexualität aus, die ihr den Mittelpunkt einer jeden Begegnung sicherte und vermutlich ausschlaggebend dafür war, dass man ihr eine hohe Erfolgsrate bei den von ihr bearbeiteten Fällen nachsagte.</p><p> Fradd konnte das gut nachvollziehen.</p><p> Wer in ihrem Angesicht nicht Mann genug gewesen wäre, willig zu Kreuze zu kriechen, seinen eigenen Stolz und seine Macht imperialen Insignien, makelloser Haut und üppigen Dekolletés unterzuordnen, den konnte man nur als armen Tor bezeichnen – oder als mächtig genug, dass er sich ein solches Verhalten leisten konnte.</p><p> »Mein lieber Konsul Fradd«, begann sie mit jener Art von höflich distanzierter Freundschaft, die man sich als überlegene Lebensform aneignete, wenn man mit einer niederen Person interagiert, deren Loyalität man zu gewinnen sucht.</p><p> Sie hielt ihm gutheißend die behandschuhten Finger hin, wartete geduldig, bis er sie ergriffen und geküsst hatte, bevor sie fortfuhr: »Ich bin erfreut, endlich einmal Eure Bekanntschaft zu machen.«</p><p> Ihre Stimme war angenehm, sinnlich und überraschend warm. Sie floss aus dem Mund der hochgewachsenen Frau wie ein Teppich aus Samt, der ihn einlud, seine nächsten Worte in den Glanz und die Glorie ihrer Aufmerksamkeit zu tauchen.</p><p> »Es ist mir eine Ehre, Euch in meinem bescheidenen Dienstzimmer willkommen heißen zu dürfen!«, spulte er seinen Text ab. »Leider wurde mir erst gerade eben mitgeteilt, dass Ihr …«</p><p> »Vergessen wir das einfach«, schlug sie fröhlich vor. »Es ist viel eher meine Schuld gewesen. Wir hatten bereits den einen oder anderen Schriftwechsel, aber bisher war es mir nie möglich, Euch persönlich zu treffen. Wichtige Termine und Aufgaben, Ihr versteht das sicher.«</p><p> »Oh, natürlich«, nickte der Konsul.</p><p> »Da ich gerade in der Nähe war, entschied ich kurzfristig, die Gelegenheit beim Schopf zu packen und meinen längst überfälligen Antrittsbesuch bei Euch nachzuholen.«</p><p> »Es ist mir eine Ehre«, wiederholte er. Ihm fiel einfach nichts Besseres ein.</p><p> Sinwell wanderte scheinbar ziellos in dem teuer eingerichteten Büro umher, betrachtete die opulenten Wandgemälde ebenso wie die reich bestickten Gardinen und die umfangreiche Bibliothek.</p><p> »Ein wirkliches schönes Büro«, merkte sie an und sah sich um. »Es passt zu einem Mann wie Euch.«</p><p> Fradd lächelte demütig. »Ihr beschämt mich, Inquisitorin.«</p><p> Sie ging nicht darauf ein. »Und diese Möbel«, fuhr sie stattdessen fort und strich über die bequemen Sessel vor dem Schreibtisch des Konsuls. »Sie sind aus einem exquisiten Material. Ist es Palmenholz?«</p><p> »Ja, richtig«, bestätigte der Vertreter des Munitoriums. »Gewonnen von Palmen direkt an den Ufern der Maat.«</p><p> »Darf ich?«, erkundigte sie sich, indem sie auf einen der breiten Sessel wies.</p><p> »Bitte!«, stimmte er eilig zu und rückte die Sitzgelegenheit zurecht, damit sie mit einer eleganten Bewegung hineinfließen konnte. »Bitte, nehmt doch Platz!«</p><p> »Vielen Dank«, lächelte sie höflich. »Ihr seid viel zu vorkommend.«</p><p> Gemäß der imperialen Etikette wartete der Konsul, bis die Inquisitorin sich platziert hatte, bevor er zu seinem Schreibtisch zurückkehrte und sich auf seinen eigenen Sessel niederließ. Dabei lüftete er unauffällig seinen Kragen. Die Bewegung bot seine Haut nur einen kurzen Moment der Erholung – aber es reichte, damit die unter seiner Kleidung gesammelte, aufgeheizte Luft mit einem fast vernehmlichen Zischen entwich. Diese thronverfluchte Hitze.</p><p> Dann schoss der Konsul schoss einen Blick zu der jungen Begleiterin Sinwells, die aufgerichtet hinter dem Platz ihrer Herrin stand und ihn mit relativ finsterer Miene betrachtete.</p><p> Er fragte sich, welchen Auftrag die gutaussehende, blonde Dame wohl hatte, denn unter den finsteren Gestalten, die sich derzeit in seinem Arbeitszimmer verteilten, stach sie hervor wie eine Nobeldame in einem Obdachlosenheim.</p><p> Sinwell bemerkt Fradds Verhalten und wandte den Kopf, bevor sie ihre Aufmerksamkeit mit einem Laut der Erkenntnis zurück auf den Vertreter des Munitoriums fokussierte.</p><p> »Ach, ich bin ein Dummerchen«, kicherte sie mädchenhaft und wies hinter sich. »Das ist Miss Biasz, eine meiner vertrauenswürdigsten Mitarbeiterinnen. Ich bilde sie zur Inquisitorin aus, damit sie irgendwann selbst im Namen des Imperators tätig wird.</p><p> »Oh«, stellte Fradd fest. Etwas Besseres fiel ihm nicht ein. »Ich bin erfreut, Ihre Bekanntschaft zu machen.«</p><p> »Die Freude ist auf meiner Seite«, erwiderte die Angesprochene ausdruckslos.</p><p> Die überraschend dunkle, elektrisierende Stimme der angehenden Inquisitorin peitschte durch seinen Kopf wie ein vorbeirauschendes Tremorgeschoss, sandte eiskalte Tausendfüßler über seinen Rücken und befahl seine Nackenhaare in Habachtstellung.</p><p> »Ich … ich hoffe doch, Eure Mission auf Bastet verläuft erfolgreich?«, bemühte er sich von seinem Unwohlsein abzulenken, bevor die schiere Anwesenheit der jungen Blonden hinter Sinwells Sitzplatz Gelegenheit dazu erhielt, den Schweiß auf seiner Haut gefrieren zu lassen.</p><p> »Oh, in der Tat«, bestätigte die Inquisitorin, »Ich bin äußerst zufrieden bisher.«</p><p> »Das freut mich«, quälte sich der Administrat zu sagen.</p><p> »Diese Welt ist … interessant. Sie ist … anders«, beschrieb Sinwell ihre Empfindungen. Die Worte waren vage gehalten, aber besaßen dennoch eine gewisse Aussagekraft. Tatsächlich glaube Fradd zu verstehen, was die Inquisitorin meinte, während diese genüsslich ein Bein überschlug. Ganz sicher war er sich dabei aber auch nicht wirklich.</p><p> »Und die Menschen«, fuhr die attraktive imperiale Richterin fort, eine Hand in einer eleganten Geste in die Höhe reichend. »Einfach, aber dennoch erstaunlich, findet Ihr nicht?«</p><p> Fradd merkte, wie er ganz allmählich den Faden verlor. Aus irgendeinem verweigerte sein Geist die Anstrengung, derer es bedurft hätte, um auf eine geistige Stufe mit der Frau vor ihm gehoben zu werden.</p><p> Woran genau es lag, hätte er nicht sagen können. Wahrscheinlich war es auch egal.</p><p> Aber allein die Tatsache, dass es etwas gab, das Sinwell auffiel, während es ihm verborgen zu sein schien, ließ in Fradd ein Gefühl der Unterlegenheit erwachen.</p><p> Natürlich hätte er das nie zugegeben, also antwortete er schlicht: »Oh, ja. Doch.«</p><p> »Ich frage mich, wie sich die Menschen wohl mit dem Universum außerhalb ihrer kleinen Welt arrangieren. Beispielsweise«, tippte sie sich nachdenklich mit dem Finger an die Lippe, »im Dienste der Imperialen Armee.«</p><p> Diesen Gedanken hingegen konnte der Konsul sehr wohl nachvollziehen, und ohne groß darüber nachzudenken, bemerkte er: »Vielleicht sollten Sie da Colonel Ekko fragen.«</p><p> Das zündete Sinwells Interesse. »Colonel … Ekko?«, hakte sie nach.</p><p> »Ja. Er und sein bastetisches Regiment wurden erst vor kurzem von einem Schlachtfeld auf einer nahegelegenen Schreinwelt zur Auffrischung zurück nach Bastet verlegt.«</p><p> »Wie ist Colonel Ekko so?«, wandte Biasz ein, scharf genug, damit Fradd aufsah und die Stirn runzelte.</p><p> Die plötzliche, und in diesem Fall vollkommen aus dem Kontext der Unterhaltung fallende Frage hatte einen Warnmechanismus in seinem Innersten aktiviert, der nun laute Alarmsignale in Fradds Hirn emittierte. »Hat er etwas verbrochen?«, fragte er skeptisch, von der in diesem Moment naheliegenden Frage ergriffen, ob sich die Untersuchung der Inquisitorin wohl auf den bastetischen Colonel konzentrierte.</p><p> Sinwells Begleiterin schwieg, den Blick nach wie vor starr auf Fradd gerichtet, doch ein kleines Funkeln in ihren Augen verriet, dass sie sich der Tragweite der soeben getätigten Aussage bewusst wurde.</p><p> Zumindest ein geübter Beobachter hätte diese Erkenntnis gewonnen. Fradd hingegen notierte es nur kurz, bevor seine Aufmerksamkeit all ihre Konzentration bei dem Versuch verwandte, eine Reaktion in der Miene der Inquisitorin festzustellen. Wirklich erfolgreich war er damit aber nicht.</p><p> Anders als der Konsul schaffte es Sinwell nämlich, ihre Überraschung über den plötzlichen Einwurf weitestgehend zu verschleiern. »Nein«, meinte sie ehrlich betroffen und warf einen strafenden Blick zu ihrer Begleiterin. »Miss Biaz besitzt eine ausgeprägte Vorliebe für starke Männer. Und wann immer sie von namhaften Offizieren oder Kommissaren hört, möchte sie möglichst viel über sie erfahren. Eine Eigenart, die ich ihr bisher noch nicht austreiben konnte.«</p><p> Ein weiterer, dieses Mal mäßigender, Blick in Richtung der Interrogatin folgte, bevor die imperiale Richterin ihre Aufmerksamkeit zurück auf den Administraten lenkte. »Was ist mit Colonel Ekko?«, fuhr sie fort. »Gibt es irgendetwas, das ich wissen sollte?«</p><p> »Nein. Nicht wirklich«, winkte Fradd eilig ab. »Er ist wie alle Basteter. Ein Unruhestifter. Ein Knallfrosch.«</p><p> »Na ja«, meinte sie schulterzuckend. »Es liegt es in der Natur der Sache, dass Knallfrösche den meisten Lärm machen.« Eine kurze, wohldosierte Pause folgte. »Und damit schrecken sie meiner Erfahrung nach immer genau die richtigen Leute auf.«</p><p> Der Konsul runzelte die Stirn in Vorbereitung einer Gegenbemerkung, die vermutlich deutlich mehr über ihn als über Colonel Ekko ausgesagt hätte, aber erhielt keine Gelegenheit mehr, dem Gedanken Form zu verleihen. Glücklicherweise.</p><p> Die breite Flügeltür schwang auf, entließ einen verzweifelten Schwall Worte in den Raum.</p><p> »Nein, Sie, können jetzt nicht mit dem Konsul sprechen!«, ereiferte sich Nator, der abermals lediglich zur Seite geschoben wurde, dieses Mal allerdings von einer ihm altbekannten Präsenz.</p><p> Die Aura von Konfessor Cobis stürmte in den Raum, so als wollte sie den dort residierenden Konsul am Kragen packen und ihn sturmreif prügeln, doch als sie bemerkte, dass bereits andere, weitaus stärkere Gäste im Amtszimmer weilten, murmelte sie eine Entschuldigung, zog den Kopf ein und verschwand wortlos aus dem Büro. Eine kluge Entscheidung. Die HE-Lasergewehre der Inquisitionsgardisten hatten sich bereits zu ihr umgedreht.</p><p> Der eintretende ekklesiarchische Vertreter sah ihr verwundert nach. »Fradd«, begann er fordernd, blickte auf und hielt in der Bewegung inne. Einer von Sinwells Leibwächtern stand direkt vor ihm, die Laserpistole auf die reich verzierte Brust seines Gewands gerichtet.</p><p> Eilig wich Cobis zurück und nahm die Hände hoch. »Oh … ich wusste nicht, dass ihr bereits Besuch habt.«</p><p> »<em>Prohibe</em>!«, peitschte die Stimme der Inquisitorin durch den Raum, bevor sie entschuldigend lächelte und sich so elegant aus dem Sessel erhob, dass selbst eine professionelle Balletttänzerin vor Neid rot geworden wäre.</p><p> Mit langen, vornehmen Schritten marschierte sie zu den beiden Kontrahenten an der Tür, legte die Hand auf die Laserpistole des Gardisten und drückte sie sanft herunter. »Danke, das ist nicht nötig«, sagte sie bestimmt bevor sie sich dem Konfessor zuwandte. »Heute sind alle so aufgeregt. Das muss an meinem Parfüm liegen«, begrüßte sie den ekklesiarchischen Vertreter mit derselben Höflichkeit, mit der sie zuvor Fradd begegnet war. »Ehrenwerter Konfessor Cobis. Ich freue mich, Euch endlich kennenlernen zu dürfen.«</p><p> »Wir sind uns noch nicht vorgestellt worden, fürchte ich«, gestand der hochgewachsene Mann, von der ihn umgebenden Szenerie schier überwältigt. Leichtes Unwohlsein rötete seine Wangen. Vielleicht war es auch der herrliche Anblick, der sich ihm bot.</p><p> »Das macht nichts«, meinte sie fröhlich und hielt ihm die Hand hin. »Sinwell. Gallia Sinwell. Ordo Hereticus.«</p><p> Für einen Augenblick erblasste Cobis‘ Contenance, fiel in Ohnmacht, fächelte sich dann selbst Luft zu, entschuldigte sich und stand wieder auf. »Ich … verstehe«, antwortete er und lächelte nervös, als er sich schließlich dazu überwand, den Gruß zu erwidern, ihre Hand zu küssen und sie zurück zu ihrem Sitzplatz zu führen. »Meinen Namen kennt Ihr ja bereits, Mylady.«</p><p> Sie kicherte. »Richtig. Bitte: setzt Euch doch zu uns.«</p><p> »Vielen Dank«, erwiderte der Gesandte der imperialen Kirche und blickte unsicher zu Fradd, dem aber auch nicht viel mehr einzufallen schien als ein ratloser Blick.</p><p> Sinwell achtete nicht darauf. »Es schien, als hättet Ihr wichtige Dinge mit dem Konsul zu besprechen?«, bemerkte sie, auf Cobis‘ Auftritt anspielend. »Ich hoffe doch, ich bringe hier keine Pläne durcheinander?«</p><p> »Oh, keineswegs!«, winkte der imperiale Oberprediger ab. »Wie könnte eine derart charmante Gesellschaft stören?«</p><p> Eine theoretische Frage, die Sinwell mit einem durchdringenden Blick beantwortete.</p><p> Ein wenig unsicher sprach Cobis weiter: »Das Saatfest steht unmittelbar bevor, und da wir vor kurzem Hinweise auf mögliche Angriffe rebellischer Gruppierungen erhalten haben, wollte ich dem Konsul über weitere Sicherheitsmaßnahmen sprechen«, erklärte er.</p><p> »Ah«, begriff die Inquisitorin und nickte. »Gibt es hier in der Gegend öfter Rebellenaktivitäten?«</p><p> »Nein«, wandte Fradd ein. »Meistens geschehen Angriffe weiter oben im Jareth-Bezirk in den Bergen. Die PVS bekämpft diese subversiven Elemente bereits seit Jahren, aber man bekommt sie nicht wirklich in den Griff.«</p><p> »Klingt nach einer ernsten Angelegenheit«, stellte Sinwell nach einigen Augenblicken des Nachdenkens fest. »Aber fällt das nicht eher in die Jurisdiktion der planetaren Verwaltung?«</p><p> »Die planetare Verwaltung ist unfähig!«, erboste sich Cobis und rümpfte die Nase. Die Geste, die er dabei machte, kam so plötzlich, dass mehrere Gardisten zu ihren Waffen griffen.</p><p> Glücklicherweise blieben diese Bewegungen weitestgehend unbeachtet. Lediglich Fradd riss erschrocken die Augen auf und konnte gerade noch ein keuchendes Ausatmen unterdrücken.</p><p> Derweil regte sich der Konfessor weiter auf: »Sie ist so von Inkompetenz durchsetzt, dass man es nicht einmal merken würde, wenn diese abartigen Häretiker aus den Bergen die Macht übernehmen würden.«</p><p> »M-hm?«, bekundete Sinwell ihr weiteres Interesse, bevor sie sich an ihre Begleiterin wandte. »Evi, lässt du uns für einen Moment allein?«</p><p> »Wie ihr wünscht«, verneigte sich die blonde Interrogatorin, bevor sie ihren Platz aufgab und sich zum Konsul gesellte.</p><p> Schon kurze Zeit später waren der Konfessor und die Inquisitorin in ein ernstes und detailliertes Gespräch vertieft, dessen Inhalt genügend ekklesiarchische Fachbegriffe beinhaltete, dass zumindest Fradd ihnen nicht mehr folgen konnte.</p><p> Biasz schien damit deutlich weniger Probleme zu haben, was allerdings, vermutlich, auch genau der Grund dafür war, dass Sinwell ihre Akolythin fortgeschickt hatte</p><p> »Verzeiht, Ehrenwerter Konsul«, wandte sich die Interrogatorin nach einigem Zögern an den Administraten des Munitoriums, was nach ihren vorherigen Ausbruch eher zaghaft anmutete, »dürfte ich Euch etwas fragen?«</p><p> »Natürlich, mein Kind«, richtete der Mann hinter dem Schreibtisch seine Aufmerksamkeit auf die deutlich jüngere Frau. Wieder fiel ihm auf, wie attraktiv sie war.</p><p> »Habt Ihr schon einmal etwas von der ‚Konföderation des Lichts‘ gehört?«</p><p> Fradd schien das nichts zu sagen, aber Biasz hätte schwören können, dass Cobis‘ Ohren sich regelrecht aufstellten, und von da an – bis zum Ende des Besuchs – jede ihrer Lippenbewegungen aufmerksam verfolgten.</p><p> </p><p> <p style="text-align: center"><p style="text-align: center">***</p> <p style="text-align: center"></p> <p style="text-align: center"></p> </p><p> Der Motor der Inquisitionslimousine keuchte in der heißen Nachmittagsluft, als der Fahrer das Gefährt über den flirrenden Asphalt der von hohen Sanddünen flankierten Schnellstraße quälte.</p><p> Sie fuhren in einer Kolonne von fünf Fahrzeugen: Zwei begleitende Sturmfahrzeuge der Inquisitionsgarde, insgesamt besetzt mit acht Gardisten sowie zwei Stabsfahrzeuge, eines mit Sinwell und Biaz an Bord, das andere deutlich dichter bepackt mit dem Rest des mitgekommenen Gefolges.</p><p> Kein Wunder also, dass die flirrenden Trugbilder auf dem Wüstenboden einen Platz in Sinwells persönlichem Transportfahrzeug zu ergattern versuchten.</p><p> Noch hielten eine leistungsstarke Klimaanlage und geschlossene Fenster sie auf. Nicht auszudenken, was geschehen wäre, wenn es diese Barrieren nicht gegeben hätte.</p><p> Für Evi Biasz bedeuteten diese Sorgen jedoch nichts im Vergleich zu dem, was auf ihrem Herzen lastete.</p><p> Durch eine dumme, unbedachte Bemerkung, die ihr im Angesicht ihrer vorherigen Erlebnisse nur natürlich erschienen war, hatte sie um ein Haar den Auftrag ihrer Herrin – und damit auch ihren eigenen – torpediert.</p><p> »Verzeiht, Mylady«, gestand die Interrogatorin ihren Fehler ein. »Ich habe einen unverzeihlichen Fehler begangen. Das war sehr dumm von mir.«</p><p> Die Inquisitorin ließ ein leises Seufzen erklingen. »Ja, in der Tat. Das war es«, stimmte sie zu. »Aber das Schlimmste daran ist, dass Fradd es gemerkt hat. Du musst einfach lernen, dich zu beherrschen.«</p><p> »Ja, ich weiß«, erwiderte die andere niedergeschlagen.</p><p> »Das ist bereits das zweite Mal, dass du in dieser Sache überreagierst«, fuhr Sinwell tadelnd fort. »Ich kenne dich so gar nicht.«</p><p> Ihr Gegenüber schwieg betreten, also schloss sie: »Wenn ich es nicht besser wüsste, dann käme ich auf den Gedanken, du wolltest unsere Sache sabotieren.«</p><p> »Keineswegs!«, warf Biasz eilig ein und erbleichte. »Mylady! Wie könnt ihr so etwas von mir denken?« Es klang fast, als wenn sie gleich darauf in Tränen ausbrechen würde.</p><p> Die dahinter stehende Sorge war durchaus nicht unbegründet.</p><p> Den Dienst im Namen des Imperators konnte man getrost als schwer und undankbar bezeichnen. Überall lauerte der omnipräsente Fleischwolf des alltäglichen Kampfes ums Dasein, die lähmende Furcht vor einem schrecklichen, menschenverachtenden Gegner, der jedem Bewohner imperialer Welten allzu bekannt war.</p><p> Dass es sich bei diesem Feind nicht einmal um die physischen Feinde des Imperiums handelte, sondern im Grunde um die eigene Schuld, die Dekadenz und den schleichenden sittlichen Verfall einst menschlicher Ideale im Angesicht des Imperators, das verstanden nur wenige.</p><p> Wie sollte man auch begreifen, was einen blind machte gegenüber der Wahrheit? Was einen verführte und so gierig verschlag wie der unersättliche Hunger der Dämonen die Seelen ihrer Anhänger?</p><p> Die Inquisition zumindest wagte zu behaupten, die Fehler der Menschheit erkannt zu haben und sich ihnen mit all ihrer Macht entgegenstellen zu können.</p><p> Dafür benötigte sie zwei Eigenschaften: einen starken, ja, fast fanatisch anmutenden Glauben an den Imperator, der den ganz allmählich zerfallenden Prinzipien des imperialen Wesens auch in dunkelster Stunde ein Leuchtfeuer sein würde und – viel wichtiger – die unerbittlichen Vollstrecker Seines Willens, eben jene Leute, die mit klarem Kopf und wachem Auge durch das Imperium wanderten und bereinigten, was Unrein geworden war.</p><p> Doch das kam zu einem hohen Preis.</p><p> Der Dienst in der Inquisition war tödlich. Wer in die Fänge der mächtigen Organisation geriet, der fand sich schon bald in einem grausamen Spiel wieder, in dem um Macht, Vorrecht und Deutungshoheit gepokert wurde.</p><p> Ein Menschenleben zählte dabei nichts, und wenn man gedachte, einen eigenen Einsatz im Spiel zu wagen, dann musste man recht schnell begreifen, dass es sich bei den Tätigkeiten der Inquisition nicht um ein Spiel, sondern grausame Realität handelte.</p><p> Nur die geistig stärksten Individuen der imperialen Administratien erwiesen sich als fit für Dienst in der imperialen Untersuchungsbehörde. Für alle anderen endete der Versuch zumeist … unerfreulich.</p><p> »Dann sprich«, befahl Sinwell ihrer Untergebenen. »Ich gebe dir eine Chance, dich zu erklären. Du solltest sie nicht ungenutzt verstreichen lassen.«</p><p> In Biasz‘ Augen glitzerte noch immer feuchter Schimmer, als sie begann langsam, fast zögerlich, zu sprechen: »Ich glaubte, ich hätte es verstanden, aber dem war nicht so. Unsere Reise nach Bastet. Unser Auftrag. Es lag alles klar vor mir. Ich hatte keine Zweifel. Aber jetzt? Die Art, wie wir uns der ganzen Angelegenheit nähern … wie wir uns unserem Ziel nähern … Was ich auch tue: es ist falsch. Mir erschließt sich all das nicht.«</p><p> Sinwell lehnte sich in ihre Sitzbank zurück. Das Leder knirschte. »Und du fragst dich: warum?«, sprach sie die Frage ihrer Begleiterin aus.</p><p> Die nickte lediglich »Um der Wahrheit die Ehre zu geben: ja.«</p><p> »Nun, gut«, sagte Sinwell nach einer Weile: »Du kennst den Grund unseres Hierseins?«</p><p> »Natürlich, Mylady!«, warf Biasz ein. »Die Hinweise auf anti-imperiales Verhalten in der planetaren Regierung Bastets.«</p><p> »Richtig. Informationen der Inquisition zufolge ist die Regierung dieser Welt schwach. Sie wird von unfähigen Beratern getragen und hat so längst den Rückhalt verloren – sowohl bei ihrer Bevölkerung als auch in den oberen Schichten der Sektorverwaltung. Der Gouverneur befehligt nicht mehr als eine Welt aus heißer Luft und Wüste.« Die Inquisitorin wies aus dem Fenster. »Im wahrsten Sinne des Wortes. Und obwohl Bastet seine spärlichen Zehntregimenter und sein geringes Wirtschaftswachstum dem Wohl des Imperiums zur Verfügung stellt, ist es innerhalb der Administration längst offenbar geworden, dass wir dabei sind, die Welt zu verlieren.« Die imperiale Richterin blickte aus dem Fenster des Fahrzeugs, starrte auf trostlose Dünen und dünne, transparente Wände aus bläulich flimmerndem Licht; energetische Schutzwälle, die die Schnellstraße sandfrei hielten.</p><p> »Eine schwache Regierung begünstigt die Zunahme von Kriminalität und Rebellion. Beide Erscheinungen bieten frustrierten Regierungsmitgliedern und Bewohnern dieser Welt Betätigungsfelder, in denen sie ihren Machteinfluss erweitern und ihre persönlichen Vorhaben in die Tat umsetzen können.« Sie vollführte eine wegwerfende Handbewegung. »Natürlich ist das dem Bestehen einer stabilen planetaren Ordnung nicht gerade zuträglich, und wird den Zerfall der Regierung nur beschleunigen.«</p><p> Wieder verging ein Moment, den Sinwell dazu nutzte, ihre Gedanken zu ordnen. »Aufgrund kürzlicher Entwicklungen im umliegenden Sektorraum gehen wir …« – damit meinte sie die Inquisition – »…davon aus, dass sich eine Sekte mit Namen »Konföderation des Lichts« dieses Chaos zunutze machen will, um einer uns bisher unbekannten Doktrin Vorschub zu leisten.«</p><p> »Ja«, gab Biasz zurück: »Das habe ich alles verstanden. Aber … welche Rolle spielt Colonel Ekko? Weshalb ist gerade er so wichtig?«</p><p> »Wir wissen, dass sich die Sekte bei ihren Tätigkeiten auf planetare Persönlichkeiten stützt, die ihr als Mitläufer einen gewissen Symbolstatus innerhalb der Bevölkerung verschaffen können. Auf Bastet gibt es derzeit nicht viele diese Menschen.«</p><p> »Aber Mylady!«, wandte die Interrogatorin zweifelnd ein. »Niemand hier weiß, dass er ein Kriegsheld ist. Selbst wir wüssten es nicht, wenn uns die Berichte nicht über die Psionik-Kanäle der Inquisition bekannt geworden wären. Zudem ist er nicht der große Mann, den man uns zu präsentieren versucht.« Sie schlug die Augen nieder. »Ich habe es gesehen. Seine Gedankenwelt ist nicht mehr als eine Ansammlung zerklüfteter Wüsten.«</p><p> Die Inquisitorin lächelte düster. »Das ist es also, was du über ihn denkst?«, fragte sie rhetorisch. »Diesen Eindruck hast du gewonnen?«</p><p> Biasz senkte betreten den Kopf, beschämt von den Worten ihrer Herrin. Eine Weile lang herrschte Schweigen zwischen den beiden Frau, blickte sich nervös um, suchte nach Anzeichen für einen bevorstehenden Kampf, indem beide versuchen würden, der anderen die Luft in der Korsage abzuschnüren.</p><p> Doch nichts dergleichen geschah.</p><p> Stattdessen gab Sinwell schließlich zurück: »Zudem … ich habe nie behauptet, dass Colonel Ekko der Mann ist, den wir suchen.«</p><p> »Aber!«, begann ihre Gesprächspartnerin, wurde jedoch von einem Wink der Hand gestoppt.</p><p> »Ohne Frage: Colonel Ekko spielt eine Rolle in all dem hier. Der Grund für sein Auftauchen war sicherlich nicht zufällig. Sein Bericht über die Schlacht von Agos Virgil liest sich viel zu abenteuerlich, als dass er wirklich wahr sein könnte, und unsere bisherigen Zusammentreffen mit ihm haben in mir den Eindruck geweckt, dass er ein Idiot ist, aber kein dummer Mann. Was wir uns nun fragen müssen ist: Was weiß er? Wie viel weiß er? Auf welcher Seite steht er? Sollte er wirklich nur durch Zufall in all das geraten sein, müssen wir uns ferner fragen: für welche Seite würde er sich wohl entscheiden? Und was können wir dann von ihm erwarten? Ein kampferprobter Offizier mit einer gut gedrillten Einheit stellt je nach Lage eine wertvolle Unterstützung oder einen ernstzunehmenden Gegner dar.«</p><p> »Und das habt ihr versucht herauszufinden?«, hakte Biasz nach.</p><p> Sinwell nickte. »Ja. Deswegen habe ich damals meinen geplanten Besuch bei Fradd abgesagt. Mir war wichtiger, den Colonel zu erreichen, bevor er die Möglichkeit hatte, sich mit der Lage vor Ort vertraut zu machen.«</p><p> »Und ist es Euch gelungen?«</p><p> Die Inquisitorin hob ahnungsvoll die Schultern. »Wer weiß das schon? In dem Mann zu lesen ist schwerer als sicher durch den Warp zu navigieren.«</p><p> »Und ich habe all das ruiniert«, schalt Biasz sich selbst. »Ich bin wirklich manchmal ein dummes Kind.«</p><p> »Ja, das will ich gar nicht bestreiten«, stimmte ihre Herrin zu. »Aber vielleicht war das in dem Moment gar nicht so schlecht.«</p><p> Die Verwirrung im Antlitz der Interrogatorin gewann an Form. »Wie meint ihr das?«</p><p> »Was ich im Gespräch mit Cobis herausgefunden habe, deutet daraufhin, dass auch er ein Interesse an Ekko hat. Zumindest an seinem Regiment. Und Fradd? Fradd scheint er Kopfzerbrechen zu bereiten. Wenn er eine ähnliche Wirkung auf den Rest der Regierung entfaltet, dann kann uns das im Zweifelsfall nur dienlich sein. Erinnerst du dich an das, was er zu mir gesagt hat, nachdem du und Defay bei ihm eingefallen seid?« Sinwell lächelte finster. »Ich glaube, es wird Zeit, dass wir ihm seinen Wunsch erfüllen.« Dann atmete sie ein, so als gedachte sie, eine Entscheidung zu treffen, die sie nur wenig später sicherlich bereute. »Ich denke, es wird Zeit, dass du dich Colonel Ekko‘s annimmst. Fühle ihm auf den Zahn. Sei respektvoll«, schärfte sie der kleineren Frau ein. »Halte dich dicht an ihn, aber provoziere ihn nicht. Ich weiß noch nicht, ob er Feind oder Freund ist, und ich habe nicht vor, jemanden in die Arme unserer Feinde zu treiben, solange es nicht nötig ist. Morgen beginnt das Saatfest. Ich denke, das wäre der richtige Zeitpunkt, damit ich euch beide einander vorstelle.«</p><p> »Ja«, stimmte Biasz zu, von der plötzlichen Wendung des Gesprächs regelrecht betäubt. Sie fühlte sich wie ein Mädchen, das gerade ihre eigene, kleine Puppe bekommen hatte, und sich schon ausmalte, wie es wohl wäre, mit ihr zu spielen.</p><p> Daher lösten sich die folgenden Worte auch nur sehr undeutlich aus ihrem Mund: »Konsul Fradd hat mir empfohlen, mir das Fest anzusehen. Er sagte, dieses Jahr gäbe es dort etwas Besonderes zu bewundern.«</p><p> »Oh, dessen bin ich mir sicher«, sagte Sinwell dennoch.</p><p> Sie sollte Recht behalten.</p></blockquote><p></p>
[QUOTE="Sistermarynapalm, post: 3000108, member: 18790"] [CENTER][B]Und weiter geht’s! [/B] [/CENTER] [CENTER][B]Wie immer vielen Dank an den Fluffinator. [/B] [/CENTER] [CENTER][B]Viel Spaß beim Lesen. [/B] [/CENTER] [CENTER][CENTER][B]12 [/B] [/CENTER] [/CENTER] Das leise Piepen des elektronischen Datenpads durchbrach die von mittäglicher Hitze erfüllte Stille im Kommandozelt des 512. Regiments. »Und? War es das jetzt?«, folgte die ebenso entnervte wie verwirrte Stimme Captain Balgors dem Laut, verstärkte den Riss im lautlosen Gefüge zwischen den Sekunden. »Nein, Sir«, entschuldigte sich Achad Alit. Vielleicht tätigte er auch nur eine Aussage. »Sie müssen noch zwei Exemplare der Vertretungsregelung für das Kriegstagebuch und Ihre Personalakte unterschreiben.« Noch zwei Exemplare – nur noch zwei. In der letzten halben Stunde hatte Balgor bereits vier Exemplare der Verpflichtungserklärung zur Wahrung der militärischen Disziplin abgezeichnet, eine Erstbelehrung nach Kommandoübernahme erhalten, war über die grundsätzlichen Pflichten bei Ausübung eines temporären Dienstgeschäfts informiert worden, gelangte dann in den ehrenvollen Kreis der zur Regimentsführung berechtigten Personen, wurde zum Umgang mit den entsprechenden Geheimhaltungsstufen ermächtigt und gleichzeitig als Geheimnisträger verpflichtet, hatte dieses bestätigen müssen (wie alle vorherigen Dokumente in vierfacher Ausführung) und hoffte eigentlich, dass die bürokratische Odyssee nun bald ihr Ende fand. »Unterschreiben auch noch?«, brach purer Sarkasmus aus dem Captain hervor. »Soll ich das Ganze dann auch noch einmal singen?« Alit bedachte ihn mit einem tadelnden Blick. »Ihr Verhalten ist unangemessen, Captain.« »Unangemessen? Seit einer halben Stunde bereue ich meine Bereitschaft, das Kommando über dieses Regiment temporär zu übernehmen.« »Dieser Akt ist ein heiliges Ritual, Captain«, belehrte ihn der Jung-Kommissar mit erhobenem Zeigefinger, bevor er fortfuhr, Vergleiche zwischen der Salbung einer gesegneten Maschine und der Übernahme eines militärischen Kommandos zu ziehen. Das Funkeln in seinen Augen hatte nichts mehr von einem unsicheren, jungen Mann, der sich nicht so recht mit seiner plötzlich erworbenen Macht zu identifizieren vermochte. Man konnte fast dem Gedanken anheimfallen, er fühle sich durch Balgors Umgang mit den dienstlichen Verwaltungspflichten regelrecht beleidigt. So war es auch. »Seit Jahrtausenden werden die Männer und Frauen, die mit dem Kommando über eine Armee des Astra Militarum betraut werden, auf diese Weise initiiert. Sie sind doch selbst ein Captain!«, fügte der Jung-Kommissar an. »Sie müssten den Ritus doch kennen!« Das stimmte. Zwar war Balgor bereits mehrfach die Übernahme einer Befehlshaberposition innegeworden – seine Beförderungen zum Lieutenant und zum Captain unterstrichen dies (Sergeant zählt hier nicht, da es sich um eine Feldbeförderung handelte) – allerdings stets unter Ekko und seinem Kommando, was die eine oder andere Besonderheit mit sich brachte. »Um ganz ehrlich zu sein«, musste er zugeben und empfand dabei ein gewisses Maß an persönlicher Scham, »ging es bei mir ganz schnell. Colonel Ekko sagte zu mir: ‚You have it‘ und das war’s.« »You have it?«, wiederholte Alit und hob fragend die Augenbraue. »Na ja, nicht ganz«, präzisierte der imperiale Offizier. »Tatsächlich sagte er: ‚Tuum!‘« Der hochgotische Begriff ‚Tuum‘ war eigentlich kein richtiges Wort. Es war eine Kunstform, die sich irgendwann aus dem Satz ‚Tuis Dictum‘, entwickelte, was so viel wie »dein Befehl« bedeutete. Wenn man das Ganze nun wortgetreu übersetzte, hieß ‚Tuum‘ also so viel wie »Deins«. Die sinnhafte Bedeutung dahinter stellte aber eine vollkommrn andere Schlagkraft in den Raum. Hier bedeutete das »Deins« nämlich tatsächlich eher eine Form des ‚Mach’s einfach«, beziehungsweise. »Quatsch nicht und tu’s«. »Oh«, begriff der Jung-Kommissar, bevor ihn sein Unterbewusstsein zwang, über diese Aussage ein wenig länger nachzudenken. »Weshalb haben Sie sich dann entschieden, doch noch zu unterschreiben?« Balgor zuckte die Achseln. »Weil ich genau weiß, wer es sonst machen würde. Und das möchte ich nicht riskieren.« Er ließ die Aussage im Zelt stehen und war ein wenig überrascht, dass Alit die Worte nicht weiter kommentierte. Allerdings gab die Natur der Antwort dem deutlich jüngeren Offizier ebenso wenig Gelegenheit zu einer passenden Erwiderung wie die Brisanz der kurz darauf in Gang gesetzten Ereignisse. Eine weitere Person stürmte das Zelt, wehte durch den Eingang wie der windige Vorbote eines nahenden Sommergewitters. Das Zelt kannte ein derartiges Verhalten seiner menschlichen Verwender bereits und daher leistete der Stoff wenig Widerstand gegen den Eindringversuch. Panzerbesatzungen waren immer etwas kleiner geraten als normal gewachsene Infanteristen. Es gehörte zum Wesen ihrer Aufgabe wie eine Gesetzmäßigkeit der Natur. Vermutlich war diese Tatsache sogar in den genetischen Code ganzen Panzerfahrer-Generationen eingraviert worden wie ein von feinen Werkzeugen gehauenes Gütesiegel. Der Grund dafür lag in den beengten Verhältnissen ihres Arbeitsplatzes. Für den normalen imperialen Bürger mochte dies unverständlich erscheinen. Imperiale Panzerfahrzeuge waren immerhin große, Keramid-bewehrte Ungetüme, die hoch aufragend in die Schlacht rollten, wo sie aus Geschützen, Kanonen, Flammenwerfern, Plasmawaffen, schweren Boltern oder Maschinengewehren Munition auf den Feind entluden und dem einen oder anderen Waaaghboss mit eherner Selbstverständlichkeit über den Fuß marschierten (was Letzteren dann eine Symphonie des Schmerzes anstimmen ließ). Wie also konnte es sein, dass die Besatzungen von gepanzerten Fahrzeugen kleiner sein mussten als die an ihrer Seite in den Kampf gehenden Infanteristen? Der größte und somit wichtigste Unterschied lag in der Tatsache, dass der Infanterist für sich allein stand. Er war Schild und Schwert in einem. Er musste seine Waffe, seine Ausrüstung und seinen Willen in den Kampf führen, um dort die schrecklichsten Ereignisse zu durchleben, die sich ein Mensch nur vorstellen kann. Ein kleiner, schwächlicher Mensch kann das nur schwerlich aushalten. Wer wirklich in den Krieg um das Imperium ziehen, mit Space Marines marschieren und Feinde unter seinen Stiefelsohlen zertreten will, der braucht Stärke. Er benötigt Energie, Kraft und Erscheinung, die in dieser Form nur ein von Grund auf trainierter Körper bereitzustellen in der Lage ist. Der Panzer hingegen braucht Platz. Er ist eine Plattform, deren Waffen die im Vergleich nur schwachen menschlichen Körper auf ihrem Weg ans Ende der Galaxie begleiten. Dafür benötigt er Treibstoff, Munition und Ersatzteile. Er muss ausreichend gepanzert und geländegängig genug sein, damit er auch in unwegsamstem Territorium stets seinen Weg in Richtung Schlachtfeld findet. Er muss in der Lage sein, sich in alle Richtungen zu verteidigen und den Erzfeind mit schierer Gewalt zu zerschmettern. Die Besatzung spielt dabei nur eine untergeordnete Rolle. Theoretisch könnte ein Panzer auch ohne die Menschen existieren. Er müsste lediglich einen entsprechend mehraufgabenbefähigten Maschinengeist besitzen. Nun gab es in der Geschichte der Menschheit eine ganze Reihe von Auseinandersetzungen zwischen den Erdenbürgern und dem von ihnen geschaffenen, künstlichen Leben. Die meisten dieser Auseinandersetzungen wuchsen sich zu uneingeschränkten Kriegen aus, die nicht nur ganze Planeten zerstörten, sondern auch die Menschheit an den Rand der Vernichtung trieben. Seit dieser, in der vom Imperium beherrschten Region des Weltraums als »Dunkles Zeitalter der Technologie« bekannten Verirrung, die man ironischerweise als ‚Fortschritt‘ bezeichnet hatte, war die Nutzung solcher künstlicher, verabscheuungswürdiger, Intelligenzen bei Kapitalstrafe untersagt. Da die übriggeblieben Entitäten, die man Maschinengeister nennt, zu schwach sind, eine ganze Maschine zu betreiben, müssen die Menschen die unliebsame Aufgabe der Führung für den Panzer übernehmen. Und wie bei einem Barbaren, einem muskelbepackten, mit Testosteron gefluteten Körper, erhält das für das Denken und Lenken notwendige, organische Bauteil in den Fahrzeugen lediglich einen kleinen, sehr beschränkten Raum. In Jaorah Nurins Genpool zumindest schien die notwendige Mutation innerhalb der Symbiose Menschen und Panzer schon vor langer Zeit zur Perfektion gelangt zu sein. Mit einer Körpergröße von irgendwo bei einhundertfünfundsechzig Zentimetern und eher trainierter, wenn auch nicht muskulöser Statur gehörte der in eine schwarze Panzerfahreruniform gehüllte Captain zu jenen Soldaten, die Balgor als Beispiel für das typische Bild einer imperialen Fahrzeugbesatzung angeführt hätte. Ein kantiges, nachdenkliches und bisweilen finster dreinblickendes Gesicht, dessen Effekt von dem Schiffchen auf seinem Kopf noch verstärkt wurde, verlieh ihm eine heroische Erscheinung, wie man sie normalerweise auf Rekrutierungsplakaten seiner Heimatwelt Desposia für den Dienst in der Panzertruppe vermutet hätte. Normalerweise. Im Augenblick nämlich erweckte der Offizier nämlich eher den Eindruck eines gehetzten und verfolgten Wildtieres. »Wo ist Colonel Ekko?« »Unterwegs«, gab Balgor zurück. Nurin ließ nicht locker. »Wo ist Major Carrick?« »Unterwegs.« »Wer hat dann das Kommando?« »Ich.« »Sie?« »Und er.« »Was denn?«, entwich es dem Desposianer. Sein Finger hob sich von ganz allein und zeigte auf den Jung-Kommissar. Selbst wenn er es gewollt hätte, es wäre ihm nicht gelungen, diese Reaktion zu verhindern. »Er auch?« Balgor nickte. »Er auch.« »Sie auch?« Alit schien ebenso wenig überzeugt. »Ich auch?« »Sie sind der Kommissar«, erklärte Balgor nachsichtig. Das überzeugte den jungen Moraloffizier aber nicht wirklich. »Ich bin der Kommissar?« Nurin übersprang Alits Verwirrung einfach, erweitere seine bereits eingeleitete Unmutsbekundung um eine zusätzliche, bittere Note. »Captain – das ist ein Skandal!« »Warum? Was ist denn los?« »Ihre Männer haben sich an unseren Fahrzeugen zu schaffen gemacht!« »Was?«, sprengte die Überraschung Balgors Ruhe. »Sie meinen, unsere Leute haben Ihre Panzer sabotiert?« Er wirbelte so schnell herum, dass Alit einen unwillkürlichen Schritt rückwärts machte. Nurin hingegen blieb unbeeindruckt. »Warum sehen Sie es sich nicht selbst an?«, schlug er vor. Balgor nickte abgehackt. »Ich bin sofort bei Ihnen.« Er wandte sich an Alit. »Sind wir fertig?«, fragte er. »Ja«, bestätigte der Jung-Kommissar, von derselben Überraschung wie Balgor in einen Zustand gelinder Panik getrieben, die er selbst nicht genau verstand, die aber sein Denken in die Spurrinnen kopfloser Aufregung lenkte. »Gut«, schloss der temporär stellvertretende Regimentskommandeur das heilige Ritual der Kommandoübernahme ab. Er wandte sich Nurin zu. »Lassen Sie uns gehen.« [CENTER][CENTER]*** [/CENTER] [/CENTER] [I]Einforcer 1[/I] und [I]Enforcer 2[/I] waren ‚die‘ Jagdpanzer des 512. Regiments Sera. Beide Fahrzeuge gehörten zu einer Vielzahl von Derivaten des Standard-Technologie-Konstrukts Leman Russ, des Standard-Kampfpanzers der Imperialen Armee. Anders als das hochaufragende, mit einem schwer gepanzerten Turmgeschütz und einer Vielzahl von Sekundärwaffen ausgerüstete Kettenfahrzeug zählte man die Destroyer eher zu den Scharfschützen der imperialen Panzerwaffe. Ausgerüstet mit einem als ‚Schnitter‘ bezeichneten Destroyer-Lasergeschütz in Form einer in den Rumpf eingelassenen Bewaffnung, stellte der auch als »Kasematt-Panzer« bezeichnete Destroyer ein Kuriosum im Fuhrpark der Imperialen Armee dar. Seine eigentlich eher als defensiv verstandene Aufgabe widersprach nämlich in Teilen der Doktrin des Astra Militarum, und seine verhältnismäßig archaische Erscheinung machte ihn zu einem besonderen Blickfang auf dem Schlachtfeld. Ekkos Regiment war während ihrer letzten Schlacht mit den Jagdpanzern des 35. Desposia-Panzerregiments in Berührung gekommen und hatte die Fahrzeuge während einer tagelangen Belagerungsschlacht schätzen gelernt. Bei der Panzer hatten die Schlacht mehr oder wenig stark beschädigt überstanden, und während [I]Enforcer 2[/I] noch einen recht soliden Eindruck machte, konnte Enforcer 1 sich rühmen, der wohl am schwersten getroffene und dennoch einsatzbereite Teilnehmer der Schlacht um Agos Virgil geworden zu sein. Mit Schäden, die einem vergleichbar verwunderten Menschen wohl zu einem organischen Wrack mit maschinellen Anbauteilen gemacht hätten, war der Panzerjäger nach wie vor ein formidabler Gefechtsgegner, auch wenn er aktuell auf seinen zerschlagenen Gleisketten eher umherkroch denn fuhr. Aber ein Heer aus Maschinensehern, halb-humanoiden Maschinenmischwesen, hatte dem stark zerstörten Gefechtsfahrzeug bereits einen Teil seiner alten Macht – und damit seiner Würde – zurückgegeben. Technisch gesehen fehlte nur noch eine gewisse Anzahl an kleineren Ritualen der Wiederherstellung, um den Panzer gefechtsbereit machen, und damit zur Eingliederung in die Reihen des 512. Regiments, freigeben zu können. Eine Entscheidung, die im Angesicht der Umwandlung in eine luftgestützte Infanterieeinheit im Nachhinein als fragwürdig erscheint. Das aber wirklich Erstaunliche an den beiden Jagdpanzern, so stellte Balgor nach kurzer Betrachtung fest, war die Tatsache, dass die mehrfarbige Hinterhalt-Tarnung der Fahrzeuge nicht mehr die einzige künstlerische Darstellungsform auf den Fahrzeugrümpfen bildete. »Herr auf dem Thron!«, keuchte der Jung-Kommissar und lief rot an. »Das ist … das ist …« Irgendwer war auf die glorreiche Idee gekommen, die beiden Jagdpanzer mit einem neuen Namen und Abzeichen auszustatten: [I]Bruder Janus[/I] und [I]Schwester Demeure[/I], auf deren Heck jeweils einen Space Marine und eine Adeptus Sororitas von hinten gezeichnet worden waren. Die Servorüstungen der Figuren verdeckten die nackte Haut dabei nur spärlich. Die Idee hätte von Ekko persönlich sein können. Balgor aber ahnte: Hier erwachte gerade Konfliktpotenzial, und dass er einen heißen Schauer auf der Haut spürte, lag nicht am knackigen Hintern der halbnackten Ordensschwester. Die einzige Möglichkeit, diese schmachvollen Bilder ein wenig zu verdecken, bestand in der Zuhilfenahme eines Tarnnetzes, das gleich einer Schürze über die heckwärts gelegenen Partien des Fahrzeugs gespannt wurde. Dies erweckte den Eindruck, die beiden Figuren würden Röcke tragen. Schwester Demeure erschien damit wenigstens noch ein wenig elegant. Bruder Janus hingegen … »Ich finde, das haben Sie ausgezeichnet gelöst«, stellte der Captain diplomatisch fest, während er den Kopf schieflegte. »Was hat es mit dem langen, schwarzen Balken auf sich?« »Den haben wir als Notlösung draufgemalt. Sie wollen nicht wissen, was man da vorher sehen konnte«, gab Nurin verdrießlich zurück und rümpfte die Nase. »Oh«, war alles, was der Jung-Kommissar zu der Situation beitragen konnte, während sich der temporär stellvertretende Regimentskommandeur am Kopf kratzte. »Und woher wissen Sie, dass das unsere Leute waren?«, fragte er in dem fast verzweifelten Versuch, das Offensichtliche zu ignorieren. »Außer Ihnen gibt es hier nicht viel anderes«, erklang die Antwort. Damit hatte Nurin leider Recht, was sie der Lösung des Falles aber auch nicht näher brachte. »Ja«, musste der imperiale Captain dennoch zugeben. »Das leuchtet ein.« Dann schwieg er, suchte nach einer Möglichkeit, die ganze Angelegenheit vielleicht noch ein wenig herunterzuspielen. Er fand keine. Balgor hatte schon bemerkt, dass mit dem Wegfall der steten Bedrohung des bevorstehenden Todes eine seltsame Wandlung bei den Männern des 512. Regiments Sera einsetzte. Ihre Energie staute sich, entlud sich in andere Richtungen, in denen die Aufregung und Wärme des heimatlichen Schlachtfelds gegenüber der Rolle eines Bettes mit williger Gefährtin in den Hintergrund trat. Kurzum: Sie waren heiß. Und die Hitze in ihnen suchte nach einem Ventil, um den steigenden Druck irgendwie abzulassen. Auch an sich hatte Balgor diese Änderung bereits festgestellt und mit wachsender Sorge zur Kenntnis genommen, dass seine Gedankengänge ihre gewohnten Bahnen verließen und mit steigender Intensität um die niedliche Frau Corporal zu kreisen begannen, die im Stab der neuen Quartiermeisterin des 512. Regiments diente. Nur Colonel Ekko schien nichts zu merken, was allerdings nicht unbedingt etwas bedeutete. Immerhin stellte man sich die durchaus berechtigte Frage, ob Colonel Ekko überhaupt noch etwas merkte. Das allerdings brachte sie auch nicht weiter. Balgor wusste: die Gefahr, der sie sich gegenübersahen, war die ganz allmähliche Einbuße der Moral. Die Männer hatten einfach nichts zu tun. Der eintönige Gefechtsdrill, abgeschottet von ihrer früheren Heimat, und die Eingliederung der PVS-Männer fügte vor ihren Augen ein Bild einer Welt zusammen, die ihnen so vertraut war wie das eigene Heim. Sie wollten zurückkehren. Sie wollten ihren Abdruck hinterlassen und sich mit Gewalt im Herzen Bastets verewigen. [I]Wir waren hier! Und wir haben gelebt![/I] Solche Überlegungen führten meist zu geistigen Kurzschlüssen und sehr dummen Handlungen. Ein nacktes Weib war eine Obszönität. Ein nackter Space Marine war … seltsam, aber ebenso anstößig und bisweilen sogar ketzerisch. Was kam danach? Huren? Diebstahl? Raub? Mord? Häresie? Soldaten waren geboren, um zu kämpfen. Ihnen oblag die Verteidigung des menschlichen Reiches, und diese Energie nicht auf ihre Aufgabe zu konzentrieren, würde katastrophale Folgen haben. Für sie, für ihre Familien und schlussendlich alles, für das sie kämpften. Das hier war nicht zu tolerieren. »Das ist nicht zu tolerieren!«, verlangte Nurin und wies auf die Fahrzeuge, was Balgors Überlegungen in Unordnung brachte und seine Aufmerksamkeit zurück auf das Hier und Jetzt richtete. »Nein«, musste er zugeben, auch wenn er dem unbekannten Künstler für seine anatomisch korrekten Darstellungen insgeheim beglückwünschte. »Ich muss mit Colonel Ekko darüber sprechen. Aktuell kann ich Ihnen nur anbieten, Wachtposten zur Sicherung der Fahrzeuge abzustellen. Können Sie die …« – er suchte nach dem richtigen Wort – »… Bilder irgendwie kaschieren?« Man sah Nurin an, dass er mit der Lösung nicht zufrieden war, aber im Augenblick auch keine andere Möglichkeit sah, als auf die Rückkehr des ausgeflogenen Regimentskommandeurs zu warten. »Was bleibt uns anderes übrig?«, erkundigte er sich rhetorisch. Seine Stimme klang dabei derart müde und enttäuscht, dass sich Balgor vornahm, das Problem wirklich anzugehen. »Nichts«, stellte er dennoch fest und zuckte entschuldigend die Schultern. »Ja«, brummte Nurin und wandte sich ab, um seinen Besatzungen die entsprechenden Befehle zu geben. Balgor und Alit blieben zurück. Es dauerte nicht lange, sich der temporär stellvertretende Regimentskommandeur ebenfalls abwandte und sich nachdenklich am Kopf kratzte. »Wir müssen herausfinden, wer das war.« »Ich stimme zu«, versetzte Alit mit einer für sein Alter überraschend berechnender Stimme. »Eine angemessene Bestrafung …« »… wäre eine Versetzung.« Das brachte den Jung-Kommissar aus dem Konzept. »Eine Versetzung?« »Ja. Das künstlerische Talent war nicht ohne. Und ich möchte nicht, dass Colonel Ekko das herausfindet.« Die Falten in der Stirn des Moraloffiziers vertieften sich. »Warum nicht?«, verlangte er zu wissen. Balgor seufzte. »Wer was, auf was für Ideen er kommt, wenn er merkt, dass ihm so ein Medium zur Verfügung steht.« Er sagte diese Worte einfach frei heraus, dachte im Grunde gar nicht wirklich darüber nach, doch sobald er sie ausgesprochen hatte, ging ihm auf, wie prophetisch sie waren. Ja, er würde darüber mit Ekko sprechen müssen. Und in seiner typischen Art würde der Colonel die Angelegenheit angehen – im Grund so, wie er alles anging: mit einer fatalistischen Grundeinstellung, die dem Imperator eine gewisse Schuld an der Situation einräumte. Aber ob er das Problem wirklich verstand? Ob er sich darauf einlassen und seine Untergebenen zu Räson bringen, sie zwingen würde, einfach wieder ihren Platz im Universum einzunehmen? Balgor zumindest glaubte das nicht. Er fürchtete, dass ihnen die Situation entgleiten würde. Ohne Carricks führende Hand, die den Schaden abzuwenden wusste, den Ekkos sehr unorthodoxer Führungsstil bei der Disziplin seiner Männer anrichtete, würde das 512. Regiment sehr bald eine Reihe von sehr unangenehmen Situation erleben. Stille beeilte sich ihm zuzustimmen. Alit hingegen sagte nichts. Er kam auch nicht wirklich dazu, irgendein weiteres Wort zu äußern. »Captain Balgor!«, hallte eine aufgeregte Stimme durchs Lager. Es war die von Gireth. Noch während sie den Funker beim eiligen Nähertraben beobachteten, hörte Alit ein entnervtes Seufzen von dem ranghöheren Offizier an seiner Seite. »Hat man denn hier gar keine Ruhe?« Atemlos kam der Mannschaftssoldat vor ihnen zum Halten. Schweiß hatte seine Haut in eine glänzende, klebrige Oberfläche verwandelt, auf der der Sand der Wüste besonders gut zu haften schien. »Captain Balgor, wir haben soeben ein Schreiben vom Munitorium erhalten.« Der Angesprochene strich sich übers Gesicht, und verdrehte dann Körper und Augen erstaunlich synchron. »Was ist denn jetzt schon wieder?« Ganz allmählich verstand er, wie sich Ekko fühlen musste, wenn er immer und immer wieder durch verschiedenste Kleinigkeiten aus den Reihen des Regiments auf Trab gehalten wurden – auch wenn Balgor annahm, dass dem Colonel seine Tätigkeit besonders in solchen Moment immer am meisten zu gefallen schien. Kein Wunder. Immerhin besaß Ekko eine ganz eigene Art, seine Probleme zu lösen. Glücklicherweise befand sich Balgor noch ganz am Anfang dieser Entwicklung, und die Möglichkeit dem Ganzen zu entfliehen und lediglich wieder in die Fußstapfen eines einfachen Kompanieführers zu treten, bot eine verführerische Alternative. Dennoch nahm er dem atemlosen Funker das kleine Datenpad aus der Hand und überflog es, bevor der japsende Mann Gelegenheit erhielt, dem Vorgesetzten seine Sicht der Dinge zu präsentieren. Je weiter er kam, umso weniger begriff er. Er musste noch einmal von vorn anfangen, bis sich das Puzzle aus Informationen ganz allmählich in seinem Kopf zusammensetzte. Tatsächlich trug die resultierende Schlussfolgerung nicht zur Besserung seiner Laune bei. »Das kann nicht deren Ernst sein …«, brach es aus ihm heraus. Alit beugte sich vor. »Was ist denn?«, wollte er wissen. Balgor reichte ihm das reichverzierte Datendarstellungsmittel, bevor er sich fluchend in Bewegung setzte. Der Jung-Kommissar warf einen Blick auf den Bildschirm, sah die hochgotischen Lettern, machte sich nicht einmal die Mühe sie zu lesen und blickte auf. »Was heißt das?« »Was da steht«, erklärte ihm der Captain kurz angebunden und drehte sich um. »‚[I]Rechnen Sie mit dem Eintreffen der zugewiesenen Kräfte bei Beginn des Festus Sementis[/I]‘.« Der Kommissar schien immer noch nicht zu verstehen. »Und das bedeutet?«, verlieh er seiner Verwirrung Form. »Einigen Leuten stehen bald sehr spannende Zeiten ins Haus«, grummelte der Captain, seinen Schritt wieder aufnehmend. »Ich werde einer davon sein. Colonel Ekko muss uns ja beim Saatfest vertreten.« Er konnte später nicht einmal mehr sagen, ob die Worte ehrlich oder sarkastisch gemeint waren. [CENTER][CENTER]*** [/CENTER] [/CENTER] Brag Fradd war in Aufruhr – zum wiederholten Male in den letzten paar Wochen. Er konnte sich nicht erinnern, jemals zuvor derart viel Aufregung in so kurzer Zeit erlebt zu haben. Zumindest nicht, wenn keine unmittelbare Todesgefahr drohte, eine Möglichkeit, die auf Bastet von Zeit zu Zeit tatsächlich bestand. Zumeist allerdings ging einer derartigen Bedrohung ein Generalalarm an alle verfügbaren Streitkräfte der PVS und des Sektors zuvor, gekoppelt mit einer Angriffswarnung vor Orks, Kultisten oder anderen, ähnlich schrecklichen Mächten des Bösen. Dieses Mal war nicht so. Und dennoch: Sein Herz krampfte, schien mit aller Macht aus seiner Brust brechen, sich von ihm lösen und aus dem Raum laufen zu wollen. Vermutlich hätte es sich dabei sogar geschickter angestellt als er selbst jemals zuvor in seinem Leben. Der Konsul keuchte, als er an die kommende Begegnung dachte, griff in eine der überbordenden Schubladen an seinem Schreibtisch und kramte fieberhaft nach einem zerknitterten Stofftaschentuch, das er dort für den Fall hinterlegt hatte, dass ihm der Schweiß aus allen Poren rann. Nicht, dass so eine Maßnahme auf einem Planeten wie Bastet wirklich sinnig gewesen wäre. Zumindest aber beruhigte es den Administraten und erlaubte es ihm, sich für eine kleine Weile wieder auf das Wesentliche zu konzentrieren. Er zupfte das Tuch zwischen Papieren und Pergamenten hervor, wischte sich eilig über die Stirn und atmete tief durch. Taous und Tages hatten sich angekündigt, sandten ihre glühenden Strahlen gegen die großen, gotischen Fenster von Fradds Büro und klopften schon seit geraumer Zeit geräuschlos hinter den zugezogenen Gardinen. Fradd aber interessierte sich nicht für sie. Ein anderer, wieder einmal erst kurz zuvor bekanntgegebener Gast befand sich auf dem Weg zu ihm. Der Konsul grübelte, was ihm die Ehre dieses – gerade eigentlich eher unerwarteten Besuchs – verschaffte. Tatsächlich hatte sich die Besucherin schon vor einigen Tagen mit ihm treffen wollen, den Besuch aber kurzerhand abgesagt. Eine Angabe von Gründen erhielt er nicht. Nun aber, wie aus dem Nichts, meldete sich ihr Stabschef und arrangierte ein kurzfristiges Treffen, auch wieder ohne Angabe von Gründen. Die ganze Angelegenheit kam ihm höchst seltsam vor. Er war Administrat der größten militärischen Organisation der Galaxis, beim Thron von Terra – und trotz seiner Abneigung gegen diese Welt konnte man ihn getrost als einen der großen Männer Bastets bezeichnen. Er verwaltete die Kräfte der Imperialen Armeen, welche von diesem Planeten aus in den heiligen Krieg um die Menschheit zogen. Dennoch fühlte er sich gerade seltsam. So, als sei er gar nicht der große Mann, für den er sich immer gehalten hatte. Ganz allmählich merkte der Konsul, dass sich die Welt um ihn herum immer schneller zu drehen schien, während er sich dem Gefühl nicht erwehren konnte, sein persönliches Fortkommen würde immer langsamer vonstattengehen. Das wirklich Erschreckende daran war, dass dies nicht nur auf seinen Dienst im Imperium bezogen werden konnte, sondern inzwischen auch seinen Alltag auf Bastet III wiederspiegelte. Brag Fradd war auf ein Abstellgleis geraten und stand nun direkt vor dem Prellbock. Diese Erkenntnis erschütterte und frustrierte ihn. Er, der er ein Leben im Namen des Imperators geführt hatte – oder sich das zumindest ab und an erfolgreich einredete – gerade er erlebte nun das Ende seiner Ambitionen. Den steten Niedergang seiner von Streben und stetem Fortschritt geleiteten Karriere. Und er fragte sich, woran das wohl liegen mochte. Vermutlich hatte er seinem Standpunkt und seiner Aufgabe nicht genügend Gewicht verliehen. Sich von der Sorge um die Tatsache leiten und verunsichern lassen, dass er auf einer Welt wie Bastet gelandet war. Aber damit würde in Zukunft Schluss sein. Es war Zeit, dass Brag Fradd endlich wieder daran arbeitete, sich Gehör zu verschaffen. Es pochte dumpf an der reich verzierten Flügeltür des Büros. »Ja?«, rief er mit energischer Stimme. Mühevoll schob Nator die schwere, missbilligend knarrende Zutrittssperre auf. »Sie ist hier«, sagte er knapp. »Bitte …!«, manifestierte sich der Beginn einer Anweisung in Fradds Kehle. Es handelte sich dabei um jene Art von Laut, der entsteht, wenn ein Gedanke zu lange vom Denk- zum Sprachzentrum benötigt, sich unterwegs verläuft und verloren in den Windungen des eigenen Gehirns umherirrt, während er von den Geschehnissen außerhalb der Schädeldecke überholt wird. Der Konsul erhob sich eilig, als die elegante Gestalt Gallia Sinwells durch die breiten Flügeltüren schritt, mehrere ihrer Akolythen und Schergen im Schlepptau. Die Aura, die sie dabei ausstrahlte, schob Nator einfach aus dem Weg. Dass die mächtige Dienerin des Imperiums dem Lexicaten dabei, ganz beiläufig, in einer fast liebevollen Geste mit der linken Hand unterm Kinn entlang strich, was wohl in etwa einem »Danke, Schätzchen« entsprach, verwirrte und beunruhigte Fradd umso mehr. Nator übrigens auch. Der stöhnte, keuchte eher, und musste sich gegen den Türflügel lehnen, damit seine plötzlich wacklig gewordenen Beine nicht vollends zusammenbrachen und ihm somit unnötige und ungewollte Aufmerksamkeit bescherten. Dann zog er sich zurück, so schnell, dass einer der die Inquisitorin begleitenden Gardisten einen Ausfallschritt machen musste, damit er nicht mit der zufallenden Tür kollidierte. Der Konsul konnte für einen Augenblick nicht anders als angewurzelt stehen zu bleiben, die sich ihm bietende Szenerie zu beobachten und dabei darüber zu sinnieren, wie er der Besucherin am besten begegnen sollte. Sein vorgefasster Plan hatte sich nämlich gerade verabschiedet und war in die hinterste Ecke des Büros geflüchtet, wo er sich die Gardine über den Kopf zog und hemmungslos wimmerte. Selbst Cobis‘ herrschsüchtiges Wesen hätte sich willfährig vor der körperlosen Königin verneigt, die der Inquisitorin stolz vorausmarschierte und dabei alle anderen Präsenzen mit einem Wink ihrer nichtexistenten Hand im Vorübergehen zu einem Kotau zwang. Schließlich aber fasste sich Fradd. Tatsächlich fand er sogar einen Teil seiner Zuversicht wieder. »Hochverehrte Inquisitorin Sinwell«, glitt der imperiale Administrat auf einer Schleimspur epischen Ausmaßes an sie heran. Die Gründe dafür waren vielfältiger Natur. Zum einen lag es daran, dass nicht nur eine schöne Frau sein Büro betreten hatte, sondern sie auch noch eine kleinere Version ihrer selbst mitbrachte, und überdies die Dekolletés der beiden Frauen um die Vorherrschaft in seinem Blickfeld rangen. Ebenso wichtig, wenn auch für seine normalerweise eher unaufgeregte Libido nur von geringerer Bedeutung, war die Tatsache, dass es sich bei Sinwell um eine der wohl mächtigsten Vertreterinnen des imperialen Willens handelte, die Fradd jemals zu Gesicht bekommen würde. Er hatte bereits von ihr gehört, war ihr jedoch nie begegnet, und stellte somit erst jetzt fest, wie anziehend sie war. Sie strahlte eine schwer zu definierende Sexualität aus, die ihr den Mittelpunkt einer jeden Begegnung sicherte und vermutlich ausschlaggebend dafür war, dass man ihr eine hohe Erfolgsrate bei den von ihr bearbeiteten Fällen nachsagte. Fradd konnte das gut nachvollziehen. Wer in ihrem Angesicht nicht Mann genug gewesen wäre, willig zu Kreuze zu kriechen, seinen eigenen Stolz und seine Macht imperialen Insignien, makelloser Haut und üppigen Dekolletés unterzuordnen, den konnte man nur als armen Tor bezeichnen – oder als mächtig genug, dass er sich ein solches Verhalten leisten konnte. »Mein lieber Konsul Fradd«, begann sie mit jener Art von höflich distanzierter Freundschaft, die man sich als überlegene Lebensform aneignete, wenn man mit einer niederen Person interagiert, deren Loyalität man zu gewinnen sucht. Sie hielt ihm gutheißend die behandschuhten Finger hin, wartete geduldig, bis er sie ergriffen und geküsst hatte, bevor sie fortfuhr: »Ich bin erfreut, endlich einmal Eure Bekanntschaft zu machen.« Ihre Stimme war angenehm, sinnlich und überraschend warm. Sie floss aus dem Mund der hochgewachsenen Frau wie ein Teppich aus Samt, der ihn einlud, seine nächsten Worte in den Glanz und die Glorie ihrer Aufmerksamkeit zu tauchen. »Es ist mir eine Ehre, Euch in meinem bescheidenen Dienstzimmer willkommen heißen zu dürfen!«, spulte er seinen Text ab. »Leider wurde mir erst gerade eben mitgeteilt, dass Ihr …« »Vergessen wir das einfach«, schlug sie fröhlich vor. »Es ist viel eher meine Schuld gewesen. Wir hatten bereits den einen oder anderen Schriftwechsel, aber bisher war es mir nie möglich, Euch persönlich zu treffen. Wichtige Termine und Aufgaben, Ihr versteht das sicher.« »Oh, natürlich«, nickte der Konsul. »Da ich gerade in der Nähe war, entschied ich kurzfristig, die Gelegenheit beim Schopf zu packen und meinen längst überfälligen Antrittsbesuch bei Euch nachzuholen.« »Es ist mir eine Ehre«, wiederholte er. Ihm fiel einfach nichts Besseres ein. Sinwell wanderte scheinbar ziellos in dem teuer eingerichteten Büro umher, betrachtete die opulenten Wandgemälde ebenso wie die reich bestickten Gardinen und die umfangreiche Bibliothek. »Ein wirkliches schönes Büro«, merkte sie an und sah sich um. »Es passt zu einem Mann wie Euch.« Fradd lächelte demütig. »Ihr beschämt mich, Inquisitorin.« Sie ging nicht darauf ein. »Und diese Möbel«, fuhr sie stattdessen fort und strich über die bequemen Sessel vor dem Schreibtisch des Konsuls. »Sie sind aus einem exquisiten Material. Ist es Palmenholz?« »Ja, richtig«, bestätigte der Vertreter des Munitoriums. »Gewonnen von Palmen direkt an den Ufern der Maat.« »Darf ich?«, erkundigte sie sich, indem sie auf einen der breiten Sessel wies. »Bitte!«, stimmte er eilig zu und rückte die Sitzgelegenheit zurecht, damit sie mit einer eleganten Bewegung hineinfließen konnte. »Bitte, nehmt doch Platz!« »Vielen Dank«, lächelte sie höflich. »Ihr seid viel zu vorkommend.« Gemäß der imperialen Etikette wartete der Konsul, bis die Inquisitorin sich platziert hatte, bevor er zu seinem Schreibtisch zurückkehrte und sich auf seinen eigenen Sessel niederließ. Dabei lüftete er unauffällig seinen Kragen. Die Bewegung bot seine Haut nur einen kurzen Moment der Erholung – aber es reichte, damit die unter seiner Kleidung gesammelte, aufgeheizte Luft mit einem fast vernehmlichen Zischen entwich. Diese thronverfluchte Hitze. Dann schoss der Konsul schoss einen Blick zu der jungen Begleiterin Sinwells, die aufgerichtet hinter dem Platz ihrer Herrin stand und ihn mit relativ finsterer Miene betrachtete. Er fragte sich, welchen Auftrag die gutaussehende, blonde Dame wohl hatte, denn unter den finsteren Gestalten, die sich derzeit in seinem Arbeitszimmer verteilten, stach sie hervor wie eine Nobeldame in einem Obdachlosenheim. Sinwell bemerkt Fradds Verhalten und wandte den Kopf, bevor sie ihre Aufmerksamkeit mit einem Laut der Erkenntnis zurück auf den Vertreter des Munitoriums fokussierte. »Ach, ich bin ein Dummerchen«, kicherte sie mädchenhaft und wies hinter sich. »Das ist Miss Biasz, eine meiner vertrauenswürdigsten Mitarbeiterinnen. Ich bilde sie zur Inquisitorin aus, damit sie irgendwann selbst im Namen des Imperators tätig wird. »Oh«, stellte Fradd fest. Etwas Besseres fiel ihm nicht ein. »Ich bin erfreut, Ihre Bekanntschaft zu machen.« »Die Freude ist auf meiner Seite«, erwiderte die Angesprochene ausdruckslos. Die überraschend dunkle, elektrisierende Stimme der angehenden Inquisitorin peitschte durch seinen Kopf wie ein vorbeirauschendes Tremorgeschoss, sandte eiskalte Tausendfüßler über seinen Rücken und befahl seine Nackenhaare in Habachtstellung. »Ich … ich hoffe doch, Eure Mission auf Bastet verläuft erfolgreich?«, bemühte er sich von seinem Unwohlsein abzulenken, bevor die schiere Anwesenheit der jungen Blonden hinter Sinwells Sitzplatz Gelegenheit dazu erhielt, den Schweiß auf seiner Haut gefrieren zu lassen. »Oh, in der Tat«, bestätigte die Inquisitorin, »Ich bin äußerst zufrieden bisher.« »Das freut mich«, quälte sich der Administrat zu sagen. »Diese Welt ist … interessant. Sie ist … anders«, beschrieb Sinwell ihre Empfindungen. Die Worte waren vage gehalten, aber besaßen dennoch eine gewisse Aussagekraft. Tatsächlich glaube Fradd zu verstehen, was die Inquisitorin meinte, während diese genüsslich ein Bein überschlug. Ganz sicher war er sich dabei aber auch nicht wirklich. »Und die Menschen«, fuhr die attraktive imperiale Richterin fort, eine Hand in einer eleganten Geste in die Höhe reichend. »Einfach, aber dennoch erstaunlich, findet Ihr nicht?« Fradd merkte, wie er ganz allmählich den Faden verlor. Aus irgendeinem verweigerte sein Geist die Anstrengung, derer es bedurft hätte, um auf eine geistige Stufe mit der Frau vor ihm gehoben zu werden. Woran genau es lag, hätte er nicht sagen können. Wahrscheinlich war es auch egal. Aber allein die Tatsache, dass es etwas gab, das Sinwell auffiel, während es ihm verborgen zu sein schien, ließ in Fradd ein Gefühl der Unterlegenheit erwachen. Natürlich hätte er das nie zugegeben, also antwortete er schlicht: »Oh, ja. Doch.« »Ich frage mich, wie sich die Menschen wohl mit dem Universum außerhalb ihrer kleinen Welt arrangieren. Beispielsweise«, tippte sie sich nachdenklich mit dem Finger an die Lippe, »im Dienste der Imperialen Armee.« Diesen Gedanken hingegen konnte der Konsul sehr wohl nachvollziehen, und ohne groß darüber nachzudenken, bemerkte er: »Vielleicht sollten Sie da Colonel Ekko fragen.« Das zündete Sinwells Interesse. »Colonel … Ekko?«, hakte sie nach. »Ja. Er und sein bastetisches Regiment wurden erst vor kurzem von einem Schlachtfeld auf einer nahegelegenen Schreinwelt zur Auffrischung zurück nach Bastet verlegt.« »Wie ist Colonel Ekko so?«, wandte Biasz ein, scharf genug, damit Fradd aufsah und die Stirn runzelte. Die plötzliche, und in diesem Fall vollkommen aus dem Kontext der Unterhaltung fallende Frage hatte einen Warnmechanismus in seinem Innersten aktiviert, der nun laute Alarmsignale in Fradds Hirn emittierte. »Hat er etwas verbrochen?«, fragte er skeptisch, von der in diesem Moment naheliegenden Frage ergriffen, ob sich die Untersuchung der Inquisitorin wohl auf den bastetischen Colonel konzentrierte. Sinwells Begleiterin schwieg, den Blick nach wie vor starr auf Fradd gerichtet, doch ein kleines Funkeln in ihren Augen verriet, dass sie sich der Tragweite der soeben getätigten Aussage bewusst wurde. Zumindest ein geübter Beobachter hätte diese Erkenntnis gewonnen. Fradd hingegen notierte es nur kurz, bevor seine Aufmerksamkeit all ihre Konzentration bei dem Versuch verwandte, eine Reaktion in der Miene der Inquisitorin festzustellen. Wirklich erfolgreich war er damit aber nicht. Anders als der Konsul schaffte es Sinwell nämlich, ihre Überraschung über den plötzlichen Einwurf weitestgehend zu verschleiern. »Nein«, meinte sie ehrlich betroffen und warf einen strafenden Blick zu ihrer Begleiterin. »Miss Biaz besitzt eine ausgeprägte Vorliebe für starke Männer. Und wann immer sie von namhaften Offizieren oder Kommissaren hört, möchte sie möglichst viel über sie erfahren. Eine Eigenart, die ich ihr bisher noch nicht austreiben konnte.« Ein weiterer, dieses Mal mäßigender, Blick in Richtung der Interrogatin folgte, bevor die imperiale Richterin ihre Aufmerksamkeit zurück auf den Administraten lenkte. »Was ist mit Colonel Ekko?«, fuhr sie fort. »Gibt es irgendetwas, das ich wissen sollte?« »Nein. Nicht wirklich«, winkte Fradd eilig ab. »Er ist wie alle Basteter. Ein Unruhestifter. Ein Knallfrosch.« »Na ja«, meinte sie schulterzuckend. »Es liegt es in der Natur der Sache, dass Knallfrösche den meisten Lärm machen.« Eine kurze, wohldosierte Pause folgte. »Und damit schrecken sie meiner Erfahrung nach immer genau die richtigen Leute auf.« Der Konsul runzelte die Stirn in Vorbereitung einer Gegenbemerkung, die vermutlich deutlich mehr über ihn als über Colonel Ekko ausgesagt hätte, aber erhielt keine Gelegenheit mehr, dem Gedanken Form zu verleihen. Glücklicherweise. Die breite Flügeltür schwang auf, entließ einen verzweifelten Schwall Worte in den Raum. »Nein, Sie, können jetzt nicht mit dem Konsul sprechen!«, ereiferte sich Nator, der abermals lediglich zur Seite geschoben wurde, dieses Mal allerdings von einer ihm altbekannten Präsenz. Die Aura von Konfessor Cobis stürmte in den Raum, so als wollte sie den dort residierenden Konsul am Kragen packen und ihn sturmreif prügeln, doch als sie bemerkte, dass bereits andere, weitaus stärkere Gäste im Amtszimmer weilten, murmelte sie eine Entschuldigung, zog den Kopf ein und verschwand wortlos aus dem Büro. Eine kluge Entscheidung. Die HE-Lasergewehre der Inquisitionsgardisten hatten sich bereits zu ihr umgedreht. Der eintretende ekklesiarchische Vertreter sah ihr verwundert nach. »Fradd«, begann er fordernd, blickte auf und hielt in der Bewegung inne. Einer von Sinwells Leibwächtern stand direkt vor ihm, die Laserpistole auf die reich verzierte Brust seines Gewands gerichtet. Eilig wich Cobis zurück und nahm die Hände hoch. »Oh … ich wusste nicht, dass ihr bereits Besuch habt.« »[I]Prohibe[/I]!«, peitschte die Stimme der Inquisitorin durch den Raum, bevor sie entschuldigend lächelte und sich so elegant aus dem Sessel erhob, dass selbst eine professionelle Balletttänzerin vor Neid rot geworden wäre. Mit langen, vornehmen Schritten marschierte sie zu den beiden Kontrahenten an der Tür, legte die Hand auf die Laserpistole des Gardisten und drückte sie sanft herunter. »Danke, das ist nicht nötig«, sagte sie bestimmt bevor sie sich dem Konfessor zuwandte. »Heute sind alle so aufgeregt. Das muss an meinem Parfüm liegen«, begrüßte sie den ekklesiarchischen Vertreter mit derselben Höflichkeit, mit der sie zuvor Fradd begegnet war. »Ehrenwerter Konfessor Cobis. Ich freue mich, Euch endlich kennenlernen zu dürfen.« »Wir sind uns noch nicht vorgestellt worden, fürchte ich«, gestand der hochgewachsene Mann, von der ihn umgebenden Szenerie schier überwältigt. Leichtes Unwohlsein rötete seine Wangen. Vielleicht war es auch der herrliche Anblick, der sich ihm bot. »Das macht nichts«, meinte sie fröhlich und hielt ihm die Hand hin. »Sinwell. Gallia Sinwell. Ordo Hereticus.« Für einen Augenblick erblasste Cobis‘ Contenance, fiel in Ohnmacht, fächelte sich dann selbst Luft zu, entschuldigte sich und stand wieder auf. »Ich … verstehe«, antwortete er und lächelte nervös, als er sich schließlich dazu überwand, den Gruß zu erwidern, ihre Hand zu küssen und sie zurück zu ihrem Sitzplatz zu führen. »Meinen Namen kennt Ihr ja bereits, Mylady.« Sie kicherte. »Richtig. Bitte: setzt Euch doch zu uns.« »Vielen Dank«, erwiderte der Gesandte der imperialen Kirche und blickte unsicher zu Fradd, dem aber auch nicht viel mehr einzufallen schien als ein ratloser Blick. Sinwell achtete nicht darauf. »Es schien, als hättet Ihr wichtige Dinge mit dem Konsul zu besprechen?«, bemerkte sie, auf Cobis‘ Auftritt anspielend. »Ich hoffe doch, ich bringe hier keine Pläne durcheinander?« »Oh, keineswegs!«, winkte der imperiale Oberprediger ab. »Wie könnte eine derart charmante Gesellschaft stören?« Eine theoretische Frage, die Sinwell mit einem durchdringenden Blick beantwortete. Ein wenig unsicher sprach Cobis weiter: »Das Saatfest steht unmittelbar bevor, und da wir vor kurzem Hinweise auf mögliche Angriffe rebellischer Gruppierungen erhalten haben, wollte ich dem Konsul über weitere Sicherheitsmaßnahmen sprechen«, erklärte er. »Ah«, begriff die Inquisitorin und nickte. »Gibt es hier in der Gegend öfter Rebellenaktivitäten?« »Nein«, wandte Fradd ein. »Meistens geschehen Angriffe weiter oben im Jareth-Bezirk in den Bergen. Die PVS bekämpft diese subversiven Elemente bereits seit Jahren, aber man bekommt sie nicht wirklich in den Griff.« »Klingt nach einer ernsten Angelegenheit«, stellte Sinwell nach einigen Augenblicken des Nachdenkens fest. »Aber fällt das nicht eher in die Jurisdiktion der planetaren Verwaltung?« »Die planetare Verwaltung ist unfähig!«, erboste sich Cobis und rümpfte die Nase. Die Geste, die er dabei machte, kam so plötzlich, dass mehrere Gardisten zu ihren Waffen griffen. Glücklicherweise blieben diese Bewegungen weitestgehend unbeachtet. Lediglich Fradd riss erschrocken die Augen auf und konnte gerade noch ein keuchendes Ausatmen unterdrücken. Derweil regte sich der Konfessor weiter auf: »Sie ist so von Inkompetenz durchsetzt, dass man es nicht einmal merken würde, wenn diese abartigen Häretiker aus den Bergen die Macht übernehmen würden.« »M-hm?«, bekundete Sinwell ihr weiteres Interesse, bevor sie sich an ihre Begleiterin wandte. »Evi, lässt du uns für einen Moment allein?« »Wie ihr wünscht«, verneigte sich die blonde Interrogatorin, bevor sie ihren Platz aufgab und sich zum Konsul gesellte. Schon kurze Zeit später waren der Konfessor und die Inquisitorin in ein ernstes und detailliertes Gespräch vertieft, dessen Inhalt genügend ekklesiarchische Fachbegriffe beinhaltete, dass zumindest Fradd ihnen nicht mehr folgen konnte. Biasz schien damit deutlich weniger Probleme zu haben, was allerdings, vermutlich, auch genau der Grund dafür war, dass Sinwell ihre Akolythin fortgeschickt hatte »Verzeiht, Ehrenwerter Konsul«, wandte sich die Interrogatorin nach einigem Zögern an den Administraten des Munitoriums, was nach ihren vorherigen Ausbruch eher zaghaft anmutete, »dürfte ich Euch etwas fragen?« »Natürlich, mein Kind«, richtete der Mann hinter dem Schreibtisch seine Aufmerksamkeit auf die deutlich jüngere Frau. Wieder fiel ihm auf, wie attraktiv sie war. »Habt Ihr schon einmal etwas von der ‚Konföderation des Lichts‘ gehört?« Fradd schien das nichts zu sagen, aber Biasz hätte schwören können, dass Cobis‘ Ohren sich regelrecht aufstellten, und von da an – bis zum Ende des Besuchs – jede ihrer Lippenbewegungen aufmerksam verfolgten. [CENTER][CENTER]*** [/CENTER] [/CENTER] Der Motor der Inquisitionslimousine keuchte in der heißen Nachmittagsluft, als der Fahrer das Gefährt über den flirrenden Asphalt der von hohen Sanddünen flankierten Schnellstraße quälte. Sie fuhren in einer Kolonne von fünf Fahrzeugen: Zwei begleitende Sturmfahrzeuge der Inquisitionsgarde, insgesamt besetzt mit acht Gardisten sowie zwei Stabsfahrzeuge, eines mit Sinwell und Biaz an Bord, das andere deutlich dichter bepackt mit dem Rest des mitgekommenen Gefolges. Kein Wunder also, dass die flirrenden Trugbilder auf dem Wüstenboden einen Platz in Sinwells persönlichem Transportfahrzeug zu ergattern versuchten. Noch hielten eine leistungsstarke Klimaanlage und geschlossene Fenster sie auf. Nicht auszudenken, was geschehen wäre, wenn es diese Barrieren nicht gegeben hätte. Für Evi Biasz bedeuteten diese Sorgen jedoch nichts im Vergleich zu dem, was auf ihrem Herzen lastete. Durch eine dumme, unbedachte Bemerkung, die ihr im Angesicht ihrer vorherigen Erlebnisse nur natürlich erschienen war, hatte sie um ein Haar den Auftrag ihrer Herrin – und damit auch ihren eigenen – torpediert. »Verzeiht, Mylady«, gestand die Interrogatorin ihren Fehler ein. »Ich habe einen unverzeihlichen Fehler begangen. Das war sehr dumm von mir.« Die Inquisitorin ließ ein leises Seufzen erklingen. »Ja, in der Tat. Das war es«, stimmte sie zu. »Aber das Schlimmste daran ist, dass Fradd es gemerkt hat. Du musst einfach lernen, dich zu beherrschen.« »Ja, ich weiß«, erwiderte die andere niedergeschlagen. »Das ist bereits das zweite Mal, dass du in dieser Sache überreagierst«, fuhr Sinwell tadelnd fort. »Ich kenne dich so gar nicht.« Ihr Gegenüber schwieg betreten, also schloss sie: »Wenn ich es nicht besser wüsste, dann käme ich auf den Gedanken, du wolltest unsere Sache sabotieren.« »Keineswegs!«, warf Biasz eilig ein und erbleichte. »Mylady! Wie könnt ihr so etwas von mir denken?« Es klang fast, als wenn sie gleich darauf in Tränen ausbrechen würde. Die dahinter stehende Sorge war durchaus nicht unbegründet. Den Dienst im Namen des Imperators konnte man getrost als schwer und undankbar bezeichnen. Überall lauerte der omnipräsente Fleischwolf des alltäglichen Kampfes ums Dasein, die lähmende Furcht vor einem schrecklichen, menschenverachtenden Gegner, der jedem Bewohner imperialer Welten allzu bekannt war. Dass es sich bei diesem Feind nicht einmal um die physischen Feinde des Imperiums handelte, sondern im Grunde um die eigene Schuld, die Dekadenz und den schleichenden sittlichen Verfall einst menschlicher Ideale im Angesicht des Imperators, das verstanden nur wenige. Wie sollte man auch begreifen, was einen blind machte gegenüber der Wahrheit? Was einen verführte und so gierig verschlag wie der unersättliche Hunger der Dämonen die Seelen ihrer Anhänger? Die Inquisition zumindest wagte zu behaupten, die Fehler der Menschheit erkannt zu haben und sich ihnen mit all ihrer Macht entgegenstellen zu können. Dafür benötigte sie zwei Eigenschaften: einen starken, ja, fast fanatisch anmutenden Glauben an den Imperator, der den ganz allmählich zerfallenden Prinzipien des imperialen Wesens auch in dunkelster Stunde ein Leuchtfeuer sein würde und – viel wichtiger – die unerbittlichen Vollstrecker Seines Willens, eben jene Leute, die mit klarem Kopf und wachem Auge durch das Imperium wanderten und bereinigten, was Unrein geworden war. Doch das kam zu einem hohen Preis. Der Dienst in der Inquisition war tödlich. Wer in die Fänge der mächtigen Organisation geriet, der fand sich schon bald in einem grausamen Spiel wieder, in dem um Macht, Vorrecht und Deutungshoheit gepokert wurde. Ein Menschenleben zählte dabei nichts, und wenn man gedachte, einen eigenen Einsatz im Spiel zu wagen, dann musste man recht schnell begreifen, dass es sich bei den Tätigkeiten der Inquisition nicht um ein Spiel, sondern grausame Realität handelte. Nur die geistig stärksten Individuen der imperialen Administratien erwiesen sich als fit für Dienst in der imperialen Untersuchungsbehörde. Für alle anderen endete der Versuch zumeist … unerfreulich. »Dann sprich«, befahl Sinwell ihrer Untergebenen. »Ich gebe dir eine Chance, dich zu erklären. Du solltest sie nicht ungenutzt verstreichen lassen.« In Biasz‘ Augen glitzerte noch immer feuchter Schimmer, als sie begann langsam, fast zögerlich, zu sprechen: »Ich glaubte, ich hätte es verstanden, aber dem war nicht so. Unsere Reise nach Bastet. Unser Auftrag. Es lag alles klar vor mir. Ich hatte keine Zweifel. Aber jetzt? Die Art, wie wir uns der ganzen Angelegenheit nähern … wie wir uns unserem Ziel nähern … Was ich auch tue: es ist falsch. Mir erschließt sich all das nicht.« Sinwell lehnte sich in ihre Sitzbank zurück. Das Leder knirschte. »Und du fragst dich: warum?«, sprach sie die Frage ihrer Begleiterin aus. Die nickte lediglich »Um der Wahrheit die Ehre zu geben: ja.« »Nun, gut«, sagte Sinwell nach einer Weile: »Du kennst den Grund unseres Hierseins?« »Natürlich, Mylady!«, warf Biasz ein. »Die Hinweise auf anti-imperiales Verhalten in der planetaren Regierung Bastets.« »Richtig. Informationen der Inquisition zufolge ist die Regierung dieser Welt schwach. Sie wird von unfähigen Beratern getragen und hat so längst den Rückhalt verloren – sowohl bei ihrer Bevölkerung als auch in den oberen Schichten der Sektorverwaltung. Der Gouverneur befehligt nicht mehr als eine Welt aus heißer Luft und Wüste.« Die Inquisitorin wies aus dem Fenster. »Im wahrsten Sinne des Wortes. Und obwohl Bastet seine spärlichen Zehntregimenter und sein geringes Wirtschaftswachstum dem Wohl des Imperiums zur Verfügung stellt, ist es innerhalb der Administration längst offenbar geworden, dass wir dabei sind, die Welt zu verlieren.« Die imperiale Richterin blickte aus dem Fenster des Fahrzeugs, starrte auf trostlose Dünen und dünne, transparente Wände aus bläulich flimmerndem Licht; energetische Schutzwälle, die die Schnellstraße sandfrei hielten. »Eine schwache Regierung begünstigt die Zunahme von Kriminalität und Rebellion. Beide Erscheinungen bieten frustrierten Regierungsmitgliedern und Bewohnern dieser Welt Betätigungsfelder, in denen sie ihren Machteinfluss erweitern und ihre persönlichen Vorhaben in die Tat umsetzen können.« Sie vollführte eine wegwerfende Handbewegung. »Natürlich ist das dem Bestehen einer stabilen planetaren Ordnung nicht gerade zuträglich, und wird den Zerfall der Regierung nur beschleunigen.« Wieder verging ein Moment, den Sinwell dazu nutzte, ihre Gedanken zu ordnen. »Aufgrund kürzlicher Entwicklungen im umliegenden Sektorraum gehen wir …« – damit meinte sie die Inquisition – »…davon aus, dass sich eine Sekte mit Namen »Konföderation des Lichts« dieses Chaos zunutze machen will, um einer uns bisher unbekannten Doktrin Vorschub zu leisten.« »Ja«, gab Biasz zurück: »Das habe ich alles verstanden. Aber … welche Rolle spielt Colonel Ekko? Weshalb ist gerade er so wichtig?« »Wir wissen, dass sich die Sekte bei ihren Tätigkeiten auf planetare Persönlichkeiten stützt, die ihr als Mitläufer einen gewissen Symbolstatus innerhalb der Bevölkerung verschaffen können. Auf Bastet gibt es derzeit nicht viele diese Menschen.« »Aber Mylady!«, wandte die Interrogatorin zweifelnd ein. »Niemand hier weiß, dass er ein Kriegsheld ist. Selbst wir wüssten es nicht, wenn uns die Berichte nicht über die Psionik-Kanäle der Inquisition bekannt geworden wären. Zudem ist er nicht der große Mann, den man uns zu präsentieren versucht.« Sie schlug die Augen nieder. »Ich habe es gesehen. Seine Gedankenwelt ist nicht mehr als eine Ansammlung zerklüfteter Wüsten.« Die Inquisitorin lächelte düster. »Das ist es also, was du über ihn denkst?«, fragte sie rhetorisch. »Diesen Eindruck hast du gewonnen?« Biasz senkte betreten den Kopf, beschämt von den Worten ihrer Herrin. Eine Weile lang herrschte Schweigen zwischen den beiden Frau, blickte sich nervös um, suchte nach Anzeichen für einen bevorstehenden Kampf, indem beide versuchen würden, der anderen die Luft in der Korsage abzuschnüren. Doch nichts dergleichen geschah. Stattdessen gab Sinwell schließlich zurück: »Zudem … ich habe nie behauptet, dass Colonel Ekko der Mann ist, den wir suchen.« »Aber!«, begann ihre Gesprächspartnerin, wurde jedoch von einem Wink der Hand gestoppt. »Ohne Frage: Colonel Ekko spielt eine Rolle in all dem hier. Der Grund für sein Auftauchen war sicherlich nicht zufällig. Sein Bericht über die Schlacht von Agos Virgil liest sich viel zu abenteuerlich, als dass er wirklich wahr sein könnte, und unsere bisherigen Zusammentreffen mit ihm haben in mir den Eindruck geweckt, dass er ein Idiot ist, aber kein dummer Mann. Was wir uns nun fragen müssen ist: Was weiß er? Wie viel weiß er? Auf welcher Seite steht er? Sollte er wirklich nur durch Zufall in all das geraten sein, müssen wir uns ferner fragen: für welche Seite würde er sich wohl entscheiden? Und was können wir dann von ihm erwarten? Ein kampferprobter Offizier mit einer gut gedrillten Einheit stellt je nach Lage eine wertvolle Unterstützung oder einen ernstzunehmenden Gegner dar.« »Und das habt ihr versucht herauszufinden?«, hakte Biasz nach. Sinwell nickte. »Ja. Deswegen habe ich damals meinen geplanten Besuch bei Fradd abgesagt. Mir war wichtiger, den Colonel zu erreichen, bevor er die Möglichkeit hatte, sich mit der Lage vor Ort vertraut zu machen.« »Und ist es Euch gelungen?« Die Inquisitorin hob ahnungsvoll die Schultern. »Wer weiß das schon? In dem Mann zu lesen ist schwerer als sicher durch den Warp zu navigieren.« »Und ich habe all das ruiniert«, schalt Biasz sich selbst. »Ich bin wirklich manchmal ein dummes Kind.« »Ja, das will ich gar nicht bestreiten«, stimmte ihre Herrin zu. »Aber vielleicht war das in dem Moment gar nicht so schlecht.« Die Verwirrung im Antlitz der Interrogatorin gewann an Form. »Wie meint ihr das?« »Was ich im Gespräch mit Cobis herausgefunden habe, deutet daraufhin, dass auch er ein Interesse an Ekko hat. Zumindest an seinem Regiment. Und Fradd? Fradd scheint er Kopfzerbrechen zu bereiten. Wenn er eine ähnliche Wirkung auf den Rest der Regierung entfaltet, dann kann uns das im Zweifelsfall nur dienlich sein. Erinnerst du dich an das, was er zu mir gesagt hat, nachdem du und Defay bei ihm eingefallen seid?« Sinwell lächelte finster. »Ich glaube, es wird Zeit, dass wir ihm seinen Wunsch erfüllen.« Dann atmete sie ein, so als gedachte sie, eine Entscheidung zu treffen, die sie nur wenig später sicherlich bereute. »Ich denke, es wird Zeit, dass du dich Colonel Ekko‘s annimmst. Fühle ihm auf den Zahn. Sei respektvoll«, schärfte sie der kleineren Frau ein. »Halte dich dicht an ihn, aber provoziere ihn nicht. Ich weiß noch nicht, ob er Feind oder Freund ist, und ich habe nicht vor, jemanden in die Arme unserer Feinde zu treiben, solange es nicht nötig ist. Morgen beginnt das Saatfest. Ich denke, das wäre der richtige Zeitpunkt, damit ich euch beide einander vorstelle.« »Ja«, stimmte Biasz zu, von der plötzlichen Wendung des Gesprächs regelrecht betäubt. Sie fühlte sich wie ein Mädchen, das gerade ihre eigene, kleine Puppe bekommen hatte, und sich schon ausmalte, wie es wohl wäre, mit ihr zu spielen. Daher lösten sich die folgenden Worte auch nur sehr undeutlich aus ihrem Mund: »Konsul Fradd hat mir empfohlen, mir das Fest anzusehen. Er sagte, dieses Jahr gäbe es dort etwas Besonderes zu bewundern.« »Oh, dessen bin ich mir sicher«, sagte Sinwell dennoch. Sie sollte Recht behalten. [/QUOTE]
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