Kapitel I: Diplomaten
Behutsam bewegte sich Relt durch die Räumlichkeiten. Langsam setzte er einen Fuß vor den anderen. Sein Gesicht war gezeichnet von der anhaltenden Konzentration. Das Weiß in seinen Augen, war einem gänzlich undurchdringlichem Schwarz gewichen. Die Iris seiner Augen wirkte fluoreszierend, und leuchtete in einem unwirklichem grün. Seine Sinne horchten hinter die weltlichen Grenzen der Realität, und suchten Abhöreinrichtungen der hiesigen Monarchie. Sein Körper war leicht gekrümmt, als ob er eine schwere Last zu tragen hätte. In seinem jetzigen Zustand wirkte er wie ein alter Greis, welcher sich auf seinem letzten Gang zur Erlösung befand.
„Dort oben.“ Severus, welcher sich geduldig neben Relt her bewegte, vernahm die Nachricht seines Gefährten direkt in seinem Kopf. „Benutz Deinen Mund“ brummte Severus in Relts Richtung. Die beiden verharrten im zentralen Raum des Stockwerks, direkt neben einer, mit weißem Leder bezogenen Liege. Der gesamte Raum diente der Entspannung der Bewohner. Es gab eine Vielzahl an Liegen und anderen Sitzmöglichkeiten, welche kreisförmig um den mittig gelegenen, offenen Kamin platziert waren. Severus blickte an die Decke, und versuchte die Wanze auszumachen. „Sie liegt hinter der Deckenfreske“ raunte Relt, diesmal auf konventionelle Art und Weise. Der Hüne stieg auf die Liege und versuchte, mit seiner Hand hinter die Deckenverzierung zu gelangen. Vorsichtig tastete er mit seinen Fingerspitzen den Rand des edlen Schmuckgebildes ab. „Hab ich Dich“, mit diesen Worten fischte Severus die Überwachungseinheit hinter der Freske hervor. „Die haben es aber gut gemeint. Mit der hier waren es jetzt fast dreißig Abhörgeräte.“ Er zerquetschte die Wanze zwischen Daumen und Zeigefinger, und ließ die Überreste auf den edlen Brokatteppich rieseln. „Fertig?“ der Hüne blickte seinen Begleiter fragend an. „Ehre und Stärke“ antwortete Relt, und blickte Severus mit wieder normal werdenden Augen an. „Ehre und Stärke“ erwiderte der Vernarbte, und nickte Relt anerkennend zu.
Sert Messner stand, nur mit Unterwäsche bekleidet, vor dem Spiegel in seiner Ankleidekammer. Er blickte prüfend über die in den Schränken hängenden Uniformen. Er entschied sich für die Paradeuniform, welche er außer zu hochoffiziellen Anlässen, nie zu tragen pflegte. Sein Herz klopfte seit dem Abschied von Melissa, und den anderen Diplomaten, in einer höheren Taktrate als sonst üblich. Sein asketisches Leben hatte nie solche Gefühlsregungen hervorgebracht, wie er Sie seit dem Abschied vor nicht einmal zwei Stunden erlebt hatte. Er musste sich eingestehen, dass es ausschließlich an Melissa lag. Sehnsüchtig fieberte er dem Wiedersehen mit der Schönheit entgegen. Hastig legte er die Uniform an. Sie war in den Farben der Makropolwelt gehalten. Ein tiefes Blau im Zusammenspiel mit einem kräftigen Gelb. Er legte sich eine weiße, seidene Schärpe an. Er überprüfte den genauen Sitz der Schärpe, sodass das Wappen der Makropolwelt Minea auf Höhe der schmächtigen Brust lag. Direkt darunter waren das Emblem der Brimstein Makropole, als auch die persönliche Heraldik der Larkin-Familie, welche seit fast 14 Jahrhunderten den Gouverneur stellten. Als letztes wurde es dem Adjutanten gestattet, das Wappen seiner eigenen Familie auf der Schärpe zu tragen. Er war stolz auf das, was er in seinem Leben bis dato erreicht hatte. Allerdings wurde ihm nun schmerzlich klar, dass er allein war. Er besaß nicht die Anziehung des Gouverneurs, welche sich hauptsächlich auf Macht und Einfluss zurückführen ließ, und trotzdem dafür sorgte, dass sein Harem ständig wuchs. Seine Begegnung mit einer Fremden hatte seine Augen geöffnet. Er wollte, nein, er musste versuchen, Ihre Zuneigung zu gewinnen. Dies war es, was er sich in diesem Moment schwor. Er wollte nicht alleine durch das Leben gehen. Er wollte mehr erreichen, als nur einen Titel. Mit diesen Gedanken drehte er sich elegant auf der Stelle, und verließ sein Ankleidezimmer. Er machte sich auf den Weg, Melissa und den Diplomaten seine Aufwartung zu machen, und Sie zum Festbankett zu geleiten.
Magnus von Krest saß alleine in seinem Gemach. Er stützte sich auf seinen Energiehammer, und hatte die Stirn in Falten gelegt. In seiner linken hielt er einen Datenkristall, welchen er auf seiner Reise auf diesen Planeten bereits unzählige Male studiert hatte. Er ließ ihn zwischen seinen Fingern hin und her gleiten, und fühlte das Gewicht seines Inhaltes. Er wusste ob der Informationen, welche er enthielt. Er hatte bis jetzt seinen Kampfgefährten nur spärliche Informationen zukommen lassen. Nur Relt, welcher die mentale Belastung des Kommandanten spürte, hatte eine Ahnung, dass es etwas nie vorher da Gewesenes war. Langsam erhob sich der Hüne, und beugte sich nach vorne. Er ließ den Datenkristall in die dafür vorgesehene Einbuchtung gleiten. Magnus ließ sich wieder in seine vorherige Sitzposition zurückfallen, und stützte sich nun mit beiden Händen auf seine Waffe. Vor ihm breitete sich das virtuelle Interface aus, und öffnete den im Datenkristall enthaltenen Bericht.
Forschungseinrichtung Delta; Makropolwelt Minea;
Leitender Wissenschaftler: Trent Kerdran;
9.568.221.M38
Vor wenigen Stunden übergab man das Artefakt aus den Drevkan-Minen unserer Forschungseinrichtung. In fast 36 Kilometern Tiefe ist ein nach Erzen suchender Bohrtrupp auf eine gigantische Höhle gestoßen. Nach Angaben des einzigen Überlebenden, schien die Höhle vor psionischer Energie zu pulsieren. Innerhalb von Sekunden, nachdem der Trupp die Höhle betreten hatte, brachen zwölf der dreißig Arbeiter tot zusammen. Ihre Augen waren schwarz verfärbt, und es lief Blut aus deren Augenliedern. Der Rest des Trupps hielt sich die Ohren, und versuchte die Höhle wieder zu verlassen. Der Überlebende berichtete, dass in seinem Kopf unvorstellbare Gräuel abgespielt wurden. Er nahm es als Sinnestäuschung auf, doch irgendetwas trieb ein schauerliches Spiel mit ihm. Als er aus dem Aufzug des Stollens 178 stieg, war er über und über mit dem Blut seiner Kameraden befleckt. Er hielt beide Hände vor seiner Brust, und schützte somit seine wertvolle Fracht. Die anwesenden Sicherheitskräfte gaben Großalarm und ersuchten um Unterstützung. Ein eindringen in die Höhle, wurde von einer unsichtbaren Macht verhindert. Um zu unterbinden, dass, was auch immer in der Höhle präsent war, es einen Weg nach oben finden würde, wurde der komplette Bohrtunnel gesprengt. Somit lag die Höhle wieder unter Tonnen von Gestein begraben. Der Überlebende wurde von zwei Dutzend Agenten des Adeptus Arbites in unsere Forschungseinrichtung gebracht.
Erst nach überzeugendem Eingreifen durch unsere Techservitoren, konnten wir dem Mann seine Fracht entreißen. Trotz seiner panischen Schreie versuchten wir Ihn zu verhören. Die spärlichen Informationen können dem obigen Absatz entnommen werden. Aufgrund seiner wiederholten Versuche zum Artefakt vorzudringen, wurden wir gezwungen ihn zu liquidieren.
Bei dem Artefakt handelt es sich um einen Schädel unbekannter Zugehörigkeit. Trotz seines massiven Alters, waren noch verwertbare DNA-Proben zu finden. Die psionische Aktivität konnte trotz mehrerer Omega-Psioniker nicht zurückgehalten werden. Dies hatte unter anderem den Tod von mehreren Sicherheitskräften, als auch Forschungspersonal zur Folge. Die Macht, welche der Schädel birgt ist gigantisch. Wir werden versuchen die gewonnene DNA mit der eines Menschen zu verbinden. Somit erhoffen wir, eine gewaltige Waffe gegen die Gefahren des Warps zu erschaffen. Die Freigabe zu diesen Eingriffen wurde von oberster Stelle der hiesigen Imperialen Verwaltung erteilt.
9.234.222.M38
Die Forschungen zwecks der Implantierung der DNA verlaufen nicht nach Plan. Aufgrund der minderwertigen Qualität der Versuchspersonen, wird die DNA zu 100% abgestoßen. Dies hat den Tod der Versuchsperson zur Folge. Meist erfolgt ein sofortiger Hirntod, ab und an ein qualvoller fast 2 Tage andauernder Zerfall, währenddessen sich der Proband von Innen heraus auflöst.
9.834.062.M40
Nach jahrelangen Versuchen einen passenden Wirt für die DNA zu finden, ist es uns offenbar gelungen, eine beständige Verbindung mit der Versuchsperson zu erreichen. Der Einsatz von Progenoiden eines in Kryostase befindlichen Space Marines, ergab den gewünschten Effekt an der Versuchsperson. Die verbesserten Körpereigenschaften erwiesen sich als der Schlüssel, um eine erfolgreiche Einpflanzung vorzunehmen. Es ergeht, zusammen mit diesem Bericht ein Ersuchen, um weitere zur Verfügung Stellung von Progenoiden. Die Quelle der Lieferung, des in Kryostase befindlichen Kriegers des Imperators konnte leider nicht zurückverfolgt werden. Allerdings erhielten wir mit ihm eine genaue Anleitung, um die nötigen Organe zu entfernen, sowie Sie wieder am Probanden einzupflanzen. Somit ist ein Absender innerhalb der imperialen Verwaltung nicht auszuschließen. Es ergeht mein ausdrücklicher Dank. Somit konnte der Space Marine dem Imperium einen letzten wichtigen Dienst, im Kampf gegen die allgegenwärtigen Gefahren des Warp erweisen.
9.164.402.M40
Der Proband entwickelte sich nicht gemäß unseren Vorstellungen. Obwohl wir ihn in einer Überlagerung von insgesamt vier Nullfeldern festhielten, gelang es ihm mehrfach seine Unterbringung zu verlassen. Wie dies bewerkstelligt wurde, ist für uns derzeit nicht vollständig nachvollziehbar. Offenbar hat er die Fähigkeit sich zwischen unserer Realität, und dem Warp fortzubewegen. Somit umgeht er sämtliche Versuche ihn festzuhalten. Es gelang uns nur, durch den Einsatz von etlichen Menschenleben, ihn wieder zu bändigen und festzusetzen. Offenbar lässt sich dem Wesen, welches sich aus dem Probanden entwickelt hat, kein fremder Wille aufzwängen. Wir werden weiter versuchen, eine zufrieden stellende Kontrolleinrichtung für das Wesen zu entwickeln.
Forschungseinrichtung Delta; Makropolwelt Minea;
Leitender Wissenschaftler: Krell Samilis
9.182.402.M40
Das Massaker, welches sich innerhalb der Forschungseinrichtung abgespielt hat, ist unmöglich zu beschreiben. Die zerfetzten Leiber der Forscher, Servitoren, Sicherheitskräfte und Zivilisten boten einen erschreckenden Anblick. Es ist uns nicht möglich die Verletzungen einem bestimmten Waffentyp zuzuordnen. Einige der Forscher vertreten die Meinung, es könnte sich simpel um Klauen gehandelt haben. Allerdings ist dies eine Vermutung, die sich bis jetzt nicht untermauern ließ. Während der Obduktion meines Vorgängers entdeckten wir einen Datenkristall, welcher offenbar absichtlich unter der Haut aufbewahrt wurde. Er enthielt eine Sammlung der abgegebenen Berichte. Um die chronologische Abfolge nicht zu verletzen, habe ich die Bruchstücke, welche geborgen werden konnten, meinem Bericht vorangestellt. Es war uns unmöglich den Aufenthaltsort des Wesens festzustellen. Die Anlage wurde mehrmals durchsucht. Daher befürchten wir, dass es sich irgendwo innerhalb der Brimstein Makropole aufhält. Wir ersuchen dringend darum, Bestrebungen in die Wege zu leiten, um diese Bedrohung zu tilgen. Ebenfalls sollte die Einmischung durch einen, oder mehrere Unbekannte in Form der Unterstützung durch sensibles Genmaterial untersucht werden.
Behutsam entnahm Magnus den Datenkristall aus der Konsole. Nie hatte er den Inhalt des Datenkristalls mit seinen Gefährten geteilt. Bis jetzt. Bevor er sich zurücklehnte, hatte er das psionische Netzwerk mit seiner kleinen Gruppe aktiviert, und Sie so an seinen Gedanken teilhaben lassen. Somit waren alle fünf Diplomaten nun auf demselben Stand. Magnus war sich nicht sicher, ob es der günstigste Augenblick war, um die Gruppe über die zur Verfügung stehenden Fakten zu informieren. Doch er war sich gewiss, dass seine Gefährten sich auf das bevorstehende einstellen, und die Informationen sinnvoll verarbeiten, und gebrauchen würden.
Als Adjutant Messner aus dem Aufzug stieg, war er voller Erwartung, auf das Wiedersehen mit Melissa. Er hatte sich aufgrund mangelnder Alternativen, an den prachtvollen Blumengestecken des Gouverneurs bedient, und somit einen ansehnlichen Blumenstrauß zusammengestellt. Er war sich unsicher, was er zur Begrüßung sagen sollte. Durch seinen Schädel schossen Hunderte Möglichkeiten sich kundzutun. Doch sein Verstand war nicht in der Lage die beste auszuwählen. Langsam bewegte er sich auf die Gemächer der Diplomaten zu. Mit jedem Schritt wuchs in ihm eine unaufhaltsame Aufregung, welche seinen gesamten Verstand benebelte. Je näher er dem Schott kam, desto geringer wurde die Auswahl der Begrüßungsvarianten. Sein Körper reagierte mit Schweißausbrüchen auf die ungewohnte Belastung. Wie in Trance beobachtete er seine Hand, wie Sie den Kontaktschalter am Schott berührte. Kurze Zeit später öffnete sich das Schott, und gab die Sicht auf eine Schönheit mit wallendem rotem Haar, in einem hautengen schwarzrotem Kleid preis. Sert Messner stand wie angewurzelt da, und genoss den Anblick in vollen Zügen. Mit offenem Mund ließ er seinen Blick über Melissas Körper fliegen. Er beobachtete, wie sich Ihr Mund öffnete, um mit lieblicher Stimme die Worte „Seid gegrüßt, Adjutant“ an ihn zu richten. Er rief die einzig verbliebene Begrüßungsvariante aus seinem Kopf ab, und antwortete: „Seid gegrüßt.“