3 — Der Schatz aus dem Schmutz
Beim Imperator, ich hasse Teleportieren! Doch dies erwähnte ich nicht gegenüber meinen Begleitern, war es doch mein Vorschlag gewesen, auf diese riskante Art und Weise die verfallene Makropole zu betreten. Auf einem gewöhnlichen imperialen Schiff hätte so früh nach dem Abzug eines Warpsturms niemand ein derartiges Wagnis genehmigt, aber was war schon der Warp für uns, die wir alle unsere Reinheit schon vor Jahrzehnten verloren haben.
Die Materialisierung war so unangenehm, wie ich sie in Erinnerung hatte. Meine Eingeweide waren für einen Moment wie verknotet, das Atmen selbst fühlte sich fremd und falsch an, und dies lag nicht an der stickigen Luft, die in den unteren Ebenen der Makropolruine seit Jahrhunderten nicht mehr wiederaufbereitet worden war. Mit leichtem Schwindel zog ich meine Infernopistole und sicherte mit meinen Begleitern die Landezone. Unwillkürlich wünschte ich mir, ich hätte nicht aufs Teleportieren bestanden, sondern hätte den tagelangen Abstieg durch das Skelett dieser einstigen Stadt mit befürwortet.
„Sicher!“, verkündete Oberst Scharb, der Magister Militaris unseres Schiffes. Wenn er sich sicher war, dass es sicher war, so konnte auch ich mir sicher sein, dass es sicher war, dessen war ich mir jedenfalls sicher. Unser Astrophat, Moebius Panaktis, sah noch bleicher aus als ich, aber pflichtschuldig begann er, die Peripherie mit seinen übermenschlichen Sinnen zu erfühlen. Unser Explorator, der verbannte Tech- Adept Reiphas Kalgner, besah sich die Umgebung mit Faszination und Geringschätzung gleichermaßen, fühlte er sich doch in den Eingeweiden alter Konstrukte am wohlsten. Unser Herr und Meister hingegen stand da, als ginge ihm nichts auf diesem Felsklotz von Planeten etwas an. In der silbernen und purpurnen Uniform seines Hauses wirkte er geradezu strahlend in diesem Hort der Vergangenheit, der womöglich noch nie das Licht der Sonne erblickt hatte. Ein geringerer Mensch könnte durchaus der Meinung sein, der Imperator selbst habe einer Sonne Gestalt verliehen und sie in die Dunkelheit hinabgesandt, um sein Licht dort wieder erstrahlen zu lassen, wo es lange vermisst wurde. Trotz des Treibens seiner Untergebenen nickte mein Lord mir zu, der ich keuchend und zitternd an einen Plasbetonklotz gelehnt dastand. Ich nickte ebenfalls und hob mit Mühe den Cogitator in meiner Rechten vors Gesicht. Die gotischen Lettern und Ziffern tanzten auf dem grünlich schimmernden Bildschirm, doch Imperator sei Dank übernahmen meine Implantate augenblicklich die Arbeit und sandten mir die dargestellten Informationen direkt in meinen zerebralen Cortex und das dortige Speicherimplantat.
„Den Notizen des Lord Khi' mon zufolge, befinden wir uns auf der korrekten Ebene und im korrekten Segment der Makropole. Weiterhin sprechen die Aufzeichnungen von einer Art Komplex, doch im letzten Teil wird die Datei bruchstückhaft. Die Zeit ist der grausamste Feind allen Wissens.“
„Wie wahr, min Freund“, sprach mein Lord, der dennoch nichts von seiner Zuversicht verloren hatte. Er lächelte in die Finsternis, als wolle er die Gesetze des Universums selbst herausfordern. Ein typisches Verhalten für meinen Lord, wie ich finde.
„Dann werden wir uns daran machen, das Segment nach Gebäuden abzusuchen, die in irgendeiner Form eine Einrichtung, welcher Art auch immer, bilden könnten. Hast du Informationen, was dies für ein Segment ist, Gnaeccus?“
Es geschah nicht oft, dass mein Lord mich mit meinem Vornamen ansprach. Selbst in privatesten Momenten war ich oft nur Seneschall Lept, der XXIV, nächster einer langen Reihe von Seneschallen, die der Familie Tokath dienten. Wenn Solar Tokath der VII mich, seinen Stellvertreter und Jugendfreund, mit Vornamen adressierte, dann war dies unterbewusst eine Bitte meines Herrn, dass ich meine kognitiven Talente zum Tragen brachte. Und ein unausgesprochener Vertrauensbeweis.
Ich brauchte nur einen Blick, um eine grobe Klassifizierung vorzunehmen.
„Die Makropole ist offenkundig in einer Variation des Themos II Schemas konstruiert, welches in diesem Teil des Segmentum Tempestus vor sieben Jahrtausenden üblich war. Die wenigen Zugänge, die ich in den Bauten erkennen kann, weisen alle die typische Zweiteilung auf – ein Zugang für die Mitglieder der Ekklesiarchie und einer für alle anderen. Diese Welt stand vermutlich dereinst unter dem Gesetz des vierten Zusatzes der Charta des heiligen Hyopharus, der im vierten Jahrhundert M32 einige hundert Welten unter die direkte Verwaltung durch die Ekklesiarchie brachte. Dem rautenförmigen Grundriss dieses Platzes gemäß und in Anbetracht unserer Position innerhalb der Makropole, war dies höchstwahrscheinlich die Segmentsverwaltung, sicherlich eines weniger bedeutenden Segments der Makropole. Demnach müssen die Einrichtungen des Adeptus Arbites nördlich, der Markt mit einer Kirche eine Ebene unter uns südlich und der Adeptus Mechanicus drei Abschnitte im Osten sein.“
„Dann schlage ich vor, in den ehemaligen Gebäuden des Mechanicus zu suchen“, meldete sich unser Explorator. Der durch bionische Implantate geradezu entstellte, kurz gewachsene Mann machte ein verräterisches Summen durch sein Voximplantat, eine Eigenheit, die er nicht loswerden konnte und an der seine Gefährten erkennen konnten, wenn er gierig mit der Zunge schnalzte. Mit dem, was von dem Organ übrig war.
„Gnaeccus?“, fragte mein Lord, erneut an mich gewandt.
„Ich denke kaum, dass der Maschinenkult seine STK- Schalttafeln in einem Verwaltungstrakt für ein unbedeutendes Segment lagerte. Ich empfehle, nach Dingen zu suchen, welche nicht ins Bild passen.“
„Und was passt nicht ins Bild?“, fragte der Oberst. Ich schätzte diesen Mann sehr, auch wenn seine äußerlich raue Art nicht unbedingt einen gelehrten Geist vermuten ließ. Aber meine Aufgabe war es nunmal, hinter die Fassade allen Weltlichen zu blicken. Ich studierte meine Aufzeichnungen.
„Innerhalb der ekklesiarchisch festgelegten Ordnung der Architektur gibt es einen Platz, an dem ganz pragmatisch Gebäude nach Bedarf errichtet werden können. Ich rate zu einer Suche dort.“
Ganz sicher war ich mir nicht, aber was war auf diesem Klumpen schon sicher. Kaum hatte sich ein tausendjähriger Warpsturm um diesen Planeten aufgelöst, krochen wir Freihändler, Piraten und Glücksritter an, um unseren Teil der Leiche in Beschlag zu nehmen. Und alten Aufzeichnungen zufolge hatte es auf dieser Welt einst ein großes Archiv von STK- Schalttafeln gegeben. Die Möglichkeit, ein bisher unbekanntes STK zu entdecken, barg potentiell gewaltigen Profit.
Wir kamen nur schwerlich voran, denn ohne Wartung und ohne Servitoren waren die Straßen und Tunnel der Makropole zusehends verfallen. Unsere Scanner erfassten hier und dort ein ungesehenes Tier oder ein undefinierbares Rauschen, doch nichts, was für uns eine Gefahr dargestellt hätte. Nach zwei Dritteln des zurückzulegenden Weges aber, schien uns der Imperator nicht wohlgesonnen, da alle Straßen ringsum verschüttet waren von Plasbeton und verformten Stahlträgern. Das Auspex fand keinen Weg, auch nicht unsere Augen oder die Sinne unseres Astrophaten. Nach fünf Minuten begann Kalgner, der Explorator, mit seinem bionischen dritten Arm im Schutt zu graben. Nach zehn Minuten schmolz der Oberst Beton und Schutt mit seinem Melter. Nach einer Viertelstunde wies mein Lord an, dass unser Astrophat es mit Psionik versuchen sollte. Doch der Mann konnte sich schwerlich konzentrieren, denn der Warp war noch präsent an diesem Ort. Nach seiner Aussage hatte er keine Probleme, auf die Energien des Empyrean zuzugreifen, doch konnte er sie nicht lenken. Nach einer halben Stunde, in der wir alles taten, um eine Öffnung zu finden, doch nichts als weitere Einstürze erreichten, traten wir den Rückweg an. Meiner Karte nach gab es einen weiteren Weg zu unserem Ziel, doch dieser führte uns einmal um das ganze Verwaltungssegment herum und würde viele Stunden in Anspruch nehmen, vorausgesetzt wir liefen nicht erneut in eine tote Gasse.
Ich sandte ein Gebet zum Imperator, er möge mir ein Zeichen senden, denn die gesamte Unternehmung war auf meine Initiative begonnen worden. Mein Lord hatte einige Gelegenheiten ausgelassen, angetrieben durch meine Versicherung, auf dieser Welt warte großer Profit. Ich war nicht vollkommen ehrlich zu meinem Herrn gewesen und war darüber nicht sehr glücklich. Mich interessierte nicht der Profit allein, so oder so verfügte ich alleine über ein Privatvermögen, welches für mehrere Leben reichen sollte. Nein, mein Antrieb lag darin, eine STK Schaltafel zu entdecken, welche ein Muster enthielt, das im Imperium heutzutage unbekannt war. Ein Standard- Technologie- Konstrukt, eingespeist in die gewaltigen Cogitatoren einer Fabrikwelt, würde völlig neuartige und gleichzeitig archaisch- menschliche Waren produzieren – und das Schema würde meinen Namen tragen. Mein Lord hatte kein Interesse an solcherlei Dingen, er würde ein neues Schema nach mir benennen lassen, nicht nach sich selbst. Sein Name sollte Macht und Reichtum bedeuten, nicht Wissen.
„Linke Seite!“, meldete der Oberst und ging in Deckung hinter einem hüfthohen Brocken, der aus der Decke gefallen sein musste. Die ganze Truppe folgte routiniert und auch ich war sofort hinter einem Schutthaufen, meine Infernopistole in der Linken. Doch ich schalt mich für meine Tagträumereien, auch wenn sie einem Gebet an den Gott- Imperator entsprungen waren. Mein Auspex allerdings verriet mir nichts und ein Blick zum Psioniker Panaktis erntete ebenfalls Kopfschütteln. Der gute Scharb verfügte wahrlich über herausragende natürliche Sinne.
Was uns da allerdings entgegen torkelte, wirkte auf mich nicht sonderlich bedrohlich. Nur der Umstand, dass mein Auspex die Person gerade mal als Hintergrundstörung wahrnahm, und auch nur, nachdem sie näher gekommen war, ließ mich stutzen. Unser Magister Militaris zielte zwar weiterhin auf den Mann, mein Lord aber beschloss, Kontakt aufzunehmen.
„Wer seid Ihr, alter Mann?“, fragte er in Hochgotisch.
Der buckelige, blasse, alte Kauz sah unseren Lordkapitän mit großen, hellen Augen an. Seine fast weiße Haut und die dreckig grauen Haare erwiesen klar, dass er wohl noch nie die Sonne gesehen hatte, aber oberflächlich waren keine Mutationen festzustellen.
„Verzeiht, ich fragte, wer Ihr seid?, wiederholte mein Lord nun in Niedergotisch. Offenbar verstand unser Gegenüber zumindest etwas, denn er begann wild mit den Armen zu gestikulieren. Oberst Scharb war sofort alarmiert, aber ich trat zu meinem Kameraden und bedeutete ihn zu warten.
„Mein Herr, aus dem Gebrabbel des Mannes höre ich Bruchstücke des Niedergotischen heraus, doch sie scheinen mit einer anderen Sprache vermengt.“
„Könnt Ihr mit ihm kommunizieren, Lept?“
„Ich werde mein Möglichstes tun, Herr.“
Ich näherte mich dem Greis allein und ließ auch die Pistole wieder an ihrem Platz verschwinden. Ich bewegte mich langsam, unterließ es aber, Gesten jedweder Art zu vollführen. Wenn mich meine Reisen eines über fremde Kulturen gelehrt hatten, dann war es die Unmöglichkeit, kulturelle Eigenheiten wirksam zu klassifizieren.
Der alte Mensch sprach erneut und mir schien, als wiederhole er immer und immer die selben zwei Worte. Ich lauschte genauer und war erstaunt, als ich eines tatsächlich verstand.
„Himmal Rondi! Himmal Rondi!“
Seine Aussprache war fehlerhaft, aber ich war mir nun sicher, dass das erste Wort „Himmel“ auf Niedergotisch war. Und das nächste kam mir bekannt vor, daher konsultierte ich meinen persönlichen Cogitator. Auf Außenmissionen hatte ich stets eine linguistische Datenbank bei mir und so schickte ich einen gedanklichen Befehl an den Maschinengeist, nach besagtem Wort zu suchen. Es vergingen einige Augenblicke, in denen das heilige Wesen seine Mem- Zellen durchging und nach Referenzen suchte. Und dann gab es mir eine Meldung aus, die ich nicht so einfach erwartet hätte.
„Himmel Rondi“, sprach ich laut. „Rondu bedeutet Kind auf einem Dialekt der Raumnomaden des Calixissektors.
Er sagt widerholt Himmelskinder.“
Ich deutete mit einer Hand auf meine Brust.
„Himmal Rondi?“
Der Greis lachte, klatschte in die Hände, nickte energisch mit seinem ungepflegten, kleinen Kopf.
Ich deutete auf ihn und er schien zu verstehen.
„Mich Nol. Mich Nol.“
„Nol ist eine primitive Version des niedergotischen Vornamens Noel“, stellte ich fest.
Ich deutete erneut auf ihn.
„Sprich, Nol.“
Er hatte verstanden und nach einem Moment, in dem er nachzudenken schien, sprach er zu mir. Die Worte sprudelten geradezu aus ihm heraus. Niedergotisch, Dialekt der Raumnomaden, Fetzen der Handelssprache des Segmentum Tempestus und vereinzelt komplizierte Worte des Hochgotischen, allesamt mit einem religiösen Unterton, als habe der Sprachschöpfer sie aus einem Werk der Ekklesiarchie entnommen – auf dieser Welt nicht verwunderlich. Langsam bekam ich eine Idee davon, was mir der sonderbare Alte, dessen Lebenszeichen sich immer noch nicht auf dem Auspex abbildeten, zu sagen versuchte.
„Er nennt uns Himmelskinder. Offenbar haben die Menschen auf dieser Welt nach ihrer Separierung vom Rest der Galaxis sich das Wissen bewahrt, dass es dort draußen mehr gibt. Wir sind eine Art mystische Wesenheiten, deren Ankunft prophezeit worden ist. Außerdem wiederholt dieser Nol, dass alle fort sind. Alle seien fort, nur er würde noch warten.“
Mein Lord betrachtete den schrulligen Kauz eingehend, aber die Lumpen, die er als Kleidung trug, waren absolut aussagelos.
„Kann er uns auf unserer Suche helfen?“
Ich befragte Nol nach besagtem Gebäude, aber meine Begriffe sagten ihm nichts. Anschließend fragte ich nach STK- Schalttafeln, umschrieb sie, ihre Funktion. Und erhielt eine energische Reaktion.
„Er möchte, dass wir ihm folgen.“
Da uns wirklich die Optionen ausgegangen waren, stimmte mein Herr dem zu und wir begaben uns durch einen Seitentunnel und niedrige, dunkle Bereiche. Mir war nicht klar, wie sich unser eingeborener Führer in seinem lichtlosen Reich orientierte, denn wir mussten unsere Nachtsichtgeräte zur Hilfe nehmen und auch so stolperten wir halb blind durch die für uns viel zu niedrigen Versorgungstunnel und alten Rohre. Offenbar hatte der alte Nol viele Wege abseits der Straßen gefunden und kam leicht in Bereiche, die uns Fremden versperrt schienen. Zügig kamen wir voran, meine Orientierung setzte aus und ich konnte nicht bestimmen, wo wir nun waren. Aber unser Führer schritt sicher weiter und so folgte ich ihm, bis zu einem Hohlraum, einst wohl das Foyer eines Gebäudes, in dem unser neuer Bekannter offenbar residierte.
Augenblicklich stürmte er in eine Ecke, wühlte dort in einem halb geordneten Haufen verschiedenster Gegenstände und sagte immer wieder vor sich hin, er wolle „Es“ den Himmelskindern schenken. Und als wir uns näherten hatte er auch tatsächlich etwas gefunden. Stolz hielt er mir eine verstaubte, leicht äußerlich beschädigte Schalttafel vors Gesicht. Ich nahm sie entgegen, betrachtete sie einen Moment und gab sie schließlich an Explorator Kalgner weiter. Jener nickte beinahe sofort.
„Ein STK- Schalttafel. Ich würde sage zu einem Industriegut gehörend, wegen der recht hohen Seriennummer, die hier noch zu erkennen ist. So hohe Nummer stehen immer für Panzer oder große Maschinen.“
„Wertvoll, aber kein Schatz“, stellte unser Lord fest. Tatsächlich, dafür waren wir nicht gekommen.
Ich befragte den Kauz erneut, etwa danach, wo er die Tafel herhabe. Und erneut erhielt ich eine enthusiastische Reaktion. Er winkte und hüpfte und lächelte ein zahnloses Lächeln und führt uns weiter, durch weitere niedrige Gänge und dunkle Grotten. Und da meine Geräte immer noch nicht richtig funktionierten, wussten wir nicht, wo er uns hinführte. Umso erstaunter waren wir alle, als wir plötzlich auf einer großen Straße herauskamen und vor uns ein erstaunlich gut erhaltenes Gebäude erspähten. Unser alter Führer deutete aufgeregt auf das Gebäude.
„Beim Imperator. Wir haben tatsächlich gefunden, weswegen wir hier waren.“
Wir näherten uns dem Komplex, den der Adeptus Mechanicus hier einst errichtet hatte. Ich vermutete, es war eine strategisch günstige Lage innerhalb der Makropole, aber sicher sein konnte ich mir nicht und zunächst war es auch nicht wichtig. Unser Führer allerdings ließ sich auf einem großen Plasbetonbrocken nieder und blickte uns einfach nach. Unwillkürlich zogen wir alle die Waffen, es musste ja einen Grund geben, warum der Einsiedler nicht ins Gebäude gehen wollte.
Schnell erfuhren wir aber den tatsächlichen Grund. Der Ort war vollkommen geplündert. Nicht von anderen Freihändlern oder Piraten, sondern schon vor Jahrhunderten oder Jahrtausenden. Der Staub in mancher Kammer stand zentimeterhoch, andere Kammern waren lange leergeräumt und versiegelt worden, sodass sie geradezu steril wirkten. Unsere kleine Gruppe durchstreifte den Ort für mehrere Stunden, doch anstatt Reichtümern fanden wir nur alltägliche STK Schalttafeln, nämlich solche für Wasserkocher, Energiezellen oder Fahrzeugmotoren. Dennoch sammelten wir alles ein, was von wert sein konnte. Zu unserem größten Erstaunen aber fanden wir ausgesprochen viele leere Schalttafeln. Und sie konnten keine Rohmodelle sein, versicherte unser Tech- Adept. Vielmehr waren sie vor langer Zeit gelöscht worden, ein Frevel, der den Diener des Maschinengottes nach Luft schnappen lassen würde, hätte dieser nicht über eine bionische Lunge verfügt. Enttäuscht traten wir den Rückweg an. Glücklicherweise nahm mein Lord die Situation mit der ihm eigenen Gelassenheit auf. Mein Versagen würde mir persönlich mehr Unmut bereiten als dem Mann, dem ich meine Treue geschworen hatte.
Außerhalb erwartete uns bereits Nol und er winkte mit einer weiteren verrußten Schalttafel. Er ließ sich von unserer gedrückten Stimmung nicht beirren und überreichte mir stolz die nächste Schalttafel. Aus Höflichkeit nahm ich sie entgegen. Das Gerät war nicht nur dreckig, sondern die Anzeige wies mehrere Sprünge auf und flackerte ein wenig. Ich gab sie weiter an Kalgner.
Gerade wollte ich Nol über weitere Details dieser Welt ausfragen, als mir der Explorator seine mechanische Hand auf die Schulter legte. Er wirkte ungewohnt verunsichert.
„Was hat diese Schalttafel gespeichert?“, fragte ich hoffnungsvoll.
„Es ist nicht wichtig, was sie gespeichert hat, sondern was sie einmal gespeichert hatte.“
„Ich verstehe nicht?“, erwiderte ich und ließ mir das Display zeigen. Der Adept des Maschinenkultes zeigte mir mit dem Finger einige Stellen.
„Jetzt enthält die Tafel Pläne für eine Standarttaschenlampe der imperialen Armee. Aber man sieht deutlich, dass hier noch ein weiterer Code vorliegt. Er wurde recht überhastet gelöscht und überschrieben.“
„Gelöscht? Überschrieben? Ist das überhaupt möglich?“, schaltete sich nun unser Herr ein. Zum ersten Mal wirkte sein perfektes Gesicht nicht unbeteiligt.
„Theoretisch schon. Aber dies würde an einen Frevel grenzen. Und niemand weis genau, wie man eine Schalttafel programmiert. Ein erfahrener Adept würde nicht einmal an so etwas denken.“
Unbewusst blickten wir alle zum alten Nol, der grinsend dastand, denn offenbar gefiel uns sein Geschenk.
„Nol!“, wand ich mich an ihn. „Hast du die Tafel verändert.“
Er nickte überdeutlich. Explorator Kalgner wollte etwas sagen, aber unser Lordkapitän stieß ihn leicht beiseite und trat nun seinerseits zum ersten Mal an den alten Kauz heran. Der verdreckte, greise Mensch blickte meinen Herrn wie einen Engel an.
„Scheint, als hätten wir doch noch Profit gemacht!“, konstatierte mein Lord. Meine Erleichterung war grenzenlos.
„Sag ihm, dass wir, die Himmelskinder, ihn belohnen werden. Wir nehmen ihn ins Himmelreich mit. Und dort wird er weitere Tafeln für uns verändern und wir werden ihm geben, was er sein Leben lang missen musste.“
Ich blickte zu dem alten Einsiedler und dann zur Schalttafel in meiner Hand. Und dann schluckte ich schwer. Auf dem Rückweg mussten wir ja erneut Teleportieren.