Geschichtenwettbewerb Winter 12/13 — WFantasy — Würdige Bündnispartner

SHOKer

Mentor der flinken Federn
3 Februar 2006
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Ein einsamer Krieger stapfte durch einen der dichten Urwälder der Alten Welt. Kein Pfad führte ihn, und doch schritt er mit zielstrebiger Sicherheit Richtung Norden durch das feste Unterholz, das raschelnd und knackend seinen mächtigen Schritten Platz gab. Sein Ziel war einer der Stämme der wilden Menschen im Norden, mit dem er Verhandlungen zu einem Bündnis aufnehmen wollte. Ob dies dann durch Diplomatie oder Kampf geschah, das war ihm einerlei, solange sich die Udosen nur mit seinen Unberogen verbündeten.
Denn durch das Dunkel der atmenden Wälder der Frühzeit der Menschheit schritt Sigmar Heldenhammer, getrieben von dem Ziel, die Stämme der Menschen gegen all die Mächte, die ihnen überlegen waren, wenn die Stämme weiter in kleinlichem Zwist untereinander lagen, unter der Herrschaft eines Mannes zu vereinen.
Trotz des kühlen Wetters war Sigmar nur mit ledernen Arm- und Beinschienen, einem breiten Gürtel mit großer eiserner Schnalle und einem Lendenschurz bekleidet. Die braunen, langen Haare trug er frei. Unermüdlich arbeiteten seine Muskeln unter der festen, mit Narben versehenen Haut; prächtig war sein muskulöser Leib, von der mächtigen, breiten Brust über die wohlgeformten und kampferprobten Arme zu den säulenartigen Beinen, die ihn unbeirrbar durch das feindselige Dickicht trugen. An seinem Gürtel hing in einer einfachen Lederscheide eine gute Klinge. Doch nicht diese Waffe war es, der er sein Leben anvertraute, nicht dieses Werkzeug des Krieges war es, das er mit großem Geschick und noch größerer Kraft in den Kampf führte, um unerbittlich Schädel und Knochen der zahllosen Horden von Orks, Tiermenschen und Anhänger der finsteren Götter zu zerschmettern. Nein, dies war die Rolle des schweren zweihändigen Hammers mit dem vergoldeten Kopf, den er locker geschultert hatte. Ja, Ghal Maraz, der Schädelspalter, war Sigmars engster Vertrauter, ein Geschenk eines dankbaren Freundes, den Sigmar vor einem schlimmen Schicksal durch die Hand der Grünhäute bewahrt hatte.
Der stattliche Krieger erreichte den Rand einer Lichtung und stoppte seinen Marsch zwischen den letzten Bäumen. Mit zusammengekniffenen Augen hielt er nach Feinden Ausschau, die sich nur zu gut darauf verstanden, sich im Unterholz des Waldes zu verstecken, und lauschte angestrengt, ob nicht ein Knacken den Standort eines Feindes verrät. Aber alles war still, und so trat Sigmar auf die Lichtung. Staunend hielt er vor den schlanken, aus weißem Marmor gehauenen Resten eines Torbogens und blickte hindurch: über die Lichtung und durch den Wald dahinter zogen sich die Ruinen von Mauern und Türmen einer einstmals prächtigen Stadt. Die eleganten, fließenden Linien zeugten von der hohen Kunstfertigkeit ihrer Erschaffer. Schon lange war hier aber der Wald der Herr. Baumgreise wuchsen zwischen Mauerresten empor, zahllose verstreute blaue Ziegel legten stummes Zeugnis von der vormaligen Schönheit der Dächer ab, die inzwischen längst alle eingefallen waren. Efeu und wilder Wein rankte sich allenthalben die Mauern entlang, lugte durch Fenster und wickelte sich mit dicken Stämmen um Säulen und Obelisken. Über verschnörkelte Schriftzeichen längst toter Sprachen huschten Eidechsen, aus Ritzen wuchsen Löwenzahn und Gras, Klee kämpfte sich zwischen den geborstenen Marmorplatten, die die Wege pflasterten, ans Sonnenlicht. Kohlmeisen und Rotkehlchen zwitscherten unbeschwert zwischen den zu Boden gefallenen Statuen und Brunnenresten, zwitscherten von Frieden und Schönheit dieser Welt. Doch die aufragenden Wände verspotteten dies sinnlose Gezwitscher, und obwohl die Nachmittagssonne noch hell schien und warm durch das Geäst auf die Ruinen fiel, schien es Sigmar beim Anblick dieser toten Stadt, als bewölke sich die Welt und lege sich eine schwere Last auf sein Gemüt. Sieh uns an, schienen ihn die Steine aufzufordern, wir standen hier schon, bevor dein Stamm seine Götter kannte, und wir werden hier noch stehen, wenn die Werke deiner Nachkommen längst verrottet sind. Diese Welt ist voller Mächte, gegen die anzukämpfen schon der Gedanke lächerlich ist, erst recht der Griff zum Schwert, höhnten die leeren Fenster, was kannst du einzelnes winziges Menschlein schon ausrichten!
„Genug!”
Mit einem Ruck hob Sigmar den Hammer von der Schulter und haute mit ihm auf die Steinplatten, die unter der gewaltigen Wucht zerbarsten. Staub und Splitter flogen in alle Richtungen. Stille folgte ihnen, die Vögel waren verstummt, die Steine hatten sich in sich zurückgezogen. Trotzig schaute sich Sigmar um. Die zurückweichende Gestalt in den Schatten bemerkte er nicht.

An einem kleinen Teich, aus dem weiße Steine ragten und auf dessen Seerosenblättern Frösche ihr ewig eintöniges Lied quakten, hatte sich Sigmar hingekniet, um seinen Durst zu löschen. Der mächtige Hammer lag zu seiner Rechten, mit der Linken führte er das kühlende Nass immer wieder an die durstigen Lippen und schluckte gierig hinunter. Er nahm die Bewegung im Augenwinkel nicht bewusst wahr, doch schon fuhr seine Rechte zur Seite und hatte den Arm, der die Klinge gegen ihn führte, am Handgelenk gepackt. Noch im Knien wandte er sich um, verdrehte den Arm des Angreifers und griff mit der Linken nach seinem treuen Gefährten Schädelspalter. Als er seinen Gegner endlich etwas genauer betrachtete, weiteten sich vor Überraschung seine Augen. Der Angreifer war eine Frau, doch schien sie weder sehr viel kleiner als er, noch weniger muskulös gebaut. Ihr rechter Arm, der, den er festhielt, war in Metallplatten gekleidet. Ihre Brüste waren von einem Lederoberteil verdeckt, dazu trug sie noch einen Lederlendenschurz und metallene Plattenstiefel. Auf der Stirn prangte ein metallenes Amulett mit dem Zeichen von Ulric, gehalten von einem ledernen Stirnband. Wie auch er trug sie ihre langen, glatten, dunkelbraunen Haare offen. Zwischen den Strähnen, die ihr ins Gesicht fielen, blinzelten ihn wütend zwei graugrüne Augen an. Seine Überraschung ausnutzend führte sie mit ihrer Linken einen Schlag gegen seine Brust, der ihm den Atem nahm. Sigmar keuchte auf, hatte sich aber sofort wieder gefasst. Er machte einen Schritt zur Seite und riss ihren Arm mit, warf sie von sich und stellte sich angriffsbereit hin. Der golden glühende Hammer wechselte von seiner Linken in die Rechte. Auch die Angreiferin hatte ihr Gleichgewicht wiedergefunden und starrte ihn misstrauisch und abschätzend an.
„Bei Ulric, du törichtes Weib! Glaubst du, du kannst mich einfach so überraschen?”, forderte Sigmar sie heraus.
Als Antwort entblößte sie lachend ihre Zähne.
„Feiger Eindringling! Was machst du hier auf unserem Land? Scher dich in den Leib der Hündin zurück, die dir dein stinkendes Leben geschenkt hat!”
Mit einem Aufschrei der Wut setzte sich der gestählte, mit jeder Sehne für den Kampf trainierte Körper Sigmars in Bewegung. In einer einzigen, fließenden Bewegung führte er Ghal Maraz von der Seite über den Kopf, um ihn dort herniederfahren zu lassen, wo... einen Augenblick davor noch die Angreiferin gestanden hatte. Die war zur Seite ausgewichen und stach nun von unten nach ihm. Mehrmals stieß die Klinge zu, biss sich in das Fleisch des Mannes, doch der merkte den Schmerz nicht, während er in rasender Wut den Hammer führte. Aber trotz ihrer außerordentlichen Muskelmasse war sie schneller als er, wich immer wieder gekonnt den mit großem Schwung geführten Schlägen Sigmars aus. Doch wie sie sich duckte, von links nach rechts bewegte, trat sie mit einem Fuß auf einen der Splitter, die sich gelöst hatten, als Sigmar die Steine zum Schweigen gebracht hatte. Sie verlor das Gleichgewicht, was er sofort nutzte. Der Hammer traf ihre Seite, begleitet von dem Knacken mehrerer Rippen wurde sie mehrere Schritt gegen eine der uralten Mauern geschleudert.
„Ha!”, schnaubte Sigmar. Langsam ließ er Ghal Maraz vor seinen Beinen von links nach rechts und zurück schwingen, während er stramm auf die Liegende zuschritt. Die Angreiferin hielt sich mit schmerzendem Gesicht die Seite und stöhnte leise. Flüche kamen ihr über die Lippen, doch mit den Augen suchte sie nach ihrer Klinge, die ihr beim Treffer des Hammers aus den Fingern geglitten war. Das Schwert lag zu ihrer Rechten; nicht sehr weit, aber zu weit weg, um es zu erreichen, bevor der Mann bei ihr angekommen war. Mit einem lauten Keuchen sank sie zurück.
„Ein Weib sollte niemals eine Klinge führen. Wer bist du?”, fragte Sigmar, als er vor ihr stand. Mit seiner ganzen Macht ragte er vor ihr auf, hielt den schweren Zweihandhammer ruhig in der einen Hand und zielte mit seinem eigenen Schwert auf ihren Hals. Sie verzog das Gesicht.
„Kerrtana bin ich, Beschützerin der Udosen.”
„Kerrtana! Ein guter Name. Vielleicht nehm ich dich mit. Kerrtana... Ja, das wäre ein würdiger Name für die Gebärerin der Söhne Sigmars. Aber Beschützerin der Udosen? Da musst du dich doch mehr anstr-”
„Sei dir da mal nicht so sicher, Sigmar Prahlrik!”, rief sie, den ganzen Körper in einer Bewegung vereint, und trat Sigmar das linke Bein weg, auf das er sein Gewicht nicht gelegt hatte. Der Mann verlor das Gleichgewicht und ließ sein Schwert fallen, während sie katzengleich - aber doch mit einem kleinen Schmerzensschrei - zu ihrem Schwert sprang. Sigmar lag auf dem Boden, wollte sich gerade aufstemmen, da war sie schon wieder über ihm, die tödliche Klinge fuhr hernieder - doch wich sie im letzten Augenblick zur Seite und versenkte sich im Fleisch eines Tiermenschen. Aus dummen, überraschten Äuglein glotzte das Biest sie an, bevor es mit einem Röcheln in die Knie brach und mit seinem unheiligen Blut den Boden besudelte.
„Bei Ulric, was ist geschehen?”, rief Sigmar aus.
„Tiermenschen!”, erwiderte Kerrtana. „Auf, Sigmar, keine Müdigkeit vorschützen, lass uns unseren kleinen Streit zur Seite legen, ein rechter Kampf erwartet uns!”
Sie reichte dem am Boden liegenden Sigmar die Linke, während sie schon den Angriff des nächsten Monsters abwehrte. Er umschloss fest ihr Handgelenk und sie half ihm wieder auf die Beine.
Durch den Lärm ihres Kampfes waren die Tiermenschen der Gegend aufgescheucht worden. Die widerlichen, unnatürlichen Kreaturen hatten keinen Augenblick gescheut die Gelegenheit zu nutzen, richtige Menschen zu jagen und womöglich zu ihren Herdensteinen zu schleppen.
Sigmar und Kerrtana sahen sich schnell einem dichten Gewimmel von schartigen Klingen mit eingetrocknetem Blut, dreckstarrenden Fellen, verdrehten Hörnern, gespaltenen Hufen, stinkendem Atem aus fauligen Nüstern und Mäulern mit spitzen Zähnen und bösartigen, vor Hass funkelnden Augen gegenüber. Für jede Bestie, die Sigmar mit seinem gewaltigen Hammer niederstreckte, schienen zwei neue aus dem Wald hervorzubrechen; für jedes Ungeheuer, das Kerrtana aufspießte, tauchten zwei zwischen den weißen Steinen der Ruinen auf. Mit gewaltiger Kraft führte der Barbar seinen vernichtenden Hammer Schlag um Schlag von oben gegen die wie besessen anbrandenden Monster, während Kerrtana seine Flanken schützte und von unten die unheiligen Viecher aufschlitzte, bevor sie Sigmar in die Seite oder den Rücken fallen konnten. Denn Sigmar achtete nur auf die Kreaturen vor ihm, führte seine tödliche Waffe nur gegen das, was unmittelbar vor ihm war, und ohne die Unterstützung der Frau mag er den Kindern des Chaos vielleicht sogar erlegen sein. Doch auch so waren seine Wunden zahllos, von Brust, Armen und Beinen rann sein Blut und tropfte auf die weißen Straßenplatten. Aber auch um Kerrtana war es nicht besser bestellt, auch sie empfing reichlich die Hiebe der abscheulichen Ungeheuer, und mehr als einmal rettete ein mächtiger Schlag Sigmars ihr Leben, als sie ein Untier zu ihrer Seite erstach und nicht auf den Gegner vor sich achtete.
Doch schließlich war auch das letzte der Monster erschlagen. Der weiße Boden der zeitlosen Ruine war schwarz vor Blut der Getöteten, wenig freier Platz, auf dem keine Missgeburt niedergestreckt dalag, war um die beiden Kämpfenden geblieben. Kerrtana und Sigmar, beide verwundet und blutbesudelt, standen Rücken an Rücken gelehnt schwer keuchend im Kreis der Tiermenschen.
„Bei Ulric, du bist wahrhaft eine Beschützerin deines Stammes, Kerrtana!”, gab Sigmar als erster von sich.
„Und du bist vielleicht auch gar kein Prahlrik, wie ich vorhin behauptet hab. Wohl gekämpft, Sigmar!”, erwiderte sie müde lächelnd. „Aber besser, du wäschst den Gestank von dir, bevor du weiterziehst. Willst die Biester ja nicht sofort wieder auf deiner Fährte haben”, meinte sie, während sie sich die verklebten Strähnen aus dem Gesicht strich. „Oder gar in eine Siedlung Unschuldiger führst”, ergänzte sie mit ernsterer Miene. Sigmar gab ihr die Hand, fest griffen sie sich an den Handgelenken und schüttelten sich die Arme.
„Verrat mir dies eine noch: warum trägst du einen Plattenarm?”
Sie lachte auf, dass es den Göttern eine Freude war zuzuhören.
„Das Ding ist schwer. Ich hab mir angewöhnt, trotz seines Gewichts schnell zuzuschlagen. Wie schnell schlage ich dann wohl zu in einer unvorbereiteten Situation, in der ich ihn nicht anhabe?”
Sigmar nickte ernsthaft, löste seinen Griff und kniete sich dann hin, um das Blut der Missgeburten abzuwaschen. Er hörte, wie ihre Plattenstiefel über das alte Pflaster klapperten. Als er aufsah, war sie bereits verschwunden.

Sigmar war ihren Spuren durch die Ruine gefolgt, bis er an einen weiteren kleinen Teich gekommen war, in dem sie gebadet haben musste. Jedenfalls hatten jenseits des Wassers keine blutgetränkten Spuren mehr durch den Wald geführt. Neben dem Tümpel hatte noch eine der erschlagenen ziegenköpfigen Monstrositäten gelegen. Ihr dreckiges Blut war ins Wasser gesickert. Sigmar war vorübergeschritten.

Langsam nur hatte sich der Wald gelichtet und Sigmar war an bestellte Felder gelangt. Er war an einem Dorf der Udosen angekommen, vermutete er, und schritt strammen Schrittes den schmalen, ausgetrampelten Pfad entlang. Vor den Palisaden erkundigte er sich nach der Festung des Königs und wurde mürrisch weiterverwiesen. Misstrauisch glotzten ihm die Wachen hinterher, als er seinen Weg wieder aufnahm.
Nach mehreren Tagen Marsch war er an der großen, von anderthalb mannshohen Palisaden umgebenen, größten Stadt der Udosen angekommen. Zuerst wollten ihn die Wachen nicht hereinlassen, aber als er Ghal Maraz in die Höhe hob und von den schrecklichen Tiermenschen erzählte, die er mit einer der ihren erschlagen hatte, öffneten sie ihm das Tor. Der Ort war gewöhnlich, Holzhäuser an festgetretenen Wegen; Gärten und Ställe. Die Udosen, ein unscheinbares Volk, blickten ehrfürchtig von ihrem Tagesgeschäft auf, als er vorbeischritt, ihre Blicke blieben an seinen wohlgeformten und starken Gliedmaßen, seiner breiten Brust haften. Sigmars Weg führte ihn zu dem Langhaus in der Mitte der Stadt, die alle anderen Häuser überragte. Die Balken waren mit kunstvollen Schnitzereien verziert und bunt angemalt, zwischen den zwei Stockwerken blickten die geschnitzten und bemalten Antlitze der Götter mahnend und wohlgefällig auf die Menschen hernieder, jeder und jede von einer eigenen Holzplatte, in regelmäßigen Abständen um das Langhaus herumführend. Bewacht wurde das Tor von zwei Frauen, was Sigmar erneut überraschte. Ihm wurde Einlass gewährt, und einen kurzen Moment brauchten seine Augen, um sich nach dem hellen Sonnenlicht an das Halbdunkel der Halle zu gewöhnen. Dann rief er überrascht aus.
„Du?!”
Auf dem mit Schädeln, Knochen und Fellen verzierten Thron der Udosen saß eine Frau - Kerrtana. Das dunkelbraune Haar zu einem Zopf gebunden, eine schlichte Goldkrone auf dem Kopf, in ein mit Pelzen besetztes, ärmelloses, knielanges Ledergewand gekleidet, das mit einem breiten Gürtel mit Goldschnalle gebunden war, feine Lederstiefel an den Füßen und natürlich mit Plattenarm, sah sie ihn belustigt aus ihren graugrünen Augen an.
„Tritt näher, König Sigmar Heldenhammer von den Unberogen. Es freut mich, dass du gesund den Weg zu mir gefunden hast. Siehst du, es war nicht eitles Geschwätz, als ich sagte ’Beschützerin der Udosen’.”
Sigmar schritt an den Kriegern und Kriegerinnen vorbei, die beiderseits auf den Bänken saßen, aßen oder kämpften. Als Sigmar vor ihr stand, war auch ein Jüngling zu ihr zum Thron gestiegen - Wolfila, Prinz der Udosen. Er blickte Sigmar herausfordernd an, doch dieser ignorierte ihn und konzentrierte sich auf die Königin.
„Königin Kerrtana der Udosen! Es freut mich, dass ich dich bereits im Kampfe erleben durfte und nur Gutes über dein Geschick in der Schlacht erzählen kann. Ich komme mit einem Angebot zu dir. Denke daran: alleine hättest du die verfluchten Tiermenschen fürwahr nicht besiegen können. Doch genauso wenig hätte ich es vermocht. Wir waren siegreich, weil wir zusammen gekämpft haben. Und wie wir beide alleine schwach, doch zusammen stark waren, so sind auch unsere beiden Stämme jeder für sich alleine schwach, doch gemeinsam können wir den Feinden trotzen, die uns alle gleichsam bedrohen!”
Sigmar hatte seinen Hammer mit dem Kopf auf den Boden gestellt, stützte sich mit beiden Händen auf den Schaft und erwartete die Antwort.
„Du hast Recht. Und ich freue mich, dass ich weiß, dass die Unberogen stolze, tapfere Krieger sind. Aber seid ihr auch eines Bündnisses wert? Warte! Unser Kampf wurde unterbrochen. Lass uns ihn hier fortsetzen und feststellen, ob ihr würdig seid!”
Sigmar lächelte grimmig, als er nickend zustimmte.

Die Krieger der Udosen hatten sich um die beiden Kämpfenden in der Mitte des Langhauses gruppiert. Sie erwarteten einen großartigen Kampf, und sie sollten nicht enttäuscht werden. Königin Kerrtana Eisenfaust hatte die königlichen Kleider abgelegt und war nun wieder gekleidet, wie Sigmar ihr das erste Mal begegnet war. Sie umkreisten einander, denn sie hatten ja beide bereits einen guten Eindruck vom Können des anderen erhalten. Schließlich prallten sie aufeinander, mächtiger Hammer gegen flinke Klinge. Beinahe spielerisch, beinahe tänzerisch war ihr Kampf: Sigmar hieb mit kurzen, seitlichen Schlägen gegen sie, damit sie sich nicht unter ihm wegducken konnte und bot wenig Angriffsfläche, dennoch kam sie einige Male um ihn herum und fügte mehrere schmerzende Wunden an Schulter und Armen zu. Lange kämpften sie so gegeneinander, keiner schien den anderen überwältigen zu können. Schließlich aber konnte Kerrtana seinem schwungvoll geführten Hieb nicht ausweichen und versuchte verzweifelt, den mächtigen Schlag mit der Klinge abzuwehren, was ihr nicht gelangt - Kerrtana stürzte zu Boden und blieb auch dort, da Sigmar sie mit seinen schweren Fuß zu Boden presste. Sie ließ schief grinsend das Schwert fallen. Diesmal war er es, der ihr die Linke reichte. Sie umschloss sein Handgelenk, er half ihr wieder auf die Beine. Sie hatten die Handgelenke des jeweils anderen fest umschlossen und sahen einander respektvoll in die Augen.
„Wahrlich, die Unberogen sind eines Bündnisses wert. So wahr ich Kerrtana Eisenfaust heiße, schwöre ich, dass meine Klinge und die der Udosen stets an deiner Seite und der der Unberogen gegen alle Feinde kämpfen werden!”
„Und so sollen auch die Unberogen stets an der Seite der Udosen kämpfen!”
 

Nightpaw

Malermeister
6 März 2005
1.938
559
18.656
Schwierig. Prinzipiell mag ich ja solch einen leicht schwülstigen, angestaubten Stil (ich nutze ihn ja selbst häufig). Und zu Beginn liest es sich ja auch ganz prächtig, so ganz im Geiste der alten Weird Tales-Autoren. Aber in der Mitte, nach dem durchaus schwungvollen Kampf, verliert die ganze Sache irgendwie deutlich an Esprit. Und nach hinten raus kommt dann gar kein Knaller mehr. Ich hatte ja fast erwartet, dass Sigmar in das Dorf kommt und von der großen Kriegerin erzählt, die ihm geholfen hat, nur um zu erfahren, dass Kerrtana schon vor Monaten im Kampf gegen die Tiermenschen gefallen ist. Das wäre ja noch ein lustiger Twist gewesen. Aber so? Das ist irgendwie recht dröge, wie aus dem Geschichtsbuch. Dennoch, schöner Stil, nur der große Bumms fehlt mir irgendwie. Mit anderen Worten: Der Spannungsbogen bricht in der Mitte ab und kommt auch nicht wieder.
 

yinx

Erwählter
8 Oktober 2006
628
0
10.286
34
Das Setting finde ich ja mal sehr schön gewählt. Die graue Vorzeit des Imperiums, auf jeden Fall eine innovative Idee! Das ganze wirkt auf mich allerdings irgendwie sehr Conan-mäßig, was zgg. auch der Vorlage geschuldet ist.
Leider hat die Geschichte wenig mehr zu bieten... die Handlung ist fast schon klassisch zu nennen und bietet, wie Nightpaw schon anmerkte, keine interessanten ahs und ohs, keinen unerwarteten Twist und auch kein offenes Ende mit Interpretationsspielraum.
Sprachlich ist die Geschichte 50/50 und vereint sehr schöne Beschreibungen und Formulierung mit beinahe schon brachialen Atmosphäre-Killern.
So ist zum Beispiel die Darstellung der Ruine sehr schön, hin und wieder verliert sich der Autor aber in einer aufzählenden Beschreibung:
Sigmars Körper war so, so, so und so...
er trug dieses, jenes breites welches, mit einem großen solchen und diesem Dingsda...
Das dunkelbraune Haar zu einem Zopf gebunden, eine schlichte Goldkrone auf dem Kopf, in ein mit Pelzen besetztes, ärmelloses, knielanges Ledergewand gekleidet, das mit einem breiten Gürtel mit Goldschnalle gebunden war, feine Lederstiefel an den Füßen und natürlich mit Plattenarm, sah sie ihn belustigt aus ihren graugrünen Augen an.
Ich nenne es mal liebevoll einen Beschreibungs-Overkill.
Hier hätte man sich sicherlich ein paar Wörter sparen können und dafür ein paar Charakterzüge ausgestalten oder die Story vertiefen können. Insgesamt ist die Geschichte zwar schön detailliert beschrieben und malerisch dargestellt, dafür aber reichlich platt.
Für das außergewöhnliche, schöne Setting und den angenehmen Schreibstil mit seiner märchenhaften Erzählweise gibt es aber dennoch um die 4 Punkte würde ich sagen.
 

Nakago

Eingeweihter
1 November 2009
1.544
683
13.586
54
Yeah! Conan äh Sigmar der Barbar trifft auf die Kriegerprinzessin. Die Personenbeschreibungen erinnern mich an die guten alten Conanromane, als noch nicht alles politisch korrekt sein musste. :lol: Hier und da hätte man noch etwas in die Tiefe gehen können, so bleibt es leider alles doch recht oberflächlich. Aber das Wortlimit ist ja auch schon fast ausgeschöpft. Hat auf alle Fälle Spaß gemacht, sie zu lesen. Auch ist es mutig, sich an ein solch geschichtsträchtiges Thema heran zu wagen. Für die Höchstpunktzahl reicht es nicht ganz, aber immer noch im hohen Bereich angesiedelt.
 
Wenn Sigmar schon mit Conan gleichgesetzt wird, hätte er auch als echter Barbar dargestellt werden können, der mit den Händen isst und Frauenröcken hinterhergreift und Priester verprügelt, damit man all den scheinheiligen sigmartreuen Imperialen unter die Nase reiben kann, was für einen sie da doch gleich anbeten.
Die Beschreibung des Ortes suggeriert, dass es sich um eine hochelfische Ruine handelt. Dann ist die Sprache jedoch noch nicht ausgestorben.
Die Krieger erwarteten vielleicht einen großartigen Kampf und wurden nicht enttäuscht, aber wir. Das lag dann vermutlich an der Wortzahlbegrenzung.
Welche Rolle der Prinz Wolfila spielt, hat sich mir nicht erschlossen.
 

yinx

Erwählter
8 Oktober 2006
628
0
10.286
34
Auch hier: Abstimmung beendet, 4 Punkte, also besseres Mittefeld (und damit mit unter meinen Topgeschichten, 6 habe ich ja schließlich nicht vergeben. Ein sehr schönes Setting und eine sehr schöne Erzählweise. Eine spannendere Handlung hätte hier +1 Punkt rauskitzeln können, eine etwas schönere Sprache auch noch +1.
6 Punkte
- 1 Teilweise sehr konstruierte Sprache. Beschreibungs-Overkill
- 1 Platter Plot
bleibt
+ 1 prä-imperiales Setting
+ 1 schöne, unverbrauchte, märchenhafte Erzählweise, wie ein Opa auf dem Sessel
+ 1 gut gelungene Darstellung Sigmars und des Kampfes
+ 1 offensichtlich tiefere Einarbeitung in den Fluff, mit Namen und Stämmen etc.

Eine der Top 3 bis 4 Geschichten in diesem Wettbewerb. Zumindest für mich ;)
 

Gwordin

Aushilfspinsler
16 März 2012
47
0
4.891
Hier bin ich etwas zwiegespalten.
Zur Sprache: gute Beschreibungen, gerade am Anfang, teils aber in ellenlangen Sätzen verbaut. Das erinnerte mich fast an alte griechische Mythologie, wo es auch "chic" war, elendig lange Satzkonstrukte zu bauen, die hier und dort dann Beschreibungen hatten und man am Ende schon fast wieder vergessen hatte, womit der Satz noch anfing.
Das Setting ist interessant, allerdings kommen mir die Tiermenschen zu plötzlich und wirken dann auch recht blass.
Der Kampf am Ende ist dann leider auch nicht das Highlight, zu dem es stilisiert wird. Schade.

Auch wenn sich das nun harsch anhört, die Geschichte war gut zu lesen. Nur sackt sie ab der Mitte leider ein. Die Sache mit dem Spannungsbogen - ist halt nicht immer einfach den zu halten.

Für micht Mittelfeld.
 

Sarash

Hüter des Zinns
8 Dezember 2007
2.894
1
22.141
Die Sprache ist größtenteils gut, wenngleich es Stellen gab, an denen ein unglaublich profan klingendes Wort der Umgangssprache mich böse aus der Stimmung riss. Situierung und Atmosphäre sagen mir prinzipiell zu. Anfang und Ende kratzen an der Langeweile, doch die stimmige Umsetzung kann darüber vertrösten.

Viele Worte muss ich hierzu nicht verlieren, zweifelsohne eine gute Geschichte.
 

SHOKer

Mentor der flinken Federn
3 Februar 2006
4.790
4
33.391
32
Mein Eindruck war: Ich weiß nicht so ganz ...

Also auf der Habenseite kann man der Geschichte ruhig einige Dinge nennen:
- Sehr gut gewähltes Setting.
- Zum Setting passende Beschreibung der Figuren
- Zum Setting passende Sprachwahl.
Insofern also sehr rund und verdient ein Lob für die kreative Idee und die Umsetzung.

Leider konnte mich die Geschichte nicht so recht in den Bann ziehen. Ich weiß nicht, ob es an der Sprache liegt oder am Inhalt, aber nach dem ersten Absatz hätte ich irgendwie gerne aufgehört.
Die Sprache wirkt teilweise ein wenig sehr eingestaubt für meinen Geschmack. Die Erzählung hätte vielleicht ein wenig mehr Elan vertragen können.

Leider vergehen auch viele Ansätze im Nichts: Weder die Ruine noch der Prinz am Ende haben eine tiefere Bedeutung. (Außer, um zu zeigen, dass die gute Kriegerkönigin nicht mehr so ganz als Gebärerin von Sigmars Kindern zu haben ist) Es ist schon interessant, wenn Sigmar in seiner grauen Vorzeit da eine Elfenruine findet, aber leider hat das hier keine weitere Relevanz. Ohne die Beschreibung der Ruine hätte man sich die Wörter aufsparen können, die am Ende dann fehlten und das Ganze etwas platt werden ließen.

Alles in allem eine gute Geschichte, der ich gerne 4 Punkte gebe.

Bin ich eigentlich der einzige, der beim Lesen eher so ein Oblivion-Elfen-Ruinen-Bild vor Augen hatte?