Höllenfeuer
Prologos

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Der schmutzige Regen hatte an Intensität nachgelassen und langsam fielen die letzten kalten Regentropfen auf gräulich schwarzen Marmorboden des Platzes der gnadenvollen Himmelfahrt. Langsam hob sich der Kopf der erschöpft wirkenden Gestalt gen Himmel. Der ehemals türkise Himmel schien sich zu einem üblen Gemisch einer grauen Masse verformt. Wie lange war für diese Tat nötig gewesen? Zwei Wochen? Drei Wochen? Mehrere Monate? Er wusste es nicht. Er war nur noch müde, doch zwang die Gestalt sich auf den Beinen zu bleiben und die rechte Faust geballt zu halten.
Während die in roten Roben gehüllte Gestalt weiter den trüben Himmel über Euböia taxierte, marschierten Truppen durch die zerstörten Strassen zu dem Platz der gnadenvollen Himmelfahrt. Die diszipliniert aufmarschierenden Soldaten in den schweren Plattenpanzern schienen dem schrecklichen Szenario fast unsichtbar, wie Totengeister aus einem längst vergangenen Krieg. Mochten sie vor kurzem mit ihrer roten Uniform und den schwarzen Plattenpanzern, verziert durch ein goldenes Emblem, wie Fremdkörper in dieser bunten, hellen und lebhaften Stadt wirken, so musste die berobte Gestalt seine Augen anstrengen um den Marschgeräuschen Formationen zuzuordnen. Bewusst versuchte er seinen Blick vom Zentrum des Platzes auf dessen Ausläufer zu werfen, ehe er es aufgab die Gardisten ausfindig machen zu wollen.
Er wandte seinen Blick von den Gardisten ab und warf einen letzten Blick auf die Umgebung des Platzes. Wie viele elegante Häuser aus beigem Mörtel hatten hier noch vor kurzem gestanden? Wieviele Händler ihre Waren auf diesen Platz verkauft...wieviele Kinder zwischen den Menschenmengen gespielt?
Als er sich umsah sah er nur noch ausgebrannte Ruinen, in der verkohlten Dunkelheit immer mal wieder markant-weiße Linien geheiligten Salzes über den Ruinen verstreut. Die Eckpunkte die früher vielleicht Kreuzungen gewesen waren, schienen heute nur noch die die einige wenige Meter hohen Pfähle auffallen, die aus dem Boden ragten...jeder einzelne Pfahl hatte das gleiche goldene Emblem an seiner Spitze wie die Gardisten auf ihren dunklen Panzern. Gedanken kreisten in seinem Hirn, Gedanken ob all der Dinge die hier in Seinem Namen vollstreckt wurden. Während sich seine blasse Hand an einer Mauerecke abstützte, wurde er unvermittelt angesprochen:
„Ehrenwerter Interrogator Monacada, meine Truppen haben sich nun gesammelt und sind zum Abmarsch bereit. Sollen wir den Cherubim aus der Kathedrale holen?“
Interrogator Lucius Monacada war dank der ...eindrucksvollen... Szenerie in Gedanken verloren, sodass er das Herantreten des Leutnants Sarash der Inquisitionsgardisten nicht bemerkt hatte. Er wandte ich dem alten Recken zu und betrachtete den Leutnant mit müden Augen. Die Züge ob jahrzehntelangem Dienst ausgemergelt, beide Augen durch plumpe bionische Implantate ersetzt, die Stirn mit dem selben Emblem der Plattenpanzer tätowiert – das Signum der heiligen Inquisition. Monacada ließ einige Augenblicke verstreichen, ehe er dem Leutnant eine Antwort gab. Seine Stimme hatte etwas heiseres, gewiss einer der Begleitumstände des wochenlangen, beständigen Rauches. Als er redete spürte er es wieder. Der Geruch von gesegnetem Promethium, an dem für seine Nase überhaupt nichts gesegnet war.
„Gewiss, Leutnant Sarash.“
Monacada wollte seinen Worten eigentlich noch Weitere hinzufügen, doch schienen sich seine Lippen ob der Gedanken an den Cherubim zu verziehen. Bitterkeit umspielte die Lippen, während die rechte Faust geballt blieb.
„ Holt......es.“
Während der Leutnant der Inquisitionsgardisten besagte Order durch das Voxnetz durchgab drehte sich der Interrogator zu der Kathedrale des Lichtes, dessen Vorplatz eben der Platz der Himmelfahrt gebildet hatte. Die meterhohen Stahltore der Kathedrale öffneten sich, beide mit unzähligen Heiligenbildern und Gebete versehen, an denen mehrere Generationen von Bildhauern gearbeitet haben mussten. Als die Servitoren den Cherubim behutsam und langsam aus der Kathedrale trugen, konnte es Lucius Monacada hören. Erst nur in seinem Kopf, dann – vielleicht eingebildet, vielleicht real – auch auf dem Platz. Den engelsgleichen, vielgliedrigem Chor der von dem Cherubum ausging. Diesmal keine Sätze, keine Liturgien. Keine Zitate, keine Psalmen. Nur zwei Worte.
Zwei Worte die den Interrogator dazu brachten das Zentrum des Platzes anzustarren, mit durch die Müdigkeit geröteten Augen. Zwei Worte nur, die in engelsgleichem Tone immer wieder sanft gesungen wurden:
„[FONT=Palatino Linotype, serif]Kyrie Eleison“[/FONT]
Er hörte es immer wieder pochend in seinem Kopf und obwohl er es versucht hatte zu ignorieren konnte er nun nicht mehr den Blick von dem Zentrum des Platzes nehmen: Ein riesiger Scheiterhaufen, angehäuft um den riesigen Obelisken des Sebastian Thor. Seine Augen sahen alle Gestalten die verbrannt und gefoltert an den Pfählen hingen. Männer und Frauen. Alte und Kinder. All die Leichen der Bewohner dieser Stadt, baumelnd unter dem güldenenSignum der Inquisition.
Er konnte Reste von Holz und Gebälk sehen, er konnte Promethium riechen und er konnte den Kopf eines Verbrannten neben seinem Stiefel fühlen, sein Gesicht immer noch von einer Gasmaske ummantelt und seine verbrannte Brust von einem groben Adrenalin-Injektor geschmückt, dadrüber das verbrannte Büßerhemd. Kannte er das Gesicht? Unwillkürlich zuckte die rechte Gesichtshälfte des Interrogators.
„[FONT=Palatino Linotype, serif]Kyrie Eleison“[/FONT]
. Er hörte wieder die Rufe des Cherubims in seinem Geist und während sich die Fäuste ballten ging der Interrogator Lucius Monacada ob all dieser Gedanken langsam auf die Knie den Kopf mit Verbitterung auf den Zügen auf den Boden richtend, ehe er die Arme ruckartig nach oben riss und rief:
„Imperator vergib ihm!“
Die Arme senkten sich wieder und nun konnte man das Emblem der Inquisition in der rechten Hand sehen die sich geöffnet hatte, ehe er halblaut nur noch einem Satz sagte:
„Imperator vergib mir...“
Während die Inquisition diese verbrannte, tote Stadt verließ, war es nur der Cherubim, der diese beiden zwei Worte immer und wieder wie ein engelsgleicher Chor sang. Der vielstimmige Chor – aus oder durch dem Cherubim kommend – sangen in einer anmutigen Herrlichkeit immer nur diese zwei Worte. Hoffnung und Anklage gegen Jeden und Niemandem:
„[FONT=Palatino Linotype, serif]Kyrie Eleison“[/FONT]
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