Neues Warhammer 40.000 Rollenspiel: Wrath & Glory

Tegres

Bastler
08. Juni 2008
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Hallo zusammen,

es erscheint ein neues Warhammer 40.000 Rollenspiel: Wrath & Glory (Link zur Vorbestellungsaktion). Es erscheint parallel auf Deutsch und auf Englisch, da Ulisses dahinter steht.

Ich habe mir den Schnellstarter geholt, war aber nicht so begeistert. Allerdings sind die Regeln diesmal dem Tabletop sehr ähnlich (W6-Poolsystem) und könnte daher für den ein oder anderen hier auch interessant sein.

Schöne Grüße
Tegres
 
Prinzipiell wurde darüber in diesem Thread schon berichtet.

Aber wo es diesen Thread schon gibt, ich hatte dazu seinerzeit etwas Kritik auf dsaforum.de verfasst. Sie ist dementsprechend formuliert für Leute, die sich mit P&P auskennen, aber das TT ansonsten nicht kennen:

Kuanor schrieb:
Ich habe mich mal etwas durch die englische PDF geblättert und... ich bin unzufrieden.
Ich ging da tatsächlich mit der Einstellung ran, dass wenn es gut ist, es ein Kandidat für eine neue Runde wäre. Nach der Übersetzung mal ein 40k-P&P (DH2 ist ja nie übersetzt worden) in schön, neu und nach Kleber duftend kaufen, aufschlagen...
Nun ja.

Erstmal das Gute:
Das Würfelsystem.
Diese Edition scheint ja unter dem Credo zu laufen, statt auf Traditionen früherer 40k-P&P zu schauen, möglichst viel Annäherung zum Tabletop zu schaffen. Daher auch der Umstieg auf den W6-Pool. Nun ist ein Würfelpool gaussverteilt und ein einzelner W% gleichverteilt, und allein deswegen ist das schon ein großer Fortschritt (und ich widerspreche an dieser Stelle HdW, dass man aus dem W% allzu viel Gutes machen könne). Das Konzept, dass einer der Würfel eine andere Farbe hat und für Patzer und Krits zuständig ist, ist auch keine so schlechte Idee.

Und dann alles Andere:
Die 3 Arten von Schicksalspunkten sind tatsächlich so schlimm, wie sie vermuten lassen. Es gibt ja individuelle, Gruppen- und Gegner-Schicksalspunkte. Mit denselben Anwendungen, die man aus anderen P&Ps schon kennt, also nicht Originelles, sondern nur mehr davon. Es gibt sogar einen Kasten, der das Problem anspricht, weswegen Schicksalspunkte für einige Spieler und Gruppen so nicht funktionieren (es wird sogar das Wort "Immersion" dabei in den Mund genommen!) und es werden Maßnahmen empfohlen, wie man ihre Funktionalität auf ein weniger problematisches Maß zurückschraubt (keinen Szenenteile ergänzen u.Ä.). Die Maßnahmen sind auch gar nicht verkehrt; ich würde, so ich das spielen wollte, das und noch etwas mehr (Bonuswürfel statt Wurfwiederholung) ändern, um die Schips verdaubar zu machen, ABER DANN BLEIBEN DA NOCH DIE GRUPPEN- UND DIE MEISTER-SCHIPS!
Die sind vom erwähnten Kasten gar nicht betroffen.
Das besonders Peinliche daran ist ja, dass das System selbst dem Namen nach sich diese Schicksalspunkt-Arten (Wraith, Glory und Ruin heißen sie) auf die Fahne schreibt, als wären sie das Glanzstück das System und etwas, worauf man stolz sein sollte.
Ugh...

Bei den Klassen hätte ich hiernach direkt erwartet, dass sich dieses System gleich in die nächste große Pfütze setzt und echte Klassen, wie man sie aus D&D-Derivaten kennt, einführt, aber hier wurde ich mal positiv überrascht. Die Klassen sind hier nichts Weiter, als eine Kombination aus Eigenschaftsvoraussetzungen, Keywords (wie im TT in der 8. Edition jetzt) und auf der Haben-Seite einer einzelnen Klassen-exklusiven SF. Noch nem kleinen sozialen Bonus dazu, aber das war's auch schon.
Die Kosten für die Klassen sind bisweilen ziemlich rund und dennoch sehr unterschiedlich, sodass ich mir nicht sicher bin, wie das Balancing dort ist, aber das Design bekommt auf jeden Fall schon mal meinen Segen.

Der Teufel steckt dort aber im Detail, weil ich die Fähigkeiten selbst z.T. völlig... uh...
na sagen sagen wir mal, was sollte eurer Meinung nach ein imperialer Prediger so Besonderes können?
Etwas für die Moral von [Imperium]-Verbündeten tun, vielleicht sowas wie (wieder in DSA-Begriffen gedacht) Wunden ignorieren durch gesteigerten Fanatismus oder so?
Oder lieber, wie in einem MMO gedacht, "oh, das ist ein Priester, also kann er heilen"?
Mhm, genau.

Ich bin auch allgemein ziemlich unzufrieden mir der Abbildung der Rassen und Klassen im System. Man bekommt den Eindruck, sie wären aus dem TT, und zwar direkt von den TT-Regeln statt aus dem Hintergrund, übernommen worden.
So ist etwa ein (eigentlich!) hochkarätig ausgebildeter imperialer Infanterist die 0-Punkte-Opfereinheit (unübersehbar durch seine Klassenfähigkeit verdeutlicht!), die er im TT ist und damit auf einer Stufe mit Makropolwelt-Scum, den man im P&P auch spielen kann. Natürlich kann man im TT dem Tyranidenspieler nicht zumuten, sackweise Ganten zu bemalen und in mehrere Lagen auf den Tisch zu kippen, um abzubilden, was sie für eine Wegwerfressource sind, und selbst die eben noch von mir gelobten imperialen Soldaten müssten dort deutlich schwächer im Vergleich zu den omnipräsenten Superkriegern diverser Völker sein.
Aber dazu gibt es ja P&P.
Um den Fluff einer Welt authentisch zu bespielen und nicht die Unzulänglichkeiten ihrer Abbildung im Tabletop.

Oder nehmen wir die Eldar - sie liegen mir ja besonders nahe. Sie sollten eigentlich den Über-Elfen anderer Fantasywelten in nicht viel nachstehen. Ihr wisst schon, denen, denen bei DSA4 irgendwelche abstrusen Nachteile noch hinzugedichtet werden mussten, damit das Rassenpaket nicht in den Kosten explodiert. Und selbst wenn man akzeptiert, dass nicht auf dem Kriegerpfad wandernde Eldar-Gardisten wirklich im TT nicht allzu mächtig sein sollten und ihr Einsatz mehr als Verzweiflungstat zu betrachten, müssten doch spätestens in einem P&P diverse andere Qualitäten zur Geltung kommen.
Also mal sehen, was können sie hier doch gleich... oh. Sie sind ein wenig schneller, als Menschen. Genau, wie im TT.

Nun versucht W&G ja nicht nur allgemein nah am TT zu sein, sondern auch noch im aktuellen Metaplot, und legt damit noch eine weitere Perle.
Wir kennen ja die Einführung der Primaris: SMs, die so über werden sollten, wie SMs schon immer hätten sein sollen, aber mit einem Fluff um deren Einführung, der die bisherige letzte Hoffnung der Menschheit, ein unschätzbares Erbe des Imperators aus besseren Zeiten, zu Klasse-B-Helden degradiert und sie in den TT-Regeln als solche belässt.
Nun ja, und W&G verfährt hier wie an anderen Stellen. Die Primaris sind nicht eben mal eine Verbesserung der Marines (eigentlich haben sie nur eine neuere Rüstung und ein paar mehr Organe, die sie noch etwas widerstandsfähiger machen), sondern die sind eine eben mal doppelt so teure Klasse, wie normale SMs. Sie sind um so viel stärker, als ihre Brüder (also ich spreche vom gleichnamigen Attribut), um wie viel SMs stärker sind, als normale Menschen.
Wtf?

Na ja, und zu den Kampfregeln kam ich gar nicht, ich hatte nach der Charaktererstellung schlicht keinen Nerv mehr.

Kuanor schrieb:
Da Interesse besteht, habe ich zwischendurch weiterzulesen versucht, aber...
ich mache es besser häppchenweise. Lange am Stück ertrage ich das nicht.

Deswegen diesmal nur das Ini-System:
Es ist - Überraschung! - aus dem TT übernommen.
Dort werden Nahkämpfe auf diese Weise abgehandelt: Wer am Zug ist, aktiviert die erste Einheit, die kämpft, und dann wird abgewechselt. Zuerst alle Angreifer, dann der Rest, und über ein Stratagem kann eine Einheit außerhalb der Reihe früher kämpfen. Kommt einem nach Lesen der W&G-Regeln bekannt vor, oder?
Das kam afaik zuerst mit AoS auf und wurde dann auch für die 8. Edition 40k übernommen.
Man kann sich nun darüber Gedanken machen, ob das eine gute Mechanik für ein P&P ist, aber der Punkt ist, dass es den Entwicklern egal war. Sie haben stumpf das nachgeäfft, was das TT vormachte.
Wenn man denn den Fehler macht, genauer darüber nachzudenken, kommt man schnell zur Beobachtung, dass ein solches System den Kampf noch weiter als sonst auf die Metagame-Ebene schiebt. Nach meiner Vorstellung müsste ein fortschrittliches Kampfsystem diesen Minigame-Charakter des Kampfes schwächen, nicht stärken. Aber im TT spielen solche Überlegungen keine Rolle, und diese Edition des P&P hat andere Designprinzipien, als zu überlegen, was gut für ein P&P wäre.

Aber gut, es wird schon irgendwie funktionieren und ich will mich damit nicht zu sehr aufhalten. Mal sehen, womit mich der Rest der Regeln so erfreut.

OK, zugegeben, vielleicht sollte ich es eher Rant als Kritik nennen.
 
Offenbar ein klarer Fall von "Geschmackssache".

Ich finde das System hervorragend, hab es allerdings auch gespielt und nicht nur gelesen 😉

Es geht sehr flott von der Hand und das Würfelpoolsystem lädt zu erzählerischer Ausschmückung ein.

Das Initiativesystem ist sehr erfrischend, weil es einen nicht aus dem Erzählfluss herausreißt. Ohne einen Hinterhalt oder das Ausgeben eines Unheilpunktes sind die Spieler zuerst dran und können selbst festlegen, welcher aus ihrem Team zuerst agiert, dann ist entweder die Gegenseite dran oder man gibt einen Zornpunkt aus, um einen weiteren aus dem eigenem Team agieren zu lassen. Das funktioniert am Spieltisch sehr gut, ist spannend und fühlt sich taktisch an.

Einzig das Schadenssystem finde ich etwas gewöhnungsbedürftig
 
Na mit genug Kopfkino kann man sich über fast jede Regelversagen behelfen.

Ich habe halt genug andere Rollenspiele gespielt, um ein Vorstellung zu haben, welche Regelmechanik sich bei mir wie anfühlt.
Findest du denn, dass so Glückspunkte zählen nicht den Erzählfluss unterbricht?
Oder benutzt du hier gezielt den Begriff „Erzählfluss“, weil es etwas ist, was eine Geschichte erzählen lässt ohne dabei Immersion zu fordern?
 
Also in Sachen Glückspunkte muss man es wohl mit entsprechenden anderen Systemen vergleichen (diejenigen, die ich bisher mit entsprechenden Punkten gespielt habe sind DSA, D&D, Fate, Savage Worlds, Genesys) und da gefällt mir das zum Beispiel schon besser als die Bennies bei SW oder die Fate Punkte.

Der Spieler kann sich nämlich hier seine Punkte einfach selber nehmen und muss sie nicht vom Spielleiter erhalten. Das nimmt dem SL Arbeit ab und stört tatsächlich nicht. Auch die Verwendung kann schließlich (meistens) ohne den SL passieren. Einen Chip weglegen und den Effekt nutzen ohne über die Mechanik sprechen zu müssen ist allgemein bei jeder Form von Schicksalspunkten die beste Wahl.

Mir ist ehrlich gesagt noch kein System untergekommen, bei dem die Regeln die Immersion fördern. Das geschieht doch durch die Spieler, wie diese erzählen und die Regeln nutzen. Regeln können die Immersion nur stören, weil sie sperrig sind (z.B. das Probensystem von DSA oder die überbordenden Effekte und Modifikatoren in Pathfinder)
 
So ähnlich.
Regeln haben die Aufgabe, auf der einen Seite die Welt möglichst authentisch zu simulieren, und gleichzeitig die Immersion nicht zu stören. D.h. etwa keine komplizierten Berechnungen während des Spiels zu verlangen, sondern alles Komplizierte schön unter der Motorhaube (=bei der Off-Table-Charakterverwaltung) zu halten.

Gute Regeln schaffen den Spagat, elegante Regeln müssen dafür nicht zu viele Kompromisse schließen, sondern finden Mechanismen, die beides vereinen.
Regeln, die „endlich mal schön einfach“ sein wollen und – überspitzt gesagt – einem vorschlagen, die Situation zu beschreiben und auf 4+ haben die SCs Erfolg, sind auf einem Auge blind oder, positiver genannt, sehr Spielstil-spezifisch. Regeln, wie bei DSA, sind hingegen das Gegenbeispiel zu elegant: Sie schaffen es selbst dann kompliziert zu sein und die Immersion zu stören, wenn sie dafür nicht mal als Gegenleistung eine bessere Simulation bieten (und stattdessen nur so zu tun als ob).

Und dann gibt es noch die Sache mit Metagame-Ressourcen, sprich Glückspunkten.
Sie beziehen ihren Wert aus einem gamistischen Ansatz, als strategische Komponente, wenn man so will. Vielleicht mag der eine oder andere das Gefühl, eine solche Ressource zu verwalten – da kann ich nicht in fremde Köpfe schauen. Aber sie liegt außerhalb der oben definierten Ziele: Wenn die Welt nicht explizit so eine Art Glücks-Mana (oder Göttergunst-Mana oder Karma), das man ansammeln und willentlich einsetzen kann, konstruiert, dann haben die Punkte keinen Simulationswert. Und weil dann ihre Verwaltung etwas ist, was man nicht auf Ebene des Charakterwissens, also aus seiner Rolle heraus, vornehmen kann, sind sie immersionsstörend.
Und das alles noch vor der Frage, ob ihr Einsatz zusätzlich Spieler-Meister-Kommunikation, entsprechende Gespräche und zusätzliche Entscheidungslast für den Meister voraussetzt (was es bei W&G laut dir nicht tut). Aber diese Art von Schadensbegrenzung macht etwas Ansatz Problematisches noch nicht automatisch gut.

Vielleicht müsste man für so eine Ressource die Ziele von Spielregeln ganz anders definieren. Etwa statt sich Simulation zu wünschen, so, dass die Regeln „Spaß machen“, sich das Würfeln gut anfühlt, es eine Art Beschäftigung oder Orientierungshilfe beim Erzählen ist, und die Geschichte sich auf einer ganz anderen Ebene ergibt. Also ein gaanz anderer Spielstil, als was ich als angenehm empfinde.
 
Vielleicht müsste man für so eine Ressource die Ziele von Spielregeln ganz anders definieren. Etwa statt sich Simulation zu wünschen, so, dass die Regeln „Spaß machen“, sich das Würfeln gut anfühlt, es eine Art Beschäftigung oder Orientierungshilfe beim Erzählen ist, und die Geschichte sich auf einer ganz anderen Ebene ergibt. Also ein gaanz anderer Spielstil, als was ich als angenehm empfinde.

Tatsächlich ist Wrath & Glory sehr gamistisch und in keinster weise simulationistisch, ein Spielstil, der mir persönlich sehr liegt.

Ich würde eher sagen: gute Regeln unterstützen das erwünschte Spielgefühl. Im diesen Fall ist W&G, so wie du schreibst, absolut nicht dein Ding aber für den gamistischen Spielstil sehr gut geeignet

Es sollte am ehesten Spielern gefallen die Savage Worlds mögen, sich aber etwas settingspezifischere Regeln wünschen.