Kapitel 9
Sie stürmten los! Es ging um ihr Leben. Es ging gegen einen noch unsichtbaren Feind. Die ersten Meter sprangen die Marines von einer Deckung zur anderen. Sie bewegten sich unglaublich schnell mit ihren doch so schweren Rüstungen. Kein weiterer Schuss war gefallen. Der Trupp näherte sich bisher unbehelligt dem gegenüberliegenden Waldrand. Sie befanden sich ungefähr in der Mitte des Kraters als plötzlich die Hölle losbrach.
Die Geschosse flogen ihnen nur so um die Ohren. Von allen Seiten wurden sie nun gezielt unter Beschuss genommen. Verzweifelt versuchten sie sich noch hinter die kleinste Deckung zu ducken. Doch der Kugelhagel forderte seine Opfer. Nur noch etwa die Hälfte seines Kommandotrupps war noch am Leben. Doch dies verdankten sie sicher nicht ihrem Kampfgeschick und der taktischen Vorausschauung, sondern nur ihren gesegneten Rüstungen. Sie kauerten sich jetzt beinahe ängstlich zusammen und waren in einer Falle eingeschlossen. „Wie schlau!“, dachte Friedrich, hätte der vermeintlich einzelne Scharfschütze sie nicht allein unter Feuer genommen, hätten sie sich sicher in den dichten Dschungel zurückgezogen. Doch sie gingen nur von einem einzigen Gegner aus und der lockte sie auch noch zu allem Überfluss in die Mitte dieses Kraters. In die perfekte Falle. Selbst hinter ihnen, in ihrem Rücken mussten bereits Schützen postiert gewesen sein. Noch bevor Bruder Kalumpel der Tod ereilte, warteten sie bereits darauf, dass der Kommandotrupp genau in die Mitte ihres tödlichen Kreises stürmen würde. Jetzt hatte ihr Gegner sie genau da, wo er sie haben wollte! Es gab kein Entrinnen mehr.
Dgrat tastete nach dem Bein von Friedrich. „Kommandant, sind sie schwer verletzt?“ Jetzt erst nach der Frage des Apothekarius wurde sich Friedrich seiner Wunden bewusst. Seine Servorüstung war an einigen Stellen getroffen und an Wenigen sogar aufgesprengt worden. An seinem rechten Bein lief dickes Blut an der Außenseite seiner Rüstung herab. Ein direkter Treffer! Das Geschoss musste mit einer solchen Wucht eingeschlagen sein, dass nicht nur die Servorüstung zersplitterte, sondern auch das darunter liegende Knie des Kommandanten erheblich beschädigt wurde. Friedrich wunderte sich, dass er dennoch keine Schmerzen empfand. Das Adrenalin oder auch das harte Training zur Schmerzunterdrückung, so hoffte er, mussten ihre Wirkung tun. Dgrat duckte sich tiefer als weitere Geschosse scheinbar gezielt auf seinen Kopf abgefeuert wurden. Ein Streifschuss lies ihn kurz zusammenzucken, doch sein Helm schützte ihn vor unangenehmeren Auswirkungen, als wie leichte Kopfschmerzen am nächsten Tag, falls sie diesen heute überhaupt überleben sollten. Der Apothekarius beendete seine kurze Untersuchung mitten im heißesten Feuergefecht. Nahm wieder seinen Bolter zur Hand und hielt gleich neben Friedrich kniend voll auf den Kraterrand drauf. Erst nach einer halben Ewigkeit, stellte er Friedrich die Diagnose. „Die Wunde hat sich wieder verschlossen. Die Blutung ist vollständig gestoppt. Du hattest Glück, Bruder. Dein gesegneter Körper wird vom Imperator beschützt. Deine Wunden heilen schnell! Dennoch die Lage scheint verzwickt zu sein!“ Friedrich lächelte unter seinem Helm. So pessimistisch auch sonst immer der Apothekarius war, in dieser Situation war seine Äußerung noch zynisch untertrieben.
Schließlich nach endlosen Minuten ließ der Feuerhagel nach. Nur noch vereinzelte Schüsse, und die meist von ihren eignen Bolterwaffen, wurden abgegeben. War dem Gegner etwa jetzt schon die Munition ausgegangen oder wartete er auf etwas Anderes? Etwa auf Verstärkung?
Bruder Convenant, einer der schnelleren Brüder, lag nach ihrem abgebrochenen Sturmangriff, äußerst ungünstig hinter einem kleinen Erdhaufen vorne rechts im Sichtfeld von Friedrich. Der Bruder konnte sich kaum bewegen und musste sich unangenehm zusammenkrümmen um hinter dem bisschen Gestein und Dreck überhaupt halbwegs in Deckung bleiben zu können. Friedrich bemerkte wie sich der Körper des Bruders anzuspannen begann. Convenant wollte etwas unternehmen. Einen Ausfall wagen oder wenigstens seine Position wechseln und eine günstigere Deckung suchen. Friedrich erkannte es, doch sein Befehl kam zu spät. Convenant verließ sich auf seine Schnelligkeit, auf die Gewandtheit und Kraft von Jahrzehnten, und vielleicht hatte er auch vorher zum Imperator gebetet. Auf alle Fälle sprang er mit dem Bolter an der Hüfte auf, begann sofort zu schießen und wollte gerade in eine bessere Deckung keine 2 Meter seitlich von ihm hechten, als ihm zwei gutgezielte Schüsse die beiden Unterschenkel von den Oberschenkeln trennten. Der Schütze war ein Meister und nutzte eine der wenigen Schwachstellen einer Servorüstung. Convenant krümmte sich auf den Boden, hielt in jeder seiner beiden Hände einen seiner Beinstummel, aus denen das Blut in hohen roten Blutfontänen herausschoss. Friedrich war froh, dass Convenants Schreie nicht durch dessen Helm nach Draußen drangen. Der Bruder tobte noch eine Zeit, bis er endlich ruhiger wurde und nur noch seine Stummel zuckten. Die Blutung des Marines hatte sich Dank der herausragenden körperlichen Beschaffenheit eines „Gottkriegers“, wie sie oftmals von normalen Bürgern des Imperiums ehrfürchtig genannt wurden, gemäßigt. Der Bruder musste sich in eine Art Wachkomma versetzt haben, um die unglaublichen Schmerzen auszublenden, denn er reagierte nicht auf Anruf über die Kom-Anlage.
Dennoch, er brauchte dringend Hilfe, auch wenn, oder eher, besonders weil sie hier in der Falle saßen. Jeden Augenblick konnte ein weiterer Schuss Convenants Leben und Dienst am Imperator ein Ende setzen. Sie mussten etwas unternehmen. Nicht nur für ihren verletzten Bruder direkt vor ihren Augen, sondern auch für sich selbst. So lange auch Friedrich nachdachte, es gab nur einen Ausweg!