Ratingagentur - Was´n das?

gul_aldret

Hintergrundstalker
05. April 2010
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In letzter Zeit höe ich im Radio/Fernsehen in den Nachrichten öfter folgenden Satz:
"Die Ratingagentur [Standard an Poors(?)/Moodys] hat [Griechenland/Irland/Italien] um [blabla] herabgestuft."

So. Kraft meines bescheidenen Geistes weiß ich, daß es da meist um Staatsanleihen geht (was das ist, kann ich bei Tante Wiki gucken, weil da ein relativ ungefärbter Eintrag existieren dürfte, den ich vielleicht sogar verstehe). Und wenn man deren Wert herabstuft wird es für einen Staat schwerer sich irgendwo Geld zu borgen und leichter pleite zu gehen...

Soweit so gut, aber wer zum (Pleite-)Geier sind diese Ratingagenturen, die die Macht besitzen sowas zu tun? Per Pressemitteilung Staatsbankrotte zu beschleunigen/herbeizureden?

Ich hätt´s gern von Leuten hier gewußt, bevor ich einen Eintrag bei Wikipedia lese, der von einer Ratingagentur finanziert ist...
 
Naja, lies den Wikieintrag, der hat auch genug Kritik dabei.

Im Grunde sind das (in der Regel) private Unternehmen, die bewerten, wie Kreditwürdig andere Unternehmen, Banken oder Staaten sind, daher wie riskant die Geldanlage ist. Je höher das Risiko, desto größer ist der Zins, den das bewertete Land für Anleihen zahlen muss.

Problematisch ist, dass die drei großen Ratingagenturen alle in den USA sind, und so ein gewisser bias dabei ist. Das heisst, dass aus diversen Interessen die Situation in der Eurozone oftmals schlechter bewertet wird als in den USA, was hierzulande natürlich weder gut ankommt, noch für den Euro gut ist.

Ist eine Art Panikmache am Finanzmarkt. Problematisch ist, dass neben der Steuerung des weltweiten Finanzmarktes nicht öffentlich gemacht wird, wie die Bewertung zustande kommt. So ist es eben möglich, den Euro abzuwerten und dem gemeinen BILD Leser noch mehr Angst zu machen.

Im Moment wird imo auch diskutiert, in Europa Ratingagenturen zu schaffen, die dann zumindest die Situation in den USA (die ja fast genauso pleite sind wie viele europäische Staaten) "echter" zu bewerten.


Meiner Meinung nach ist das alles sehr sehr kritisch, und ich finde es generell sehr suspekt, wie ein paar Finanzmakler mit wahrscheinlich fragwürdigem Charakter so viel Einfluss haben können....
 
Auf NTV.de gibt/gab es mal einen Artikel über die "drei Übel" in dem stand, dass die keine anderen Informationen zu Verfügung besitzen als eigentlich jeder andere Mensch mit nem DSL Anschluss auch.

Link: http://www.n-tv.de/wirtschaft/kommentare/Entmachtet-die-Agenturen-article3744426.html

Es hat halt auch was von Selbsterfüllender Prophezeihung wenn Portugal von AAA auf Ba2 herabgestuft wird mit der Begründung das sie bald eine zweite Finanzspritze bekommen KÖNNTEN! Das das bei einer solchen Risiko Bewertung zwangsläufig kommen muss zeigt für mich die Sinnlosigkeit solcher Unternehmen.

@Grimnok
Es gibt ja ne Ratingargentur in Europa, Eurorating irgendwas, (Stand auch auf NTV nur den Artikel finde ich nicht mehr) die haben Amerika mit glaube ich nur noch A+ bewertet nur auf die hört keiner.
 
Zuletzt bearbeitet:
Das Problem nennt sich Vertrauen. Die Investoren vertrauen den USA einfach noch das sie ihre Schulden zurück zahlen können, beim "Bunga Bunga" Italien z.B. sieht das dann doch wieder anders aus. Obwohl beide Staaten über eine ähnliche Verschuldung gemessen am BIP besitzten, gibt es einfach viel weniger Anleger/Investoren die Vertrauen in eine solche Chaosregierung besitzten.
 
[QUOTE Chaosregierung besitzten.[/QUOTE]

Ich tippe bei Berlusconi auf Slaanesh, würde passen, Eitelkeit, BungaBunga usw.
lg A_F

Das Problem nennt sich Vertrauen. Die Investoren vertrauen den USA einfach noch das sie ihre Schulden zurück zahlen können, beim "Bunga Bunga" Italien z.B. sieht das dann doch wieder anders aus. Obwohl beide Staaten über eine ähnliche Verschuldung gemessen am BIP besitzten, gibt es einfach viel weniger Anleger/Investoren die Vertrauen in eine solche Chaosregierung besitzten.

würde bei Berlusconi ja auf Slaanesh tippen🙄
lg
A_F
 
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Die Abgesänge auf die Ratingagenturen sind allerdings nur teilweise richtig.

Weitflächig versagt haben diese fraglos in der Subprimekrise, als sich nachher als wertlos herausstellende Anleihen immerzu hohe Wertungen erhielten und den Weg zum kollabierenden Immobilienmarkt ebneten. Hier hat sich denn auch eine starke Kritik entfacht, dass die einheimischen Produkte tendentiell besser bewertet werden - zurecht.

Die Proteststürme in der letzten Zeit beziehen sich allerdings auf die Abwertung Griechenlands (und hier insbesondere auf das Szenario, dass die Ratingagenturen schon angekündigt haben, griechische Staatsanleihen auf "Default", also Zahlungsausfall, zu setzen, wenn eine Umschuldung mit den damit einhergehenden Schuldenschnitten erfolgen sollte - darum tun sich die EU-Finanzminister auch so schwer, das in die Tat umzusetzen, denn das EZB-Regelwerk verbietet es, derartige Ramschanleihen im Portefeuille zu halten; gleichwohl sind diese Mindestanforderungen nun schon zweimal aufgeweicht worden, gut möglich also, dass auch das noch ermöglicht wird) und nun Portugals, das, wie schon erwähnt, auf einen Schlag vier Stufen heruntergesetzt wurde. Nur: selbst eine unabhängige europäische Agentur (dazu später noch ein paar Worte) hätte das tun müssen. Es ist schlichtweg unredlich, den Ratingagenturen vorzuhalten, in der Vergangenheit zu gnädige Bewertungen abgegeben zu haben, aber gleichzeitig zu fordern, dass Staaten, die unter europäischen Rettungsschirmen stehen, davon auszunehmen oder nur günstigste Bewertungen auszuschreiben. Es ist zumindest nicht auszuschließen, dass Portugal trotz der Sparanstrengungen der neuen Regierung Coelho noch in größere Nöte kommt - das zu berichten ist kein Verbrechen. Abgesehen davon wird es meines Wissens für die europäischen Mindestanforderungen so gehandhabt, dass zur Bewertung die beste Wertung der drei Agenturen herangezogen wird, hier hat lediglich Standard & Poor's eine Abwertung vorgenommen, also bleiben noch die günstigeren Einschätzungen von Fitch und Moody's.

Nun zu den Alternativen. Der EU-Binnenmarktkommissar Barnier ist mit der oben skizzierten Idee aufgekommen, Bewertungen, die unter Schutzschirme stehende Staaten betreffen, zu verbieten (wie das juridisch umgesetzt werden soll, steht wohlfeil dahin), die EU-Justizkommissarin (!) Reding fordert gar, die Agenturen zu zerschlagen, um sechs neue daraus zu formen.
Abgesehen von der offensichtlichen Nervosität, die da zutage kommt, ist ein Grundgedanke nicht falsch: drei Ratingagenturen sind geradezu ein Paradebeispiel für ein Oligopol. Ob es sinnvolle Abhilfen gibt, ist die andere Sache. Eine europäische Ratingagentur, die auch noch mit der EU assoziiert wäre, hätte keine andere Funktion als eine stabilisierende, ganz auf Kosten der Redlichkeit. Man kann von den drei bestehenden Institutionen halten, was man will, aber politisch willfährig sind sie in der Tat nicht (das spiegelt sich schon darin, dass sämtliche bewerteten Anleihen von dem entsprechenden Emittenten in Auftrag gegeben worden, d.h. auch Griechenland und Portugal als Auftraggeber sind derart schlecht weggekommen), wohl voreingenommen, bisweilen geradezu sträflich nachlässig, aber nicht abhängig. Diese Form der Abhängigkeit allerdings müsste geradezu Bedingung für die Konstruktion einer europäischen Agentur sein, wie wir an den Aussagen prominenter Politiker erfahren - wozu das führt, sehen wir derzeit eindrucksvoll an der EZB selber.
Ob es ferner überhaupt möglich ist, das Oligopol aufzubrechen, muss Zweifeln unterliegen. Die drei bisherigen Vertreter sind samt und sonders Traditionsunternehmen, die trotz allem überdurchschnittlich oft richtig lagen und so den Einfluss auf die Anleger ausüben konnten, der den berüchtigten Ruf festigte - ob nun neu gegründete Agenturen überhaupt zu anderen Ergebnissen kämen und diese auch noch marktwirksam platzieren könnten, darf man skeptisch sehen. Ich bin auch nicht zufrieden mit dem lemmingartigen Verhalten der Anleger, aber dieses als Grundkonstante genommen, hülfe die Schaffung von Konkurrenz in diesem Sektor auch nicht viel weiter, jedenfalls nicht kurz- und mittelfristig.

Im Endeffekt gilt also: der Überbringer der Nachricht muss für den Inhalt derselben nicht geköpft werden. Die bisherigen Strategien zur Schuldenkrise in den PIIGS-Staaten waren und sind evidentermaßen falsch, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen katastrophal. Hier Bestnoten zu vergeben, käme einem Täuschungsversuch gleich. Zumal die Politik nicht weisungsabhängig ist von den Ratingagenturen, wenn ihr ernsthaft daran gelegen wäre, könnte sie die Resultate in Kauf nehmen. Gegen die sich dadurch ausdrückenden Fakten freilich lässt sich dann nicht mehr diskutieren, eine Umschuldung ist de facto ein partieller Zahlungsausfall, in den sauren Apfel muss dann schon gebissen werden.
 
Gehst du da nicht etwas zu verständlich mit den Agenturen um?

Mir ist bewußt das man auf der einen Seite keine Kritik für das Verhalten vor der Krise üben kann, andererseits aber verlangt das sie sich bei kritsichen Ländern still verhalten.

Was mir nur sauer aufstößt, am Beispiel von Protugal, das die Agentur nicht nur Bedenken äussert das Portugal trotz des strengen Sparprogramms in eine Staatspleite rutschen könnte sondern gleichzeitig durch das massive abwertungen der Staatsanleihen das ganze Problem künstlich verstärkt.

Es ist doch so das es keinerlei Gesetzliche Regelungen gibt welche Kriterien zu welcher Wertung führen. Unter solchen Umständen ist mir das persönlich viel zu viel Willkür. Siehe Bolivien: knapp 20% Staatsverschuldung und zwar sinkende Schulden, die Wertung von S&P lautet B+.

Die Begründung lautet zwar immer, wie ich oben schon geschrieben habe, Vertrauen in die Länder aber was für Investoren sind das denn die Ländern die sich absolut übernommen haben vertrauen, anderen Ländern die eine stabile Haushaltslage besitzten und auch noch mit Geld umgehen können aber nicht.
 
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Gehst du da nicht etwas zu verständlich mit den Agenturen um?
Meinst Du verständnisvoll? Oder tatsächlich "verständlich" im Sinne der Nachvollziehung des Verhaltens?
Grundsätzlich verhält es sich so, dass die Agenturen ihre Eindrücke und Prognosen für die zukünftige Solidität der Anleihen abgeben, eine gefestigte Voraussage folglich nicht getroffen werden kann. Das machen die Agenturen allzeit deutlich - wenn die Anleger blind jedes Wort befolgen und panikartig solche Anleihen abstoßen, die Abwertungen erfahren, ist das nicht das Problem der Agenturen selber, erst recht nicht, wenn ganze Regierungen tunlichst darauf achten, den Urteilen der Agenturen entgegenzukommen. Außerdem ist das nur die logische Kehrseite davon, dass solche Länder sich Urteile von Ratingagenturen einholen lassen, um als zuverlässig dazustehen (sich also nicht einer Analyse entziehen) - wer um Kritik bittet und dafür zahlt, der bekommt sie auch.
Was mir nur sauer aufstößt, am Beispiel von Protugal, das die Agentur nicht nur Bedenken äussert das Portugal trotz des strengen Sparprogramms in eine Staatspleite rutschen könnte sondern gleichzeitig durch das massive abwertungen der Staatsanleihen das ganze Problem künstlich verstärkt.
Ich meine, dass hier Ursache und Wirkung vertauscht werden. Wenn der Kriminalpsychologe auf Basis der bisherigen Taten eines Kriminellen Bedenken äußert, dass dieser resozialisiert werden kann, beschuldigt man in aller Regel nicht den Gutachter, sondern den Delinquenten, denn dieser trägt die Verantwortung für sein Tun und dessen Folgen, nicht jener, der lediglich Einschätzungen abgibt. Der Zeitpunkt der Abwertung ist zu spät, die Abwertung als solche ist völlig gerechtfertigt.
Der bisherige Kurs gibt auch kaum ein anderes Urteil her: die Kapitalspritzen dienen dazu, vorhandene Obligationen zu tilgen, z.B. auslaufende Staatsanleihen oder etwaige Zinsen, aber der eigentliche Schuldenberg wird damit nicht abgetragen, sondern nur vergrößert resp. das Unausweichliche aufgeschoben. Objektiv hat also das entsprechende Land abgewertet, aus eigenen Kräften wird es so kaum auf die Beine kommen.
Es ist doch so das es keinerlei Gesetzliche Regelungen gibt welche Kriterien zu welcher Wertung führen. Unter solchen Umständen ist mir das persönlich viel zu viel Willkür. Siehe Bolivien: knapp 20% Staatsverschuldung und zwar sinkende Schulden, die Wertung von S&P lautet B+.
Gesetzliche Wertungen zielten nur darauf ab, zu schmeichelhaften Ergebnissen zu kommen, da vertraue ich lieber auf private Institutionen ohne politischen Druck im Nacken (notabene, nur im Komparativ, nicht etwa absolut und unumstößlich!).
Warum Bolivien so schlecht wegkommt, kann ich Dir sagen: das Investitionsklima ist spätestens seit der Regierung vom Morales völlig dahin. Es ist kein Geheimnis, dass er das venezolanische Modell bewundert und lieber früher als später auch in Bolivien umsetzen möchte, die Produktivität liegt brach. Außerdem wird dort auch eine sehr kreative Buchhaltung gepflegt, was Schulden betrifft, faktisch sind diese wohl deutlich höher. Von anderen Faktoren (Alphabetisierungsrate, überhaupt funktionierende Infrastrukturen, Korruption) erst gar nicht angefangen...
Die Begründung lautet zwar immer, wie ich oben schon geschrieben habe, Vertrauen in die Länder aber was für Investoren sind das denn die Ländern die sich absolut übernommen haben vertrauen, anderen Ländern die eine stabile Haushaltslage besitzten und auch noch mit Geld umgehen können aber nicht.
Das ist nicht von der Hand zu weisen. Der Unterschied ist aber, dass sich historisch Staaten wie die USA oder Großbritannien, das gleichfalls am Abgrund steht, als gute Schuldner erwiesen haben und die wirtschaftliche Produktivität aufbringen, ihre Verpflichtungen termingerecht zu erfüllen. Das ist beispielsweise in Lateinamerika nicht der Fall. Die Strukturanalysen bzgl. Staatsform und Ausübung derselben spielen natürlich auch eine Rolle, einem politisch instabilen Land wird keine wirtschaftliche Verlässlichkeit zugesprochen. Marktwirtschaftliche Kernregularien wie der Eigentumsschutz sind für das Vertrauen der Anleger essentiell, selbst wenn die öffentliche Verschuldung ein anderes Bild abgibt.


Mir liegt es im Übrigen fern, den Ratingagenturen für alle ihre Entscheidungen einen Persilschein auszuschreiben, ich bin sowieso kein großer Freund der Finanzwelt und dem Gebaren der Marktakteure im Allgemeinen. Ich kann aber im vorliegenden Fall keinerlei Widrigkeiten erkennen, bin sogar gegenteilig davon überzeugt, dass es der Politik gut zu Gesicht stünde, das Duckmäusertum vor den Ratingagenturen aufzubrechen und "gewagtere" Schritte einzuleiten. Die oft beklagte Macht der Agenturen allerdings rührt von der bedingungslosen Gefolgschaft her, die ihnen gezollt wird, nicht etwa von den Möglichkeiten der Agenturen selbst. Gutachten sind genauso gefährlich, wie man ihnen Bedeutung zumisst.
 
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Aus www.nebelspalter.ch (sowas wie die Deutsche "Titanic")

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