Töten durch Notwehr moralisch gerechtfertigt?

Knight-Pilgrim

Hüter des Zinns
10 Juni 2011
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Da hast du durchaus recht. Ethisch gesehen gilt die goldene Regel, was du nicht willst das man dir tut, das füg auch keinem andern zu. In einer Notwehrsituation befindet man sich aber in einer aufgezwungenen Situation. Und wenn der einzige WEg da heruas nur über die Leiche des Angreifers führt, dann ist das keineswegs verwerflich. Verwerflich wäre es, wenn man selbst diese Situation absichtsvoll herbeigeführt hat weil man es dem Gegenüber mal so richtig zeigen wollte. Darum geht es aber eigentlich nicht. Es geht um eine echte reine Notwehrsituation. Fliegen erst mal die Fäuste oder noch härtere Gegenstände, dann haben wir es nit einer anderen Form von Komunikation und Interaktion zu tun, die anderen Gesetzmäßigkeiten folgt. Unter Anderem der Gesetzmäßigkeit, dass man wohl nach Belieben einen Streit vom Zaun brechen kann, aber nicht zwingend ebenso beliebig beenden.
 

Abe

Eingeweihter
22 Juli 2004
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Vielleicht kann ja einer der Rechtskundigen sagen ob das ein Mythos ist: Aber gibt es für Waffen nicht ein "Ranking" in rechtlicher Hinsicht? Gibt es für z.B. Kampfsportler nicht noch ein paar Extraparagrafen... habe keine Zeit diesen Gerüchten, die so in meinem Umfeld hin und wieder rumgeistern, auf den Grund zu gehen... möchte eigentlich auch nicht in den Genuss einer Notwehrsituation mit oder ohne Waffe kommen ;)...
Ich bezieh mich nur auf die Kampfsportler, nicht auf die Waffen:

Es gibt keine "Extraparagraphen" für Kampfsportler, das ist genau so ein Mythos wie
"die Hände eines Schwarzgurtes zählen als gefährliche Waffe!". Wie im Thread jedoch
schon erwähnt wurde gibt es bei Notwehrhandlungen auch "gebotene Erforderlichkeit".
Das heißt man muss seine Abwehr dahingegend abwägen das sie dem Angriff
angemessen ist und muss dabei die für den Angreifer mildeste effektive Art der
Verteidigung wählen, sonst kann es als "Notwehrexzess" gewertet werden, was für
den Verteidiger dann ebenfalls strafrechtlich relevant werden kann.

Die gebotene Erforderlichkeit gilt jedoch nur solange man Zeit hat, die Situation
angemessen beurteilen zu können und in der Lage ist, die erforderliche Verteidung
abzuwägen. Wenn man also aus dem Hinterhalt angegriffen wird hatte man offen-
sichtlich keine Zeit irgend etwas abzuwägen.

Bei Kampfsportlern mit langjähriger Erfahrung ist es jedoch oft so, das von ihnen
zu einem gewissen Grad erwartet wird, das sie eine Situation deutlich schneller
einschätzen können als "normale Personen" und das sie in der Lage sind in einer
solche Situation bewusster und angemessener zu reagieren wenn es um die Wahl
ihrer Verteidigung geht.

So wurd es mir aber von einem befreundetem Juristen, mit dem ich Kampfsport
betreibe erklärt. Wie realitätsnah das ist kann ich nicht sagen, zumal Kampfsport
und ein echter Kampf auf Leben und Tod wenig gemein haben dürften.
 

Belphoebe

Grundboxvertreter
12 Februar 2014
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Wer mich nicht umbringt, ist tot, wenn ich mit ihm fertig bin.

'nuff said
:rolleyes:
Damit löst du unwillkürlich Notwehrsituationen aus, eigentlich ist diese Aussage als Drohung zu werten. Das kann die Einweisung in geschlossene Einrichtungen nachsichziehen, einen derartigen Blödsinn in die Öffentlichkleit zu prusten. Besonders mit "'nuff said" als Pointe...
 

Rene von Carstein

Tabletop-Fanatiker
1 März 2002
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Das Problem ist, die Notwehr immer vor sich selbst rechtfertigen zu müssen. Niemand kann pauschal "ja" oder "nein" sagen. Ich würde sogar behaupten, dass jeder dazu fähig wäre. Genauso würde jetzt jeder sagen, dass er niemals einen Menschen essen würde. Aber wer will dafür die Hand ins Feuer legen, dass das auch dann gilt, wenn man kurz vorm Hungertod irgendwo in der Wüste ist

Notwehr ist mMn moralisch grenzwertig, aber im Ausnahmefall gerechtfertigt, so lange man immer daran denkt, dass man nicht nur ein Leben rettet, sondern auch ein anderes nimmt.
 

Knight-Pilgrim

Hüter des Zinns
10 Juni 2011
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Notwehr ist mMn moralisch grenzwertig, aber im Ausnahmefall gerechtfertigt, so lange man immer daran denkt, dass man nicht nur ein Leben rettet, sondern auch ein anderes nimmt.

Notwehr ist nie moralisch grenzwertig sondern gutes Recht(ethisch gesehen). Uneingeschränkt. Denn Notwehrsituationen stellen schon einen Grenzfall dar. Ich finde es auch ein wenig abwegig, immer und sofort in einer Diskussion die Tötung des Angreifers in einer Notwehrsituation ins Spiel zu bringen. Denn dies dürfte in unseren Breitengraden eher die Ausnahmesituation unter den Ausnahmesituationen darstellen. Wenn ich angegriffen werde, werde ich mein Möglichstes versuchen, irgendwie heil rauszukommen. Das ist meine einzige Prämisse. Wenn dies bedeutet, dass ich ein LEben nehmen muss, ist dies mit eingeschlossen. Aber ganz bestimmt nicht erstes Mittel. Ohne mit dem gesetzlichen Gebot der Verhältnismäßigkeit zu kommen, ist dies auch vernunftmäßig zu begründen. Wenn ich nämlich als Primärziel die Auslöschung des Gegners annehme, heißt das, dass zwangsläufig die Selbsterhaltung in der Priorität nach hinten rutscht oder anders ausgedrückt, wenn ich mich darauf versteife, den Gegner zu töten, laufe ich Gefahr, meinen Eigenschutz zu vernachlässigen.
 

marneus-KARLgar

Betrayer
1 März 2010
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Wenn ich nämlich als Primärziel die Auslöschung des Gegners annehme, heißt das, dass zwangsläufig die Selbsterhaltung in der Priorität nach hinten rutscht oder anders ausgedrückt, wenn ich mich darauf versteife, den Gegner zu töten, laufe ich Gefahr, meinen Eigenschutz zu vernachlässigen.


Tatsächlich gibt es diese Überlegungen auch im Strafrecht: fehlt der so genannte Verteidigungswille, kann die rechtfertigende Notwehr gänzlich entfallen (und damit doe Rechtswidrigkeit sowie möglicherweise die Strafbarkeit bejaht werden).
Das ist aber umstritten. ;)
 

Rene von Carstein

Tabletop-Fanatiker
1 März 2002
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Mit grenzwertig meinte ich, dass man den Begriff "Notwehr" zu oft missbraucht. Denkt mal an den farbigen Jugendlichen in den USA, der von der Polizei erschossen wurde, obwohl er unbewaffnet war. Oder die Sache mit dem Deutschtürken, der in eine Falle gelockt und ebenfalls erschossen wurde. In beiden Fällen wollte man Notwehr geltend machen. Dabei ist das Maß der Verhältnismäßigkeit jedoch völlig missachtet worden. Das war keine Notwehr, das war Mord. Und wer selbst mal in ne Notsituation kommt, kann auch nicht garantieren, dass er den schmalen Grat der angemessenen Reaktion auf die Bedrohung des eigenen Lebens verlässt.
 

Knight-Pilgrim

Hüter des Zinns
10 Juni 2011
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Da stimme ich dir zu. Nur wenn man von der moralischen Rechtfertigung( nicht der juristischen) spricht, ist die behauptete Notwehr oder gar willentlich durch Provokation herbeigeführte Bedrohungssituation meiner Ansicht nach auszuschließen. Denn die ist a priori abzulehnen. Es geht um echte unmittelbare Bedrohung für Leib und Leben.
 

Rene von Carstein

Tabletop-Fanatiker
1 März 2002
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Dann wäre mir mein Leben wichtiger als das des "Feindes". Wenn ich glaube, er will mich umbringen, dann würde ich versuchen, ihn daran zu hindern. Das muss nicht heißen, dass ich ihn töten würde. Man kann einen Angreifer schon mit ganz anderen Mitteln aufhalten, wenn es die Situation zulässt. Es müsste schon echt krass zugehen, dass ich gezielt seinen Tod verursachen würde. Genauso wie das Thema Notwehr könnte man das Thema Rache und Selbstjustiz aus diskutieren. Jeder würde sagen : "ich doch nicht", aber was würdest du tun, wenn dein Kind von jemandem brutal umgebracht wird? Du kannst nicht garantieren, dass du diesen Menschen am Leben lassen würdest. Und das wäre zweifelsfrei moralisch verwerflich. Man muss sich immer bewusst sein, dass man das Töten eines Menschen nicht mehr zurücknehmen kann. Von daher sollte man mit dieser Entscheidung sorgsam umgehen und immer überlegen t, wie weit man zu gehen bereit ist.
 
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Knight-Pilgrim

Hüter des Zinns
10 Juni 2011
2.840
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Dann wäre mir mein Leben wichtiger als das des "Feindes". Wenn ich glaube, er will mich umbringen, dann würde ich versuchen, ihn daran zu hindern. Das muss nicht heißen, dass ich ihn töten würde. Man kann einen Angreifer schon mit ganz anderen Mitteln aufhalten, wenn es die Situation zulässt.

Meine Rede.

Genauso wie das Thema Notwehr könnte man das Thema Rache und Selbstjustiz aus diskutieren.

Das könnte man schon und meines Erachtens wahrscheinlich mit mehr Konfliktpotential als bei reiner Notwehr. Man sollte nur tunlichst vermeiden, dies durcheinander zu wirbeln. Denn Rache oder Selbstjustiz sind nicht dasselbe wie Notwehr, wobei das bei Selbstjustiz ein fließender Übergang ist.

Man muss sich immer bewusst sein, dass man das Töten eines Menschen nicht mehr zurücknehmen kann. Von daher sollte man mit dieser Entscheidung sorgsam umgehen und immer überlegen t, wie weit man zu gehen bereit ist.

Wohl wahr nur stelle ich mal die Behauptung auf, dass in einer echten Notwehrsituation kaum Zeit bleibt, Güterabwägung vorzunehmen. Wenn man dazu körperlich und mental dazu in der Lage ist, wird man das Nötige tun, um die Situation in den Griff zu bekommen. Das kann!!! auch bedeuten, evtl. töten zu müssen, muss es aber nicht. Ich denke, in diesem Falle wird das durch die Stituation diktiert und durch nichts sonst.

Was die Rache angeht, sie macht Geschehenes nicht ungeschehen. Das Kind aus deinem Beispiel wird dadurch nicht lebendig, indem ich den Täter zur Strecke bringe. Im Rahmen eines Rechtsstaates, der Tötungsdelikte sanktioniert, besteht auch kein Grund, dies zum Zwecke der GEfahrenabwehr selbst in die Hand zu nehmen.