Bericht des Munitorums über den Wert der Beiträge Gotfrieds zu den Streitkräften des geheiligten Imperators:
Werter Administrat Lagus,
Auf Ihr Ansinnen hin habe ich die Welt namens Gotfried ein halbes Jahr lang bereist und auch einen Teil ihrer Truppen in der Kampfzone beobachtet, um einen umfassenden Eindruck von Organisation und Vorgehensweise sowohl der Streitkräfte als auch der Verwaltung zu erhalten. Im Anhang finden Sie die wichtigsten Auszüge meines Berichtes, den ich Ihnen in der vollständigen Fassung demnächst zusenden werde.
Ich hoffe, meine Recherchen sind zu Ihrer Zufriedenheit verlaufen.
Gelobt sei der Imperator!
Adept Gousmer
+++++++++++++Anhang 1+++++++++++++
Gesellschaftsstruktur:
Gotfried weist eine feudal organisierte Gesellschaft auf. Vergleichsweise wenige Adlige beherrschen eine breite Masse an Leibeigenen, die sie als Arbeitskräfte für alle Belange einsetzen.
Interessant ist, dass Gotfrieds Gesellschaft auf halbem Weg zur Industrialisierung stecken geblieben zu sein scheint. Üblicherweise hört ein Feudalsystem auf zu existieren, wenn die Industrialisierung einer Welt zunimmt und der allgemeine Wohlstand derart steigt, dass auch die einfache Bevölkerung genügend Mittel erwirtschaften kann, um nicht mehr von der Gunst ihres Herrn abhängig zu sein. Auf bisher nicht geklärte Weise kam es jedoch im vorliegenden Fall dazu, dass das Feudalsystem mit Industrialisierung und Verstädterung wuchs und auf die neuen Verhältnisse übertragen wurde. So gibt es auf Gotfried in den Bevölkerungszentren sog. Stadtadelige, die anstelle von Landgütern Fabriken, Geschäfte, Straßenzüge usw. besitzen, deren Arbeiter und Bewohner ihre Leibeigenen sind.
Ich rege eine genauere Untersuchung dieses Phänomens an. Mit besseren Kenntnissen der Ursachen ließe sich eine derartige Entwicklung möglicherweise auf noch nicht industrialisierten Feudalwelten forcieren, was den unzweifelhaften Verwaltungsvorteil einer feudalen Gesellschaft auf diesen Planeten erhalten würde.
Die oben erwähnte Struktur der Leibeigenschaft setzt auch in der Organisation der lokalen Streitkräfte fort. Gotfried nutzt ein sehr unbürokratisches System der Rekrutierung, in dessen Rahmen jeder Adlige verpflichtet ist, einen bestimmten Anteil seiner Leibeigenen, gemessen an der Größe seines Besitzes, jedes Jahr an die Armee zu überschreiben. Bevorzugt übergeben werden Leibeigene, die schon mindestens ein männliches Kind gezeugt haben, um Nachwuchs sicherzustellen. In der Folge geht das Eigentum an den Leibeigenen auf die Armee und damit auf die Offiziere über. Da Leibeigene kein eigenes Eigentum haben können, sie sind schließlich selbst Eigentum, herrscht im Gotfrieder Militär eine recht eigenwillige Methode der Ausrüstung der Truppen vor, die ich mich hier zu erläutern genötigt sehe.
Wie schon erwähnt, ist der gemeine Gotfrieder Soldat Eigentum seines vorgesetzten Offiziers.
Folglich ist jeder Ausrüstungsgegenstand dieses Mannes (sein Gewehr, Bajonett, Spaten, aber auch jede Granate, Essensration, die Munition usw.) Eigentum des Vorgesetzten. Verliert ein Soldat seine Ausrüstung, muss er sich diese bei seinem Offizier von seinem eigenen Sold kaufen - eine Art Schadensersatz dafür, dass er nun neu ausgestattet werden muss. Ebenso, wenn er mehr Munition, Verpflegung oder Ähnliches zu erhalten wünscht, als die Armee ihm als Grundversorgung zubilligt.
Genau aus diesem Grund sind die gemeinen Soldaten sehr darauf aus, sich "inoffizielle" Ausrüstung vom Schlachtfeld zu besorgen, da sie für diese nichts bezahlen müssen und ihren Sold dann z.B. für mehr Essen oder Munition ausgeben können. Deshalb tragen alle der Männer ein buntes Sammelsurium an inoffiziellen Waffen und anderen Gegenständen. Unnötig zu erwähnen, dass dieses System der Funktionsfähigkeit der Truppe nicht eben zuträglich ist, da viele Soldaten mit heruntergekommener oder inoffizieller Ausrüstung auskommen müssen.
Das ganze setzt sich auch auf höherer Ebene fort. So muss sich z.B. der Batteriechef einer Kompanie Munition oder Artilleriegeschütze, die den normalen Bedarf übersteigen, bei seiner nächsthöheren Stelle kaufen.
Der Sinn des ganzen Systems scheint zum einen sein, den Adligen Offizieren, die ja neben dem Sold keine Einnahmequelle haben (in die Armee einzutreten bedeutet, die eigenen Besitzungen auf Gotfried aufzugeben), eine zusätzliche Möglichkeit zu geben, ihren Verdienst ein wenig aufzubessern.
Zum anderen soll mit dieser Vorgehensweise wohl sichergestellt werden, dass die jeweiligen Offiziere mit Nachschubgütern und Ersatzausrüstung nicht zu verschwenderisch umgehen.
Des weiteren ist der Militärdienst darauf ausgelegt, Adligen die Möglichkeit zu geben, sich genügend zu verdienen, um ihre bisherige gesellschaftliche Stellung nach ihrer Rückkehr auf die Heimatwelt zu verbessern. An erfolgreiche Kommandeure können neben dem recht beachtlichen Sold Belohnungen in Form von Land vergeben werden. Schließlich ist Gotfried eine hoch militarisierte Welt (zumindest, was die Oberschicht anbetrifft) und der Dienst in der Armee bringt hohes Ansehen und Prestige. All das macht die Offizierskarriere auch für niedere Adlige und die Söhne mächtiger Grundbesitzer, die in der Erbefolge zu weit hinten an stehen, sehr attraktiv.
Auswirkungen auf die operative Effektivität hat das oben beschriebene System nicht zwangsläufig, was sich aus der taktischen Doktrin des Gotfrieder Militärs erklärt, die ich weiter unten erläutern werde.
Wirtschaftliche Leistungsfähigkeit:
Gotfried ist trotz seines Feudalsystems eine in weiten Teilen industrialisierte Welt, die über eine beeindruckende Produktion von Gütern aller Art verfügt. Vor allem die Rüstungsindustrie ist sehr gut entwickelt und fertigt sogar einen Überschuss an Panzern, Geschützen und Munition, der dazu genutzt werden kann, Regimenter anderer Welten zu beliefern.
Bedauerlicherweise sind diese Erzeugnisse von minderer Qualität, was sowohl Technologiestufe als auch Verarbeitung anbetrifft. Als Beispiel kann die lokale Variante des verbreiteten Leman Russ-Kampfpanzers dienen. Bisher gelang es der Rüstungsindustrie Gotfrieds nicht, einen funktionsfähigen Drehkranz zu produzieren, der den Bau eines Panzerturmes ermöglicht. In der Folge muss das Hauptgeschütz des Fahrzeuges in die Front des Rumpfes eingebaut werden, was dem Panzer einen Gutteil seiner Flexibilität nimmt und ihn gerade in beengten Kampfgebieten wie Städten anfällig macht. Auch das für die Panzerung verwendete Metall ist von minderer Qualität, was dazu führt, dass mehr Material benötigt wird, um einen moderner Panzerung vergleichbaren Schutz zu gewähren. Die damit verbundene Gewichtszunahme des Fahrzeuges schlägt sich in einer geringeren Geschwindigkeit und Manövrierfähigkeit nieder.
Ebenfalls werden auf Gotfried keine komplizierten Energiewaffen, abgesehen von Lasergewehren, -kanonen und Pistolen, produziert. Daher finden sich in den Reihen der Regimenter dieser Welt kaum Waffen wie Plasmawerfer oder Melter. Dennoch sind die Soldaten durchweg so ausgerüstet, dass jeder über eine eigene Waffe verfügt.
Bündniswert:
Während meines Aufenthalts bei den Fronttruppen während der Säuberung von Borea III sprach ich auch mit den Stäben der den Gotfrieder Streitkräften benachbarten Verbände. Nahezu einhellig wurde von diesen auf meine direkte Anfrage hin der Bündniswert der Gotfrieder grundsätzlich in Frage gestellt.
Aus eigener Erfahrung kann ich bestätigen, dass die Gotfrieder Offiziere von ihrer Mentalität her eigensinnig und den meisten Vorschlägen gegenüber erschreckend beratungsresistent sind. Sie wollen weder Hilfe in Form von Technologie noch taktische Ratschläge akzeptieren. Sie stehen allem, was nicht von ihrer Welt stammt (insbesondere Technologie) extrem skeptisch gegenüber, weisen aber zugleich einen an Arroganz grenzenden Stolz auf ihre Herkunft und ihre Welt auf. Dieser Zug macht es schwierig, sie mit anderen Verbänden zusammenarbeiten zu lassen, die ihnen gegenüber praktisch sofort eine ablehnende Haltung einnehmen. Auch der Charakter der Gotfrieder Soldaten, die praktisch nicht zu eigenständigem Handeln in der Lage sind und sich in ihrer Abhängigkeit von ihren Offizieren eklatant von den Soldaten vieler anderer Welt unterscheiden, macht eine Kooperation auf den unteren Befehlsebenen schwierig bis nahezu unmöglich.
Als effektiv hat sich daher erwiesen, die Gotfrieder Truppenteile in einem Kampfverband als separate Gruppe zu formieren und sie strikt getrennt von Verbänden anderer Welten einzusetzen. Da die kleinste Gotfrieder Armeegruppe in der Regel eine Division ist (etwa zwölftausend Mann plus Hilfskräfte), stellen auch breiter angelegte Operationen kein Problem dar.
Eine Gotfrieder Division ist schon von ihrer Konzeption her darauf ausgelegt, selbstständig operieren zu können und ihre einzelnen Teilkräfte sind ausreichend mit Fahrzeugen, Artillerie und teilweise sogar Flugzeugen ausgerüstet. Auf Borea III konnte ich beobachten, dass eine unabhängig operierende Gotfrieder Division durchaus zur Erreichung der ihr auferlegten Ziele in der Lage ist. Daher komme ich zu dem Schluss, dass die Streitkräfte Gotfrieds eine sinnvolle Ergänzung in einer imperialen Kampfgruppe darstellen können, solange man es vermeiden kann, sie mit anderen Verbänden in zu engen Kontakt zu bringen. Dies sollte jedoch kein Problem sein, denn bisher stellte sich dieser Zustand meist schon auf Anregung der Kommandeure vor Ort ein.
Taktische Doktrin und Einsatzmöglichkeiten:
Aufgrund der konservativen Einstellung der Gotfrieder Offiziere, die auf deren Ausbildung in speziellen Offiziersschulen zurückgeht, bevorzugen Streitkräfte dieser Welt eine recht antiquierte Form der Kriegsführung. Das Gotfrieder Militär verlässt sich in der Hauptsache auf eine Masse einfacher Infanteristen, die aus einer statischen Stellung heraus den Gegner durch Abnutzung besiegen sollen. Diese Philosophie führt meistens zum Beginn eines Stellungskampfes, der die beiden wichtigsten Punkte der Gotfrieder Taktik (Festhalten des Gegners und Einrichten einer eigenen, starken Defensive, aus der heraus operiert werden kann) in sich vereint.
Daher sind Gotfrieder Divisionen nur verhältnismäßig spärlich mit Panzern oder mobilen Elementen wie Truppentransportern ausgerüstet. Für mobile Infanterie oder die Panzerwaffe gibt es keine eigenen Waffengattungen im Gotfrieder Militär, vielmehr sind sie den Infanteriekompanien zugeteilt und Infanterieoffizieren direkt unterstellt. Um dies auszugleichen, verfügen die Regimenter jedoch über einen hohen Anteil nicht mobiler Feldgeschütze.
Wie sich daraus leicht erkennen lässt, sind Gotfrieder Kampfgruppen nicht zur Bekämpfung eines hoch mobilen Feindes geeignet, von dem sie leicht ausmanövriert werden können. Dazu trägt auch die Befehlsstruktur bei, die stärker als in den Armeen anderer Welten streng hierarchisch aufgebaut ist. Den einzelnen Offizieren der unteren Befehlsebenen bleibt darin nur ein sehr enger Spielraum, Eigeninitiative zu zeigen, vor allem, weil dafür benötigtes Gerät wie schwere Artillerie oder die meisten Panzer direkt dem Divisionskommando unterstellt sind. Anforderungen und Befehle müssen daher den kompletten Kommunikationsstrang vom Frontoffizier über die übergeordneten Befehlsstellen (Regiment, Bataillon, Division) und wieder zurück ablaufen, bevor gehandelt werden kann. Dies macht schnelle Reaktionen auf eine sich plötzlich verändernde Lage praktisch unmöglich.
Deshalb liegen die Stärken einer Gotfrieder Kampfgruppe im Ausfechten eines Kampfes in festen Stellungen, wie er sich vor allem bei Belagerungen ergibt. Vornehmlich dort sollten sie auch eingesetzt werden, um eine maximale Effektivität zu gewährleisten.
Streitkräfte dieser Welt sollten vor allem dort zum Einsatz kommen, wo sich andere Verbände wegen schlechter Bedingungen (z.B. starker feindlicher Widerstand, hohe Verluste, schlechte Versorgung) nicht besonders gut schlagen. Wir haben schon oft die bedauerlich Neigung kommandierender Offiziere zum Zaudern erlebt, wenn sie befürchten müssen, hohe Verluste unter ihren Männern zu erleiden. Kommissare können hier nur begrenzt Abhilfe schaffen.
Der Einsatz eines Gotfrieder Verbandes eröffnet hier neue Möglichkeiten. Da die Offiziere ihre Soldaten als Eigentum, ähnlich einem Ausrüstungsgegenstand, betrachten, haben sie keine Schwierigkeiten damit, sie so lange in die Schlacht zu werfen, bis der Sieg durch Abnutzung errungen ist. Diese Truppen müssen nur äußerst selten zum Angriff gedrängt werden. Die unvermeidlichen Verluste kann eine bevölkerungsreiche Welt wie Gotfried leicht ersetzen.
Schlussfolgerung:
Trotz der vergleichsweise schlechten und veralteten Ausrüstung, sowie dem zweifelhaften Kampfwert des einzelnen Soldaten und der beschränkten Kooperationsfähigkeit mit anderen Verbänden können Gotfrieder Armeegruppen eine durchaus nützliche Verstärkung für die Truppen unseres geheiligten Imperators darstellen. Voraussetzung ist jedoch, dass sie im richtigen Kampfgebiet eingesetzt werden. Es empfehlen sich hier vor allem Stellungskämpfe und Belagerungen, bei denen die Nachteile der Gotfrieder in Bezug auf Organisation und Ausrüstung nicht zu sehr ins Gewicht fallen.