Apophia war eine Welt der Sünde.
Ein heruntergekommener Schandfleck in der Weite des Alls, kaum wert, ein Planet genannt zu werden. Solomon hatte diesen Ort Zeit seines Lebens gehasst, sich niemals zu dessen Gesellschaft zugehörig gefühlt. Und dennoch saß er hier fest, zu einem Leben verdammt, das er nicht leben wollte. Es gab zwei nennenswerte Makropolen auf diesem heruntergekommenen Felsen: Superbia und Luxuria. Nicht einmal in der Namensgebung ihrer Städte hatten die verdorbenen Bewohner dieses Planeten einen Hehl aus ihrem ausschweifenden, dekadenten Leben gemacht. Fernab der wichtigen Handelsrouten wurde Apophia nur wenig Aufmerksamkeit zuteil und so kümmerte sich die imperiale Obrigkeit nicht um den Lebensstil der hiesigen Bürger. Der imperiale Glaube wirkte hier eher wie ein zarter Schleier, der eine hässliche Fratze verbarg. Blickte man hinter diesen Schleier, offenbarte sich eine Welt des Lasters, der Triebhaftigkeit und des grenzenlosen Egoismus, in der jeder nur auf sich selbst und seine Begierden schaute. Solomon war anders. Der Kult des Lichtes war anders. Sie waren eine verschworene Gemeinschaft mit dem Ziel, diesen Schandfleck aus dem Weltall zu tilgen. Ein Ziel, dem sie nahe waren, sehr nahe. Der Vater hatte einen umfassenden Plan ausgearbeitet und Solomon würde eine besondere Rolle darin spielen: Er würde dem Boten Einlass gewähren. Es hatte viel Zeit gekostet, bis er sich dank der nachlässigen Behörden die Position erschleichen konnte, die er jetzt innehatte, doch bald schon würde sich sein Schicksal erfüllen. Mit einem Lächeln zündete er die Triebwerke des Shuttles nahm Kurs auf die Orbitalstation „Typhon“.
Der Bote hatte sich bereits an zahlreichen Opfern gelabt und dabei viel über die dominante Beutespezies dieser Welt gelernt. Die meisten der Menschen waren schwach. Sie würden keine Bedrohung für die Mutter und ihre bald eintreffenden Kinder darstellen, waren lediglich Biomasse, reif für die Ernte. Doch es gab auch andere, eine Art Wächter, welche die Herde beschützte. Mit Klauen aus Metall und Waffen, die den Tod auf Entfernung spucken konnten, waren sie eine ernsthafte Gefahr. Die Sozialstruktur dieser Spezies war komplex, doch das Lied des Vaters half ihm, die Zusammenhänge zu verstehen. Er musste in den Bauch einer von Menschen gebauten Bestie vordringen, die außerhalb des Planeten lauerte. Sie würde sonst das Eintreffen der Mutter behindern, zu einem unnötigen Verschleiß an Ressourcen führen. Dorthin musste der Bote.
In dem Moment, in dem die Wucht der Beschleunigung ihn zu Boden drückte, verstummten für einen Augenblick die Lieder des Vaters und der Mutter und der Bote spürte etwas, dass ihm bisher unbekannt war. Er spürte Furcht. Noch nie hatte er sich einsam gefühlt, doch in diesem Moment der Schwäche fühlte er sie, die Leere, welche der stetige Begleiter der Menschen war. Sie waren nicht wie er, sie waren kein Teil eines großen Ganzen. Jeder von ihnen lebte sein kümmerliches Dasein für sich alleine. Es fühlte sich schrecklich an. Dann war der Augenblick vorbei. Während der Bote in der Finsternis kauerte, wurde das Lied des Vaters leiser und jenes der Mutter lauter, bis er es in einer Klarheit wie noch nie zuvor vernahm. Er lauschte ihrem Gesang, spürte ihren Hunger. Schon bald würde sie diese Welt verschlingen.
Ein sardonisches Grinsen umspielte Solomons Lippen, als er auf den Annäherungskurs zur Typhon-Station einschwenkte. Noch nie hatte er das Leben auf Apophia gemocht. Und nun, da er sich im All befand, eine Flucht in Reichweite gelangt war, spielte sie gar keine Rolle mehr. Er war ausgebildeter Pilot, frei zu fliegen, wohin er wollte. Doch er war für Höheres bestimmt. Beim Anflug tauschte er belanglose Formalitäten mit dem Deckoffizier der Typhon aus. Dutzende Male hatte er diese Prozedur schon heruntergeleiert, es war immer das Gleiche. Wie langweilig das Leben der Menschen doch für ihn geworden war. Endlich war es so weit, er hatte die Andockvorrichtung erreicht. Beim Entladen würde es keine Probleme geben. Der Kult des Lichtes hatte eine Handvoll Agenten auf der Station. Zu wenige, um sie ohne Hilfe des Boten zu übernehmen, doch genug, um den Plan auszuführen. Der Bote würde unbemerkt an Bord gelangen, genauso wie der Inhalt der Frachtcontainer. Nachdem die Ladung gelöscht worden war und er grünes Licht von der Brücke der Typhon erhielt, machte er sich auf den Rückweg. Dieses Mal freute er sich, als der Planet wieder in sein Sichtfeld rückte. Grün und Blau leuchtete Apophia in der Schwärze des Alls mit seinen weiten Meeren und seiner üppigen Vegetation, deren überraschend sprunghaftes Wachstum derzeit die Newsfeeds der lokalen Presse beherrschte. Selbst die Lichter von Superbia wirkten schön von hier oben. Doch sie würden nicht mehr lange leuchten.
Als sich die Frachtschleuse mit einem Zischen öffnete, hing der Bote dank der kleinen Saugnäpfe an seinen Handinnenflächen an der Decke, hatte die Pigmentierung seines Exoskelettes abgestimmt und war praktisch unsichtbar. Die Männer und Frauen, die unter ihm mit Gerätschaften die Kisten abtransportierten, sahen wie gewöhnliche Menschen aus, doch sie gehörten zum Rudel – er konnte es riechen, sah es an ihrer Aura. Auch sie spürten seine Anwesenheit und der menschliche Rest in ihrem Wesen fürchtete, was er war. Dennoch fuhren sie mit ihrer Arbeit fort, während er sich lautlos an der Decke entlang bewegte. Er passierte die Schleuse, danach eine in Dämmerlicht getauchte Halle und deren Ausgang, passte seine Okularorgane an die neue Helligkeitssituation eines schummrigen Ganges an und begab sich in den Bauch der Bestie, welche das Eintreffen von Mutter behinderte. Wie so vieles, was die Menschen erschufen, bestand auch die Bestie aus Metallen, nicht aus lebendem Gewebe. Dies erschwerte dem Boten eine geräuschlose Fortbewegung, machte sie jedoch nicht unmöglich. Er ließ seine Krallen ein wenig aufweichen, ließ sich von der Decke fallen und schlich weiter, während er begann, den Lockstoff zu verteilen.
Mit seinen Sinnen, um ein Vielfaches stärker als die von Menschen, nahm er die sanften, rhythmischen Vibrationen wahr, die fortwährend den Boden und die Wände der Station durchliefen. Dennoch spürte er auch die Schritte seiner Beute. Die beiden Menschen hinter der Biegung des Ganges hörte und roch der Bote, lange bevor er sie sehen konnte. Sie gaben ein ungesundes Aroma ab, offenbar waren ihre Körper mit einer gegorenen Flüssigkeit verunreinigt. Der Bote extrapolierte die Situation und wertete das Wissen aus, welches er von früheren Opfern gewonnen hatte. Die Flüssigkeit würde die Menschen schwach und unvorsichtig machen, stellte für seinen Organismus jedoch keine Gefahr dar. Von hinten pirschte er sich an sie heran, während sie lautstark kommunizierten und schwankend vorwärts liefen. Zufrieden stellte der Bote fest, dass die Opfer unbewaffnet, ohne Schutzausrüstung und in ihrer orangefarbenen Kleidung leicht zu sehen waren. Dann ging alles sehr schnell. Mit einem Sprung war er bei ihnen, sein bewusstes Denken setzte aus und der Bote ließ dem Drang zu Töten freien Lauf. Seine linke Hand zerquetschte kurzerhand den Kopf des einen Menschen, mit den Klauen der rechten fuhr er in die Kehle des anderen, machte es diesem unmöglich, zu schreien. Ein Ausstoß hypnotischer Sporen minimierte die Qualen des Opfers, gewährleistete eine reibungslose Extraktion. Der Bote zog die Beute zu sich heran, brach mit einer Muskelkontraktion seiner Sondierungstentakel dessen Schädeldecke auf und drang mit einem Gefühl des Genusses in sein Gehirn ein. In einem einzigen Augenblick zog das gesamte Leben des Menschen an ihm vorbei und er gewann die Informationen, nach denen er gesucht hatte. Nun würde er sich im Bauch der Bestie zurechtfinden, kannte seinen Weg. Belohnungshormone durchströmten ihn, gaben ihm ein wohlig warmes Gefühl, während er den schlaffen Körper des Opfers lautlos zu Boden gleiten ließ. Mit einem sanften Vibrieren schüttelten seine cuticulären Schuppen das Blut der Beute ab, er passte den Pigmentfluss erneut an und die Tarnung des Boten war wieder perfekt. Er war zufrieden.
Ihm war bewusst, dass er mit seiner Beute großes Glück gehabt hatte. Der Mensch hatte viele verborgene Wege gekannt, schmale Röhren, die sich wie Adern durch den Bauch der Bestie zogen. Dieses Wissen würde ihm nun von Nutzen sein. Dennoch war Eile geboten, die Leichen würden bald gefunden werden. Nicht weit vor ihm befand sich an der rechten Wand die lamellenartige Abdeckung einer dieser Röhren. Fast beiläufig riss der Bote die Abdeckplatte aus der Wand, klappte seine Fangarme über dem Rücken zusammen und krabbelte hinein. Die Röhre verlief parallel zu dem Gang, durch den er gelaufen war, ging dann schräg nach oben, etwas nach links und führte dann an der Decke des Ganges entlang. Von Zeit zu Zeit konnte der Bote durch Gitter nach unten sehen. Als er sich an einem dieser Gitter befand, vernahm er den schwachen Geruch eines sich nähernden Menschen und das Geräusch von Schritten. Der Mensch würde keine unmittelbare Bedrohung darstellen, aber er bewegte sich in Richtung der beiden Leichen. Vorsichtig legte der Bote die Hände an das Gitter und wartete, bis das Wesen in sein Sichtfeld geriet. Bei diesem hier würde er vorsichtig sein müssen, anhand des Aussehens erkannte er ihn als Angehörigen der Wächterspezies. Letzten Endes stellte er jedoch keine Herausforderung dar. Als der Wächter sich direkt unter dem Gitter befand, brach der Bote dieses blitzschnell aus der Verankerung. Dem Menschen blieb gerade noch die Zeit nach oben zu blicken, dann schossen die Fanghaken aus dem Brustkorb des Boten, durchschlugen den Torso des vor Schreck erstarrten Opfers und zogen es nach oben, direkt in die Arme seines Meuchelmörders, der mit einem Ruck den Körper der Beute entzwei riss. In eine Wolke aus Blut gehüllt regneten Leichenteile in den Gang hinab und schlugen mit einem feuchten Klatschen auf dem Boden auf, dann herrschte wieder vollkommene Stille. Der Bote zog sich in den Lüftungsschacht zurück und setzte seinen Vorstoß in die Typhon-Orbitalstation fort.
Als kurze Zeit später das durchdringende Geräusch der Alarmsirene erklang, schob Sira mit einer tausendfach geübten Bewegung die Energiezelle in ihr Lasergewehr. Doch trotz all der Routine zitterte ihre Hand leicht. Sie war die Anführerin der Agenten des Lichtes auf der Typhon-Station. Ihr oblag die Verantwortung in dieser finalen Phase der Operation. Mit einem Nicken bedeutete sie ihren Brüdern und Schwestern, die Frachtcontainer zu öffnen. Ein simpler Akt, jedoch auch ein unwiderruflicher Schritt, ab dem es kein Zurück mehr geben würde. Synchron öffneten sich mit einem Summen die automatischen Verriegelungen von zwanzig Frachtcontainern und die Passagiere sprangen fauchend hinaus. Mit einer ehrfürchtigen Verbeugung verneigten sich die Kultisten vor den Reinblütigen, die knurrend und mit Blutdurst in den Augen ihre Umgebung taxierten, klackend die mächtigen Klauen ihrer vier Arme aneinander schlugen. Einen Wimpernschlag später hatten sie die Witterung der Pheromonspur des Boten aufgenommen und stürmten aus dem Frachtraum. Die kleine Schar Primarchen war wieder alleine. Sie waren aufgrund ihres vollkommen menschlichen Erscheinungsbildes für diese Mission ausgewählt und trainiert worden und bereit, ihr Leben für die Sache hinzugeben. Jeder kannte seine Aufgabe. Sie mussten nun schnell handeln, so lange die Ablenkung durch den Boten und die Reinblütigen anhielt. Rashad und Nahil hatten bereits begonnen, die Sprengsätze, welche ebenfalls zu dem Inhalt der Container gehört hatten, mit ruhigen, vorsichtigen Bewegungen in der Gruppe zu verteilen. Auch sie nahm ihr Paket mit einem Lächeln entgegen und schnallte es sich auf den Rücken. Zum Abschied küsste Sira jeden ihrer Brüder und Schwestern noch einmal auf die Wange, dann lösten sie ihre Versammlung auf und machten sich schweigend auf den Weg – Worte waren überflüssig, lauschten sie doch alle demselben Lied.
Als der Sturm der Revolution in der Superbia-Makropole los brach, verabschiedete Solomon sich mit einer langen Umarmung von seiner geliebten Frau Keziah und streichelte ein letztes Mal sanft über den Kopf seines wunderschönen, dreiarmigen Sohnes. Dann legte er seine gestohlene Armaplastpanzerung an, schnallte sich seinen Granatengürtel um, nahm sein Kettenschwert und seine Automatikpistole und schloss sich dem Kampf an. Die Straßen waren erfüllt von Kampfgebrüll und den Schreien der Sterbenden, während Bäche von Blut den Asphalt hinab rannen. Solomons erstes Opfer war ein verängstigter Fabrikarbeiter, der röchelnd auf ihn zu rannte, ihn vermutlich fälschlicherweise für einen imperialen Soldaten hielt. Eine Schrotladung hatte ihm bereits den halben Rücken zerfetzt, dennoch lebte er weiter, bis Solomon ihm mit einem kalten Lächeln die Automatikpistole vor das Gesicht hielt und abdrückte. Er sah, wie Männer, Frauen, Kinder, Arbites und Soldaten gleichermaßen von Reinblütigen in Stücke gerissen wurden. Er sah dreiarmige und vierarmige Hybriden, die Gewehre mit zwei Händen führten und mit ihren zusätzlichen Armen mit Schwertern, Äxten, Knüppeln oder blanken Klauen um sich hieben. Er sah Fahrzeuge und Gebäude, die unter dem Beschuss von Raketenwerfern zu Fall gebracht wurden, während Feuer das nächtliche Superbia erleuchteten. Doch das alles war nichts im Vergleich zu diesem unbeschreiblichen Augenblick, mit dem der Nachthimmel von der gewaltigen Explosion erhellt wurde, als die Typhon Station in einem Feuerball im Orbit verglühte und ihre brennenden Bruchstücke wie ein Meteorschauer auf den Planeten nieder gingen. In diesem Moment gingen tausende und abertausende Waffen und Klauen in die Höhe und die Kultisten des Lichtes schrien wie aus einer Kehle ihren Zorn hinaus in die verdorbene Welt Apophia, während das Lied des Vaters in ihren Köpfen lauter erklang als jemals zuvor. Die Apokalypse war nahe und sie waren ihre Diener.
In der endlosen Weite des Alls lauerte die Mutter, die Jägerin, die Weltenverschlingerin, sie, die nicht eine war, sondern Legion, empfing das psionische Leuchtfeuer des Patriarchen und setzte sich in Bewegung. Der Schwarm war hungrig, doch dort in der Leere leuchtete die Beute klar und hell wie ein Stern. Ein Stern, der bald erlöschen würde.
Ein heruntergekommener Schandfleck in der Weite des Alls, kaum wert, ein Planet genannt zu werden. Solomon hatte diesen Ort Zeit seines Lebens gehasst, sich niemals zu dessen Gesellschaft zugehörig gefühlt. Und dennoch saß er hier fest, zu einem Leben verdammt, das er nicht leben wollte. Es gab zwei nennenswerte Makropolen auf diesem heruntergekommenen Felsen: Superbia und Luxuria. Nicht einmal in der Namensgebung ihrer Städte hatten die verdorbenen Bewohner dieses Planeten einen Hehl aus ihrem ausschweifenden, dekadenten Leben gemacht. Fernab der wichtigen Handelsrouten wurde Apophia nur wenig Aufmerksamkeit zuteil und so kümmerte sich die imperiale Obrigkeit nicht um den Lebensstil der hiesigen Bürger. Der imperiale Glaube wirkte hier eher wie ein zarter Schleier, der eine hässliche Fratze verbarg. Blickte man hinter diesen Schleier, offenbarte sich eine Welt des Lasters, der Triebhaftigkeit und des grenzenlosen Egoismus, in der jeder nur auf sich selbst und seine Begierden schaute. Solomon war anders. Der Kult des Lichtes war anders. Sie waren eine verschworene Gemeinschaft mit dem Ziel, diesen Schandfleck aus dem Weltall zu tilgen. Ein Ziel, dem sie nahe waren, sehr nahe. Der Vater hatte einen umfassenden Plan ausgearbeitet und Solomon würde eine besondere Rolle darin spielen: Er würde dem Boten Einlass gewähren. Es hatte viel Zeit gekostet, bis er sich dank der nachlässigen Behörden die Position erschleichen konnte, die er jetzt innehatte, doch bald schon würde sich sein Schicksal erfüllen. Mit einem Lächeln zündete er die Triebwerke des Shuttles nahm Kurs auf die Orbitalstation „Typhon“.
Der Bote hatte sich bereits an zahlreichen Opfern gelabt und dabei viel über die dominante Beutespezies dieser Welt gelernt. Die meisten der Menschen waren schwach. Sie würden keine Bedrohung für die Mutter und ihre bald eintreffenden Kinder darstellen, waren lediglich Biomasse, reif für die Ernte. Doch es gab auch andere, eine Art Wächter, welche die Herde beschützte. Mit Klauen aus Metall und Waffen, die den Tod auf Entfernung spucken konnten, waren sie eine ernsthafte Gefahr. Die Sozialstruktur dieser Spezies war komplex, doch das Lied des Vaters half ihm, die Zusammenhänge zu verstehen. Er musste in den Bauch einer von Menschen gebauten Bestie vordringen, die außerhalb des Planeten lauerte. Sie würde sonst das Eintreffen der Mutter behindern, zu einem unnötigen Verschleiß an Ressourcen führen. Dorthin musste der Bote.
In dem Moment, in dem die Wucht der Beschleunigung ihn zu Boden drückte, verstummten für einen Augenblick die Lieder des Vaters und der Mutter und der Bote spürte etwas, dass ihm bisher unbekannt war. Er spürte Furcht. Noch nie hatte er sich einsam gefühlt, doch in diesem Moment der Schwäche fühlte er sie, die Leere, welche der stetige Begleiter der Menschen war. Sie waren nicht wie er, sie waren kein Teil eines großen Ganzen. Jeder von ihnen lebte sein kümmerliches Dasein für sich alleine. Es fühlte sich schrecklich an. Dann war der Augenblick vorbei. Während der Bote in der Finsternis kauerte, wurde das Lied des Vaters leiser und jenes der Mutter lauter, bis er es in einer Klarheit wie noch nie zuvor vernahm. Er lauschte ihrem Gesang, spürte ihren Hunger. Schon bald würde sie diese Welt verschlingen.
Ein sardonisches Grinsen umspielte Solomons Lippen, als er auf den Annäherungskurs zur Typhon-Station einschwenkte. Noch nie hatte er das Leben auf Apophia gemocht. Und nun, da er sich im All befand, eine Flucht in Reichweite gelangt war, spielte sie gar keine Rolle mehr. Er war ausgebildeter Pilot, frei zu fliegen, wohin er wollte. Doch er war für Höheres bestimmt. Beim Anflug tauschte er belanglose Formalitäten mit dem Deckoffizier der Typhon aus. Dutzende Male hatte er diese Prozedur schon heruntergeleiert, es war immer das Gleiche. Wie langweilig das Leben der Menschen doch für ihn geworden war. Endlich war es so weit, er hatte die Andockvorrichtung erreicht. Beim Entladen würde es keine Probleme geben. Der Kult des Lichtes hatte eine Handvoll Agenten auf der Station. Zu wenige, um sie ohne Hilfe des Boten zu übernehmen, doch genug, um den Plan auszuführen. Der Bote würde unbemerkt an Bord gelangen, genauso wie der Inhalt der Frachtcontainer. Nachdem die Ladung gelöscht worden war und er grünes Licht von der Brücke der Typhon erhielt, machte er sich auf den Rückweg. Dieses Mal freute er sich, als der Planet wieder in sein Sichtfeld rückte. Grün und Blau leuchtete Apophia in der Schwärze des Alls mit seinen weiten Meeren und seiner üppigen Vegetation, deren überraschend sprunghaftes Wachstum derzeit die Newsfeeds der lokalen Presse beherrschte. Selbst die Lichter von Superbia wirkten schön von hier oben. Doch sie würden nicht mehr lange leuchten.
Als sich die Frachtschleuse mit einem Zischen öffnete, hing der Bote dank der kleinen Saugnäpfe an seinen Handinnenflächen an der Decke, hatte die Pigmentierung seines Exoskelettes abgestimmt und war praktisch unsichtbar. Die Männer und Frauen, die unter ihm mit Gerätschaften die Kisten abtransportierten, sahen wie gewöhnliche Menschen aus, doch sie gehörten zum Rudel – er konnte es riechen, sah es an ihrer Aura. Auch sie spürten seine Anwesenheit und der menschliche Rest in ihrem Wesen fürchtete, was er war. Dennoch fuhren sie mit ihrer Arbeit fort, während er sich lautlos an der Decke entlang bewegte. Er passierte die Schleuse, danach eine in Dämmerlicht getauchte Halle und deren Ausgang, passte seine Okularorgane an die neue Helligkeitssituation eines schummrigen Ganges an und begab sich in den Bauch der Bestie, welche das Eintreffen von Mutter behinderte. Wie so vieles, was die Menschen erschufen, bestand auch die Bestie aus Metallen, nicht aus lebendem Gewebe. Dies erschwerte dem Boten eine geräuschlose Fortbewegung, machte sie jedoch nicht unmöglich. Er ließ seine Krallen ein wenig aufweichen, ließ sich von der Decke fallen und schlich weiter, während er begann, den Lockstoff zu verteilen.
Mit seinen Sinnen, um ein Vielfaches stärker als die von Menschen, nahm er die sanften, rhythmischen Vibrationen wahr, die fortwährend den Boden und die Wände der Station durchliefen. Dennoch spürte er auch die Schritte seiner Beute. Die beiden Menschen hinter der Biegung des Ganges hörte und roch der Bote, lange bevor er sie sehen konnte. Sie gaben ein ungesundes Aroma ab, offenbar waren ihre Körper mit einer gegorenen Flüssigkeit verunreinigt. Der Bote extrapolierte die Situation und wertete das Wissen aus, welches er von früheren Opfern gewonnen hatte. Die Flüssigkeit würde die Menschen schwach und unvorsichtig machen, stellte für seinen Organismus jedoch keine Gefahr dar. Von hinten pirschte er sich an sie heran, während sie lautstark kommunizierten und schwankend vorwärts liefen. Zufrieden stellte der Bote fest, dass die Opfer unbewaffnet, ohne Schutzausrüstung und in ihrer orangefarbenen Kleidung leicht zu sehen waren. Dann ging alles sehr schnell. Mit einem Sprung war er bei ihnen, sein bewusstes Denken setzte aus und der Bote ließ dem Drang zu Töten freien Lauf. Seine linke Hand zerquetschte kurzerhand den Kopf des einen Menschen, mit den Klauen der rechten fuhr er in die Kehle des anderen, machte es diesem unmöglich, zu schreien. Ein Ausstoß hypnotischer Sporen minimierte die Qualen des Opfers, gewährleistete eine reibungslose Extraktion. Der Bote zog die Beute zu sich heran, brach mit einer Muskelkontraktion seiner Sondierungstentakel dessen Schädeldecke auf und drang mit einem Gefühl des Genusses in sein Gehirn ein. In einem einzigen Augenblick zog das gesamte Leben des Menschen an ihm vorbei und er gewann die Informationen, nach denen er gesucht hatte. Nun würde er sich im Bauch der Bestie zurechtfinden, kannte seinen Weg. Belohnungshormone durchströmten ihn, gaben ihm ein wohlig warmes Gefühl, während er den schlaffen Körper des Opfers lautlos zu Boden gleiten ließ. Mit einem sanften Vibrieren schüttelten seine cuticulären Schuppen das Blut der Beute ab, er passte den Pigmentfluss erneut an und die Tarnung des Boten war wieder perfekt. Er war zufrieden.
Ihm war bewusst, dass er mit seiner Beute großes Glück gehabt hatte. Der Mensch hatte viele verborgene Wege gekannt, schmale Röhren, die sich wie Adern durch den Bauch der Bestie zogen. Dieses Wissen würde ihm nun von Nutzen sein. Dennoch war Eile geboten, die Leichen würden bald gefunden werden. Nicht weit vor ihm befand sich an der rechten Wand die lamellenartige Abdeckung einer dieser Röhren. Fast beiläufig riss der Bote die Abdeckplatte aus der Wand, klappte seine Fangarme über dem Rücken zusammen und krabbelte hinein. Die Röhre verlief parallel zu dem Gang, durch den er gelaufen war, ging dann schräg nach oben, etwas nach links und führte dann an der Decke des Ganges entlang. Von Zeit zu Zeit konnte der Bote durch Gitter nach unten sehen. Als er sich an einem dieser Gitter befand, vernahm er den schwachen Geruch eines sich nähernden Menschen und das Geräusch von Schritten. Der Mensch würde keine unmittelbare Bedrohung darstellen, aber er bewegte sich in Richtung der beiden Leichen. Vorsichtig legte der Bote die Hände an das Gitter und wartete, bis das Wesen in sein Sichtfeld geriet. Bei diesem hier würde er vorsichtig sein müssen, anhand des Aussehens erkannte er ihn als Angehörigen der Wächterspezies. Letzten Endes stellte er jedoch keine Herausforderung dar. Als der Wächter sich direkt unter dem Gitter befand, brach der Bote dieses blitzschnell aus der Verankerung. Dem Menschen blieb gerade noch die Zeit nach oben zu blicken, dann schossen die Fanghaken aus dem Brustkorb des Boten, durchschlugen den Torso des vor Schreck erstarrten Opfers und zogen es nach oben, direkt in die Arme seines Meuchelmörders, der mit einem Ruck den Körper der Beute entzwei riss. In eine Wolke aus Blut gehüllt regneten Leichenteile in den Gang hinab und schlugen mit einem feuchten Klatschen auf dem Boden auf, dann herrschte wieder vollkommene Stille. Der Bote zog sich in den Lüftungsschacht zurück und setzte seinen Vorstoß in die Typhon-Orbitalstation fort.
Als kurze Zeit später das durchdringende Geräusch der Alarmsirene erklang, schob Sira mit einer tausendfach geübten Bewegung die Energiezelle in ihr Lasergewehr. Doch trotz all der Routine zitterte ihre Hand leicht. Sie war die Anführerin der Agenten des Lichtes auf der Typhon-Station. Ihr oblag die Verantwortung in dieser finalen Phase der Operation. Mit einem Nicken bedeutete sie ihren Brüdern und Schwestern, die Frachtcontainer zu öffnen. Ein simpler Akt, jedoch auch ein unwiderruflicher Schritt, ab dem es kein Zurück mehr geben würde. Synchron öffneten sich mit einem Summen die automatischen Verriegelungen von zwanzig Frachtcontainern und die Passagiere sprangen fauchend hinaus. Mit einer ehrfürchtigen Verbeugung verneigten sich die Kultisten vor den Reinblütigen, die knurrend und mit Blutdurst in den Augen ihre Umgebung taxierten, klackend die mächtigen Klauen ihrer vier Arme aneinander schlugen. Einen Wimpernschlag später hatten sie die Witterung der Pheromonspur des Boten aufgenommen und stürmten aus dem Frachtraum. Die kleine Schar Primarchen war wieder alleine. Sie waren aufgrund ihres vollkommen menschlichen Erscheinungsbildes für diese Mission ausgewählt und trainiert worden und bereit, ihr Leben für die Sache hinzugeben. Jeder kannte seine Aufgabe. Sie mussten nun schnell handeln, so lange die Ablenkung durch den Boten und die Reinblütigen anhielt. Rashad und Nahil hatten bereits begonnen, die Sprengsätze, welche ebenfalls zu dem Inhalt der Container gehört hatten, mit ruhigen, vorsichtigen Bewegungen in der Gruppe zu verteilen. Auch sie nahm ihr Paket mit einem Lächeln entgegen und schnallte es sich auf den Rücken. Zum Abschied küsste Sira jeden ihrer Brüder und Schwestern noch einmal auf die Wange, dann lösten sie ihre Versammlung auf und machten sich schweigend auf den Weg – Worte waren überflüssig, lauschten sie doch alle demselben Lied.
Als der Sturm der Revolution in der Superbia-Makropole los brach, verabschiedete Solomon sich mit einer langen Umarmung von seiner geliebten Frau Keziah und streichelte ein letztes Mal sanft über den Kopf seines wunderschönen, dreiarmigen Sohnes. Dann legte er seine gestohlene Armaplastpanzerung an, schnallte sich seinen Granatengürtel um, nahm sein Kettenschwert und seine Automatikpistole und schloss sich dem Kampf an. Die Straßen waren erfüllt von Kampfgebrüll und den Schreien der Sterbenden, während Bäche von Blut den Asphalt hinab rannen. Solomons erstes Opfer war ein verängstigter Fabrikarbeiter, der röchelnd auf ihn zu rannte, ihn vermutlich fälschlicherweise für einen imperialen Soldaten hielt. Eine Schrotladung hatte ihm bereits den halben Rücken zerfetzt, dennoch lebte er weiter, bis Solomon ihm mit einem kalten Lächeln die Automatikpistole vor das Gesicht hielt und abdrückte. Er sah, wie Männer, Frauen, Kinder, Arbites und Soldaten gleichermaßen von Reinblütigen in Stücke gerissen wurden. Er sah dreiarmige und vierarmige Hybriden, die Gewehre mit zwei Händen führten und mit ihren zusätzlichen Armen mit Schwertern, Äxten, Knüppeln oder blanken Klauen um sich hieben. Er sah Fahrzeuge und Gebäude, die unter dem Beschuss von Raketenwerfern zu Fall gebracht wurden, während Feuer das nächtliche Superbia erleuchteten. Doch das alles war nichts im Vergleich zu diesem unbeschreiblichen Augenblick, mit dem der Nachthimmel von der gewaltigen Explosion erhellt wurde, als die Typhon Station in einem Feuerball im Orbit verglühte und ihre brennenden Bruchstücke wie ein Meteorschauer auf den Planeten nieder gingen. In diesem Moment gingen tausende und abertausende Waffen und Klauen in die Höhe und die Kultisten des Lichtes schrien wie aus einer Kehle ihren Zorn hinaus in die verdorbene Welt Apophia, während das Lied des Vaters in ihren Köpfen lauter erklang als jemals zuvor. Die Apokalypse war nahe und sie waren ihre Diener.
In der endlosen Weite des Alls lauerte die Mutter, die Jägerin, die Weltenverschlingerin, sie, die nicht eine war, sondern Legion, empfing das psionische Leuchtfeuer des Patriarchen und setzte sich in Bewegung. Der Schwarm war hungrig, doch dort in der Leere leuchtete die Beute klar und hell wie ein Stern. Ein Stern, der bald erlöschen würde.
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