[Archiv] [Storywettbewerb II 2011] [W40K] "Der Wunsch, der Wunsch, Anker des Lebens"
Die großkalibrigen Geschosse aus seiner Sturmkanone rissen seine Feinde in Fetzen, anstürmende Massen wichen in Sekunden dunkelroten Nebelschwaden. Runen in seinem Sichtfeld zeigten ihm das Herannahen weiterer Unglückseliger von links an, beiläufig wurde die Waffe in jene Richtung geschwenkt. Wieder dominierte der dunkelrote Nebel. Neben seiner gewaltigen Gestalt waren andere Menschen in Position gegangen. Ihre gelben Rüstungen leuchteten in der hellen Sonne, die an einem vollkommenen blauen Himmel prangte. Auch ihre Waffen spien den Tod, der mit geringerer Wucht dem Feind entgegen schnellte, nichtsdestotrotz aber ungemein effektiver war als jener Tod, den normale Menschen ihrer Zahl zu bringen imstande gewesen wären. Ein Icon markierte die Position des Captains, der ebenfalls den dummen Aliens Bolt um Bolt in ihre Leiber pumpte und Leib um Leib zerriss.
„Bruder Ortreus, lenke dein Feuer auf die rechte Seite.“, erschallte die Stimme seines Anführers in seinem Kopf.
„Jawohl, Bruder Captain.“, bestätigte Ortreus, der augenblicklich Sturmkanone und Raketenwerfer nach rechts ausrichtete. Dank des Gelenks an seiner Hüfte brauchte er nicht einen Schritt zu tun.
„Brüder, haltet die Linie, Verstärkung ist nahe.“, rief der Captain aus. Sein wehender weißer Umhang reflektierte die Sonne und ließ seinen Träger erstrahlen wie einen Heiligen.
Die Space Marines vom Orden der Imperial Fists reagierten unverzüglich. Die Erfahrung aus Jahrzehnten und Jahrhunderten des Krieges führte die Hand eines jeden Bruders. Die Männer wiesen sich überlappende Feuerbereiche zu, feuerten in Salven und nacheinander, sodass es keine Sekunden ohne Feuer gab, und die Sergeants folgten ihrem Captain mit erhobenen Klingen, um im Falle eines Handgemenges an erster Stelle zu sein.
Der Feind war sehr nahe gekommen, als es vom Himmel her ertönte, ein Schlag wie die Posaune eines Cherubim. Dem ersten Schlag folgte ein zweiter, dem zweiten ein dritter und weitere. Augenblicklich nach jedem himmlischen Grollen setzte ein Bomber der imperialen Flotte über die Gruppe von vierzehn Space Marines hinweg und ließ göttlichen Zorn wie Feuer herabregnen. Promethiumbomben äscherten den Feind ein, verbrannten die Erde und die Bäume und schufen eine meterhohe Wand von Feuer, die den kümmerlichen Rest der Alienarmee in die Flucht trieb. Als die Bomber abdrehten, majestätisch durch das Blau der Lüfte gleitend, passierte sie ein Geschwader Lightning- Abfangjäger Aasfressern gleich und stürzte sich auf die letzten Bewegungen hinter der Flammenwand. Langsam ebbte das Donnern der Maschinenkanonen ab und verhallte zu einem dumpfen Hintergrundrauschen, irgendwo fern in der Szenerie des Schlachtfeldes sein Werk verrichtend. Hinter den Engeln des Krieges landete eine Valkyre, einen einsamen Offizier aus ihrem metallenen Bauch entlassend, ehe sie sich wieder erhob und dem ferner und ferner erschallenden Kampfeslärm nachflog. Dankbar und respektvoll senkten die Brüder ihre Häupter und auch Bruder Ortreus ließ seinen adamantenen Körper leicht nach vorne fallen.
Der Offizier, ein Oberst der PVS, näherte sich den Space Marines und salutierte, bevor er sich an den Captain wandte.
„Mein Herr, der Generalstab übermittelt Ihnen Dank und Respekt. Ihr Durchhalten an diesem Punkt war heldenhaft und unvergleichlich. Die Imperiale Armee steht in Ihrer Schuld.“
Der Captain hob eine Hand, als wolle er beschwichtigend Einhalt gebieten.
„Wir taten unsere Pflicht am Imperium und seinem unsterblichen Herrscher. Nicht mehr, nicht minder.“
Der Oberst zeigte ein leichtes Lächeln auf seinem alternden Gesicht, nun, da der erste Satz gesprochen war, fiel es ihm leichter, sich mit den Engeln des Imperators zu verständigen.
„Uns ist nicht bekannt, ob Sie unsere Planungen kennen, doch Sie hielten hier einen Brückenkopf, der ohne Sie als Katastrophe in die Annalen eingegangen wäre. Nun, da wir einen Fuß in der feindlichen Front haben und den Vormarsch ihrer Hauptstreitmacht aufgehalten haben, werden wir diese Wilden in die Wälder zurücktreiben und einäschern.
Der General wird kommen, um Ihnen persönlich seinen Dank und seine Anerkennung zu überbringen, doch er befand sich nicht am hinteren Sammelpunkt, sondern muss aus dem provisorischen Einsatzquartier eingeflogen werden.“
„Es ehrt und erfreut uns, dass wir mit unserem Kampf der Imperialen Armee zu einem Sieg verhelfen konnten, Herr Oberst. Ich werde den General empfangen, doch jetzt bitte ich um etwas Zeit für meine Brüder und mich. Wir müssen dem Imperator mit Gebet und Lobpreis danken, für den Durchhaltewillen, den uns seine Gegenwart geschenkt hat.“
Der Oberst nickte und der Anführer der Imperial Fists wandte sich ab, um nach einem guten Platz für ein Gebet Ausschau zu halten. Die Gefallenen, fünf an der Zahl, waren bereits geborgen und ihre Körper für die ehrenvolle Rückführung aufgereiht. Bruder Ortreus folgte seinen Gefährten, doch ließ er seinen Blick noch auf dem Oberst verweilen, bis es ans Gebet ging. Der Captain, als ranghöchstes Ordensmitglied für das Rezitieren der Riten und Hymnen verantwortlich, ließ sich auf ein Knie herabsinken und eröffnete mit einem Dankesgebet. Aus dem Augenwinkel erblickte Ortreus, ehe er all seine Konzentration dem Ritual widmete, den Offizier, wie er sich neben einem seiner Brüder auf ein Knie sinken ließ und in das Gebet mit einstimmte. Er war ihnen willkommen.
Als der langwierige Zyklus aus Gebeten, Gesängen und stillen Momenten geendet hatte, fiel der Blick des Cybots augenblicklich wieder auf den Oberst, der sich auf einen umgefallenen, verbrannten Baumstamm niedergelassen hatte und die vergewaltige Natur, die ihn umgab, eingehend musterte. Bruder Ortreus glaubte Bedauern im Blick des Mannes lesen zu können. Doch nach weiteren Minuten, in denen er den stillen Oberst seinerseits in Stille beobachtet hatte, trat er zu ihm heran. Der Offizier erhob sich augenblicklich.
„Sie brauchen sich nicht zu erheben, ich würde mich setzten, wenn ich könnte.“, tönte der Cybot mit seiner donnernden Stimme. Sein Gegenüber musste grinsen, wohl wegen Ortreus Bemerkung über das Sitzen.
„Sie kommen mir bekannt vor.“, fuhr der Space Marine fort. „Darf ich nach Ihrem Namen fragen?“
Der Oberst nahm die dunkelgraue, fast anthrazitfarbene Schirmmütze vom Kopf. Die kurzgeschorenen Haare konnten nun als blond identifiziert werden. In dem alternden, langsam Falten annehmenden Gesicht ruhten zwei ausgeglichene braune Augen.
„Mein Name lautet Anselm Carpenter, Oberst des vierundvierzigsten Regiments der PVS.“
„Also doch.“, erwiderte der Gigant. Leider war es ihm kaum möglich seiner Stimme Betonung und damit Leben zu verleihen.
„Wir kennen uns?“, fragte Carpenter, der den Kopf hob, um dorthin zu blicken, wo er beim Cybot die visuellen Geräte vermutete.
„So ist es. Vor fast dreiundsechzig Standartjahren standen wir Seite an Seite an den Toren Cadias, uns Gegenüber die Legionen des Erzfeindes. Dreizehn Tage und dreizehn Nächte hielten wir, beinahe ohne Zeit zur Ruhe, aus und schlugen den Feind zurück, jagten ihn in die Hölle, die er nun sein eigen nennt. Damals war ich noch ein Veteran und im Rang eines Sergeants und hatte noch meine fleischliche Hülle. Mein Name ist Bruder Ortreus.“
Der Oberst stand nun doch auf, ein Leuchten in seinen Augen tragend, auf seinen Lippen ein freudiges Lächeln. Es schmerzte Ortreus, seinerseits Gefühle nicht ausdrücken zu können.
„Ich erinnere mich an Sie, Ortreus. Wir waren damals gar nicht so verschieden, zwei Männer, die Vierzig nicht überschritten, Kommandanten einer kleinen Einheit tapferer Männer, in der ersten Reihe, Felsen in einer schwarzen Brandung. Ihr Gesicht habe ich deutlich vor Augen, ebenso wie den Duft des geheiligten Öls, welches von Ihrem Kettenschwert ausging.“
Er unterbrach sich kurz, um den Cybot vor sich von oben bis unten zu mustern.
„Ich hoffe, Sie verstehen und verzeihen mir, Sie zu erkennen wäre mir meinerseits nicht möglich.“
„Ich habe Sie erkannt, Kamerad. Sie müssen nun an die Neunzig sein, doch Ausdruck und Stärke sind Ihnen erhalten geblieben.“
„Nun, Siebenundneunzig bin ich und meine Gesundheit verdanke ich wohl dem Lebensstandard meiner Heimat.“
Der Cybot blickte sich um, betrachtete die aufgerissene, blutende Erde, doch auch den klaren, herrlichen Himmel. Anselm Carpenter tat es ihm gleich.
„Kein verzauberndes Bild, das meine Heimat Ihnen bietet. Eher ein Schlachtfeld unter vielen.“
„Keineswegs.“, antwortete Ortreus.
„Einen so klaren Himmel sah ich selten. Und die Schönheit Ihrer Heimat existiert weiter, abseits der Schlachtfelder. Selbst kriegsversehrt lässt dieser Ort seine Schönheit erahnen, als sei ein Schleier der Erhabenheit über ihn geworfen.“
Bruder Ortreus blickte wieder zu Carpenter.
„Ich habe Sie als Leutnant der Gardisten des Munitorums im Gedächtnis. Doch Sie fanden zurück in Ihre Heimat.“
„Der Weg war lang und voller Schmerz, doch Schmerz ist ein Nebenprodukt des Ruhms, und davon verdiente ich reichlich im Namen des Imperators und zu ehren seiner Herrlichkeit.“
„Ich danke dem Imperator, dass er meinen Pfad zu Ihrer Welt führte und unsere Wege sich erneut kreuzen ließ, jedoch bedauere ich, dass der Krieg die Pracht dieses Planeten besudelt und in den Hintergrund treten lässt, bis zu dem Tage, an dem wir den Feind vertreiben. Doch umso glühender ist meine Entschlossenheit, die Xenos von dieser Welt hinfort zu jagen.“
„Der Krieg ist unser Begleiter und seiner Ausführung unsere heilige Pflicht, doch auch ich empfinde Dankbarkeit für die Möglichkeit, einen alten Kampfgefährten wieder sprechen und sehen zu können.“
Der Cybot blieb für einen Moment still und sein Kamerad ließ ihm den Moment, um sich zu sammeln.
„Freilich, befremdlich muss meine Erscheinung auf Sie wirken, Anselm. Mein Geist steht vor Ihnen, doch der Körper liegt hinter einer eisernen Schale.“
„Ihr Geist ist es, der einst an der Seite des Gottimperators ziehen wird, und Ihr Geist ist es, den ich zu sprechen wünsche. Dass mein Körper frei von Bionics ist, verdanke ich dem Glück.“
Doch schnell fügte Anselm Carpenter hinzu.
„Auch wenn wir wissen, dass es so etwas wie Glück nicht gibt, nur den Segen unseres Herrn.“
„Ich erinnere mich“, setzte Ortreus an. „dass Sie einst von Blumen sprachen, die das größte Wunder Ihrer Heimat seien, und dass es Ihr Wunsch sei, diese Blumen wieder zu erblicken.“
„Durchaus, ein Wunder.“, bestätigte der Oberst. „Meine liebe Frau hat diese imperatorgeschaffenen Schätze angepflanzt, sodass wir tagtäglich mit ihrem Strahlen erwachen. Die Kristallblüten.“
Der Oberst kratzte sich am Kinn, so als sei ihm sein letzter Satz peinlich.
„Nun,“, fuhr er fort. „eigentlich handelt es sich bei diesem Blüten einfach um Blumen, die als Abfallprodukt ihres Stoffwechsels ein Salz ausscheiden, welches sich um sie legt und eine zerbrechliche, kristalline Schicht bildet. Diese Schicht behindert weder ihren Stoffwechsel, noch ihr Wachstum und soweit mir bekannt ist, sind diese Schönheiten einzigartig im Imperium.“
„Ein guter Grund, um zu kämpfen.“, pflichtete Ortreus ihm bei. „Für ihren Erhalt.“
„Gewiss, für unsereins. Wir sind noch in der Lage zu fühlen. Diese Blechaffen vom Adeptus Mechanicus kümmert nur das Vorhandensein von seltenen Erden auf unseren Moden und das Munitorum sorgt sich um unsere gut ausgebildeten Regimenter.“
„Sie klingen, als hätten Sie resigniert.“
Anselm setzte sich seine Schirmmütze wieder auf, vielleicht um sich zu bedecken, wegen dessen, was er gesagt hatte. So interpretierte es zumindest Ortreus.
„Mein Freund. Trotz ihres eisernen Körpers, oder aus welchen Stoffen er bestehen mag, sind Sie mehr Mensch denn diese Bürokraten. Als Verteidiger der Menschheit können Sie noch für sie fühlen, ich weiß, dass es schwer ist, doch diese Roboter, Roboter aus Fleisch und Ignoranz, sie sind nicht besser denn Servitoren.“
Himmelwärts erklang erneut das Donnern von Triebwerken. Einen Wimpernschlag später sausten Jäger wie Blitze dahin, gefolgt von einigen Valkyren, die abrupt hielten und landeten. Zischend öffneten sich ihre Luken, denen augenblicklich Gardisten in dunkelgrauer Montur entstiegen. Sie sicherten professionell und erfahren die Landezone und erwarteten ihren Kommandanten, der neben einem vier Meter messenden Ungetüm aus Metall dastand und die versengte Landschaft betrachtete.
„Es ist bereits eine Einheit auf dem Weg, um Sie und Ihre Brüder abzuholen.“
Mit diesen Worten setzte sich Oberst Carpenter in Bewegung und ging langsam auf die am Boden wartenden Sturmtransporter zu.
„Also heißt es Lebewohl?“, fragte Ortreus. Das Wiedersehen war zu kurz gewesen.
„Keineswegs. Wir werden noch etwas Zeit brauchen, um unsere schöne Heimat wieder freizubekommen. Da ich nun weiß, dass Sie hier sind, werden wir uns noch einige Male zu Gesicht bekommen.“
Weitere Worte waren im Moment nicht von Belang und wurden so auch nicht gewechselt. Der Oberst ging gemächlich zu seinen Soldaten, die sich, ob des ruhigen Benehmens ihres Anführers, etwas entspannt hatten. Auf dem Weg dorthin, wo ihr Ziel für heute lag, würden sie noch genug Aufregung erleben. Nachdem Carpenter in einer Valkyre verschwunden war, bestiegen die Gardisten wieder ihre Vögel und erhoben sich in die klaren Lüfte, dem Feind hinterher.
Ortreus blickte den Valkyren nach, die in einem Bogen gen Süden davonflogen, um sich bald wieder ins feurige Getümmel zu werfen und sich der Ekstase des Krieges zu widmen. Fast wehmütig waren die Gefühle des Space Marines, da er nicht am bevorstehenden Schlachtfest teilhaben konnte, doch auch von Glück waren seine Gefühle getränkt. Er war glücklich, wieder an der Seite eines Kameraden längst zu Geschichte gewordener Kämpfe stehen zu dürfen. Das Blut seiner Feinde, noch frisch in seiner Erinnerung, würde er bald wieder vergießen dürfen.
Als er sich abwandte, um zu seinen Brüdern zu stoßen, da erweckte ein fern erscheinender Schimmer seine Aufmerksamkeit. Er bewegte seinen Körper in jene Richtung, um besser sehen zu können und stellte fest, dass etwas hinter dem verkohlten Stamm glänzte, auf dem Anselm noch vor wenigen Minuten gesessen hatte. Vorsichtig benutzte der Cybot seine Sturmkanone dazu, den Stamm zu sich zu ziehen. Mit leichtem Druck durchbrach er das geschundene Holz und trat vor, um das Glitzern zu untersuchen. Und er verstand, warum Anselm gelächelt hatte, als er die Kristallblüten erwähnte.
Der Wunsch dieser Welt, zu leben, war unverkennbar und auch wenn er noch nicht erfüllt war, so gab es sie, die Hoffnung. Unter einer Schicht verbrannter Erde gibt es immer neuen Humus, der die Grundlage neuen Lebens bilden kann. Der Space Marine Bruder Ortreus vom Orden der Imperial Fists gewann in diesem Moment eine Erkenntnis, die im Imperium der Menschheit in ihrem immerwährenden, hundert Jahrhunderte andauerndem Krieg, nur wenige fanden. Die stärkste Kraft im Universum, neben dem Imperator natürlich, war das Leben selbst.
Die großkalibrigen Geschosse aus seiner Sturmkanone rissen seine Feinde in Fetzen, anstürmende Massen wichen in Sekunden dunkelroten Nebelschwaden. Runen in seinem Sichtfeld zeigten ihm das Herannahen weiterer Unglückseliger von links an, beiläufig wurde die Waffe in jene Richtung geschwenkt. Wieder dominierte der dunkelrote Nebel. Neben seiner gewaltigen Gestalt waren andere Menschen in Position gegangen. Ihre gelben Rüstungen leuchteten in der hellen Sonne, die an einem vollkommenen blauen Himmel prangte. Auch ihre Waffen spien den Tod, der mit geringerer Wucht dem Feind entgegen schnellte, nichtsdestotrotz aber ungemein effektiver war als jener Tod, den normale Menschen ihrer Zahl zu bringen imstande gewesen wären. Ein Icon markierte die Position des Captains, der ebenfalls den dummen Aliens Bolt um Bolt in ihre Leiber pumpte und Leib um Leib zerriss.
„Bruder Ortreus, lenke dein Feuer auf die rechte Seite.“, erschallte die Stimme seines Anführers in seinem Kopf.
„Jawohl, Bruder Captain.“, bestätigte Ortreus, der augenblicklich Sturmkanone und Raketenwerfer nach rechts ausrichtete. Dank des Gelenks an seiner Hüfte brauchte er nicht einen Schritt zu tun.
„Brüder, haltet die Linie, Verstärkung ist nahe.“, rief der Captain aus. Sein wehender weißer Umhang reflektierte die Sonne und ließ seinen Träger erstrahlen wie einen Heiligen.
Die Space Marines vom Orden der Imperial Fists reagierten unverzüglich. Die Erfahrung aus Jahrzehnten und Jahrhunderten des Krieges führte die Hand eines jeden Bruders. Die Männer wiesen sich überlappende Feuerbereiche zu, feuerten in Salven und nacheinander, sodass es keine Sekunden ohne Feuer gab, und die Sergeants folgten ihrem Captain mit erhobenen Klingen, um im Falle eines Handgemenges an erster Stelle zu sein.
Der Feind war sehr nahe gekommen, als es vom Himmel her ertönte, ein Schlag wie die Posaune eines Cherubim. Dem ersten Schlag folgte ein zweiter, dem zweiten ein dritter und weitere. Augenblicklich nach jedem himmlischen Grollen setzte ein Bomber der imperialen Flotte über die Gruppe von vierzehn Space Marines hinweg und ließ göttlichen Zorn wie Feuer herabregnen. Promethiumbomben äscherten den Feind ein, verbrannten die Erde und die Bäume und schufen eine meterhohe Wand von Feuer, die den kümmerlichen Rest der Alienarmee in die Flucht trieb. Als die Bomber abdrehten, majestätisch durch das Blau der Lüfte gleitend, passierte sie ein Geschwader Lightning- Abfangjäger Aasfressern gleich und stürzte sich auf die letzten Bewegungen hinter der Flammenwand. Langsam ebbte das Donnern der Maschinenkanonen ab und verhallte zu einem dumpfen Hintergrundrauschen, irgendwo fern in der Szenerie des Schlachtfeldes sein Werk verrichtend. Hinter den Engeln des Krieges landete eine Valkyre, einen einsamen Offizier aus ihrem metallenen Bauch entlassend, ehe sie sich wieder erhob und dem ferner und ferner erschallenden Kampfeslärm nachflog. Dankbar und respektvoll senkten die Brüder ihre Häupter und auch Bruder Ortreus ließ seinen adamantenen Körper leicht nach vorne fallen.
Der Offizier, ein Oberst der PVS, näherte sich den Space Marines und salutierte, bevor er sich an den Captain wandte.
„Mein Herr, der Generalstab übermittelt Ihnen Dank und Respekt. Ihr Durchhalten an diesem Punkt war heldenhaft und unvergleichlich. Die Imperiale Armee steht in Ihrer Schuld.“
Der Captain hob eine Hand, als wolle er beschwichtigend Einhalt gebieten.
„Wir taten unsere Pflicht am Imperium und seinem unsterblichen Herrscher. Nicht mehr, nicht minder.“
Der Oberst zeigte ein leichtes Lächeln auf seinem alternden Gesicht, nun, da der erste Satz gesprochen war, fiel es ihm leichter, sich mit den Engeln des Imperators zu verständigen.
„Uns ist nicht bekannt, ob Sie unsere Planungen kennen, doch Sie hielten hier einen Brückenkopf, der ohne Sie als Katastrophe in die Annalen eingegangen wäre. Nun, da wir einen Fuß in der feindlichen Front haben und den Vormarsch ihrer Hauptstreitmacht aufgehalten haben, werden wir diese Wilden in die Wälder zurücktreiben und einäschern.
Der General wird kommen, um Ihnen persönlich seinen Dank und seine Anerkennung zu überbringen, doch er befand sich nicht am hinteren Sammelpunkt, sondern muss aus dem provisorischen Einsatzquartier eingeflogen werden.“
„Es ehrt und erfreut uns, dass wir mit unserem Kampf der Imperialen Armee zu einem Sieg verhelfen konnten, Herr Oberst. Ich werde den General empfangen, doch jetzt bitte ich um etwas Zeit für meine Brüder und mich. Wir müssen dem Imperator mit Gebet und Lobpreis danken, für den Durchhaltewillen, den uns seine Gegenwart geschenkt hat.“
Der Oberst nickte und der Anführer der Imperial Fists wandte sich ab, um nach einem guten Platz für ein Gebet Ausschau zu halten. Die Gefallenen, fünf an der Zahl, waren bereits geborgen und ihre Körper für die ehrenvolle Rückführung aufgereiht. Bruder Ortreus folgte seinen Gefährten, doch ließ er seinen Blick noch auf dem Oberst verweilen, bis es ans Gebet ging. Der Captain, als ranghöchstes Ordensmitglied für das Rezitieren der Riten und Hymnen verantwortlich, ließ sich auf ein Knie herabsinken und eröffnete mit einem Dankesgebet. Aus dem Augenwinkel erblickte Ortreus, ehe er all seine Konzentration dem Ritual widmete, den Offizier, wie er sich neben einem seiner Brüder auf ein Knie sinken ließ und in das Gebet mit einstimmte. Er war ihnen willkommen.
Als der langwierige Zyklus aus Gebeten, Gesängen und stillen Momenten geendet hatte, fiel der Blick des Cybots augenblicklich wieder auf den Oberst, der sich auf einen umgefallenen, verbrannten Baumstamm niedergelassen hatte und die vergewaltige Natur, die ihn umgab, eingehend musterte. Bruder Ortreus glaubte Bedauern im Blick des Mannes lesen zu können. Doch nach weiteren Minuten, in denen er den stillen Oberst seinerseits in Stille beobachtet hatte, trat er zu ihm heran. Der Offizier erhob sich augenblicklich.
„Sie brauchen sich nicht zu erheben, ich würde mich setzten, wenn ich könnte.“, tönte der Cybot mit seiner donnernden Stimme. Sein Gegenüber musste grinsen, wohl wegen Ortreus Bemerkung über das Sitzen.
„Sie kommen mir bekannt vor.“, fuhr der Space Marine fort. „Darf ich nach Ihrem Namen fragen?“
Der Oberst nahm die dunkelgraue, fast anthrazitfarbene Schirmmütze vom Kopf. Die kurzgeschorenen Haare konnten nun als blond identifiziert werden. In dem alternden, langsam Falten annehmenden Gesicht ruhten zwei ausgeglichene braune Augen.
„Mein Name lautet Anselm Carpenter, Oberst des vierundvierzigsten Regiments der PVS.“
„Also doch.“, erwiderte der Gigant. Leider war es ihm kaum möglich seiner Stimme Betonung und damit Leben zu verleihen.
„Wir kennen uns?“, fragte Carpenter, der den Kopf hob, um dorthin zu blicken, wo er beim Cybot die visuellen Geräte vermutete.
„So ist es. Vor fast dreiundsechzig Standartjahren standen wir Seite an Seite an den Toren Cadias, uns Gegenüber die Legionen des Erzfeindes. Dreizehn Tage und dreizehn Nächte hielten wir, beinahe ohne Zeit zur Ruhe, aus und schlugen den Feind zurück, jagten ihn in die Hölle, die er nun sein eigen nennt. Damals war ich noch ein Veteran und im Rang eines Sergeants und hatte noch meine fleischliche Hülle. Mein Name ist Bruder Ortreus.“
Der Oberst stand nun doch auf, ein Leuchten in seinen Augen tragend, auf seinen Lippen ein freudiges Lächeln. Es schmerzte Ortreus, seinerseits Gefühle nicht ausdrücken zu können.
„Ich erinnere mich an Sie, Ortreus. Wir waren damals gar nicht so verschieden, zwei Männer, die Vierzig nicht überschritten, Kommandanten einer kleinen Einheit tapferer Männer, in der ersten Reihe, Felsen in einer schwarzen Brandung. Ihr Gesicht habe ich deutlich vor Augen, ebenso wie den Duft des geheiligten Öls, welches von Ihrem Kettenschwert ausging.“
Er unterbrach sich kurz, um den Cybot vor sich von oben bis unten zu mustern.
„Ich hoffe, Sie verstehen und verzeihen mir, Sie zu erkennen wäre mir meinerseits nicht möglich.“
„Ich habe Sie erkannt, Kamerad. Sie müssen nun an die Neunzig sein, doch Ausdruck und Stärke sind Ihnen erhalten geblieben.“
„Nun, Siebenundneunzig bin ich und meine Gesundheit verdanke ich wohl dem Lebensstandard meiner Heimat.“
Der Cybot blickte sich um, betrachtete die aufgerissene, blutende Erde, doch auch den klaren, herrlichen Himmel. Anselm Carpenter tat es ihm gleich.
„Kein verzauberndes Bild, das meine Heimat Ihnen bietet. Eher ein Schlachtfeld unter vielen.“
„Keineswegs.“, antwortete Ortreus.
„Einen so klaren Himmel sah ich selten. Und die Schönheit Ihrer Heimat existiert weiter, abseits der Schlachtfelder. Selbst kriegsversehrt lässt dieser Ort seine Schönheit erahnen, als sei ein Schleier der Erhabenheit über ihn geworfen.“
Bruder Ortreus blickte wieder zu Carpenter.
„Ich habe Sie als Leutnant der Gardisten des Munitorums im Gedächtnis. Doch Sie fanden zurück in Ihre Heimat.“
„Der Weg war lang und voller Schmerz, doch Schmerz ist ein Nebenprodukt des Ruhms, und davon verdiente ich reichlich im Namen des Imperators und zu ehren seiner Herrlichkeit.“
„Ich danke dem Imperator, dass er meinen Pfad zu Ihrer Welt führte und unsere Wege sich erneut kreuzen ließ, jedoch bedauere ich, dass der Krieg die Pracht dieses Planeten besudelt und in den Hintergrund treten lässt, bis zu dem Tage, an dem wir den Feind vertreiben. Doch umso glühender ist meine Entschlossenheit, die Xenos von dieser Welt hinfort zu jagen.“
„Der Krieg ist unser Begleiter und seiner Ausführung unsere heilige Pflicht, doch auch ich empfinde Dankbarkeit für die Möglichkeit, einen alten Kampfgefährten wieder sprechen und sehen zu können.“
Der Cybot blieb für einen Moment still und sein Kamerad ließ ihm den Moment, um sich zu sammeln.
„Freilich, befremdlich muss meine Erscheinung auf Sie wirken, Anselm. Mein Geist steht vor Ihnen, doch der Körper liegt hinter einer eisernen Schale.“
„Ihr Geist ist es, der einst an der Seite des Gottimperators ziehen wird, und Ihr Geist ist es, den ich zu sprechen wünsche. Dass mein Körper frei von Bionics ist, verdanke ich dem Glück.“
Doch schnell fügte Anselm Carpenter hinzu.
„Auch wenn wir wissen, dass es so etwas wie Glück nicht gibt, nur den Segen unseres Herrn.“
„Ich erinnere mich“, setzte Ortreus an. „dass Sie einst von Blumen sprachen, die das größte Wunder Ihrer Heimat seien, und dass es Ihr Wunsch sei, diese Blumen wieder zu erblicken.“
„Durchaus, ein Wunder.“, bestätigte der Oberst. „Meine liebe Frau hat diese imperatorgeschaffenen Schätze angepflanzt, sodass wir tagtäglich mit ihrem Strahlen erwachen. Die Kristallblüten.“
Der Oberst kratzte sich am Kinn, so als sei ihm sein letzter Satz peinlich.
„Nun,“, fuhr er fort. „eigentlich handelt es sich bei diesem Blüten einfach um Blumen, die als Abfallprodukt ihres Stoffwechsels ein Salz ausscheiden, welches sich um sie legt und eine zerbrechliche, kristalline Schicht bildet. Diese Schicht behindert weder ihren Stoffwechsel, noch ihr Wachstum und soweit mir bekannt ist, sind diese Schönheiten einzigartig im Imperium.“
„Ein guter Grund, um zu kämpfen.“, pflichtete Ortreus ihm bei. „Für ihren Erhalt.“
„Gewiss, für unsereins. Wir sind noch in der Lage zu fühlen. Diese Blechaffen vom Adeptus Mechanicus kümmert nur das Vorhandensein von seltenen Erden auf unseren Moden und das Munitorum sorgt sich um unsere gut ausgebildeten Regimenter.“
„Sie klingen, als hätten Sie resigniert.“
Anselm setzte sich seine Schirmmütze wieder auf, vielleicht um sich zu bedecken, wegen dessen, was er gesagt hatte. So interpretierte es zumindest Ortreus.
„Mein Freund. Trotz ihres eisernen Körpers, oder aus welchen Stoffen er bestehen mag, sind Sie mehr Mensch denn diese Bürokraten. Als Verteidiger der Menschheit können Sie noch für sie fühlen, ich weiß, dass es schwer ist, doch diese Roboter, Roboter aus Fleisch und Ignoranz, sie sind nicht besser denn Servitoren.“
Himmelwärts erklang erneut das Donnern von Triebwerken. Einen Wimpernschlag später sausten Jäger wie Blitze dahin, gefolgt von einigen Valkyren, die abrupt hielten und landeten. Zischend öffneten sich ihre Luken, denen augenblicklich Gardisten in dunkelgrauer Montur entstiegen. Sie sicherten professionell und erfahren die Landezone und erwarteten ihren Kommandanten, der neben einem vier Meter messenden Ungetüm aus Metall dastand und die versengte Landschaft betrachtete.
„Es ist bereits eine Einheit auf dem Weg, um Sie und Ihre Brüder abzuholen.“
Mit diesen Worten setzte sich Oberst Carpenter in Bewegung und ging langsam auf die am Boden wartenden Sturmtransporter zu.
„Also heißt es Lebewohl?“, fragte Ortreus. Das Wiedersehen war zu kurz gewesen.
„Keineswegs. Wir werden noch etwas Zeit brauchen, um unsere schöne Heimat wieder freizubekommen. Da ich nun weiß, dass Sie hier sind, werden wir uns noch einige Male zu Gesicht bekommen.“
Weitere Worte waren im Moment nicht von Belang und wurden so auch nicht gewechselt. Der Oberst ging gemächlich zu seinen Soldaten, die sich, ob des ruhigen Benehmens ihres Anführers, etwas entspannt hatten. Auf dem Weg dorthin, wo ihr Ziel für heute lag, würden sie noch genug Aufregung erleben. Nachdem Carpenter in einer Valkyre verschwunden war, bestiegen die Gardisten wieder ihre Vögel und erhoben sich in die klaren Lüfte, dem Feind hinterher.
Ortreus blickte den Valkyren nach, die in einem Bogen gen Süden davonflogen, um sich bald wieder ins feurige Getümmel zu werfen und sich der Ekstase des Krieges zu widmen. Fast wehmütig waren die Gefühle des Space Marines, da er nicht am bevorstehenden Schlachtfest teilhaben konnte, doch auch von Glück waren seine Gefühle getränkt. Er war glücklich, wieder an der Seite eines Kameraden längst zu Geschichte gewordener Kämpfe stehen zu dürfen. Das Blut seiner Feinde, noch frisch in seiner Erinnerung, würde er bald wieder vergießen dürfen.
Als er sich abwandte, um zu seinen Brüdern zu stoßen, da erweckte ein fern erscheinender Schimmer seine Aufmerksamkeit. Er bewegte seinen Körper in jene Richtung, um besser sehen zu können und stellte fest, dass etwas hinter dem verkohlten Stamm glänzte, auf dem Anselm noch vor wenigen Minuten gesessen hatte. Vorsichtig benutzte der Cybot seine Sturmkanone dazu, den Stamm zu sich zu ziehen. Mit leichtem Druck durchbrach er das geschundene Holz und trat vor, um das Glitzern zu untersuchen. Und er verstand, warum Anselm gelächelt hatte, als er die Kristallblüten erwähnte.
Der Wunsch dieser Welt, zu leben, war unverkennbar und auch wenn er noch nicht erfüllt war, so gab es sie, die Hoffnung. Unter einer Schicht verbrannter Erde gibt es immer neuen Humus, der die Grundlage neuen Lebens bilden kann. Der Space Marine Bruder Ortreus vom Orden der Imperial Fists gewann in diesem Moment eine Erkenntnis, die im Imperium der Menschheit in ihrem immerwährenden, hundert Jahrhunderte andauerndem Krieg, nur wenige fanden. Die stärkste Kraft im Universum, neben dem Imperator natürlich, war das Leben selbst.
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator: