Snyder lag jetzt schon seit Stunden in seiner gut getarnten Position in den Überresten eines Wohnblocks und beobachtete die verstohlenen Bewegungen des Feindes unter sich durch das Zielfernrohr seines Laserkarabiners. Den Lauf des Gewehrs hatte er verborgen, indem er durch die rostigen Überreste einer Regenrinne zielte, genauso wie Richards es ihm während der Scharfschützenausbildung gezeigt hatte. Langsam und gleichmäßig atmete er ein und aus, und wartete auf ein Ziel, das es wert gewesen wäre, seine Position zu verraten. Während er die Eldarpiraten, die durch die zerbombten Straßen schlichen, nicht aus den Augen ließ, bemerkte er plötzlich ein kurzes Flackern am Rande seines Sichtfeldes. Ein kurzer Blick nach rechts zu Richards zeigte ihm, dass dieser es ebenfalls bemerkt hat. Er nahm den Bereich genauer in Augenschein und entdeckte einen der Xenos, vermutlich den Truppführer, der mit der Luft zu sprechen schien.
Seit seinem Eintreten in die planetaren Verteidigungsstreitkräfte von Naxos vor annähernd fünf Jahren hatte Snyder es jetzt schon mehrfach mit den Dark Eldar zu tun gehabt und daher wusste er, dass es zumeist hochrangige Anführer der skrupellosen Xenos waren, die diese hochentwickelte Art von Tarnvorrichtung trugen, welche ihren Träger quasi unsichtbar machte. Wahrscheinlich stand der Eldar in der Nähe einer der zahllosen defekten Stromleitungen und ein Funke hatte zu dem kurzen Aufflackern des Tarnfeldes geführt, das ihn verraten hatte. Ohne einen weiteren Blick auf seinen Kameraden werfen zu müssen, wusste er, dass Richards jetzt ebenso angespannt wie er auf einen erneuten verräterischen Hinweis auf den genauen Standort ihres Ziels wartete. Ihre Hartnäckigkeit wurde belohnt, als der Eldar seine Position leicht veränderte und sich ein Stein plötzlich von alleine zu bewegen schien. Snyder hielt den Atem an, als er den Abzug durchzog, und Richards hatte offensichtlich im selben Augenblick abgedrückt. Der Kopf des Unsichtbaren zerplatzte durch die wohlplatzierten Schüsse geradezu und einer hatte wohl auch den Feldgenerator beschädigt, denn neben dem überraschten Scout, tauchte jetzt deutlich der noch zuckende Leichnam des Xenos auf. Snyder schickte noch einen zweiten Schuss hinterher, der den immer noch überrumpelten Kundschafter ebenfalls ausschaltete, dann räumten die beiden Scharfschützen schnell und leise ihre Positionen.
Frank Richards fuhr sich mit der linken Hand durch die noch feuchten blonden Haare, als er aus dem Fleischwagen trat und gleichzeitig mit der anderen Hand seinen Reißverschluss hochzog. Bei dem Fleischwagen handelte es sich um einen stillgelegten Waggon, den die hiesigen Nutten als Stundenhotel nutzten, seit die PVS ihre neue Kaserne hier in den Außenbezirken von Naxos Colony One bezogen hatte. Seit der Angriff der Eldar begonnen hatte, machten die Huren fast das Dreifache an Profit wie vorher, jeder wollte schließlich lieber nochmal einen wegstecken, bevor er möglicherweise keine Gelegenheit mehr dazu hatte. Genau wie bei Frank, führte der Weg der meisten Soldaten sie nach einer Patroullie daher zuerst kurz in die Duschen und anschließend in den Fleischwagen.
Sein Teamkamerad Caff Snyder bildete da allerdings eine der wenigen Ausnahmen. Wie immer, wenn Frank den Waggon verließ, stand Caff im Schatten des benachbarten Messezeltes und wartete auf ihn. Die beiden waren jetzt schon seit drei Jahren ein festes Team und gehörten zu den erfolgreichsten Scharfschützen des Regiments. Doch trotz ihrer engen Kameradschaft war der blasse und stille Caff für Frank manchmal immer noch ein Rätsel. Vielleicht hatte er irgendwo eine Freundin, der er treu sein wollte, aber das war ein Thema, über das er sich immer ausgeschwiegen hatte, wenn Frank ihn darauf ansprach. Möglicherweise hatte er auch jemanden verloren, den er liebte, und Frank mochte ihn zu sehr, als dass er solche Wunden wieder aufreißen wollte. Daher war dies eines der wenigen Themen, über das sie nicht mehr sprachen.
Snyder musste wegen der tief stehenden Sonne blinzeln und erkannte daher seinen Freund erst, als er schon fast vor ihm stand. Schweigend beobachtete er, wie Richards die Feldbluse über seiner muskulösen Brust zuknöpfte.
Bei dem Gedanken, was sich noch wenige Minuten zuvor im Fleischwagen zwischen diesem und einer der zahlreichen Nutten abgespielt hatte, schüttelte es ihn vor Ekel.
Er konnte einfach nicht verstehen, wie seine Kameraden sich diesen Huren hingeben konnten, die es doch nur auf ihr Geld abgesehen hatten. Für ihn gehörte zum Sex auch immer noch die Liebe dazu und eines ohne das andere konnte niemals von Bestand sein. Ohne Hingabe, Freundschaft und Zuneigung spielte für ihn auch das Körperliche keine Rolle. Zwar gab es eine Person, für die er diese Gefühle hegte, aber das hätte Richards niemals verstanden.
Bevor er seine düsteren Gedanken weiter vertiefen konnte, trat Corporal Myers in ihren Weg und bestellte sie zum Befehlsstand von Major Crid.
Keine drei Stunden hatte ihre Pause gedauert und schon lagen sie wieder im Dreck. Frank fluchte still vor sich hin und verfluchte die Xenos, die ihn von seinem wohlverdienten Schlaf und seinem Alkohol fernhielten, aber die Befehle des Majors waren klar und deutlich gewesen. Offensichtlich verfügte auch der Feind über erstklassige Scharfschützen und nach Aussage ihres befehlshabenden Offiziers hatten die PVS in diesem Gebiet bereits vier Teams verloren. Also hatte er nach seinen besten Snipern schicken lassen und sie beide damit beauftragt, die feindlichen Schützen auszuschalten. Vor fünf Minuten hatten Caff und er die Leichen von Becker und Landing gefunden, beide durch saubere Kopfschüsse genau zwischen die Augen ausgeschaltet. Die beiden hatten nicht einmal Zeit gehabt, ihre Waffen abzufeuern. Sie hatten es wirklich mit Profis zu tun, denn Becker und Landing waren das Team gewesen, mit dem sie ständig an der Spitze der regimentsinternen Abschussrangliste konkurriert hatten. Caff sah ihn nachdenklich an und er stimmte ihm nickend zu, es galt wirklich verdammt vorsichtig zu sein.
Zentimeter für Zentimeter schoben sie sich jetzt durch das Trümmerfeld vorwärts, ständig auf der Suche nach einem verräterischen Hinweis auf die Position ihrer Gegner. Auf ihrem Weg zwischen die feindlichen Linien waren sie bisher einer Kundschaftereinheit der Eldar und einem der schweren, skorpionähnlichen Panzer begegnet. Beide Einheiten hatten sie nur wenige Schritte entfernt passiert, und trotzdem war es den Scharfschützen gelungen, unbemerkt zu bleiben. Langsam aber stetig drangen sie so zu ihrem Ziel vor, einem Funkmast, der die meisten der umliegenden Gebäude überragte und für Snyder die Position seiner Wahl gewesen wäre. Er hoffte und fürchtete, dass die feindlichen Schützen dies genauso sahen, was ihren weiteren Weg extrem riskant machte, da er direkt vor ihnen über eine große freie Fläche führte. Eine Umgehung des Gebiets war aber sowohl aufgrund des Zeitfaktors als auch der dort stark massierten feindlichen Truppen nicht ratsam. Weitere logische Optionen gab es nicht, trotzdem fühlte sich Snyder bei dem Gedanken extrem unwohl und wenn er eines gelernt hatte, dann war es, auf seine Gefühle zu vertrauen. Er gab Richards ein kurzes Handzeichen abzuwarten und dieser folgte sofort, aber dennoch mit einem fragenden Gesichtsausdruck, seiner Anweisung. Snyder lauschte angestrengt und da war es wieder, ein Geräusch ganz in der Nähe von Richards Position zu seiner Linken. Er musste das Geräusch schon vorhin unterbewusst wahrgenommen haben, was sein Unwohlsein erklären würde. Die beiden Scharfschützen lagen vollkommen reglos da, als plötzlich nur wenige Zentimeter neben Richards Kopf eine Ratte ihre Schnauze aus den Trümmern erhob. Beide mussten innerlich darüber lachen, dass der Grund ihrer Beunruhigung sich als so harmlos erwiesen hatte, als plötzlich ein Laserschuss die Stille zerriss und das Tier in einer blutigen Explosion vergehen ließ. Die Wucht des Schusses hinterließ einen deutlichen Krater im Beton und schleuderte Brocken des Straßenbelags mit einer unglaublichen Geschwindigkeit auf die Soldaten. Einige der Steinsplitter trafen Snyder im Gesicht, aber trotzdem gelang es ihm, reglos liegen zu bleiben. Minutenlang wagte er es nicht, sich zu rühren, und erst als der aufgewirbelte Staub sich wieder gelegt hatte, drehte er den Kopf ein wenig zur Seite. Er ließ seinen Blick über die umliegenden Gebäude streifen und versuchte, anhand des Eintrittwinkels des Schusses einen Hinweis auf die Position des Schützen entdecken.
Da fiel es ihm wie Schuppen von den Augen und er schallt sich selber für seine Dummheit. In unmittelbarer Nähe zu dem Funkturm standen die Überreste eines Wohnblocks, der nur unwesentlich niedriger war. Von dort musste man einen erstklassigen Blick sowohl auf ihre jetzige Stellung, als auch auf den Funkturm haben, sodass man jeden, der versuchen sollte, dort hinauf zu gelangen, präzise unter Feuer nehmen könnte. Nachdem Snyder wusste, wo er suchen musste, dauerte es nur wenige Minuten, bis er einen der Eldar entdeckte, der sich tatsächlich an einem der Fenster des Wohnblocks platziert hatte. Sehr bedächtig und einen Milimeter nach dem anderen brachte Snyder sein Gewehr in Stellung. Er spähte sorgfältig durch sein Zielfernrohr, konnte aber nur den einen Schützen entdecken. Vielleicht arbeitete er wirklich allein, auch wenn das für sein Empfinden sehr seltsam war, aber wer verstand schon, was diesen Xenosabschaum umtrieb. Inständig hoffend, dass es wirklich nur diesen einen Scharfschützen auf der Gegenseite gab, und noch ein kurzes Stoßgebet an den Imperator sendend, machte er sich zum Schuss bereit.
Wie jedes Mal zuvor brachte er sein Ziel genau ins Fadenkreuz.
Wie jedes Mal zuvor hielt er kurz vor dem Schuss den Atem an.
Wie jedes Mal zuvor betätigte er mit Bedacht den Abzug.
Wie jedes Mal zuvor ging sein Ziel getroffen zu Boden.
Langsam sog er die Luft wieder ein und verfiel gleich wieder in die eingeübte, langsame Atmung, um unnötige Bewegungen zu vermeiden. Zum ersten Mal seit dem Tod der Ratte wagte er es wieder, einen Blick auf Richards zu werfen. Dieser lag immer noch so bewegungslos da wie in dem Moment, als der Schuss ihn nur um Zentimeter verfehlt hatte. Voller Bestürzung bemerkte Snyder die Blutlache, die sich langsam um den Kopf seines Kameraden bildete. Beim Anblick seines Freundes spürte er einen schmerzhaften Stich in seinem Herzen.
Frank war einfach nur kotzübel zumute, so als hätte er stundenlang durchgesoffen und wäre gerade mit dem Kater seines Lebens aufgewacht. Alles um ihn herum wackelte und als er die Augen aufschlug, schien die Welt um ihn herum auf dem Kopf zu stehen. Es dauerte einige Zeit, bis ihm klar wurde, dass er es war, der kopfüber hing. Er versuchte, sich zu erinnern, was geschehen war, und schloss die Augen gegen die aufsteigende Übelkeit. Unzusammenhängende Bilder erschienen in seinem Kopf.
Eine greller Blitz vor seinen Augen.
Die explodierende Ratte.
Ein faustgroßer Stein, der auf ihn zuraste, dann nur noch Schwärze.
Langsam reimte er sich zusammen, was geschehen war, und als er die Augen wieder aufschlug, sah er zwar immer noch alles sehr verschwommen, aber es wurde allmählich besser. Es musste ihn schwer erwischt haben, denn auf dem Weg, den sie genommen hatten sah er eine deutliche Blutspur. Das verwunderte ihn etwas, da er außer den hämmernden Kopfschmerzen keine weitere schmerzende Stelle an seinem Körper spüren konnte. Er war sich ganz sicher, dass es Caff war, der ihn trug. Das erkannte er einfach am Geruch des Mannes und dem Geräusch seines Atems. Die letzten Zweifel wurden beseitigt als Caff mehr zu sich selbst als zu ihm sprach.
„Stirb mir jetzt bloß nicht weg, Mann. Tu mir das nicht an. Jetzt hab ich mich endlich durchgerungen, es dir zu sagen, also stirb gefälligst nicht. Ich liebe dich doch, Mann!“
Frank wollte ihm antworten: „Ich dich auch, du Hurensohn“, aber seine Zunge fühlte sich seltsam schwer an. Nur wenige Augenblick später verlor er erneut das Bewusstsein.
Snyder konnte jetzt das Lager sehen. Gleich hatten sie es geschafft. Der Stich, den er verspürt hatte, als er Richards in diesem Zustand entdeckt hatte, schmerzte mit jedem Schritt mehr. Er hatte Angst, seinen Freund zu verlieren, seinen Kameraden, den Menschen, den er mehr liebte als sein Leben. Dieser schon fast physische Schmerz zeigte ihm, dass es endlich an der Zeit war, über seine Gefühle zu sprechen. Egal, ob man ihn auslachen würde, egal welche Spitznamen man ihm geben würde. Warmer Bruder, Hinterlader, Schwuchtel, er würde es überleben. Selbst wenn Richards seine Gefühle nicht erwiderte, was er tief im Innern am meisten fürchtete, er würde ihm sagen, dass er ihn liebte. Wenn er denn nur überleben würde, damit Snyder es ihm sagen konnte. Als er den Rand des Lagers erreichte, liefen ihm seine Kameraden entgegen und nahmen ihm die schwere Last ab, die er jetzt so viele Kilometer getragen hatte. Sobald er Richards übergeben hatte, brach Snyder zusammen.
Als Frank wieder zu Bewusstsein kam, nahm er zuerst den Geruch war. Diese besondere Mischung aus frischen Laken, Blut und Narkosemittel. Als nächstes wurde ihm das taube Gefühl in seinem Mund bewusst, welches schnell abgelöst wurde durch höllische Kopfschmerzen. Er öffnete langsam die Augen und entdeckte Corporal Myers der an seinem Bett saß. Dieser bemerkte sein Erwachen und trat mit einem Lächeln zu ihm.
„Schön, dass Sie wieder wach sind, Frank. Bleiben Sie erstmal liegen und sagen Sie nichts. Offensichtlich haben Sie ziemlich was auf den Kopf bekommen und sich dabei die Zunge zerbissen. Aber keine Angst, der Doc ist zuversichtlich, dass das wieder vollständig heil wird.“
Plötzlich wurde sein Gesichtsausdruck ernst und seine Finger spielten verlegen mit der Feldmütze in seiner Hand.
„Caff hat leider nicht so viel Glück gehabt. Ein Splitter hat ihn dicht am Herzen erwischt und als er dich zurückgetragen hat, hat sich das verfluchte Ding Stück für Stück immer weiter in sein Herz gebohrt. Der Doc meint, er war schon tot, als er dich ins Lager gebracht hat, und es sei ein Wunder, dass er es mit dir überhaupt bis hierhin geschafft hat.“
In der Zwischenzeit war der Regimentsarzt an Franks Bett getreten und mischte sich in das Gespräch ein.
„Das Tragische ist, wenn Ihr Kamerad Sie nicht getragen hätte, hätte er es wohl überlebt. Er hat im wahrsten Sinne des Wortes sein Leben für Sie gegeben. Das würden andere Kerle nicht mal für ihre Frau tun.“
Den Rest des Gesprächs nahm Frank gar nicht mehr richtig wahr. Die Worte des Arztes ließen ihn plötzlich verstehen. Caffs seltsames Benehmen, seine letzten Worte an ihn, die er einfach für eine kameradschaftliche Floskel gehalten hatte, alles ergab in diesem Moment einen Sinn. Eine einzelne Träne lief seine Wange herunter. Schnell wischte er sie weg, ehe sie noch jemand bemerkte. Er wollte schließlich nicht für ein Weichei oder schlimmer noch, eine Schwuchtel, gehalten werden.
Seit seinem Eintreten in die planetaren Verteidigungsstreitkräfte von Naxos vor annähernd fünf Jahren hatte Snyder es jetzt schon mehrfach mit den Dark Eldar zu tun gehabt und daher wusste er, dass es zumeist hochrangige Anführer der skrupellosen Xenos waren, die diese hochentwickelte Art von Tarnvorrichtung trugen, welche ihren Träger quasi unsichtbar machte. Wahrscheinlich stand der Eldar in der Nähe einer der zahllosen defekten Stromleitungen und ein Funke hatte zu dem kurzen Aufflackern des Tarnfeldes geführt, das ihn verraten hatte. Ohne einen weiteren Blick auf seinen Kameraden werfen zu müssen, wusste er, dass Richards jetzt ebenso angespannt wie er auf einen erneuten verräterischen Hinweis auf den genauen Standort ihres Ziels wartete. Ihre Hartnäckigkeit wurde belohnt, als der Eldar seine Position leicht veränderte und sich ein Stein plötzlich von alleine zu bewegen schien. Snyder hielt den Atem an, als er den Abzug durchzog, und Richards hatte offensichtlich im selben Augenblick abgedrückt. Der Kopf des Unsichtbaren zerplatzte durch die wohlplatzierten Schüsse geradezu und einer hatte wohl auch den Feldgenerator beschädigt, denn neben dem überraschten Scout, tauchte jetzt deutlich der noch zuckende Leichnam des Xenos auf. Snyder schickte noch einen zweiten Schuss hinterher, der den immer noch überrumpelten Kundschafter ebenfalls ausschaltete, dann räumten die beiden Scharfschützen schnell und leise ihre Positionen.
Frank Richards fuhr sich mit der linken Hand durch die noch feuchten blonden Haare, als er aus dem Fleischwagen trat und gleichzeitig mit der anderen Hand seinen Reißverschluss hochzog. Bei dem Fleischwagen handelte es sich um einen stillgelegten Waggon, den die hiesigen Nutten als Stundenhotel nutzten, seit die PVS ihre neue Kaserne hier in den Außenbezirken von Naxos Colony One bezogen hatte. Seit der Angriff der Eldar begonnen hatte, machten die Huren fast das Dreifache an Profit wie vorher, jeder wollte schließlich lieber nochmal einen wegstecken, bevor er möglicherweise keine Gelegenheit mehr dazu hatte. Genau wie bei Frank, führte der Weg der meisten Soldaten sie nach einer Patroullie daher zuerst kurz in die Duschen und anschließend in den Fleischwagen.
Sein Teamkamerad Caff Snyder bildete da allerdings eine der wenigen Ausnahmen. Wie immer, wenn Frank den Waggon verließ, stand Caff im Schatten des benachbarten Messezeltes und wartete auf ihn. Die beiden waren jetzt schon seit drei Jahren ein festes Team und gehörten zu den erfolgreichsten Scharfschützen des Regiments. Doch trotz ihrer engen Kameradschaft war der blasse und stille Caff für Frank manchmal immer noch ein Rätsel. Vielleicht hatte er irgendwo eine Freundin, der er treu sein wollte, aber das war ein Thema, über das er sich immer ausgeschwiegen hatte, wenn Frank ihn darauf ansprach. Möglicherweise hatte er auch jemanden verloren, den er liebte, und Frank mochte ihn zu sehr, als dass er solche Wunden wieder aufreißen wollte. Daher war dies eines der wenigen Themen, über das sie nicht mehr sprachen.
Snyder musste wegen der tief stehenden Sonne blinzeln und erkannte daher seinen Freund erst, als er schon fast vor ihm stand. Schweigend beobachtete er, wie Richards die Feldbluse über seiner muskulösen Brust zuknöpfte.
Bei dem Gedanken, was sich noch wenige Minuten zuvor im Fleischwagen zwischen diesem und einer der zahlreichen Nutten abgespielt hatte, schüttelte es ihn vor Ekel.
Er konnte einfach nicht verstehen, wie seine Kameraden sich diesen Huren hingeben konnten, die es doch nur auf ihr Geld abgesehen hatten. Für ihn gehörte zum Sex auch immer noch die Liebe dazu und eines ohne das andere konnte niemals von Bestand sein. Ohne Hingabe, Freundschaft und Zuneigung spielte für ihn auch das Körperliche keine Rolle. Zwar gab es eine Person, für die er diese Gefühle hegte, aber das hätte Richards niemals verstanden.
Bevor er seine düsteren Gedanken weiter vertiefen konnte, trat Corporal Myers in ihren Weg und bestellte sie zum Befehlsstand von Major Crid.
Keine drei Stunden hatte ihre Pause gedauert und schon lagen sie wieder im Dreck. Frank fluchte still vor sich hin und verfluchte die Xenos, die ihn von seinem wohlverdienten Schlaf und seinem Alkohol fernhielten, aber die Befehle des Majors waren klar und deutlich gewesen. Offensichtlich verfügte auch der Feind über erstklassige Scharfschützen und nach Aussage ihres befehlshabenden Offiziers hatten die PVS in diesem Gebiet bereits vier Teams verloren. Also hatte er nach seinen besten Snipern schicken lassen und sie beide damit beauftragt, die feindlichen Schützen auszuschalten. Vor fünf Minuten hatten Caff und er die Leichen von Becker und Landing gefunden, beide durch saubere Kopfschüsse genau zwischen die Augen ausgeschaltet. Die beiden hatten nicht einmal Zeit gehabt, ihre Waffen abzufeuern. Sie hatten es wirklich mit Profis zu tun, denn Becker und Landing waren das Team gewesen, mit dem sie ständig an der Spitze der regimentsinternen Abschussrangliste konkurriert hatten. Caff sah ihn nachdenklich an und er stimmte ihm nickend zu, es galt wirklich verdammt vorsichtig zu sein.
Zentimeter für Zentimeter schoben sie sich jetzt durch das Trümmerfeld vorwärts, ständig auf der Suche nach einem verräterischen Hinweis auf die Position ihrer Gegner. Auf ihrem Weg zwischen die feindlichen Linien waren sie bisher einer Kundschaftereinheit der Eldar und einem der schweren, skorpionähnlichen Panzer begegnet. Beide Einheiten hatten sie nur wenige Schritte entfernt passiert, und trotzdem war es den Scharfschützen gelungen, unbemerkt zu bleiben. Langsam aber stetig drangen sie so zu ihrem Ziel vor, einem Funkmast, der die meisten der umliegenden Gebäude überragte und für Snyder die Position seiner Wahl gewesen wäre. Er hoffte und fürchtete, dass die feindlichen Schützen dies genauso sahen, was ihren weiteren Weg extrem riskant machte, da er direkt vor ihnen über eine große freie Fläche führte. Eine Umgehung des Gebiets war aber sowohl aufgrund des Zeitfaktors als auch der dort stark massierten feindlichen Truppen nicht ratsam. Weitere logische Optionen gab es nicht, trotzdem fühlte sich Snyder bei dem Gedanken extrem unwohl und wenn er eines gelernt hatte, dann war es, auf seine Gefühle zu vertrauen. Er gab Richards ein kurzes Handzeichen abzuwarten und dieser folgte sofort, aber dennoch mit einem fragenden Gesichtsausdruck, seiner Anweisung. Snyder lauschte angestrengt und da war es wieder, ein Geräusch ganz in der Nähe von Richards Position zu seiner Linken. Er musste das Geräusch schon vorhin unterbewusst wahrgenommen haben, was sein Unwohlsein erklären würde. Die beiden Scharfschützen lagen vollkommen reglos da, als plötzlich nur wenige Zentimeter neben Richards Kopf eine Ratte ihre Schnauze aus den Trümmern erhob. Beide mussten innerlich darüber lachen, dass der Grund ihrer Beunruhigung sich als so harmlos erwiesen hatte, als plötzlich ein Laserschuss die Stille zerriss und das Tier in einer blutigen Explosion vergehen ließ. Die Wucht des Schusses hinterließ einen deutlichen Krater im Beton und schleuderte Brocken des Straßenbelags mit einer unglaublichen Geschwindigkeit auf die Soldaten. Einige der Steinsplitter trafen Snyder im Gesicht, aber trotzdem gelang es ihm, reglos liegen zu bleiben. Minutenlang wagte er es nicht, sich zu rühren, und erst als der aufgewirbelte Staub sich wieder gelegt hatte, drehte er den Kopf ein wenig zur Seite. Er ließ seinen Blick über die umliegenden Gebäude streifen und versuchte, anhand des Eintrittwinkels des Schusses einen Hinweis auf die Position des Schützen entdecken.
Da fiel es ihm wie Schuppen von den Augen und er schallt sich selber für seine Dummheit. In unmittelbarer Nähe zu dem Funkturm standen die Überreste eines Wohnblocks, der nur unwesentlich niedriger war. Von dort musste man einen erstklassigen Blick sowohl auf ihre jetzige Stellung, als auch auf den Funkturm haben, sodass man jeden, der versuchen sollte, dort hinauf zu gelangen, präzise unter Feuer nehmen könnte. Nachdem Snyder wusste, wo er suchen musste, dauerte es nur wenige Minuten, bis er einen der Eldar entdeckte, der sich tatsächlich an einem der Fenster des Wohnblocks platziert hatte. Sehr bedächtig und einen Milimeter nach dem anderen brachte Snyder sein Gewehr in Stellung. Er spähte sorgfältig durch sein Zielfernrohr, konnte aber nur den einen Schützen entdecken. Vielleicht arbeitete er wirklich allein, auch wenn das für sein Empfinden sehr seltsam war, aber wer verstand schon, was diesen Xenosabschaum umtrieb. Inständig hoffend, dass es wirklich nur diesen einen Scharfschützen auf der Gegenseite gab, und noch ein kurzes Stoßgebet an den Imperator sendend, machte er sich zum Schuss bereit.
Wie jedes Mal zuvor brachte er sein Ziel genau ins Fadenkreuz.
Wie jedes Mal zuvor hielt er kurz vor dem Schuss den Atem an.
Wie jedes Mal zuvor betätigte er mit Bedacht den Abzug.
Wie jedes Mal zuvor ging sein Ziel getroffen zu Boden.
Langsam sog er die Luft wieder ein und verfiel gleich wieder in die eingeübte, langsame Atmung, um unnötige Bewegungen zu vermeiden. Zum ersten Mal seit dem Tod der Ratte wagte er es wieder, einen Blick auf Richards zu werfen. Dieser lag immer noch so bewegungslos da wie in dem Moment, als der Schuss ihn nur um Zentimeter verfehlt hatte. Voller Bestürzung bemerkte Snyder die Blutlache, die sich langsam um den Kopf seines Kameraden bildete. Beim Anblick seines Freundes spürte er einen schmerzhaften Stich in seinem Herzen.
Frank war einfach nur kotzübel zumute, so als hätte er stundenlang durchgesoffen und wäre gerade mit dem Kater seines Lebens aufgewacht. Alles um ihn herum wackelte und als er die Augen aufschlug, schien die Welt um ihn herum auf dem Kopf zu stehen. Es dauerte einige Zeit, bis ihm klar wurde, dass er es war, der kopfüber hing. Er versuchte, sich zu erinnern, was geschehen war, und schloss die Augen gegen die aufsteigende Übelkeit. Unzusammenhängende Bilder erschienen in seinem Kopf.
Eine greller Blitz vor seinen Augen.
Die explodierende Ratte.
Ein faustgroßer Stein, der auf ihn zuraste, dann nur noch Schwärze.
Langsam reimte er sich zusammen, was geschehen war, und als er die Augen wieder aufschlug, sah er zwar immer noch alles sehr verschwommen, aber es wurde allmählich besser. Es musste ihn schwer erwischt haben, denn auf dem Weg, den sie genommen hatten sah er eine deutliche Blutspur. Das verwunderte ihn etwas, da er außer den hämmernden Kopfschmerzen keine weitere schmerzende Stelle an seinem Körper spüren konnte. Er war sich ganz sicher, dass es Caff war, der ihn trug. Das erkannte er einfach am Geruch des Mannes und dem Geräusch seines Atems. Die letzten Zweifel wurden beseitigt als Caff mehr zu sich selbst als zu ihm sprach.
„Stirb mir jetzt bloß nicht weg, Mann. Tu mir das nicht an. Jetzt hab ich mich endlich durchgerungen, es dir zu sagen, also stirb gefälligst nicht. Ich liebe dich doch, Mann!“
Frank wollte ihm antworten: „Ich dich auch, du Hurensohn“, aber seine Zunge fühlte sich seltsam schwer an. Nur wenige Augenblick später verlor er erneut das Bewusstsein.
Snyder konnte jetzt das Lager sehen. Gleich hatten sie es geschafft. Der Stich, den er verspürt hatte, als er Richards in diesem Zustand entdeckt hatte, schmerzte mit jedem Schritt mehr. Er hatte Angst, seinen Freund zu verlieren, seinen Kameraden, den Menschen, den er mehr liebte als sein Leben. Dieser schon fast physische Schmerz zeigte ihm, dass es endlich an der Zeit war, über seine Gefühle zu sprechen. Egal, ob man ihn auslachen würde, egal welche Spitznamen man ihm geben würde. Warmer Bruder, Hinterlader, Schwuchtel, er würde es überleben. Selbst wenn Richards seine Gefühle nicht erwiderte, was er tief im Innern am meisten fürchtete, er würde ihm sagen, dass er ihn liebte. Wenn er denn nur überleben würde, damit Snyder es ihm sagen konnte. Als er den Rand des Lagers erreichte, liefen ihm seine Kameraden entgegen und nahmen ihm die schwere Last ab, die er jetzt so viele Kilometer getragen hatte. Sobald er Richards übergeben hatte, brach Snyder zusammen.
Als Frank wieder zu Bewusstsein kam, nahm er zuerst den Geruch war. Diese besondere Mischung aus frischen Laken, Blut und Narkosemittel. Als nächstes wurde ihm das taube Gefühl in seinem Mund bewusst, welches schnell abgelöst wurde durch höllische Kopfschmerzen. Er öffnete langsam die Augen und entdeckte Corporal Myers der an seinem Bett saß. Dieser bemerkte sein Erwachen und trat mit einem Lächeln zu ihm.
„Schön, dass Sie wieder wach sind, Frank. Bleiben Sie erstmal liegen und sagen Sie nichts. Offensichtlich haben Sie ziemlich was auf den Kopf bekommen und sich dabei die Zunge zerbissen. Aber keine Angst, der Doc ist zuversichtlich, dass das wieder vollständig heil wird.“
Plötzlich wurde sein Gesichtsausdruck ernst und seine Finger spielten verlegen mit der Feldmütze in seiner Hand.
„Caff hat leider nicht so viel Glück gehabt. Ein Splitter hat ihn dicht am Herzen erwischt und als er dich zurückgetragen hat, hat sich das verfluchte Ding Stück für Stück immer weiter in sein Herz gebohrt. Der Doc meint, er war schon tot, als er dich ins Lager gebracht hat, und es sei ein Wunder, dass er es mit dir überhaupt bis hierhin geschafft hat.“
In der Zwischenzeit war der Regimentsarzt an Franks Bett getreten und mischte sich in das Gespräch ein.
„Das Tragische ist, wenn Ihr Kamerad Sie nicht getragen hätte, hätte er es wohl überlebt. Er hat im wahrsten Sinne des Wortes sein Leben für Sie gegeben. Das würden andere Kerle nicht mal für ihre Frau tun.“
Den Rest des Gesprächs nahm Frank gar nicht mehr richtig wahr. Die Worte des Arztes ließen ihn plötzlich verstehen. Caffs seltsames Benehmen, seine letzten Worte an ihn, die er einfach für eine kameradschaftliche Floskel gehalten hatte, alles ergab in diesem Moment einen Sinn. Eine einzelne Träne lief seine Wange herunter. Schnell wischte er sie weg, ehe sie noch jemand bemerkte. Er wollte schließlich nicht für ein Weichei oder schlimmer noch, eine Schwuchtel, gehalten werden.
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