[Archiv] [Storywettbewerb II 2011] [WHFantasy] "De Profundis - im tiefen Wald"
Neben seiner Schulter saß eine Libelle auf einem riesigen Baumfarnblatt und genoss die letzten Strahlen der untergehenden Abendsonne. Sie zirpte leise und fast wäre sie im Konzert der Feuerfrösche, Pfeilgiftfrösche, Papageien und Bonoboaffen untergegangen. All dies hatten die Alten geschaffen oder doch nach ihren Wünschen geordnet. Chaxoatl strich mit seiner beschuppten Klaue die duftenden Orchideen beiseite und es öffnete sich ihm ein atemberaubender Blick hinunter in ein Tal. Seine Augen schweiften über das Dach des Regenwaldes, nur um in ihm den bittersten Zorn zu entfachen. Schwarze Rauchsäulen krochen gen Himmel, der Gestank verbrannten Holzes und angesengter Haut lag in der Luft und er schmeckte den sauren Ruß auf seiner Zunge. Die Seher hatten also Recht behalten. Vom großen Tempel war er, gehüllt in seinen Federumhang, in Richtung Küste aufgebrochen. Seine treue Skinkgarde, welche ihm auf ihren Terradons gefolgt war, begleitete ihn auf Schritt und Tritt. Nahe des uralten Opferzeremoniells Alxa'oatl waren sie gelandet und hatten die letzte Strecke zu Fuß zurückgelegt. Sie waren fähige Jäger und Kundschafter, doch hier waren sie ganz überflüssig. Die berittenen, ganz in schwarze Roben gehüllten Späher der Eindringlinge waren hier, im Dickicht des Dschungels, ganz und gar nutzlos. Blind Saßen sie im hölzernen Käfig, geduckt wie eine Maus – sie sollten ihre Dreistigkeit noch früh genug büßen.
Ich rufe dich Artharti, Göttin der Lust! Der Geist der tileanischen Sklavin war schon seit Wochen in hypnotische Tiefen entrückt und ihr schwitzender, abgemagerter Körper wurde nur noch von ihren tierischen Instinkten regiert. Haleth gefiel dieses Wesen, an dem er seine bösartigen Lüste befriedigte. Ihren pechschwarzen Lockenkopf hatte er auf der einen Schädelhälfte abrasiert und grauenvolle Runen hinein gebrannt. Er packte sie am Oberarm, roch an ihrem Hals, sog ihren süßlichen Schweißgeruch in sich auf. Sie zuckte. Sein Herz lachte. Doch voll Heimtücke biss er ihr in die Schulter, als sie sich über seine Bauchmuskeln nach unten hatte vorarbeiten wollen. Entsetzt schrie sie auf und im flackernden Schein des Feuers sah er ihre erregte Brust sich heben und senken. Blut quoll aus ihrer Wunde und rann über ihre mageren Brüste hinab. Heimlich hatte Haleth hinter seinem Rücken die genietete Peitsche ergriffen. Jetzt näherte er sich ihr auf leisen Sohlen. Überall um das Zelt erfüllten Schreie von Qual und Marter die Nacht. Haleth beugte sich nach vorn und tauchte seine Zunge in den erhitzten, salzig schmeckenden Lebenssaft. Sie umfasste seinen Kopf, drückte sich an ihn, streichelte ihn mit ihrer groben Haut, fingerte nach seinem Glied. Da stieß er sie voll Heimtücke blitzschnell von sich und Schlug ihr die Peitsche quer über das Gesicht. Jetzt schrie sie nicht mehr, sondern sackte lediglich ohnmächtig zu Boden. Kurz verging er sich noch an ihrem schlaffen Leib, dann zog er sich wieder an. Sein Drannach lehnte an dem Tisch, welcher aus den Schenkelknochen seiner Opfer geschnitzt war. Der Speer hatte schon vielen Höllenfluchs seinen teuren Dienst erwiesen und auch ihm sollte er die Schätze Lustrias erringen. Haleth warf einen flüchtigen Blick auf die Schatzkarten. Die Reichtümer lagen zum Greifen nah und voll Sehnsucht malte er sich aus, wie er in einem gerissenen Komplott und mit der Macht des Geldes seine Konkurrenten hinfortspülen und zum ersten Berater am Hofe Malekiths, des Hexenkönigs, avancieren würde. Unfassbar grausam würde er sie Schlachten und an den etlichen Opferaltären von Naggaroth verbrennen. Dunkle Lust kitzelte ihn bei diesem Gedanken im Gaumen. Geschickt zog er die Riemen seines Panzers straff und zog den blutbesudelten Rock glatt. Schroff schlug er die Lederhaut am Zelteingang zurück. Es war ein Jammer, dass man in diesen unfassbar schwülen und stickigen Landen nicht einmal neue Sklaven requirieren konnte. Ihm machte es keinen Spaß, diese Kreaturen immer wieder aufs neue leben zu lassen. Seine Mordlust war unbefriedigt, schrecklich unbefriedigt. Schon seit Tagen kribbelte es in seinen Fingern und sein Blutdurst war so stark wie nie. Die Sklavenmeister trieben ihre räudigen Horden zurück von den Wällen und Schanzen, die sie eben noch errichtet hatten, ließen ihre Peitschen über den wunden kreisen, nur um wie Raubvögel hinabzustürzen. Auch in ihren Augen flackerte die Mordsucht, die sie nun künstlich unterdrücken mussten. Doch die Schätze der Echsen würden für alles entschädigen.
Chaxoatl schwebte mit seinen Gedanken in den Sphären der Magie. Lang konnte es nicht mehr dauern. Seine Garde hatte er bis auf Xinhiauin ausgesandt, den Feind zu beobachten. Was dachten sich diese Elfen? Mit welcher Dreistigkeit gelüstete es ihnen, die heiligen Stätten der Alten zu entweihen? Doch was noch schlimmer wog: Auf ihrer vermuteten Route lagen die Brutteiche von Xi'otel und als die Seher Lord Tepec-Itzi von der bevorstehenden Invasion in Kenntnis setzten, reagierte er umgehend und sein Befehl bestand nur aus einem Wort: Vernichten! Damit war alles gesagt und die Gelehrten empfingen die genaue Schlachtorder des Slann Magierpriesters umgehend durch seine Eingebungen. Mit seinen 7500 Jahren war Lord Tepec-Itzi ein sehr junger Slann, geradezu eine Kaulquappe unter diesen herrlichen und unübertroffenen Meistern der Magie. Doch sein jugendliches Alter machte ihn rastlos und unerbittlich. Einmal hatte ihn sein Temperament gar bis nach Naggaroth geführt, um diesen ruchlosen, langohrigen Plünderern die Sternentafel von Quetli wieder zu entreißen. Vielleicht rührte auch daher sein kalter Hass auf dieses Ungeziefer. Doch was wusste Chaxoatl schon, was in diesem ehrwürdigen Wesen vorging. Er machte sich jedenfalls bereit und schon bald merkte er das bleierne Gewicht in sich sinken. Sein kleiner Körper krampfte und zuckte, bis er schließlich das Bewusstsein verlor.
Ataq'To war der fähigste Jäger und Kundschafter Chaxoatls, nicht zuletzt, da er über die seltene Gabe der Alten verfügte: Seine Haut war die eines Chamäleons. Schon lange diente er im Gefolge des Skink Gelehrten und Magiers. Viele Schrumpfköpfe hatten sie zur Warnung schon unter die Baumkronen gehangen, doch die Dummheit der Invasoren wurde stets nur von ihrer Gier übertroffen. Sie sehnten sich nach den mächtigen Artefakten der Alten, nach Reichtum und arkanem Wissen, doch neun von zehn Eindringlingen fielen, noch bevor sie jemals einen der großen Tempel zu Gesicht bekommen hatten. Eidechsen krabbelten über seine Haut, ihre innere Unruhe verriet ihm eine nahe Präsenz. Flink griff er nach Blasrohr und Dolch. Die Alten hielten eine Aufgabe für ihn bereit und er würde sie nicht enttäuschen!
Lilith zog ihre schwarze Kapuze enger. Die feuchte Schwüle dieses Ortes machte ihr zu schaffen. Hier war es ganz anders als auf den frostigen Höhen des Schwarzgratgebirges. Flink huschte sie den anderen Schatten hinterher. Keiner konnte seine Mordgelüste mehr zügeln und so waren sie aufgebrochen, rasend vor Gier nach Blut und Tod, als Haleth ihnen den Auftrag gegeben hatte, die Gegend auszukundschaften. Torf kroch ihr zwischen die spitzen Lippen und legte sich auf ihre Zunge. In ihr herrschte blanke Raserei. Den Dolch in der Hand schlitzte sie jeden Frosch in zwei Hälften, doch es befriedigte sie nicht. Sie musste wieder töten, mehr töten und Größeres töten. Ihr Hass auf alles Leben trieb sie vorwärts. Plötzlich, als sie gerade eine kleine farnüberwucherte Lichtung passiert hatten, verstummte das widerliche Gezwitscher der Vögel. Wie auf ein Zeichen hechteten sie in die schützenden Schatten, unter riesige Wurzeln und Blätter. Ein Dutzend der fähigsten Krieger Naggaroths und sie spürte, dass sie gekommen waren. Das Warten hatte ein Ende. Voll Blutdurst griff Lilith nach ihrer Repetierarmbrust und entsicherte. Nun würde das Morden beginnen.
Ein kehliges Röcheln ließ Ataq'To aufschrecken. Schnell hangelte er sich auf einen niedrigen Ast und späte durch den Nebel, der sich des Nachts über die Böden Lustrias legte. Schatten huschten wenige Meter vor ihm über den Moos bewachsenen Torf. Vergiftete Pfeile und Bolzen surrten durch die Luft. Die schwarzen Meister des Mordens hatten seine Skinks überrumpelt.
Ekstatisch jauchzte Lilith, als ihr gezackter Dolch im Hals der kümmerlichen Echse ertrank. Sie wand sich, stieß zähflüssiges Blut aus und gurgelte, bis sie schließlich schlaff zu Boden sackte. Endlich fand Liliths dunkle Sucht ihr Ziel und die Schatten wüteten schrecklich unter diesen erbärmlich schwachen Kreaturen. Mit Blättern und Federn bedeckt, waren sie herangeschlichen, doch Lilith und ihre Krieger waren ihnen aufgelauert. Der Saft des Lebens sandte seine düsteren Einflüsterungen nach ihnen aus und sie konnten nicht widerstehen, sie mussten alles Leben töten. Von einem Giftpfeil getroffen zuckte Kailinill, ein junger, kräftiger Elf zusammen, dann ward er sich wimmernd auf den Boden. Seine Augen hatte er weit aufgerissen vor Todesangst und nun bat er Lilith um Hilfe. Doch es war ein aussichtsloses Unterfangen. Ihr Durst war nicht gestillt und Kailinill schwach. Auch Hutekarti und Amath Rulii waren gefallen. Sie blickte um sich. Als sie sich sicher fühlte wand sie sich mit fiesem Lächeln auf den Lippen Kailinill zu. Tief schnitt sie in sein Fleisch und sein Schmerz geriet ihr zur Freude. Während die anderen weiter vorstießen, Folterte sie ihr Opfer auf grausamste Art. Mit bösartig blitzenden Augen zog sie ihm die Haut vom Gesicht, roch das schwache Leben unter seinem entblößten Fleisch kraftlos pulsieren. „Ahhhh!“ Lilith zuckte zusammen.
Ataq'To hatte nicht lange gezaudert. Wenn der Plan der Alten nicht gefährdet werden sollte, musste er diese dunklen Krieger unbedingt von Chaxoatl fernhalten. Er hatte nur gewartet, bis sie dem Schutz der Gewächse halbwegs entstiegen waren. Dann blies er mit aller Kraft in sein mit Federn geschmücktes Bambusrohr. Die Pfeile sirrten und schon schrien zwei der Schlächter in Agonie. Die Druchii hechteten in die Schatten zurück, doch Ataq'To war ihnen im Dickicht um Längen voraus. Er war die Inkarnation des Dschungels, dessen Zorn sie tollkühn heraufbeschworen hatten. Er war das Laub und der Stumpf, das Blatt und der Stängel und so erkannten sie ihn erst, wenn er ihnen seinen bronzenen Sicheldolch in die Brust rammte. Als die Stille des nächtlichen Dschungels von den Todesschreien ihrer Brüder und Schwestern widerhallte, flohen die zwei überlebenden Schatten. Ihre Sucht war gebrochen. Der Tod hatte sie mit seiner stählernen Faust zertrümmert.
Lilith schrie vor Schmerz. Die eiskalte Klinge hatte sich durch ihre Hand gebohrt und fixierte sie am feuchten Torfboden. Mit einem letzten, hämischen Grinsen erloschen Kailinills Augen. Getrieben von abgrundtiefer Bosheit hatte er ihr in diesem kurzen Moment der Ablenkung einen letzten Schmerz zufügen wollen und ihr seinen Dolch durch die Handfläche getrieben. Vorsichtig lockerte Lilith den Dolch. Dann riss sie einen Fetzen ihres Mantels ab und wickelte ihn um die Wunde. Heftig war das Blut daraus hervorgeschossen. Modergeruch durchbrach ihre Sinne und mit schmerzverzerrtem Gesicht warf sie sich gegen den Stamm in ihrem Rücken. Sie hörte die Todeslaute ihrer Brüder und Schwestern, spürte ihre Angst. Der Hass war gewichen. Etwas lebte in diesem Dschungel, womit sie nicht gerechnet hatten. Zwei Schatten sprangen vorbei, doch noch im Sprung durchbrachen Pfeilspitzen ihre Kehlen und leblos fielen sie in das dichte Gestrüpp. Liliths Herz hämmerte gegen ihre Brust. Alle Fasern ihres jahrhundertealten Körpers waren aufs äußerste gespannt, als ein ohrenbetäubendes Donnern den Dschungel zum Beben brachte.
Ataq'To blies und noch im Sprung fielen die flüchtenden Krieger der Dunkelelfen. Es erfüllte ihn mit tiefer Genugtuung, den feigen Mord an seinen Kriegern gerächt zu haben. Da bemerkte er im Schatten eines Baumes eine Verwundete. Sie war nicht tödlich verletzt und saß über dem verunstalteten Körper eines ihrer Brüder. Ataq'To witterte ihre Angst, doch sein Gemüt war kalt und ohne Mitleid. Mit seiner Sichelklinge schlich er sich von hinten an. Die Kapuze hatte sie zurückgeschlagen und ihr schwarzes Haar fiel ihr in den weißen sehnigen Nacken. Ataq'To streckte seine Kralle aus, um ihr Haupt zu greifen und den tödlichen Stoß zu versetzen. Sie würde einen vorzüglichen Schrumpfkopf abgeben. Da bebte die Erde und der Donner der Alten raunte die Formel des Todes.
Die uralten, exquisiten Reliquien dieses eigenwilligen Kontinents hatten schon viele Angelockt. Plünderer, Piraten und Hasardeure. Unzählige hatten ihre Heimat nie wiedergesehen, das wusste Haleth. Doch sie waren Stümper gewesen oder die Angst hatte ihre Glieder im entscheidenden Moment gelähmt. Haleth hatte sich vorbereitet, das passende Rüstzeug angelegt. Lauwarm rann das Gemisch aus Wein und Blut seine Kehle hinab. Dann warf er den Kelch in den Dreck. „Pfua, elendes Gesöff!“ „Ohne frisches Blut, mein Herr ...“, „Schweig! Befehl ich dir!“ Diese Ratte, elender Panscher! Doch was wollte man machen, wenn man nur einen Mundschenk hatte. Zurück in Naggaroth würde sein Haupt von den Zinnen baumeln, doch bis dahin musste es Haleth mit derben Flüchen bewenden lassen. Voll Zorn und Hass streifte er durch das Lager. Um die zahlreichen Feuer scharten sich Krieger, die Mordlust sprang ihnen aus den Augen. Haleth zog hinaus zu den Schanzen und im Geiste badete er im Ruhm, den er mit dem Gold und dem Blut der Echsen erkaufen würde. Jeder Elf sehnt sich nach Reichtum, Einfluss, Macht und die Straße dorthin ist gesäumt von Komplotten, den Schätzen und Knochen seiner Opfer. Haleth betrachtete die Schanze. Ein breiter Graben, gespickt mit Klingen und angespitzten Pfählen, darüber ein Wall aus Erde und eine hölzerne Palisade. Dies war ihr eiserner Harnisch, der sie vor den Gefahren des Dschungels schützen sollte. Auf dem Wall patrouillierten Armbrustschützen und abgesessene schwarze Reiter mit ihren Speeren. Die Zauberinnen des dunklen Konvents hatten ihre schwarze Magie gewoben, um nahende Feinde durch magische Fallen zu vernichten. Dies war eine stählerne Wehr, eine Haut aus Metal, Holz und Magie, die sie selbst vor den größeren Schrecken aus dem Unterholz schützen sollte. Eisern nach außen und innen Seelen verzehrender Hass, das gierende Lechzen nach Gemetzel. Haleth lächelte böse und er schmeckte die Süße goldener Münzen auf seinem Gaumen, als die Erde plötzlich erbebte, ein dumpfer Donner grollte und eine gleißende, weiße Säule über den Felsen bis in den Himmel ragte.
Sein Geist hatte die Kontrolle über diesen schmächtigen Körper erlangt und er sah sie, besessen von Bosheit, voller Hass auf alles Lebende, Druchii, getrieben von Gier nach Mord und Schätzen. In ihm blühte kalter Zorn, dessen eisige Triebe ihn zusätzlich reizten. Sein Skinkmagier hatte seine Pläne, hatte die Pläne der Alten bestens ausgeführt. Lord Tepec-Itzi war mehr als zufrieden. Nun da er mit den Augen Chaxoatls das Lager des Feindes überblickte, war er gewiss, den Willen der Alten richtig gedeutet zu haben. Auf dem höchsten Tempel in Hexoatl auf einer Sänfte ruhend, beschwor er die Macht der Magie. Aus den Augen des Skinks brachen Blitze hervor und aus dem Boden stieß ein Strahl magischer Essenz bis in den Himmel und der Himmel antwortete mit einem erderschütternden Grollen. In wenigen Sekunden hatte sich eine Sturmwolkenfront am Himmel gebildet und wütende Blitze schossen auf die Druchii nieder, ihre kläglichen Abwehrzauber vernichtend. Schlangen, Frösche und Salamander brachen aus dem Dickicht des Dschungels hervor, überschwemmten gleich einer Flutwelle die Verteidigung, fraßen, bissen und schlängelten sich unter den Rüstungen durch. Todesschreie und Panik schwängerten die Nachtluft. Körper barsten und brannten aus, als sie von grellen Feuersäulen verhüllt oder ihre Leiber von elektrischen Entladungen aufgerissen wurden. In nur wenigen Minuten waren die Meister des kunstvollen Tötens geschlachtet, ihre Blutwut im eigenen Saft erstickt und ihre dreisten Absichten vereitelt. Lord Tepec-Itzi betrachtete sein Werk. Alles Leben war gewichen. Schlangen und Salamander waren zurückgekehrt in den Schatten des Dschungels. Der Plan der Alten war ein weiteres Mal aufgegangen und Lord Tepec-Itzi zog sich zurück. Schlaff und kraftlos kauerte Chaxoatl auf dem Boden. Xinhiauin wartete einige Minuten, bis sich Chaxoatls Geist von den Anstrengungen erholt hatte, dann zog er ihn empor und beide kehrten noch in der selben Nacht nach Hexoatl zurück.
Erst spät am nächsten Tag wagte Lilith sich aus ihrem Versteck. Noch immer hallten die entsetzten Schreie ihrer Brüder und Schwestern ihr im Ohr. Sie konnte nicht glauben, dass sie überlebt hatte. Sie musste wahrlich in der Gunst Khaines stehen. Schon von Weitem roch sie den Gestank verbrannten Fleisches. Nervöses Kribbeln erfasste ihren geschwächten Körper. Doch als sie sich an den Rand der Lichtung heranpirschte, war das Lager leer. Der Feind musste sich vollständig zurückgezogen haben. Bis die Dämmerung hereingebrochen war, wagte sie sich nicht aus ihrem Versteck. Erst unter dem schützenden Mantel der Nacht, schlich sie sich auf das Lager zu. Das einzige Tor war aus den Angeln gehoben, die Metallbeschläge geschmolzen. Lilith suchte nach Überlebenden, doch hier hatten sämtliche Druchii ihren letzten Atemzug getan. Gerade als sie gehen wollte, hörte sie ein leises Wimmern. Schnell sprang Lilith durch das knöchelhohe Blut und unter einem Zelt fand sie eine gepeinigte Sklavin mit schwarzen Locken. Die eine Hälfte ihres Hauptes war rasiert und Narben wucherten auf ihrem Körper. Lilith lehnte ihren schwachen Rumpf gegen einen verkohlten Stuhl, dann machte sie sich auf die Suche und fand einen Messingkelch inmitten des ganzen Schlamms und Drecks. Schnell huschte sie zurück. Sie erkannte wohl den apathischen Blick der Sklavin. Doch Lilith trachtete danach sie zurück ins Bewusstsein zu holen. Mit ihren feinen Fingern strich sie ihr über die Brust, drückte ihre schmalen Lippen auf die aufgedunsenen der Sklavin und steckte ihr ihre Zunge in den Mund. Lilith schmeckte den trockenen, salzigen Speichel, schmeckte die ganze Männlichkeit eines Dunkelelfen und schließlich spürte sie, wie das Herz dieses armseligen Geschöpfes vor Erregung zu schlagen begann. Lilith fasste ihr zwischen die Schenkel und auch in ihr wallte obszöne Lust, heiße Begierde. Das Feuer des Lebens war in die Augen der Sklavin zurückgekehrt, die Röte der Leidenschaft stieg in ihr Gesicht. Da ergriff Lilith blitzschnell ihren Dolch und schnitt ihr die Kehle auf. Spritzend und sprudelnd stieß tiefrot das Blut hervor und Lilith fing es mit dem Kelch auf. Die Glut des Mordes war wieder in ihr entfacht und vom Blut gestärkt, machte sie sich auf den Weg, zurück an die Küste, wo die Arche ankerte. Doch nie würde sie dieses Grauen vergessen.
Ataq'To hatte den Ruf seines Herrn gehört und so blieb die verwundete Dunkelelfe vorerst verschont. Mit ihr hatte Lord Tepec-Itzi anderes vor und so folgte ihr Ataq'To bis sie schließlich das Schiff erreicht hatte. Erst dann ließ er von ihr ab. Sie war die Gesandte des Todes und ihren gierigen, blutrünstigen Brüdern sollte sie auf ewig das lebendige Mahnmal sein, dass in den Wäldern Lustrias Mächte wachten, die an kalter Grausamkeit und Macht selbst die Naggarothi um Haupteslänge überragten.
Neben seiner Schulter saß eine Libelle auf einem riesigen Baumfarnblatt und genoss die letzten Strahlen der untergehenden Abendsonne. Sie zirpte leise und fast wäre sie im Konzert der Feuerfrösche, Pfeilgiftfrösche, Papageien und Bonoboaffen untergegangen. All dies hatten die Alten geschaffen oder doch nach ihren Wünschen geordnet. Chaxoatl strich mit seiner beschuppten Klaue die duftenden Orchideen beiseite und es öffnete sich ihm ein atemberaubender Blick hinunter in ein Tal. Seine Augen schweiften über das Dach des Regenwaldes, nur um in ihm den bittersten Zorn zu entfachen. Schwarze Rauchsäulen krochen gen Himmel, der Gestank verbrannten Holzes und angesengter Haut lag in der Luft und er schmeckte den sauren Ruß auf seiner Zunge. Die Seher hatten also Recht behalten. Vom großen Tempel war er, gehüllt in seinen Federumhang, in Richtung Küste aufgebrochen. Seine treue Skinkgarde, welche ihm auf ihren Terradons gefolgt war, begleitete ihn auf Schritt und Tritt. Nahe des uralten Opferzeremoniells Alxa'oatl waren sie gelandet und hatten die letzte Strecke zu Fuß zurückgelegt. Sie waren fähige Jäger und Kundschafter, doch hier waren sie ganz überflüssig. Die berittenen, ganz in schwarze Roben gehüllten Späher der Eindringlinge waren hier, im Dickicht des Dschungels, ganz und gar nutzlos. Blind Saßen sie im hölzernen Käfig, geduckt wie eine Maus – sie sollten ihre Dreistigkeit noch früh genug büßen.
Ich rufe dich Artharti, Göttin der Lust! Der Geist der tileanischen Sklavin war schon seit Wochen in hypnotische Tiefen entrückt und ihr schwitzender, abgemagerter Körper wurde nur noch von ihren tierischen Instinkten regiert. Haleth gefiel dieses Wesen, an dem er seine bösartigen Lüste befriedigte. Ihren pechschwarzen Lockenkopf hatte er auf der einen Schädelhälfte abrasiert und grauenvolle Runen hinein gebrannt. Er packte sie am Oberarm, roch an ihrem Hals, sog ihren süßlichen Schweißgeruch in sich auf. Sie zuckte. Sein Herz lachte. Doch voll Heimtücke biss er ihr in die Schulter, als sie sich über seine Bauchmuskeln nach unten hatte vorarbeiten wollen. Entsetzt schrie sie auf und im flackernden Schein des Feuers sah er ihre erregte Brust sich heben und senken. Blut quoll aus ihrer Wunde und rann über ihre mageren Brüste hinab. Heimlich hatte Haleth hinter seinem Rücken die genietete Peitsche ergriffen. Jetzt näherte er sich ihr auf leisen Sohlen. Überall um das Zelt erfüllten Schreie von Qual und Marter die Nacht. Haleth beugte sich nach vorn und tauchte seine Zunge in den erhitzten, salzig schmeckenden Lebenssaft. Sie umfasste seinen Kopf, drückte sich an ihn, streichelte ihn mit ihrer groben Haut, fingerte nach seinem Glied. Da stieß er sie voll Heimtücke blitzschnell von sich und Schlug ihr die Peitsche quer über das Gesicht. Jetzt schrie sie nicht mehr, sondern sackte lediglich ohnmächtig zu Boden. Kurz verging er sich noch an ihrem schlaffen Leib, dann zog er sich wieder an. Sein Drannach lehnte an dem Tisch, welcher aus den Schenkelknochen seiner Opfer geschnitzt war. Der Speer hatte schon vielen Höllenfluchs seinen teuren Dienst erwiesen und auch ihm sollte er die Schätze Lustrias erringen. Haleth warf einen flüchtigen Blick auf die Schatzkarten. Die Reichtümer lagen zum Greifen nah und voll Sehnsucht malte er sich aus, wie er in einem gerissenen Komplott und mit der Macht des Geldes seine Konkurrenten hinfortspülen und zum ersten Berater am Hofe Malekiths, des Hexenkönigs, avancieren würde. Unfassbar grausam würde er sie Schlachten und an den etlichen Opferaltären von Naggaroth verbrennen. Dunkle Lust kitzelte ihn bei diesem Gedanken im Gaumen. Geschickt zog er die Riemen seines Panzers straff und zog den blutbesudelten Rock glatt. Schroff schlug er die Lederhaut am Zelteingang zurück. Es war ein Jammer, dass man in diesen unfassbar schwülen und stickigen Landen nicht einmal neue Sklaven requirieren konnte. Ihm machte es keinen Spaß, diese Kreaturen immer wieder aufs neue leben zu lassen. Seine Mordlust war unbefriedigt, schrecklich unbefriedigt. Schon seit Tagen kribbelte es in seinen Fingern und sein Blutdurst war so stark wie nie. Die Sklavenmeister trieben ihre räudigen Horden zurück von den Wällen und Schanzen, die sie eben noch errichtet hatten, ließen ihre Peitschen über den wunden kreisen, nur um wie Raubvögel hinabzustürzen. Auch in ihren Augen flackerte die Mordsucht, die sie nun künstlich unterdrücken mussten. Doch die Schätze der Echsen würden für alles entschädigen.
Chaxoatl schwebte mit seinen Gedanken in den Sphären der Magie. Lang konnte es nicht mehr dauern. Seine Garde hatte er bis auf Xinhiauin ausgesandt, den Feind zu beobachten. Was dachten sich diese Elfen? Mit welcher Dreistigkeit gelüstete es ihnen, die heiligen Stätten der Alten zu entweihen? Doch was noch schlimmer wog: Auf ihrer vermuteten Route lagen die Brutteiche von Xi'otel und als die Seher Lord Tepec-Itzi von der bevorstehenden Invasion in Kenntnis setzten, reagierte er umgehend und sein Befehl bestand nur aus einem Wort: Vernichten! Damit war alles gesagt und die Gelehrten empfingen die genaue Schlachtorder des Slann Magierpriesters umgehend durch seine Eingebungen. Mit seinen 7500 Jahren war Lord Tepec-Itzi ein sehr junger Slann, geradezu eine Kaulquappe unter diesen herrlichen und unübertroffenen Meistern der Magie. Doch sein jugendliches Alter machte ihn rastlos und unerbittlich. Einmal hatte ihn sein Temperament gar bis nach Naggaroth geführt, um diesen ruchlosen, langohrigen Plünderern die Sternentafel von Quetli wieder zu entreißen. Vielleicht rührte auch daher sein kalter Hass auf dieses Ungeziefer. Doch was wusste Chaxoatl schon, was in diesem ehrwürdigen Wesen vorging. Er machte sich jedenfalls bereit und schon bald merkte er das bleierne Gewicht in sich sinken. Sein kleiner Körper krampfte und zuckte, bis er schließlich das Bewusstsein verlor.
Ataq'To war der fähigste Jäger und Kundschafter Chaxoatls, nicht zuletzt, da er über die seltene Gabe der Alten verfügte: Seine Haut war die eines Chamäleons. Schon lange diente er im Gefolge des Skink Gelehrten und Magiers. Viele Schrumpfköpfe hatten sie zur Warnung schon unter die Baumkronen gehangen, doch die Dummheit der Invasoren wurde stets nur von ihrer Gier übertroffen. Sie sehnten sich nach den mächtigen Artefakten der Alten, nach Reichtum und arkanem Wissen, doch neun von zehn Eindringlingen fielen, noch bevor sie jemals einen der großen Tempel zu Gesicht bekommen hatten. Eidechsen krabbelten über seine Haut, ihre innere Unruhe verriet ihm eine nahe Präsenz. Flink griff er nach Blasrohr und Dolch. Die Alten hielten eine Aufgabe für ihn bereit und er würde sie nicht enttäuschen!
Lilith zog ihre schwarze Kapuze enger. Die feuchte Schwüle dieses Ortes machte ihr zu schaffen. Hier war es ganz anders als auf den frostigen Höhen des Schwarzgratgebirges. Flink huschte sie den anderen Schatten hinterher. Keiner konnte seine Mordgelüste mehr zügeln und so waren sie aufgebrochen, rasend vor Gier nach Blut und Tod, als Haleth ihnen den Auftrag gegeben hatte, die Gegend auszukundschaften. Torf kroch ihr zwischen die spitzen Lippen und legte sich auf ihre Zunge. In ihr herrschte blanke Raserei. Den Dolch in der Hand schlitzte sie jeden Frosch in zwei Hälften, doch es befriedigte sie nicht. Sie musste wieder töten, mehr töten und Größeres töten. Ihr Hass auf alles Leben trieb sie vorwärts. Plötzlich, als sie gerade eine kleine farnüberwucherte Lichtung passiert hatten, verstummte das widerliche Gezwitscher der Vögel. Wie auf ein Zeichen hechteten sie in die schützenden Schatten, unter riesige Wurzeln und Blätter. Ein Dutzend der fähigsten Krieger Naggaroths und sie spürte, dass sie gekommen waren. Das Warten hatte ein Ende. Voll Blutdurst griff Lilith nach ihrer Repetierarmbrust und entsicherte. Nun würde das Morden beginnen.
Ein kehliges Röcheln ließ Ataq'To aufschrecken. Schnell hangelte er sich auf einen niedrigen Ast und späte durch den Nebel, der sich des Nachts über die Böden Lustrias legte. Schatten huschten wenige Meter vor ihm über den Moos bewachsenen Torf. Vergiftete Pfeile und Bolzen surrten durch die Luft. Die schwarzen Meister des Mordens hatten seine Skinks überrumpelt.
Ekstatisch jauchzte Lilith, als ihr gezackter Dolch im Hals der kümmerlichen Echse ertrank. Sie wand sich, stieß zähflüssiges Blut aus und gurgelte, bis sie schließlich schlaff zu Boden sackte. Endlich fand Liliths dunkle Sucht ihr Ziel und die Schatten wüteten schrecklich unter diesen erbärmlich schwachen Kreaturen. Mit Blättern und Federn bedeckt, waren sie herangeschlichen, doch Lilith und ihre Krieger waren ihnen aufgelauert. Der Saft des Lebens sandte seine düsteren Einflüsterungen nach ihnen aus und sie konnten nicht widerstehen, sie mussten alles Leben töten. Von einem Giftpfeil getroffen zuckte Kailinill, ein junger, kräftiger Elf zusammen, dann ward er sich wimmernd auf den Boden. Seine Augen hatte er weit aufgerissen vor Todesangst und nun bat er Lilith um Hilfe. Doch es war ein aussichtsloses Unterfangen. Ihr Durst war nicht gestillt und Kailinill schwach. Auch Hutekarti und Amath Rulii waren gefallen. Sie blickte um sich. Als sie sich sicher fühlte wand sie sich mit fiesem Lächeln auf den Lippen Kailinill zu. Tief schnitt sie in sein Fleisch und sein Schmerz geriet ihr zur Freude. Während die anderen weiter vorstießen, Folterte sie ihr Opfer auf grausamste Art. Mit bösartig blitzenden Augen zog sie ihm die Haut vom Gesicht, roch das schwache Leben unter seinem entblößten Fleisch kraftlos pulsieren. „Ahhhh!“ Lilith zuckte zusammen.
Ataq'To hatte nicht lange gezaudert. Wenn der Plan der Alten nicht gefährdet werden sollte, musste er diese dunklen Krieger unbedingt von Chaxoatl fernhalten. Er hatte nur gewartet, bis sie dem Schutz der Gewächse halbwegs entstiegen waren. Dann blies er mit aller Kraft in sein mit Federn geschmücktes Bambusrohr. Die Pfeile sirrten und schon schrien zwei der Schlächter in Agonie. Die Druchii hechteten in die Schatten zurück, doch Ataq'To war ihnen im Dickicht um Längen voraus. Er war die Inkarnation des Dschungels, dessen Zorn sie tollkühn heraufbeschworen hatten. Er war das Laub und der Stumpf, das Blatt und der Stängel und so erkannten sie ihn erst, wenn er ihnen seinen bronzenen Sicheldolch in die Brust rammte. Als die Stille des nächtlichen Dschungels von den Todesschreien ihrer Brüder und Schwestern widerhallte, flohen die zwei überlebenden Schatten. Ihre Sucht war gebrochen. Der Tod hatte sie mit seiner stählernen Faust zertrümmert.
Lilith schrie vor Schmerz. Die eiskalte Klinge hatte sich durch ihre Hand gebohrt und fixierte sie am feuchten Torfboden. Mit einem letzten, hämischen Grinsen erloschen Kailinills Augen. Getrieben von abgrundtiefer Bosheit hatte er ihr in diesem kurzen Moment der Ablenkung einen letzten Schmerz zufügen wollen und ihr seinen Dolch durch die Handfläche getrieben. Vorsichtig lockerte Lilith den Dolch. Dann riss sie einen Fetzen ihres Mantels ab und wickelte ihn um die Wunde. Heftig war das Blut daraus hervorgeschossen. Modergeruch durchbrach ihre Sinne und mit schmerzverzerrtem Gesicht warf sie sich gegen den Stamm in ihrem Rücken. Sie hörte die Todeslaute ihrer Brüder und Schwestern, spürte ihre Angst. Der Hass war gewichen. Etwas lebte in diesem Dschungel, womit sie nicht gerechnet hatten. Zwei Schatten sprangen vorbei, doch noch im Sprung durchbrachen Pfeilspitzen ihre Kehlen und leblos fielen sie in das dichte Gestrüpp. Liliths Herz hämmerte gegen ihre Brust. Alle Fasern ihres jahrhundertealten Körpers waren aufs äußerste gespannt, als ein ohrenbetäubendes Donnern den Dschungel zum Beben brachte.
Ataq'To blies und noch im Sprung fielen die flüchtenden Krieger der Dunkelelfen. Es erfüllte ihn mit tiefer Genugtuung, den feigen Mord an seinen Kriegern gerächt zu haben. Da bemerkte er im Schatten eines Baumes eine Verwundete. Sie war nicht tödlich verletzt und saß über dem verunstalteten Körper eines ihrer Brüder. Ataq'To witterte ihre Angst, doch sein Gemüt war kalt und ohne Mitleid. Mit seiner Sichelklinge schlich er sich von hinten an. Die Kapuze hatte sie zurückgeschlagen und ihr schwarzes Haar fiel ihr in den weißen sehnigen Nacken. Ataq'To streckte seine Kralle aus, um ihr Haupt zu greifen und den tödlichen Stoß zu versetzen. Sie würde einen vorzüglichen Schrumpfkopf abgeben. Da bebte die Erde und der Donner der Alten raunte die Formel des Todes.
Die uralten, exquisiten Reliquien dieses eigenwilligen Kontinents hatten schon viele Angelockt. Plünderer, Piraten und Hasardeure. Unzählige hatten ihre Heimat nie wiedergesehen, das wusste Haleth. Doch sie waren Stümper gewesen oder die Angst hatte ihre Glieder im entscheidenden Moment gelähmt. Haleth hatte sich vorbereitet, das passende Rüstzeug angelegt. Lauwarm rann das Gemisch aus Wein und Blut seine Kehle hinab. Dann warf er den Kelch in den Dreck. „Pfua, elendes Gesöff!“ „Ohne frisches Blut, mein Herr ...“, „Schweig! Befehl ich dir!“ Diese Ratte, elender Panscher! Doch was wollte man machen, wenn man nur einen Mundschenk hatte. Zurück in Naggaroth würde sein Haupt von den Zinnen baumeln, doch bis dahin musste es Haleth mit derben Flüchen bewenden lassen. Voll Zorn und Hass streifte er durch das Lager. Um die zahlreichen Feuer scharten sich Krieger, die Mordlust sprang ihnen aus den Augen. Haleth zog hinaus zu den Schanzen und im Geiste badete er im Ruhm, den er mit dem Gold und dem Blut der Echsen erkaufen würde. Jeder Elf sehnt sich nach Reichtum, Einfluss, Macht und die Straße dorthin ist gesäumt von Komplotten, den Schätzen und Knochen seiner Opfer. Haleth betrachtete die Schanze. Ein breiter Graben, gespickt mit Klingen und angespitzten Pfählen, darüber ein Wall aus Erde und eine hölzerne Palisade. Dies war ihr eiserner Harnisch, der sie vor den Gefahren des Dschungels schützen sollte. Auf dem Wall patrouillierten Armbrustschützen und abgesessene schwarze Reiter mit ihren Speeren. Die Zauberinnen des dunklen Konvents hatten ihre schwarze Magie gewoben, um nahende Feinde durch magische Fallen zu vernichten. Dies war eine stählerne Wehr, eine Haut aus Metal, Holz und Magie, die sie selbst vor den größeren Schrecken aus dem Unterholz schützen sollte. Eisern nach außen und innen Seelen verzehrender Hass, das gierende Lechzen nach Gemetzel. Haleth lächelte böse und er schmeckte die Süße goldener Münzen auf seinem Gaumen, als die Erde plötzlich erbebte, ein dumpfer Donner grollte und eine gleißende, weiße Säule über den Felsen bis in den Himmel ragte.
Sein Geist hatte die Kontrolle über diesen schmächtigen Körper erlangt und er sah sie, besessen von Bosheit, voller Hass auf alles Lebende, Druchii, getrieben von Gier nach Mord und Schätzen. In ihm blühte kalter Zorn, dessen eisige Triebe ihn zusätzlich reizten. Sein Skinkmagier hatte seine Pläne, hatte die Pläne der Alten bestens ausgeführt. Lord Tepec-Itzi war mehr als zufrieden. Nun da er mit den Augen Chaxoatls das Lager des Feindes überblickte, war er gewiss, den Willen der Alten richtig gedeutet zu haben. Auf dem höchsten Tempel in Hexoatl auf einer Sänfte ruhend, beschwor er die Macht der Magie. Aus den Augen des Skinks brachen Blitze hervor und aus dem Boden stieß ein Strahl magischer Essenz bis in den Himmel und der Himmel antwortete mit einem erderschütternden Grollen. In wenigen Sekunden hatte sich eine Sturmwolkenfront am Himmel gebildet und wütende Blitze schossen auf die Druchii nieder, ihre kläglichen Abwehrzauber vernichtend. Schlangen, Frösche und Salamander brachen aus dem Dickicht des Dschungels hervor, überschwemmten gleich einer Flutwelle die Verteidigung, fraßen, bissen und schlängelten sich unter den Rüstungen durch. Todesschreie und Panik schwängerten die Nachtluft. Körper barsten und brannten aus, als sie von grellen Feuersäulen verhüllt oder ihre Leiber von elektrischen Entladungen aufgerissen wurden. In nur wenigen Minuten waren die Meister des kunstvollen Tötens geschlachtet, ihre Blutwut im eigenen Saft erstickt und ihre dreisten Absichten vereitelt. Lord Tepec-Itzi betrachtete sein Werk. Alles Leben war gewichen. Schlangen und Salamander waren zurückgekehrt in den Schatten des Dschungels. Der Plan der Alten war ein weiteres Mal aufgegangen und Lord Tepec-Itzi zog sich zurück. Schlaff und kraftlos kauerte Chaxoatl auf dem Boden. Xinhiauin wartete einige Minuten, bis sich Chaxoatls Geist von den Anstrengungen erholt hatte, dann zog er ihn empor und beide kehrten noch in der selben Nacht nach Hexoatl zurück.
Erst spät am nächsten Tag wagte Lilith sich aus ihrem Versteck. Noch immer hallten die entsetzten Schreie ihrer Brüder und Schwestern ihr im Ohr. Sie konnte nicht glauben, dass sie überlebt hatte. Sie musste wahrlich in der Gunst Khaines stehen. Schon von Weitem roch sie den Gestank verbrannten Fleisches. Nervöses Kribbeln erfasste ihren geschwächten Körper. Doch als sie sich an den Rand der Lichtung heranpirschte, war das Lager leer. Der Feind musste sich vollständig zurückgezogen haben. Bis die Dämmerung hereingebrochen war, wagte sie sich nicht aus ihrem Versteck. Erst unter dem schützenden Mantel der Nacht, schlich sie sich auf das Lager zu. Das einzige Tor war aus den Angeln gehoben, die Metallbeschläge geschmolzen. Lilith suchte nach Überlebenden, doch hier hatten sämtliche Druchii ihren letzten Atemzug getan. Gerade als sie gehen wollte, hörte sie ein leises Wimmern. Schnell sprang Lilith durch das knöchelhohe Blut und unter einem Zelt fand sie eine gepeinigte Sklavin mit schwarzen Locken. Die eine Hälfte ihres Hauptes war rasiert und Narben wucherten auf ihrem Körper. Lilith lehnte ihren schwachen Rumpf gegen einen verkohlten Stuhl, dann machte sie sich auf die Suche und fand einen Messingkelch inmitten des ganzen Schlamms und Drecks. Schnell huschte sie zurück. Sie erkannte wohl den apathischen Blick der Sklavin. Doch Lilith trachtete danach sie zurück ins Bewusstsein zu holen. Mit ihren feinen Fingern strich sie ihr über die Brust, drückte ihre schmalen Lippen auf die aufgedunsenen der Sklavin und steckte ihr ihre Zunge in den Mund. Lilith schmeckte den trockenen, salzigen Speichel, schmeckte die ganze Männlichkeit eines Dunkelelfen und schließlich spürte sie, wie das Herz dieses armseligen Geschöpfes vor Erregung zu schlagen begann. Lilith fasste ihr zwischen die Schenkel und auch in ihr wallte obszöne Lust, heiße Begierde. Das Feuer des Lebens war in die Augen der Sklavin zurückgekehrt, die Röte der Leidenschaft stieg in ihr Gesicht. Da ergriff Lilith blitzschnell ihren Dolch und schnitt ihr die Kehle auf. Spritzend und sprudelnd stieß tiefrot das Blut hervor und Lilith fing es mit dem Kelch auf. Die Glut des Mordes war wieder in ihr entfacht und vom Blut gestärkt, machte sie sich auf den Weg, zurück an die Küste, wo die Arche ankerte. Doch nie würde sie dieses Grauen vergessen.
Ataq'To hatte den Ruf seines Herrn gehört und so blieb die verwundete Dunkelelfe vorerst verschont. Mit ihr hatte Lord Tepec-Itzi anderes vor und so folgte ihr Ataq'To bis sie schließlich das Schiff erreicht hatte. Erst dann ließ er von ihr ab. Sie war die Gesandte des Todes und ihren gierigen, blutrünstigen Brüdern sollte sie auf ewig das lebendige Mahnmal sein, dass in den Wäldern Lustrias Mächte wachten, die an kalter Grausamkeit und Macht selbst die Naggarothi um Haupteslänge überragten.