Einer nach dem anderen stürmten die Berserker heulend durch den schmalen Durchgang in den kleinen quadratischen Raum. Unbarmherzig und tödlich schlug ihnen das Bolterfeuer der Verteidiger entgegen. Ihre Leichen fielen direkt vor dem Durchgang übereinander und behinderten die Nachkommenden. Dann fiel der letzte Angreifer und das Feuer wurde eingestellt. Noch mehrere Sekunden hallten die Explosionen auf die seltsame Weise nach, wie es alle lauten Geräusche innerhalb des Tempelberges taten. Dickflüssig und schwarz sickerte das Blut aus den von den Explosivgeschossen zerfetzten Leibern und bildete eine sich langsam ausbreitende, ölige Lache unter dem Leichenberg.
Dann gab es unvermittelt eine Bewegung. Ein letzter Berserker nutzte die Leiber seiner gefallenen Kameraden als Sprungbrett und sprang auf die Verteidiger zu. In der Linken hielt er ein Kettenschwert während er in der Rechten eine Kettenaxt führte. Erst im Flug aktivierte er seine Waffen und stimmte das dämonische Geheul an, welches seine Kameraden den Verteidigern angekündigt hatte.
Vossker schien es, als schwebte der Berserker wie in Zeitlupe durch die Luft. Sein Kriegsschrei drang als lang gezogenes, dumpfes Grollen zu ihm durch. Mit in Zigtausenden von Jahren erworbenem Geschick nahm er mit seinem Bolter Maß und sprengte dem Heranfliegenden mit einem kurzen Feuerstoß den Kopf von den Schultern. Erst als der enthauptete Körper dem Boden entgegen segelte, bemerkte er den seltsamen schwarzen Stein, der aus dem Brustharnisch des Berserkers ragte, als hätte man ihn mit Gewalt hineingetrieben. Polternd schlug der gepanzerte Leichnam auf und rutschte bis vor die Füße der Verteidiger. Vossker war es, als vernähme er trotz des Lärms ein leises Knacken. Dann verschwand der kleine Raum vor seinen Augen in gleißendem weißem Licht.
Da Vossker über keinen kompletten Helm, sondern nur noch über eine Filtermaske mit Voxeinheit verfügte, wurde er vorübergehend geblendet. Als seine Sinne zurückkehrten hatte sich eine düstere Stille über die Kammer gesenkt. Niemand rührte sich. „Hey!“ Vossker stieß den vor ihm hockenden Bruder unsanft mit dem Knie an. Doch zu seinem Erstaunen traf sein Knie auf keinerlei Widerstand. Vossker stolperte nach vorne, während sein ehemaliger Kamerad buchstäblich pulverisiert wurde. Unfähig, seinen Sturz noch abzufangen, stürzte Vossker auf den Leichnam des enthaupteten Berserkers, welcher in einer Staubwolke zerbarst. Erneut nahm es Vossker die Sicht. Fluchend blinzelte er sich den Staub aus den Augen. Seine acht verbliebenen Kameraden standen zu Salzsäulen erstarrt in perfekter Gefechtsformation vor der Wand mit der runenüberzogenen Steinplatte, welche den Eingang zum Allerheiligsten des Tempelberges verbarg.
Vossker scharrte mit seinem metallenen Stiefel im Staub bis er auf die schwarzen Bruchstücke des seltsamen Steins stieß. Langsam griff Vossker zu seinem Gürtel, an dem er einen ebenso schwarzen, wenn auch viel kleineren Stein mit einer Kette befestigt hatte, und betrachtete das Kleinod. Sollte es ihm sein Leben bewahrt haben? Er versuchte einen der anderen Trupps zu erreichen, aber es drang nur Statik an seine Ohren. Entweder war seine Voxeinheit beschädigt oder die anderen Verteidiger alle ausgelöscht worden. Er würde wohl nachsehen müssen. Fluchend richtete er seinen Bolter auf den Leichenhaufen vor dem Durchgang und feuerte ein einzelnes Explosivgeschoss ab. Dann stürmte er mit zusammengekniffenen Augen durch die immense Staubwolke.
Vossker überquerte den freien Platz an der Oberfläche des Tempelbergs und hielt auf den provisorischen Kommandostand zu. Der einzelne Posten, der den Eingang zum Tempelberg beobachtete, nickte ihm zu. Vossker umrundete die Abschirmung und trat auf die Gruppe zu, die um einen tragbaren Planungstisch herum stand, über dem eine dreidimensionale taktische Projektion ihrer Lage schwebte. Rote Punkte markierten die Stellen, an denen sie in dem verdammten Berg feststeckten.
Torrok sah von der Projektion auf. „Ich hoffe für dich, du bringst gute Nachrichten.“, grollte er drohend durch den Helm seiner Servorüstung. „Wir kommen keinen Schritt weiter. Die Durchgänge auf der zentralen Ebene sind so schmal, dass immer nur ein Mann in Servorüstung hindurchpasst. Die Bastarde lauern dahinter und knallen uns einen nach dem anderen ab. Die Toten behindern dann die Nachrückenden. Bei Durchgang Beta ist Decker ein Durchbruch gelungen, aber er wurde von Terminatoren zurückgeschlagen. So wird das nichts. Warum setzen wir nicht unsere eigene schwere Infanterie ein?“
Torrok starrte ihn eine Weile schweigend an. „Wenn ich einen Rat aus den niederen Rängen möchte, werde ich dich als ersten darum bitten. Ich würde dich für deine Insubordination exekutieren lassen, aber dafür sind wir zu wenige. Später vielleicht... Was deine Frage angeht, so hat das natürlich seinen Grund. Einen Grund, den du nicht zu kennen brauchst. Kehre zu deiner Einheit zurück und setzt die Angriffe fort. Sie dürfen nicht merken, dass sich noch etwas Anderes tut. Und falls möglich, stirb.“ Vossker verkniff sich eine bissige Bemerkung, salutierte und machte sich auf den Rückweg.
Dieser Einsatz war Torroks Kommando. Am Anfang hatte ihm noch ein Kabalenhexer als Berater zur Seite gestanden. Doch dann war er übergeschnappt und Torrok hatte ihn exekutieren lassen. Sein Wort war Gesetz. Es tat nichts zur Sache, dass sie weit hinter dem Zeitplan zurücklagen und nicht wissen konnten, wann der Tempelberg erneut springen würde. Es tat nichts zur Sache, dass ihre Verluste viel zu hoch waren und die Moral unterirdisch. Sie waren kein unorganisierter Haufen, sondern eine Armee, die seit Millennien diszipliniert kämpfte und daran würde sich auch auf diesem im Warp umherspringenden Felsbrocken nichts ändern.
Zunächst war alles nach Plan verlaufen. Der Asteroid mit dem Tempelberg war, wie von den Kabalenhexern vorhergesagt, aus dem Warp aufgetaucht. Wie vorhergesagt, hatten sie eine Abteilung World Bearers angetroffen, die ihn besetzt hielt. Doch obwohl sie von ihren ehemaligen Brüdern einen harten Kampf erwartet hatten, hatten diese alle Erwartungen bei Weitem übertroffen. Nur unter großen Verlusten war es den Angreifern gelungen, sie bis auf die zentrale Ebene mit dem Allerheiligsten zurückzudrängen. Diese hatte sich allerdings bisher als uneinnehmbar erwiesen.
„Na wie sieht der Plan aus?“, begrüßte ihn Stom. „Wir sollen weiter angreifen.“ erwiderte Vossker. „Um Zeit zu erkaufen, die die anderen zum Graben brauchen.“ setzte er dann hinzu. Natürlich! Das musste es sein! „Torrok lässt Angriffsschächte von den oberen Ebenen graben. Da werden wir unsere schweren Jungs durchschicken und sie in die Zange nehmen.“ Stom brummte unbestimmt. „Ach, hier gibt es auch etwas Neues. Wir haben Gänge entdeckt, die weiter nach unten führen.“
Es kam, so wie Vossker es geahnt hatte.
Vossker rannte über glühendes Gestein. Der Boden war rissig und strahlte eine unglaubliche Hitze ab. Es fühlte sich an, als würden seine Beine in der Rüstung gebraten. Vossker versuchte, noch schneller zu laufen, doch die glühende Ebene erstreckte sich, so weit das Auge reichte. Stechende Schmerzen zogen von den Beinen herauf. Seine Füße hatte er bereits abgeschrieben. Dann sah er plötzlich Torrok vor sich. Er reckte Vossker seine Energiefaust entgegen und schien etwas zu brüllen. Aber statt der Stimme Torroks schlug Vossker ein Chor aus tausend Stimmen entgegen, die alle in verschiedenen Sprachen zu sprechen schienen. Vossker verstand kein Wort. Er wandte sich ab und wollte fliehen, doch plötzlich schien sich der Boden unter ihm zu bewegen und ihn zu Torrok zu befördern. Dann wurde er wie von einem Sturm in die Höhe gerissen. Er spürte ein Ziehen in den Eingeweiden und als er nach unten sah, stellte er mit Schrecken fest, dass sein Unterleib sich lang und länger zog und seine Beine von dem sich bewegenden Untergrund davongetragen wurden. Grün, Rot, Blau und Fleischfarben schillerte es in allen Varianten um ihn herum und immer noch drangen die Stimmen auf ihn ein. Plötzlich tanzte Torroks Gesicht um ihn herum. Erst eins, dann viele. Aus Torroks Mund quollen Tentakel. Andere Gesichter waren mit Geschwüren überzogen und erbrachen Ströme ekelhaften Schleims. Wieder andere waren wutverzerrt und entblößten blutige Reißzähne. Dann gab es solche mit seltsam weibischen, androgynen Zügen welche obszöne Grimassen schnitten. Vossker wurde übel. Alles drehte sich. Er wusste nicht mehr, wo oben und wo unten war. Seine Lungen fingen an zu brennen. Zuerst dachte er, die Hitze sei von den Beinen heraufgezogen, doch dann wurde ihm klar, dass er schon seit geraumer Zeit schrie wie ein Wahnsinniger. Vossker wollte aufhören, doch ein nicht enden wollender Schwall aus Verwünschungen, Schmerzenslauten, Gebeten und Gnadengesuchen entrang sich unablässig seiner Kehle. Dann spürte er seine Beine nicht länger. Er blickte nach unten und sah, dass sein Körper vom Unterleib aufwärts zu Staub zerfiel. Entsetzt blickte er auf seine zerbröselnden Hände, als ihm endlich die Luft zum Schreien ausging. Dann erreichte der Verfall sein Gesicht.
Nebel! Bei allen Göttern und dem Primarchen! Wie sollten sie jetzt noch rechtzeitig die Penetratoren bemerken? Fluchend schlug Vossker gegen das linke Ohrstück seiner Voxeinheit. Rauschen. Was auch immer es war, das die Verbindung störte, es betraf alle seine Männer. Er stürmte den Gang entlang, bis er eine Gestalt im Nebel auszumachen glaubte. „Eisern im Innern!“, erklang es aus dem Nebel. „Eisern nach außen!“, brüllte Vossker zurück.
Weiter vorn war Kampflärm zu hören. Dann drang nur noch vereinzeltes Bolterfeuer zu ihnen durch, ehe es gänzlich still wurde. „Eisern im Innern!“, hörte Vossker seinen Begleiter brüllen. „Eisern nach außen!“, kam es zurück. „Wie viele seid ihr noch?“, wollte Vossker wissen. „Sechs.“, lautete die Antwort. „Ok, hört zu!“, rief Vossker. „Keiner dieser Bastarde legt eine Hand an diese Steinplatte, solange noch ein Iron Warrior am Leben ist! Unser Auftrag war es, diese verfluchte Kammer zu erobern, und wir werden sie so lange halten wie möglich. Zwei von euch werden versuchen, die anderen beiden Gruppen zu erreichen. Wir ziehen uns bis zum Vorraum des Allerheiligsten zurück und bilden eine letzte Verteidigungslinie. Etwas anderes bleibt uns ohnehin nicht übrig. Und jetzt kommt.“ Samit führte Vossker den Trupp zurück in Richtung Allerheiligstem. Zwei Marines zwängten sich an den anderen vorbei und verschwanden im Nebel.
Vossker hatte sich nie für einen Anführer gehalten. Er hatte stets Befehlen gehorcht und dafür gesorgt, dass er am Leben blieb. In den vergangenen Jahrtausenden hatte er erlebt wie andere aufgestiegen waren und auch, wie sie später gescheitert waren. Das Glück war eine Hure und die Chaosgötter launisch. Doch nachdem er als einziger in der Kammer den Durchbruch der Berserker überlebt hatte, hatten die anderen ihn zum Anführer gemacht. Torrok war schon lange tot und Decker stand als Staubstatue vor der verfluchten Steinplatte. Er war der letzte Offizier gewesen.
Torrok war irgendwann durchgedreht. Schon lange hatte man gemunkelt, dass er heimlich Khorne anbetete. Tanner hatte immer behauptet, dass alle Krieger Khorne dienten, ob sie ihn nun anbeteten oder nicht. Sogar die Schergen des Leichenimperators. Tanner jedenfalls hatte Khorne angebetet. Doch das Dekret des Kriegsschmieds verbot Kulte in der Dreiundfünfzigsten. Wer sich nicht daran hielt, wurde exekutiert. Aber Tanner war clever gewesen. Nie hatte er irgendwelche Symbole auf seine Rüstung gemalt, nur auf die Innenseite. Vossker hatte ihn nicht verraten, er war immer gut mit Tanner ausgekommen. Im Kampf war seine Berserkerwut oft von Vorteil gewesen. Doch am Ende war er durchgedreht und hatte sich im Kampfgetümmel gegen seine Brüder gewandt. Vossker hatte ihn erschossen. Genauso war es Torrok ergangen.
Torroks Plan war zwar erfolgreich gewesen, doch hatte er einen hohen Blutzoll gefordert und viel Zeit. Zu viel Zeit. Der Asteroid mit dem Tempelberg, ehemals Teil einer untergegangenen Dämonenwelt, war in der Zwischenzeit weitergesprungen. Zwar hatten sie die Word Bearers schließlich bis zum letzten Mann abgeschlachtet. Doch dann waren die Kulttruppen aus den Katakomben des Tempelbergs aufgetaucht.
Vossker schreckte aus seinem gequälten Schlaf auf. Normalerweise benötigte er kaum Schlaf. Dank seiner genetischen Verbesserungen aus grauer Vorzeit konnte er eine Hälfte seines Gehirns in Ruhezustand versetzen, während die andere wachte. Doch an diesem Ort war nichts normal. Keiner wusste, wie es geschah, doch der Tempelberg verzehrte ihre Kräfte und veränderte sie. Die Iron Warriors verspürten nie gekannte Erschöpfung und bedurften seltsamer Ruhephasen, in denen sie wie tot schienen – und so mancher erhob sich auch nicht wieder. Doch natürlich hatten sie sich schnell auf die neuen Gegebenheiten eingestellt und Schichten eingeteilt.
Eine weitere seltsame Eigenschaft, die sie ausgeprägt hatten war, dass sie keine Nahrung mehr benötigten. Als ihnen schließlich die Vorräte ausgegangen waren, hatten sie zunächst ihre Toten verzehrt. Doch als auch diese Nahrungsquelle versiegt war, hatten sie glücklicherweise festgestellt, dass sie keiner weiteren Nahrung mehr bedurften. Keiner von ihnen wäre auf die Idee gekommen, die halb verwesten Kadaver der Word Bearers anzurühren, wodurch ihnen nur noch eine Möglichkeit geblieben wäre…
Vossker überprüfte zuerst seinen Bolter. Er war nie ein herausragender Nahkämpfer gewesen und hatte sich wenn möglich immer auf seine Schusswaffe verlassen. Er setzte gerade das Magazin wieder ein, als es neben ihm zischte. Die steinerne Wand zu seiner Rechten schien seltsame Blasen zu werfen, unter denen die Umrisse von Gestalten sichtbar wurden. „Penetratoren!“, brüllte er, als das erste Scheusal, gleich einer schrecklichen Geburt, durch die Wand brach.
Der Mutant trug eine schwarze Servorüstung, auf der sich bläulich leuchtende Symbole des Tzeench wanden. Ein Arm endete in einem Bündel aus Tentakeln, der andere in einer schnappenden Dämonenfratze. Vossker war es, als schien das Wesen zu flimmern und so sehr er auch blinzelte, er schaffte es nicht, ein klares Bild seines Gegners zu bekommen. Also zielte er auf die sich bewegenden Konturen und eröffnete das Feuer.
Vossker jagte Geschoss um Geschoss in das Ungeheuer, ohne ernsthaften Schaden anzurichten. Viele der Boltgeschosse schienen das Wesen einfach zu durchdringen. Ohne auf Widerstand zu treffen, flogen sie von ihren Treibladungen getragen zur Wand, wo sie detonierten. Einige richteten jedoch auch Schaden an und rissen üble Wunden, wenn sie beim Aufschlag oder gar im Körper des Scheusals explodierten. Doch war das nicht genug, um den Gegner aufzuhalten.
Der Penetrator kam näher und näher und Vossker wusste, dass er es im Nahkampf mit dem entsetzlichen Gegner würde aufnehmen müssen. Er warf den Bolter weg und zog Kurzschwert und Boltpistole. Schon flogen die Tentakel heran und schlangen sich um seinen linken Arm mit der Pistole. Ohne zu zögern hieb er mit dem Kurzschwert zu und zertrennte die Tentakel. Die meisten fielen zuckend zu Boden, wo sie sich weiter wanden, einige schlangen sich jedoch um seinen Unterarm und gruben sich in die Servorüstung.
Ein Fauchen von rechts warnte ihn vor dem zuschlagenden Dämonenarm und er tauchte unter dem Hieb weg. Gleichzeitig richtete er die Boltpistole auf das rechte Knie der Bestie und schoss aus nächster Nähe. Das Geschoss traf auf das Knie, drang darin ein und halb wieder auf der Rückseite hinaus, als es doch noch explodierte. Der Penetrator schrie auf und knickte ein. Vossker kam wieder hoch und trieb dem Gegner mit aller Kraft das Kurzschwert in den Unterleib. Wie ein heißes Messer durch Butter glitt das Schwert durch die schwarze Rüstung – doch schien es keinen Schaden zu verursachen. Grollend pfiff von rechts der Dämonenarm heran. Vossker blieb keine Zeit, um zu parieren, und so gruben sich dessen Reißzähne seitlich in seinen Kopf. Die Wucht des Hiebs riss ihn herum. Wie in Zeitlupe registrierte er, dass das Kurzschwert nun doch im Körper des Feindes feststeckte und seinen Taub werdenden Fingern entglitt. Gerade noch nahm er wahr, dass um ihn herum heftig gekämpft wurde, dann verlor er das Bewusstsein.
Vossker stieß mit aller Kraft zu. Sein Kurzschwert traf den Berserker genau unter dem Kinn, fuhr ihm durch den Kopf und trat oben aus der Schädeldecke wieder aus. Das Kampfgeheul verstummte und der Gegner wurde zu totem Gewicht. Da sich die Finger um die in Vosskers Leib steckenden Waffen verkrampften, wurde er mit zu Boden gezogen. Fluchend und stöhnend zog er zuerst die Kettenaxt heraus, die sich durch seinen Schulterpanzer in sein Schlüsselbein gefressen hatte. Dann zog er das Schwert aus seinem Unterleib. Einen Moment lang betrachtete er die Waffe. Ein Energieschwert, dem offenbar schon vor geraumer Zeit der Saft ausgegangen war. Vossker warf es weg und betastete die Wunde. Dickflüssig und schwarz wie Öl sickerte das Blut daraus hervor und vermengte sich mit dem ebenso schwarzen Lebenssaft seines Feindes. Er wusste, dass seine Verletzungen ihn nicht umbringen würden. Früher hätten sie das vielleicht, aber jetzt nicht mehr.
Ein schwaches Leuchten im Nebel erregte seine Aufmerksamkeit. Er hatte offenbar direkt vor der Steinplatte gekämpft. Etwas von seinem Blut musste dagegen gespritzt sein. Schwach glommen einige der Runen in Grün und Rot. Vossker hörte Stimmen, die durcheinander redeten. Dann verloschen die Runen und die Stimmen verstummten.
Vossker drehte sich um, konnte aber im Nebel nichts erkennen. „Lebt noch irgendwer in diesem Höllenloch!?“, verlangte er zu wissen. „Hier!“, kam es von links. Eine Gestalt taumelte aus dem Nebel auf ihn zu. Der Totenschädel im Eisenvisier auf ihrem Brustpanzer schien verheißungsvoll zu grinsen. „Wir sind wohl die Letzten.“, schallte es dumpf unter dem Helm hervor. „Scheint so, als würde dieses verdammte Ding unser Grabstein.“ Der andere deutete mit der Boltpistole in seiner Hand auf die Platte. „Scheint so.“, gab Vossker zurück und strich mit seiner blutverschmierten Hand über die Steinplatte. Nichts geschah. „Hast du noch ein paar Schuss übrig?“, wollte er von seinem Kampfgefährten wissen. „Noch einen.“ „Dann gib mir das Ding.“, verlangte Vossker. Nach kurzem Zögern bekam er die Waffe mit dem Griff voran überreicht.
Ruhig überprüfte er die Patronenkammer. Sein Waffenbruder hatte nicht gelogen. Blitzschnell hob Vossker die Pistole und schoss dem verdutzten Iron Warrior in den Kopf. Der Enthauptete sackte in sich zusammen. Vossker warf die Waffe weg und beeilte sich, den Leichnam zur Steinplatte zu ziehen. Großzügig bestrich er die Platte mit dem frischen Blut und überall begannen Symbole zu leuchten. Rot, Grün, Blau und Fleischfarben und in allen Varianten. Tausende von Stimmen waberten durcheinander plappernd durch Vosskers Kopf. Irgendwie beschlich ihn das unbestimmte Gefühl, sich beeilen zu müssen, doch er wusste nicht, was er noch tun sollte. Dann brachen die Stimmen aus seinem Mund hervor, bemächtigten sich seiner Zunge und zwangen ihn, Laute zu formen, für die seine Stimmbänder nicht gemacht waren. Die Symbole glühten auf und dann war die Steinplatte verschwunden. Schwarz zeichnete sich der Eingang zum Allerheiligsten gegen den Nebel ab.
Um Vossker herum war es plötzlich grabesstill. Dann hörte er irgendwo hinter sich dumpfe Schritte die sich näherten. Seine Hand suchte und fand das Kurzschwert. Er hatte es einst selbst aus einer Panzerplatte gefräst und so geschliffen, dass es selbst Servorüstungen durchdrang. Es war nichts Besonderes, aber alles, was ihm noch geblieben war. Den Griff fest gepackt trat er in die Dunkelheit.
Dann gab es unvermittelt eine Bewegung. Ein letzter Berserker nutzte die Leiber seiner gefallenen Kameraden als Sprungbrett und sprang auf die Verteidiger zu. In der Linken hielt er ein Kettenschwert während er in der Rechten eine Kettenaxt führte. Erst im Flug aktivierte er seine Waffen und stimmte das dämonische Geheul an, welches seine Kameraden den Verteidigern angekündigt hatte.
Vossker schien es, als schwebte der Berserker wie in Zeitlupe durch die Luft. Sein Kriegsschrei drang als lang gezogenes, dumpfes Grollen zu ihm durch. Mit in Zigtausenden von Jahren erworbenem Geschick nahm er mit seinem Bolter Maß und sprengte dem Heranfliegenden mit einem kurzen Feuerstoß den Kopf von den Schultern. Erst als der enthauptete Körper dem Boden entgegen segelte, bemerkte er den seltsamen schwarzen Stein, der aus dem Brustharnisch des Berserkers ragte, als hätte man ihn mit Gewalt hineingetrieben. Polternd schlug der gepanzerte Leichnam auf und rutschte bis vor die Füße der Verteidiger. Vossker war es, als vernähme er trotz des Lärms ein leises Knacken. Dann verschwand der kleine Raum vor seinen Augen in gleißendem weißem Licht.
Da Vossker über keinen kompletten Helm, sondern nur noch über eine Filtermaske mit Voxeinheit verfügte, wurde er vorübergehend geblendet. Als seine Sinne zurückkehrten hatte sich eine düstere Stille über die Kammer gesenkt. Niemand rührte sich. „Hey!“ Vossker stieß den vor ihm hockenden Bruder unsanft mit dem Knie an. Doch zu seinem Erstaunen traf sein Knie auf keinerlei Widerstand. Vossker stolperte nach vorne, während sein ehemaliger Kamerad buchstäblich pulverisiert wurde. Unfähig, seinen Sturz noch abzufangen, stürzte Vossker auf den Leichnam des enthaupteten Berserkers, welcher in einer Staubwolke zerbarst. Erneut nahm es Vossker die Sicht. Fluchend blinzelte er sich den Staub aus den Augen. Seine acht verbliebenen Kameraden standen zu Salzsäulen erstarrt in perfekter Gefechtsformation vor der Wand mit der runenüberzogenen Steinplatte, welche den Eingang zum Allerheiligsten des Tempelberges verbarg.
Vossker scharrte mit seinem metallenen Stiefel im Staub bis er auf die schwarzen Bruchstücke des seltsamen Steins stieß. Langsam griff Vossker zu seinem Gürtel, an dem er einen ebenso schwarzen, wenn auch viel kleineren Stein mit einer Kette befestigt hatte, und betrachtete das Kleinod. Sollte es ihm sein Leben bewahrt haben? Er versuchte einen der anderen Trupps zu erreichen, aber es drang nur Statik an seine Ohren. Entweder war seine Voxeinheit beschädigt oder die anderen Verteidiger alle ausgelöscht worden. Er würde wohl nachsehen müssen. Fluchend richtete er seinen Bolter auf den Leichenhaufen vor dem Durchgang und feuerte ein einzelnes Explosivgeschoss ab. Dann stürmte er mit zusammengekniffenen Augen durch die immense Staubwolke.
*** Davor ***
Torrok sah von der Projektion auf. „Ich hoffe für dich, du bringst gute Nachrichten.“, grollte er drohend durch den Helm seiner Servorüstung. „Wir kommen keinen Schritt weiter. Die Durchgänge auf der zentralen Ebene sind so schmal, dass immer nur ein Mann in Servorüstung hindurchpasst. Die Bastarde lauern dahinter und knallen uns einen nach dem anderen ab. Die Toten behindern dann die Nachrückenden. Bei Durchgang Beta ist Decker ein Durchbruch gelungen, aber er wurde von Terminatoren zurückgeschlagen. So wird das nichts. Warum setzen wir nicht unsere eigene schwere Infanterie ein?“
Torrok starrte ihn eine Weile schweigend an. „Wenn ich einen Rat aus den niederen Rängen möchte, werde ich dich als ersten darum bitten. Ich würde dich für deine Insubordination exekutieren lassen, aber dafür sind wir zu wenige. Später vielleicht... Was deine Frage angeht, so hat das natürlich seinen Grund. Einen Grund, den du nicht zu kennen brauchst. Kehre zu deiner Einheit zurück und setzt die Angriffe fort. Sie dürfen nicht merken, dass sich noch etwas Anderes tut. Und falls möglich, stirb.“ Vossker verkniff sich eine bissige Bemerkung, salutierte und machte sich auf den Rückweg.
Dieser Einsatz war Torroks Kommando. Am Anfang hatte ihm noch ein Kabalenhexer als Berater zur Seite gestanden. Doch dann war er übergeschnappt und Torrok hatte ihn exekutieren lassen. Sein Wort war Gesetz. Es tat nichts zur Sache, dass sie weit hinter dem Zeitplan zurücklagen und nicht wissen konnten, wann der Tempelberg erneut springen würde. Es tat nichts zur Sache, dass ihre Verluste viel zu hoch waren und die Moral unterirdisch. Sie waren kein unorganisierter Haufen, sondern eine Armee, die seit Millennien diszipliniert kämpfte und daran würde sich auch auf diesem im Warp umherspringenden Felsbrocken nichts ändern.
Zunächst war alles nach Plan verlaufen. Der Asteroid mit dem Tempelberg war, wie von den Kabalenhexern vorhergesagt, aus dem Warp aufgetaucht. Wie vorhergesagt, hatten sie eine Abteilung World Bearers angetroffen, die ihn besetzt hielt. Doch obwohl sie von ihren ehemaligen Brüdern einen harten Kampf erwartet hatten, hatten diese alle Erwartungen bei Weitem übertroffen. Nur unter großen Verlusten war es den Angreifern gelungen, sie bis auf die zentrale Ebene mit dem Allerheiligsten zurückzudrängen. Diese hatte sich allerdings bisher als uneinnehmbar erwiesen.
„Na wie sieht der Plan aus?“, begrüßte ihn Stom. „Wir sollen weiter angreifen.“ erwiderte Vossker. „Um Zeit zu erkaufen, die die anderen zum Graben brauchen.“ setzte er dann hinzu. Natürlich! Das musste es sein! „Torrok lässt Angriffsschächte von den oberen Ebenen graben. Da werden wir unsere schweren Jungs durchschicken und sie in die Zange nehmen.“ Stom brummte unbestimmt. „Ach, hier gibt es auch etwas Neues. Wir haben Gänge entdeckt, die weiter nach unten führen.“
Es kam, so wie Vossker es geahnt hatte.
*** Dämonentraum ***
Vossker rannte über glühendes Gestein. Der Boden war rissig und strahlte eine unglaubliche Hitze ab. Es fühlte sich an, als würden seine Beine in der Rüstung gebraten. Vossker versuchte, noch schneller zu laufen, doch die glühende Ebene erstreckte sich, so weit das Auge reichte. Stechende Schmerzen zogen von den Beinen herauf. Seine Füße hatte er bereits abgeschrieben. Dann sah er plötzlich Torrok vor sich. Er reckte Vossker seine Energiefaust entgegen und schien etwas zu brüllen. Aber statt der Stimme Torroks schlug Vossker ein Chor aus tausend Stimmen entgegen, die alle in verschiedenen Sprachen zu sprechen schienen. Vossker verstand kein Wort. Er wandte sich ab und wollte fliehen, doch plötzlich schien sich der Boden unter ihm zu bewegen und ihn zu Torrok zu befördern. Dann wurde er wie von einem Sturm in die Höhe gerissen. Er spürte ein Ziehen in den Eingeweiden und als er nach unten sah, stellte er mit Schrecken fest, dass sein Unterleib sich lang und länger zog und seine Beine von dem sich bewegenden Untergrund davongetragen wurden. Grün, Rot, Blau und Fleischfarben schillerte es in allen Varianten um ihn herum und immer noch drangen die Stimmen auf ihn ein. Plötzlich tanzte Torroks Gesicht um ihn herum. Erst eins, dann viele. Aus Torroks Mund quollen Tentakel. Andere Gesichter waren mit Geschwüren überzogen und erbrachen Ströme ekelhaften Schleims. Wieder andere waren wutverzerrt und entblößten blutige Reißzähne. Dann gab es solche mit seltsam weibischen, androgynen Zügen welche obszöne Grimassen schnitten. Vossker wurde übel. Alles drehte sich. Er wusste nicht mehr, wo oben und wo unten war. Seine Lungen fingen an zu brennen. Zuerst dachte er, die Hitze sei von den Beinen heraufgezogen, doch dann wurde ihm klar, dass er schon seit geraumer Zeit schrie wie ein Wahnsinniger. Vossker wollte aufhören, doch ein nicht enden wollender Schwall aus Verwünschungen, Schmerzenslauten, Gebeten und Gnadengesuchen entrang sich unablässig seiner Kehle. Dann spürte er seine Beine nicht länger. Er blickte nach unten und sah, dass sein Körper vom Unterleib aufwärts zu Staub zerfiel. Entsetzt blickte er auf seine zerbröselnden Hände, als ihm endlich die Luft zum Schreien ausging. Dann erreichte der Verfall sein Gesicht.
*** Später ***
Weiter vorn war Kampflärm zu hören. Dann drang nur noch vereinzeltes Bolterfeuer zu ihnen durch, ehe es gänzlich still wurde. „Eisern im Innern!“, hörte Vossker seinen Begleiter brüllen. „Eisern nach außen!“, kam es zurück. „Wie viele seid ihr noch?“, wollte Vossker wissen. „Sechs.“, lautete die Antwort. „Ok, hört zu!“, rief Vossker. „Keiner dieser Bastarde legt eine Hand an diese Steinplatte, solange noch ein Iron Warrior am Leben ist! Unser Auftrag war es, diese verfluchte Kammer zu erobern, und wir werden sie so lange halten wie möglich. Zwei von euch werden versuchen, die anderen beiden Gruppen zu erreichen. Wir ziehen uns bis zum Vorraum des Allerheiligsten zurück und bilden eine letzte Verteidigungslinie. Etwas anderes bleibt uns ohnehin nicht übrig. Und jetzt kommt.“ Samit führte Vossker den Trupp zurück in Richtung Allerheiligstem. Zwei Marines zwängten sich an den anderen vorbei und verschwanden im Nebel.
Vossker hatte sich nie für einen Anführer gehalten. Er hatte stets Befehlen gehorcht und dafür gesorgt, dass er am Leben blieb. In den vergangenen Jahrtausenden hatte er erlebt wie andere aufgestiegen waren und auch, wie sie später gescheitert waren. Das Glück war eine Hure und die Chaosgötter launisch. Doch nachdem er als einziger in der Kammer den Durchbruch der Berserker überlebt hatte, hatten die anderen ihn zum Anführer gemacht. Torrok war schon lange tot und Decker stand als Staubstatue vor der verfluchten Steinplatte. Er war der letzte Offizier gewesen.
Torrok war irgendwann durchgedreht. Schon lange hatte man gemunkelt, dass er heimlich Khorne anbetete. Tanner hatte immer behauptet, dass alle Krieger Khorne dienten, ob sie ihn nun anbeteten oder nicht. Sogar die Schergen des Leichenimperators. Tanner jedenfalls hatte Khorne angebetet. Doch das Dekret des Kriegsschmieds verbot Kulte in der Dreiundfünfzigsten. Wer sich nicht daran hielt, wurde exekutiert. Aber Tanner war clever gewesen. Nie hatte er irgendwelche Symbole auf seine Rüstung gemalt, nur auf die Innenseite. Vossker hatte ihn nicht verraten, er war immer gut mit Tanner ausgekommen. Im Kampf war seine Berserkerwut oft von Vorteil gewesen. Doch am Ende war er durchgedreht und hatte sich im Kampfgetümmel gegen seine Brüder gewandt. Vossker hatte ihn erschossen. Genauso war es Torrok ergangen.
Torroks Plan war zwar erfolgreich gewesen, doch hatte er einen hohen Blutzoll gefordert und viel Zeit. Zu viel Zeit. Der Asteroid mit dem Tempelberg, ehemals Teil einer untergegangenen Dämonenwelt, war in der Zwischenzeit weitergesprungen. Zwar hatten sie die Word Bearers schließlich bis zum letzten Mann abgeschlachtet. Doch dann waren die Kulttruppen aus den Katakomben des Tempelbergs aufgetaucht.
*** Dazwischen ***
Vossker schreckte aus seinem gequälten Schlaf auf. Normalerweise benötigte er kaum Schlaf. Dank seiner genetischen Verbesserungen aus grauer Vorzeit konnte er eine Hälfte seines Gehirns in Ruhezustand versetzen, während die andere wachte. Doch an diesem Ort war nichts normal. Keiner wusste, wie es geschah, doch der Tempelberg verzehrte ihre Kräfte und veränderte sie. Die Iron Warriors verspürten nie gekannte Erschöpfung und bedurften seltsamer Ruhephasen, in denen sie wie tot schienen – und so mancher erhob sich auch nicht wieder. Doch natürlich hatten sie sich schnell auf die neuen Gegebenheiten eingestellt und Schichten eingeteilt.
Eine weitere seltsame Eigenschaft, die sie ausgeprägt hatten war, dass sie keine Nahrung mehr benötigten. Als ihnen schließlich die Vorräte ausgegangen waren, hatten sie zunächst ihre Toten verzehrt. Doch als auch diese Nahrungsquelle versiegt war, hatten sie glücklicherweise festgestellt, dass sie keiner weiteren Nahrung mehr bedurften. Keiner von ihnen wäre auf die Idee gekommen, die halb verwesten Kadaver der Word Bearers anzurühren, wodurch ihnen nur noch eine Möglichkeit geblieben wäre…
Vossker überprüfte zuerst seinen Bolter. Er war nie ein herausragender Nahkämpfer gewesen und hatte sich wenn möglich immer auf seine Schusswaffe verlassen. Er setzte gerade das Magazin wieder ein, als es neben ihm zischte. Die steinerne Wand zu seiner Rechten schien seltsame Blasen zu werfen, unter denen die Umrisse von Gestalten sichtbar wurden. „Penetratoren!“, brüllte er, als das erste Scheusal, gleich einer schrecklichen Geburt, durch die Wand brach.
Der Mutant trug eine schwarze Servorüstung, auf der sich bläulich leuchtende Symbole des Tzeench wanden. Ein Arm endete in einem Bündel aus Tentakeln, der andere in einer schnappenden Dämonenfratze. Vossker war es, als schien das Wesen zu flimmern und so sehr er auch blinzelte, er schaffte es nicht, ein klares Bild seines Gegners zu bekommen. Also zielte er auf die sich bewegenden Konturen und eröffnete das Feuer.
Vossker jagte Geschoss um Geschoss in das Ungeheuer, ohne ernsthaften Schaden anzurichten. Viele der Boltgeschosse schienen das Wesen einfach zu durchdringen. Ohne auf Widerstand zu treffen, flogen sie von ihren Treibladungen getragen zur Wand, wo sie detonierten. Einige richteten jedoch auch Schaden an und rissen üble Wunden, wenn sie beim Aufschlag oder gar im Körper des Scheusals explodierten. Doch war das nicht genug, um den Gegner aufzuhalten.
Der Penetrator kam näher und näher und Vossker wusste, dass er es im Nahkampf mit dem entsetzlichen Gegner würde aufnehmen müssen. Er warf den Bolter weg und zog Kurzschwert und Boltpistole. Schon flogen die Tentakel heran und schlangen sich um seinen linken Arm mit der Pistole. Ohne zu zögern hieb er mit dem Kurzschwert zu und zertrennte die Tentakel. Die meisten fielen zuckend zu Boden, wo sie sich weiter wanden, einige schlangen sich jedoch um seinen Unterarm und gruben sich in die Servorüstung.
Ein Fauchen von rechts warnte ihn vor dem zuschlagenden Dämonenarm und er tauchte unter dem Hieb weg. Gleichzeitig richtete er die Boltpistole auf das rechte Knie der Bestie und schoss aus nächster Nähe. Das Geschoss traf auf das Knie, drang darin ein und halb wieder auf der Rückseite hinaus, als es doch noch explodierte. Der Penetrator schrie auf und knickte ein. Vossker kam wieder hoch und trieb dem Gegner mit aller Kraft das Kurzschwert in den Unterleib. Wie ein heißes Messer durch Butter glitt das Schwert durch die schwarze Rüstung – doch schien es keinen Schaden zu verursachen. Grollend pfiff von rechts der Dämonenarm heran. Vossker blieb keine Zeit, um zu parieren, und so gruben sich dessen Reißzähne seitlich in seinen Kopf. Die Wucht des Hiebs riss ihn herum. Wie in Zeitlupe registrierte er, dass das Kurzschwert nun doch im Körper des Feindes feststeckte und seinen Taub werdenden Fingern entglitt. Gerade noch nahm er wahr, dass um ihn herum heftig gekämpft wurde, dann verlor er das Bewusstsein.
*** Die Steinplatte ***
Vossker stieß mit aller Kraft zu. Sein Kurzschwert traf den Berserker genau unter dem Kinn, fuhr ihm durch den Kopf und trat oben aus der Schädeldecke wieder aus. Das Kampfgeheul verstummte und der Gegner wurde zu totem Gewicht. Da sich die Finger um die in Vosskers Leib steckenden Waffen verkrampften, wurde er mit zu Boden gezogen. Fluchend und stöhnend zog er zuerst die Kettenaxt heraus, die sich durch seinen Schulterpanzer in sein Schlüsselbein gefressen hatte. Dann zog er das Schwert aus seinem Unterleib. Einen Moment lang betrachtete er die Waffe. Ein Energieschwert, dem offenbar schon vor geraumer Zeit der Saft ausgegangen war. Vossker warf es weg und betastete die Wunde. Dickflüssig und schwarz wie Öl sickerte das Blut daraus hervor und vermengte sich mit dem ebenso schwarzen Lebenssaft seines Feindes. Er wusste, dass seine Verletzungen ihn nicht umbringen würden. Früher hätten sie das vielleicht, aber jetzt nicht mehr.
Ein schwaches Leuchten im Nebel erregte seine Aufmerksamkeit. Er hatte offenbar direkt vor der Steinplatte gekämpft. Etwas von seinem Blut musste dagegen gespritzt sein. Schwach glommen einige der Runen in Grün und Rot. Vossker hörte Stimmen, die durcheinander redeten. Dann verloschen die Runen und die Stimmen verstummten.
Vossker drehte sich um, konnte aber im Nebel nichts erkennen. „Lebt noch irgendwer in diesem Höllenloch!?“, verlangte er zu wissen. „Hier!“, kam es von links. Eine Gestalt taumelte aus dem Nebel auf ihn zu. Der Totenschädel im Eisenvisier auf ihrem Brustpanzer schien verheißungsvoll zu grinsen. „Wir sind wohl die Letzten.“, schallte es dumpf unter dem Helm hervor. „Scheint so, als würde dieses verdammte Ding unser Grabstein.“ Der andere deutete mit der Boltpistole in seiner Hand auf die Platte. „Scheint so.“, gab Vossker zurück und strich mit seiner blutverschmierten Hand über die Steinplatte. Nichts geschah. „Hast du noch ein paar Schuss übrig?“, wollte er von seinem Kampfgefährten wissen. „Noch einen.“ „Dann gib mir das Ding.“, verlangte Vossker. Nach kurzem Zögern bekam er die Waffe mit dem Griff voran überreicht.
Ruhig überprüfte er die Patronenkammer. Sein Waffenbruder hatte nicht gelogen. Blitzschnell hob Vossker die Pistole und schoss dem verdutzten Iron Warrior in den Kopf. Der Enthauptete sackte in sich zusammen. Vossker warf die Waffe weg und beeilte sich, den Leichnam zur Steinplatte zu ziehen. Großzügig bestrich er die Platte mit dem frischen Blut und überall begannen Symbole zu leuchten. Rot, Grün, Blau und Fleischfarben und in allen Varianten. Tausende von Stimmen waberten durcheinander plappernd durch Vosskers Kopf. Irgendwie beschlich ihn das unbestimmte Gefühl, sich beeilen zu müssen, doch er wusste nicht, was er noch tun sollte. Dann brachen die Stimmen aus seinem Mund hervor, bemächtigten sich seiner Zunge und zwangen ihn, Laute zu formen, für die seine Stimmbänder nicht gemacht waren. Die Symbole glühten auf und dann war die Steinplatte verschwunden. Schwarz zeichnete sich der Eingang zum Allerheiligsten gegen den Nebel ab.
Um Vossker herum war es plötzlich grabesstill. Dann hörte er irgendwo hinter sich dumpfe Schritte die sich näherten. Seine Hand suchte und fand das Kurzschwert. Er hatte es einst selbst aus einer Panzerplatte gefräst und so geschliffen, dass es selbst Servorüstungen durchdrang. Es war nichts Besonderes, aber alles, was ihm noch geblieben war. Den Griff fest gepackt trat er in die Dunkelheit.
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