WHFB Der einzig wahre Grund - Director's Cut

MisterG

Miniaturenrücker
18 April 2007
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Moin zusammen.

Auf Bitten einiger Forennutzer habe ich die ursprüngliche, ungekürzte Fassung meines letzten Storywettbewerbbeitrags noch einmal herausgesucht.
Also dann, viel Spaß damit, über Feedback würde ich mich natürlich freuen.



Es verspricht ein wundervoller Tag zu werden, viel zu schön um ihn mit einer Schlacht zu verschwenden. Und doch geht die Sonne so rot wie das Blut auf, das heute auf den noch nebelverhangenen, welligen Wiesen vor mir vergossen werden wird.
Verdammte Hexe. Wieso hast du es nur so weit kommen lassen? Wieso habe ich es nur so weit kommen lassen?
Doch es ist müßig, sich solche Gedanken zu machen. Eine Wahl zu haben ist eine Illusion, es gibt kein „was wäre wenn“, kein „warum ich“. Wenn man zurücksieht und all die Möglichkeiten sieht, die sich wie die Äste eines Baumes verzweigen, fällt es leicht, sich diesem Irrglauben hinzugeben. Aber die Wahrheit ist, wenn ich etwas anders getan hätte, wäre ich nicht ich selbst. Ich wäre eine andere Person, die andere Fragen stellen würde.
Aber ich bin niemand Anderes, ich bin Fürst Torwald, seit dem Tod meines Vaters vor zwei Jahren Herr über mehr als fünfzig Morgen Land. Und so muss ich mich der Wahrheit stellen, dass ich heute Männer in die Schlacht und den Tod führen werde. Gegen Truppen, die von der einzigen Person geführt werden, die mir mehr bedeutet als ich selbst.
Doch ich werde nicht zögern. Die Grenzgrafschaften waren schon immer ein raues Pflaster, hier überlebt niemand, der sich Schwäche gegen seine Feinde erlaubt. Und diese Halbelfenhexe, diese verdammte Hure, hat sich meine Feindschaft redlich verdient! Mit finsterem Blick sehe ich nach Norden, über die grünen Hügel und den sich auflösenden Nebel hinweg, auf die von den ersten Sonnenstrahlen umkränzte Burg Liljas. Sie wirkt gegen den heller werdenden Himmel schwarz. Seltsam, dass sie mir einst so schön vorkam. Für einen Augenblick sehe ich ihr liebreizendes Gesicht vor meinen Augen, höre ihre sanfte Stimme und spüre ihre weiche Hand auf meiner Wange, doch das Klirren von Kettengliedern reißt mich aus meinen Gedanken.
„Mein Fürst“, grüßt Herreward mich. Mein altgedienter Heerführer ist trotz der frühen Stunde schon mit seiner Plattenrüstung gepanzert. „Liljas Truppen werden schon bald ausrücken“, erinnert er mich.
Was er nicht sagt ist, dass ich meine eigene Rüstung anlegen muss und meine Einheiten zu einer Schlachtreihe formieren soll. Ich lächle, denn Herreward kann selbst in der dringendsten Situation seine Zurückhaltung wahren. Ich war nie dazu fähig.
Mit einem Nicken versichere ich ihm mein Verstehen, woraufhin er sich wieder zu den hohen, blauen Zelten auf dem Hügel in der Mitte des Lagers zurückzieht.
Ich hingegen blicke noch einmal nach Norden, während ich mein Wolfsamulett betaste, ein Zeichen Ulrics.
„Verdammte Hyäne“, ist alles, was ich denken kann. Dann drehe auch ich mich um und begebe mich zwischen Zelten, Abwassergräben und gerade noch glimmenden Feuerstellen hindurch zur Mitte des Heerlagers. Ich nicke einigen Speerträgern zu, die gerade von ihrer Nachtwache zurückkehren und müde zu ihren Schlafplätzen wanken, während ihre griesgrämige Ablösung in der entgegen gesetzten Richtung unterwegs ist. Wer weiß schon, wie viele von ihnen am Ende dieses Tages noch leben?

Ich schließe die nun von einem Plattenhandschuh bedeckte Hand zur Faust und überprüfe den Sitz der Panzerung an Armen und Schultern, indem ich sie einmal kreisen lasse. Erst dann nicke ich meinem Pagen zu. Mit geschickten Bewegungen legt er mir das Wehrgehänge an und überreicht mir ehrfurchtsvoll mein Schwert. Mit geübtem Blick überprüfe ich die Klinge. Sie ist frisch geschliffen und poliert worden, glänzt im durch ein Loch in der Zeltwand eindringenden Lichtstrahl wie Silber. Ich lächle sanft, als ich sie in ihrer Scheide verstaue. Am Ende dieses Tages wird sie weder funkeln noch scharf sein, sondern nur noch ein schartiges, blutbesudeltes Stück Stahl. Und doch bin ich überzeugt davon, dass mich mein Schwert wieder einmal durch die Schlacht bringen wird, wie es das schon so viele Male getan hat.
Ich trete aus meinem Zelt heraus unter den davor aufgespannten, malvenfarbenen Baldachin. Meine Hauptleute haben sich auf den Befehl Herrewards hier eingefunden, stehen miteinander murmelnd um einen schweren Lindenholztisch herum, auf dem einige Schlachtpläne unordentlich herumliegen. Ich nicke Graf Ingeaban zu, dem Anführer meiner Kavallerie, sehe in die durchdringenden, dunklen Augen Hauptmann Nicollos dessen tileanische Pavese-Armbrustschützen meinen Truppen die dringend benötigte Feuerkraft geben sollen und schüttele die mir von Ulfbert dargebotene Hand. Der stämmige Mann, der an der Spitze meiner Infanterie marschiert, blickt so erfreut auf mich, als wenn wir uns zu einem Jagdausflug treffen würden und nicht kurz vor einem Kampf stünden.
Sie blicken mich erwartungsvoll an. Ich kenne diesen Augenblick, kurz vor der Schlacht. Sie sind nervös und ich würde lügen, wenn ich behaupte, dass es mir anders erginge. Genau genommen bin ich froh, dass ich mein spärliches Frühstück in meinem Magen behalte.
Bei den Göttern, ich bin so aufgeregt, dass es mich nicht wundern würde, wenn mein pochendes Herz eine Delle in meinen Brustpanzer hämmern würde!
Doch ich zeige es nicht. Ich bin ihr Anführer, und ich muss ruhig wirken, um sie nicht noch zusätzlich zu verunsichern. In Momenten wie diesen verfluche ich die Verantwortung meines Geburtsrechts.
Mit zwei langen Schritten trete ich an den Tisch, lege die Handflächen darauf, um ihr Zittern zu verbergen und suche mit den Augen nach dem Pergament, auf dem ich die Aufstellung vermerkt hatte, die ich meinen Hauptmännern nun vermitteln will. Ich finde sie, halb unter verworfenen Entwürfen verborgen und ziehe das Blatt zu mir heran.
„Hört her! Liljas Truppen werden uns in Bälde entgegentreten. Sie haben nicht genug Lebensmittel in ihrer Burg, um eine Belagerung zu riskieren. Außerdem ist sie zu überheblich und zu sehr von ihrem Sieg überzeugt, um abzuwarten.“
„Wie könnt Ihr Euch da so sicher sein, mein Fürst?“, fragt Ingeaban zweifelnd nach. Kritisch beäugt er die Burg, die sich hinter dem unter uns liegenden Lager und den Wiesen deutlich gegen den Himmel abhebt.
„Ich...Kenne sie zu gut“, antworte ich verbittert. Ich sehe, wie Ulfbert bei meinen Worten grinst und höre das unterdrückte Lachen Nicollos.
„Schweigt!“ Verdammte Hurenböcke! So lange sie mit Lilja nicht selbst zu tun hatten, sollten sie sich kein Urteil über mich anmaßen!
„Ulfbert, du wirst die Infanterie in der Mitte führen. Achte darauf, dass die Speerträger die Flanken der Schwertkämpfer decken. Nimm mit den Hellebardenträgern das Zentrum der Reihe ein. Brich mit ihnen durch die feindliche Linie! Bist du dem gewachsen?“, frage ich, während ich mit einem Finger den Angriffspfeil entlangfahre.
„Natürlich, mein Fürst.“ Ulfberts Stimme lässt keinen Zweifel, dass er es schaffen wird. Ich habe nie geargwöhnt, dass es anders sein konnte, aber die Frage musste gestellt werden. Und trotz meines schiefen Grinsens bei seiner im Brustton der Überzeugung vorgebrachten Antwort fühle ich mich beruhigt.
„Graf Ingeaban, die Kavallerie muss auf der linken Flanke konzentriert sein. Wir schützen unsere Linie vor Liljas Reitern auf der Ebene hier und zerschmettern ihre Schlachtreihe, sobald Ulfbert ihre Mitte bricht.“ Ingeaban nickt nur kurz. In seinen Augen spiegelt sich die Vorfreude auf den Kampf. Ich wünschte, dass auch ich ihm so freudig entgegensehen könnte.
„Nicollo, deine Armbrustschützen übernehmen den Höhenzug an der rechten Flanke. Schießt alles nieder, bevor es euch erreicht. Und wenn ihr Bolzen übrig habt, dünnt ihr Zentrum aus!“
„Wie Ihr befehlt, Herr“, antwortete der Tileaner mit einer knappen Verbeugung. Ich habe nicht die geringste Ahnung, was der kleine, sonnengebräunte Mann gerade denkt. Aber ich hoffe, dass er sein Geld wert ist. Teuer genug ist er, denke ich bei mir, während ich alle noch einmal ansehe. Sie sind immer noch nervös, aber sie wissen nun, was sie tun sollen. Es ist ein einfacher Plan, ohne viele taktische Feinheiten oder Kriegslisten – doch gerade dadurch hoffe ich, dass er ausführbar bleibt.
„Also dann, stellt die Männer auf, wir haben eine Schlacht zu schlagen.“ Sie verbeugen sich vor mir und gehen. Nur Herreward bleibt bei mir unter dem Baldachin. Er reicht mir einen Pokal mit Wein, weiß Morr, wo er ihn wieder her hat. Ich trinke einen Schluck und stelle das Zinngefäß auf dem Tisch ab, bevor ich wieder auf die Burg blicke. Vor nicht mal einem halben Jahr hatte ich mich noch gefreut, ihre Mauern zu erblicken. Ich war vielleicht ein junger Tor, aber ich war glücklich gewesen in diesen Tagen, die ich mit Lilja verbringen konnte. Wie oft hatten wir zusammen den Sonnenuntergang beobachtet, während wir engumschlungen auf den Mauern standen? Damals verhießen sie Vergnügen. Heute hingegen...bedeuten sie Schmerz. Es wird mir eine Freude sein, sie zu schleifen!
Während meine Hauptleute und ihre Unterführer mit lauten Stimmen meine Armee zu einer Schlachtreihe formieren, öffnet sich das schwere Fallgatter. Liljas Truppen rücken endlich aus.
„Und so beginnt es also“, flüstere ich grimmig.

Ich reite auf meinem Rappen an der tief gestaffelten Reihe meiner Männer entlang und spüre ihre Blicke auf mir ruhen. Ich sehe abgehärmte Veteranen, die mit stoischer, beinahe apathischer Ruhe auf das Bevorstehende warten. Ich sehe Krieger, die sich Mut für das Kommende angetrunken haben und jetzt lautstarke Verhöhnungen in Richtung Feind grölen. Und ich sehe nervöse Frischlinge, die sich schweißbedeckt nach hinten drängen oder ihren Mageninhalt direkt dort ausspeien, wo sie gerade stehen oder hocken. Es sind die üblichen Reaktionen auf die Aussicht eines baldigen Todes. Ich zügle mein Pferd und bedenke das wogende, dunkle Band von Liljas Truppen vor mir mit einem spöttischen Grinsen im Gesicht, bevor ich mich wieder meinen eigenen Männern zuwende.
„Seht ihr diese Narren? Sie hätten sich hinter ihren Mauern verbergen können, doch ihre Geister sind vernebelt! Sie glauben tatsächlich, uns schlagen zu können“, rufe ich ihnen zu. Ich lache lauthals, während ich meinen tänzelnden Rappen an die Kandare nehme.
„Die Schwächlinge dort drüben ordnen sich einer Hexe unter, haben nicht einmal den Schneid einen der ihren auf den Thron zu setzen. Wie, frage ich, sollen sie da über wahre Männer obsiegen können?“ Verhaltenes Gelächter dringt aus meiner Schlachtreihe.
„Fürchtet sie nicht, denn sie sind verweichlicht und ihre Herzen sind wankelmütig. Fegt sie hinweg und das Beutegut wird euch gehören!“ Begeistert brüllen meine Männer auf, so dass ich mein Pferd erneut unter Kontrolle bringen muss. Ich habe sie erwartungsgemäß erreicht... Die Gemüter der Soldaten sind einfach. Ich habe ihnen alles gesagt, was sie wissen müssen.
Was ich nicht sagte, ist, weshalb ich sie hierherführte...
Ich habe Lilja geliebt. Nachdem ihr Vater starb, versprach sie sich mir. Die Hochzeit war schon geplant, doch dann hat das Biest sich einen Geliebten genommen und mich zurückgewiesen, meinte, ich wäre nicht gut genug für sie. Ein Erbe des hochnäsigen Seeelfenvolkes ihrer Mutter, die wieder in ihre tileanische Enklave gezogen war. Ich kann nicht in Worte fassen, wie sehr sie mich damit kränkte. Ich erinnere mich noch allzu gut an den Tag, da ich vor ihrem Thron stand und mmit höhnischem Gelächter der Halle verwiesen wurde.
Doch nun werde ich sühne fordern. Ich sehe Herreward an, der auf seiner braunen Stute sitzt und das Banner meines Fürstentums hält. Ich kenne den Blick, mit dem er mich bedenkt. Mitleid.
Er kann es sich schenken, denn ich bin zutiefst entschlossen. Voller Überzeugung schließe ich mein Visier. Er nickt, hebt dann das Banner hoch in die Luft. Entlang der Schlachtlinie brüllen die Hauptleute Befehle und die Männer setzen sich in Bewegung. Zuerst zögerlich, doch bald schon im Laufschritt – dem Feind entgegen, zu Blut, Ruhm und was da kommen möge. Wer keine Schlacht überlebt hat kennt diese Augenblicke nicht, kurz bevor die Linien aufeinanderprallen. Alles was geschieht scheint gleichzeitig unendlich weit weg und doch unmittelbar zu sein. Ich weiß, dass ich mein Schwert ziehe und es auf die Reiter richte, die ich durch die Sehschlitze erkenne, ich weiß, dass ich den Rappen mit den Sporen zu höherem Tempo ansporne und ich weiß, dass Ingeaban und meine Ritter mir folgen. Und doch scheint es irgendwie unwirklich. Schreie künden vom Auftreffen der Armbrustbolzen in der Mitte von Liljas Reihe, als ich den ersten ihrer Kavalleristen erreiche. Und plötzlich, mit einem Schlag, wird die Welt zu einem sehr kleinen Ort.
Stich, Parade, abdrängen mit der Masse meines Pferdes, wieder zuschlagen, ducken. Alles geht ineinander über. Ich denke nicht mehr darüber nach, als ich meine Klinge durch Kettengeflecht und Kehle stoße. Schreiend treibe ich den Rappen an, versetze einem weiteren Feind einen Hieb gegen die Waffenhand und dränge mich weiter vorwärts, mitten ins dichteste Getümmel. Um mich herum sind nur gellende Schreie, wildes Wiehern und dröhnende Schläge. Jemand wirft mich mit einem Hieb auf den Hals meines Pferdes, doch ich halte mich im Sattel, komme wieder hoch und schlage erneut um mich. Undeutlich sehe ich einen Ritter in einem brünierten Kettenhemd vor mir, der seinen Streitkolben gegen mich hebt. Ich pariere den Schlag, kontere mit einem Hieb meiner Angel gegen seinen Helm und stoße zu, doch meine Klinge gleitet ab. Ich kann es nicht beenden, denn zwei weitere Reiter drängen mich ab. Mühsam verteidige ich mich, von meiner Plattenrüstung verlangsamt. Immer wieder winden sie sich an meiner Klinge vorbei, hauen auf mich ein. Doch auch ich bin nicht allein, Herreward springt mir zu Hilfe und spaltet den Helm des Einen. Der Andere, dem ein langer Mantel von den Schultern hängt, brüllt, wütet und achtet nicht mehr auf mich. Ich stoße meine Klinge in seine Achsel, beende so seinen Zorn. Ich wende mich um, will mir einen weiteren Feind suchen, doch da ist keiner mehr. Nur Tote und Verwundete sind von Liljas Berittenen übrig, deren Blut den Boden aufweicht, der von den Hufen aufgewühlt ist. Mit dröhnender Stimme übertönt Ingeaban das Kreischen der Verwundeten und sammelt meine Ritter erneut. Mein linker Arm pocht unangenehm, wo eine Klinge ihn traf, doch noch rauscht die Wut durch meine Adern, lässt mich den Schmerz ignorieren. Vor mir sehe ich undeutlich durch den aufgewirbelten Staub die beiden aufeinandertreffenden Schlachtreihen. Stahl klirrt, Männer schreien.
Erst jetzt, in diesem Moment der Ruhe, realisiere ich alle Bewegungen, alle Geschehnisse des gerade verklungenen Schlagabtausches. Ich grinse, als sich das Hochgefühl einstellt, Morr einmal mehr von der Schippe gesprungen zu sein und umfasse für einen Augenblick dankbar mein Wolfsamulett.
„Weiter! Zerschmettert sie!“, brülle ich, lasse meinen Rappen auf der Hinterhand tanzen und deute mit dem blutbesudelten Schwert auf die Schlachtreihe zu meiner Rechten. Mit Rufen, die mehr nach Tier als nach Mensch klingen, treiben meine Ritter ihre Pferde erneut an, immer auf das vom Staub in eine geisterhafte Szenerie gesetzte Gemetzel zu. Und ich mitten unter ihnen. Immer schneller, wie das Blut, das in meinen Adern rauscht. Für Angst ist es längst zu spät.
Mit einem Krachen brechen wir in die Flanke von Liljas Schlachtreihe. Männer werden von den Pferden weggeschleudert, von den Hufen zerstampft, von unseren Klingen niedergemacht. Jubel erschallt aus den Reihen meiner Speerträger und Schwertkämpfer, die ihre Feinde vor sich zurückschrecken sehen. Und ich treibe meinen Rappen weiter an, denn dies hier sind nicht diejenigen, die ich zu töten gekommen bin. Zusammen mit Herreward und zwei weiteren Rittern sprenge ich vorwärts, haue um mich und dränge meinen Rappen durch die schwankende Reihe von Liljas Hellebardenträgern.
Mit einem Mal finde ich mich am Boden wieder, Dreck und Blut in meinen Helm hustend. Um mich sind nur Stiefel und Hufe. Unter großem Kraftaufwand wälze ich meine gepanzerte Gestalt herum, sehe meinen Rappen mit einer Gleve im Brustbein am Boden liegen und wild um sich schlagen. Vor ohnmächtiger Wut und Schmerzen brüllend richte ich mich auf, ergreife mein Schwert und komme unter größter Anstrengung endlich wieder auf die Füße. Herreward schlägt immer noch auf die Infanteristen um mich ein, um mir das Aufstehen zu ermöglichen. Doch nun stehe ich und mache mir selbst mit einer Mühle meines Schwertes Luft. Hier, im dichtesten Gedränge, ist es schwer nichts zu treffen und so stampfe ich vorwärts, treibe meine Feinde vor mir her, während Ingeaban die restlichen Ritter hinter mir heranführt, die Schwertkämpfer um mich herum ausschwärmen und auf die verängstigten Männer losgehen, die Lilja als ihre Soldaten aufgestellt hat. Für einen kurzen Moment sehe ich Ulfbert, der inmitten meiner Hellebardenträger wie ein Berserker in die feindlichen Reihen bricht und mit seiner Kampfaxt einen schrecklichen Blutzoll fordert. Doch so ist der Nahkampf. Beängstigend, schrecklich, barbarisch. Es ist ein ständiges Schieben, schlagen und um Gleichgewicht in der schweren Rüstung kämpfen. Überall stinkt es nach Schweiß, Exkrementen und Angst, während Männer wie Weiber kreischen, sich vor Angst besudeln und unter den Stiefeln der kämpfenden Sterben. Ich erkenne einen von Liljas Soldaten vor mir, der noch nicht mal wirklich zum Mann gereift ist und wild kreischend mit einem Spieß auf mich zustürmt. Der Stahl in meiner Hand beendet sein wahrscheinlich viel zu kurzes Leben rasch.
Als er fällt, sehe ich sie.
Lilja, die auf einem Felsvorsprung steht und mit wehenden Haaren ihre Männer anfeuert. Ich öffne mein Visier, um sicher zu sein, dass sie es wirklich ist. Ich erblicke das Glitzern des rot leuchtenden Rings an ihrer Hand, dieses rubinbesetzte Kleinod, dass einst meiner Mutter gehörte und das ich ihr zur Verlobung geschenkt hatte. Wut steigt in mir auf.
„Hure!“, brülle ich, so laut, dass es das Getöse der Schlacht übertönt. Sie sieht mich, doch ich kann ihr Gesicht auf die Entfernung nicht deuten. Ihre Männer weichen verzagend vor mir und meinen Schwertkämpfern zurück. Den Narren, der sich mir in den Weg stellt, töte ich ohne es wirklich wahrzunehmen. Schnaufend bleibe ich vor dem Felsen stehen.
„Ich bin hier, deine Sühne einzufordern!“
„Sühne? Wofür? Olaf, Liebster, ich fordere Vergeltung für seinen ungerechtfertigten Angriff!“, lächelt sie kalt. Ihre herablassende Art versetzt mir einen Stich, doch mein Hauptaugenmerk richtet sich auf einen gerüsteten Hünen, der nun auf mich zukommt. Ihr Champion, ihr Geliebter. Endlich treffen wir aufeinander.
„Herr?“, fragt Herreward unsicher.
„Nein.“ Heute sind genug Männer für diese Frau gestorben. Ich schicke keinen Weiteren in den Tod. Wenn Olaf für sie kämpfen will, werde ich sein Blut selbst nehmen.
Ich sehe noch einmal zu ihr hinauf und die alten Gefühle drängen an die Oberfläche. Ihre Schönheit zeigt mir die Genialität des Abgrunds: Egal, wie lange du damit zugebracht hast, hinaufzuklettern, du kannst jederzeit, in einem Herzschlag, zurück ins Dunkel fallen.
Sie ist die Verkörperung meines Abhangs.
Olaf nähert sich mir grunzend, erhebt seine Klinge über den Kopf und rammt sie mir entgegen. Kräftig, aber nicht geschickt. Meine Ausbildung übernimmt, lässt mich parieren, kontern, nachsetzen und erneut zuschlagen. Zu weit, zu ausholend, ich gebe ihm Zeit zu reagieren, die er nutzt. Seine Klinge reißt meinen Brustpanzer auf, doch ich stehe noch, fange mich, blocke den nächsten Hieb. Ich bringe ihn durch eine Finte aus dem Rhythmus und kann ihm so mein eigenes Schwert entgegen werfen, kratze über seinen Schild und kehre den Schlag sofort um, verpasse ihm einen Hieb gegen den Oberarm. Völlig ungerührt ob meines Treffers rammt er mir seinen Schild in den Bauch.
Benommen stolpere ich zurück, fange mehr aus Glück als aus Verstand einen tödlichen Streich ab und komme endlich wieder zu Besinnung. Durch mein Zurücktaumeln ist Olaf unvorsichtig geworden. Er holt zu viel Schwung und ich nutze den Moment, um ihm meine Klinge seitlich zwischen Halsberge und Helm hindurch in die Wirbelsäule zu stoßen.
Ich weiß nicht, ob er im Leben viel sprach, doch nun geht er ohne letzte Worte scheppernd zu Boden und ich wende mich wieder Lilja zu.
Tränen stehen in ihren Augen. Tränen der Trauer.
„Warum hast du das getan? Geld? Ländereien?“, schluchzt sie qualvoll. Ich blicke mit Bedauern erneut auf Olaf, dem ganz offensichtlich ihr Herz gehörte. Es dauert einige Herzschläge lang, in denen meine Krieger einen Kreis um uns bilden, bevor die Erkenntnis durch meinen Geist sickert.
„Der einzig wahre Grund, warum Männer Kriege führen...Liebe“, bringe ich mit trockener Zunge hervor, überrascht davon, wie schwer mir dieses Geständnis fällt. Ich hätte nicht zusehen können, wie ein Anderer sie berührt. Sie...bedeutet mir alles.
„Liebe? Was verstehst du schon davon? Ich zeige dir wahre Liebe!“, heult sie hysterisch. Wie ihre Krieger auch kann ich mich vor Unglauben nicht bewegen, als sie einen Dolch zieht und zwischen ihre Rippen rammt. Schockiert halte ich die Luft an, während sie ihre wundervollen Augen zum Himmel verdreht und ihren letzten, seufzenden Atemzug macht.
Dies ist Liebe.
Liebe schmerzt.
Und ich habe meine Liebste durch meine Liebe verloren.
 

yinx

Erwählter
8 Oktober 2006
628
0
10.286
34
Insgesamt eine sehr gelungene Kurzgeschichte. Mir gefällt die Beschreibung der Gefühle die er hat, vor der Schlacht, die Aufregung, Nervosität, ich hätte sogar noch eine Spur mehr dazu geschrieben, aber da es für den Storywettbewerb war, war ja auch der Platz begrenzt.
Ebenfalls gut gelungen ist die Beschreibung der eigentlichen Schlacht. Allerdings hätte sich hierfür die Beschreibung im Präteritum mehr geeignet. Insgesamt funktioniert der Präsens sehr gut, allerdings wirkt es hier etwas seltsam, da er teils sehr lange Gedankengänge hat und sie ausführt, was er glaube ich nicht tun würde, wenn er wirklich kämpft. Zu viel Hektik, Stress, Adrenalin etc. Fokus auf den Kampf.
Der Kampf ist auch sehr stimmig, ich find es gut, wenn die Helden nicht durch die Geschichten rennen und drei Gegner mit einem Schlag fällen. Die Darstellung ist bei dir ziemlich realistisch (denke ich mir mal), auch wenn natürlich ziemlich kurz gefasst.
Neben sehr seltenen Rechtschreibfehlern und ein, zwei etwas ungünstig hypotaxischen Sätzen, ist dass auch das einzige Manko. Alles ziemlich kurz gefasst. Besonders das Duell am Ende, der Selbstmord etc.
Was ich seltsam fand, war, dass er sich ganz normal mit Lilja unterhalten konnte, trotz des Tosens der Schlacht um sie herum und obwohl sie ja ein ganzes Stück weit wegstehen muss. Wie auch immer, mir ist klar, dass die Längenvorgabe hier mit reingespielt hat.
Ansonsten finde ich noch die knappe Charakterisierung Liljas etwas sonderbar. Sie wird am Anfang als höhnisch dargestellt, dann auch noch überheblich mit kaltem Lächeln und Siegesgewissheit, ist, kurz gesagt, die totale Schnepfe, die der Leser einfach hassen muss und wundert sich am Ende auch noch, weshalb das alles geschehen musste und meint dann auch noch raus posaunen zu müssen, der Held verstünde nichts von Liebe und ihr Selbstmord sei jetzt wahre Liebe.
Naja. Das hätte ich irgendwie anders gemacht, da du ja am Ende erreichen willst, dass die Stimmung gegen ihn umschlägt (würde ich mir denken). Deshalb hätte ich sie schuldbewusster dargestellt, dass es ihr leid tut, dass sie ihn verstoßen hatte, aber sie sich nun mal unsterblich in Olaf verliebt hat. u.ä.
Aber insgesamt eine sehr schöne Geschichte.
Hattest du gewonnen?
 

MisterG

Miniaturenrücker
18 April 2007
937
0
11.851
Danke für die erste Kritik.
Kommt vielleicht nicht so klar rüber, wie ich das gerne haben wollte, aber die Unterhaltung kann stattfinden, weil ihre Truppen gerade zurückgedrängt werden, also sich der Lärm schon ein klein wenig entfernt von dem Felsen, auf dem sie steht - so zumindest die grobe Überlegung dazu.
Die Stimmung sollte eigentlich nicht gegen ihn umschlagen, im eigentlichen Sinne. Es sollte mehr dieses Verlustgefühl aufkommen. Aber gut, da kann jeder anders interpretieren, das stimmt schon.

Nein, ich war auf dem vierten (Gemeinschafts-)Platz gelandet. Nicht schlecht, aber ich wollte einfach zu viel reinbringen, weshalb auch am Ende knapp dreihundert Wörter rausgekürzt werden mussten - da fehlten dann auch ein, zwei Details, die das Ganze (in meinen Augen) abgerundet hätten.
 

yinx

Erwählter
8 Oktober 2006
628
0
10.286
34
Nein, ich war auf dem vierten (Gemeinschafts-)Platz gelandet. Nicht schlecht, aber ich wollte einfach zu viel reinbringen, weshalb auch am Ende knapp dreihundert Wörter rausgekürzt werden mussten - da fehlten dann auch ein, zwei Details, die das Ganze (in meinen Augen) abgerundet hätten.
Hast du die Originaldatei nicht mehr? Hier hättest du doch die abgerundete Fassung posten können? ;)
Am besten sind Fortsetzungsgeschichten. Vielleicht hast ja Lust, dich auch mal an sowas zu versuchen. Es wäre cool, ein bisschen mehr Leben in das WHF Storyforum zu bekommen. Schreiben kannst du ja auf jeden Fall ziemlich gut. Vielleicht kannst du ja auch diesen Ansatz hier verwenden und etwas längeres daraus spinnen.
 

MisterG

Miniaturenrücker
18 April 2007
937
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Hast du die Originaldatei nicht mehr? Hier hättest du doch die abgerundete Fassung posten können? ;)
Am besten sind Fortsetzungsgeschichten. Vielleicht hast ja Lust, dich auch mal an sowas zu versuchen. Es wäre cool, ein bisschen mehr Leben in das WHF Storyforum zu bekommen. Schreiben kannst du ja auf jeden Fall ziemlich gut. Vielleicht kannst du ja auch diesen Ansatz hier verwenden und etwas längeres daraus spinnen.

Sorry, falsch ausgedrückt. Im Wettbewerb musste ich kürzen, dies hier ist die vollständige Version. Deswegen ja auch Director's Cut ;)

An sich sehe ich schon Potential, hierdraus mehr zu machen, aber derzeit hab ich mit Studium ein wenig zu tun und nebenbei schreib ich gelegentlich an einer Science-Fictiongeschichte, die ich eigentlich zum Roman machen will. Mal sehen, ob es bei dem Projekt bleibt, oder tatsächlich mal was bei rumkommt, wird sich zeigen. Trotzdem behalte ich das mit der Fortsetzungsgeschichte im Kopf, ich hatte da aus einem Beitrag zum Wettbewerb vor zwei Jahren schon einmal ein wenig was weiterentwickelt. Eventuell stelle ich das noch mal hier rein, aber im Moment hängt das auch eher in der Luft.