WHFB Die Ritterschaft des Felsendoms zu Bergerac

Auxo

Codexleser
25. April 2009
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Die Ritterschaft des Felsendoms zu Bergerac



Guten Abend. Da beim Geschichtenwettbewerb die Hoffnung ausgesprochen wurde, vielleicht auch den ein oder anderen sonst selten im Forum gesehenen Gast hier zu lesen, will ich mich in der Kunst des Erzählens ereifern, um euch ein wenig zu unterhalten. Dieser erste Post soll vorab zur Orientierung für jene dienen, welche im bretonischen Fluff nicht sattelfest sind und zur Einleitung sowie als Überblick der Geschichte als Ganzes. Gleich vorweg: Die eigentliche Geschichte beginnt erst am Freitagabend, den 26.11.2010! Da ich euch aber nicht alles auf einmal zumuten will, schon mal den erläuternden Teil.


A) Einführung


Anfangs möchte ich erklären, warum ich diese Geschichte geschrieben habe, was aus welchem Grund getan und gelassen wurde. Wer darauf keine Lust hat, liest bitte bei Punkt B weiter. Der Titel ist eigentlich erstmal irreführend, denn die Ritterschaft wird erst spät in den Text eingeführt und der Protagonist handelt vorerst selbstständig. Trotzdem ist er treffender als eine Überschrift, die den Protagonisten sofort beinhalten würde. Dadurch wäre viel Spannung bereits verpufft. Trotzdem wird klar, auf was es hinausläuft: Ritter, Orden – vermutlich religiös? Und Bergerac (Was zur Hölle ist denn Bergerac? – später), aber jetzt zum Wesentlichen:

Um was geht es? Es geht wie eigentlich in fast allen meinen Geschichten um Bretonia, um Ritter, Tradition, Ehre, Rösser. Im Vordergrund steht allerdings die Ausschmückung des lieblosen Hintergrundes der Bogenschützen von Bergerac. Diese sind ein Regiment Bogenschützen, geleitet von Bertrand le Brigant, einem Bogenschützen Charaktermodell im Armeebuch Bretonia (5. Edition). Paradoxerweise sind gerade diese vermeintlichen Bauernhelden – wie ungewöhnlich sich diese auch im ritterlich geprägten Bretonia ausnehmen – in den Armeebüchern von Bretonia nie näher beschrieben, oder deren Fluff eingehend erläutert worden. Diese Chance ein bretonisches Miniepos zu verfassen, konnte ich mir natürlich nicht entgehen lassen. Zum Hintergrund dann in Punkt B und C noch ein wenig mehr. Was erwartet euch? Die Ritterschaft ist auf etwa 30 Kapitel konzipiert, von denen bisher 13 geschrieben sind. Sie sollen jeweils am Freitag/Samstag wöchentlich erscheinen, um euch nicht über Gebühr in Anspruch zu nehmen. Hier kommen wir auch zu den Besonderheiten meiner Konzeption. Erstens habe ich darauf Acht gegeben die Kapitel in ihrer Länge überschaubar zu halten, um auch die weniger emsigen Leser ansprechen zu können. Gleichzeitig versuche ich mit immer mal wieder formal ausgefalleneren Kapiteln etwas Abwechslung in die Erzählung zu bringen. Auch will ich einen weiteren Punkt umsetzen. Bei Fortsetzungsgeschichten kommt es des öfteren vor, dass selbst aufmerksame Leser total den Faden verlieren, auch sind sie selten so richtig einsteigerfreundlich. Dem will ich vorbeugen, indem ich im ersten Post zum Einen das bisherige Personal laufend aktualisiere, zum Anderen auch eine kurze Zusammenfassung schreibe, die natürlich ebenfalls laufend fortgeschrieben wird.

B) Das Land Bretonia und seine Gesellschaft

Das Königreich Bretonia liegt westlich des Imperiums und ist das Land der Ritter, Maiden, Rösser und Bauern. Die Schutzgöttin ist die sogenannte Herrin vom See, welche die Ritter zu schier übermenschlichen Taten voll Edelmut und Tapferkeit anspornt. Für gewöhnlich ist es das Ziel eines jeden Ritters in Bretonia sich auf die Queste nach dem Gral zu begeben. Viele überleben die mannigfachen Abenteuer, die eine solche gefahrvolle Aufgabe natürlicherweise mit sich bringt, nicht. Diejenigen jedoch, welche schließlich ihre von Demut und Enthaltsamkeit ausgedörrten Lippen mit dem flüssigen Balsam des heiligen Grals benetzen, werden zu lebenden Heiligen erhoben. Das gemeine Volk verehrt sie gleich Göttern und auch alle anderen Adeligen begegnen solchen Meistern des Ritterstandes mit größtem Respekt. Sie sind für ihre gewaltigen Kampfkünste weit über die Grenzen Bretonias hinaus bekannt. Nur einige wenige Gralsritter kehren jedoch in ihre Herzogtümer zurück, viele widmen sich dem Schutze der Heiligtümer der Herrin vom See. Mancher hält Gralsritter gar für die Manifestation des Zorns der heiligen Herrin vom See selbst. Alle Ritter unterliegen einem strengen Ehrenkodex, was sie zu einer (für menschliche Verhältnisse) übernatürlich disziplinierten und tugendhaften Armee macht.

Da das Rittertum fest in den Händen des bretonischen Adels liegt, bedienen sich Bretonen der Massen des gemeinen Volks, welche ihnen als Vasallen zur Waffentreue verpflichtet sind. Auch wenn der bretonische Ritter die Armut und Hässlichkeit des gemeinen Bauern, welcher sich in Schlachten oft nur mit Mistgabeln auf den Gegner stürzt und erwiesenermaßen von Kultur nicht den blassesten Schimmer hat, verachtet, so schätzt er doch die vielen Seelen, welche auf seinen Äckern und Schlachtfeldern schuften. Der bretonische Adel ernährt sich vorwiegend von Wein, Wild und Geflügel, selten nur von als von Bauernhänden besudelt betrachteten Feldfrüchten oder Milch.

Die bretonische Gesellschaft ist stark ländlich geprägt. Meist sind die Bauerndörfer einem direkten Vasallen (Ritter des Königs) unterstellt. Dieser wiederum seinem Lehnsherrn (Herzog) und der schlussendlich dem König von Bretonia. Allerdings wird man nicht als Ritter des Königs geboren, sondern muss als Fahrender Ritter Kampferfahrung sammeln, bis man schließlich von seinem Lehnsherrn zum Ritter des Königs ausgerufen wird, was mit dem Erhalt eines Lehens einhergeht. Neben den gemeinen Bauern stehen dem Ritter außerdem Knappen zur Verfügung. Diese sind ausgebildete, ab und zu auch berittene, Kämpen, meist eingesetzt als Jagdbegleiter, Gefängniswärter, Milizführer und Kundschafter. Da sie nicht an das Rittergelübde gebunden sind, führen sie Bogen mit.

C) Die Bogenschützen von Bergerac/ Die Ritterschaft von Bergerac

Bretonia ist das Land der Helden. Wer kennt nicht den Grünen Ritter, Tancred Duc de Quenelles welcher in der legendären Schlacht um die Abtei von La Maisontaal Untote und Ratten zurückschlug, oder den Ritter der treffsicheren Lanze, welche von sich behaupten kann noch jedes Turnier für sich entschieden zu haben. Alle haben sie etwas gemein; sie sind Ritter.
Nicht so – und das als einzige – die Bogenschützen von Bergerac. Sie sind sämtlich Gemeine und trotzdem in ganz Bretonia bekannt. Sie scharen sich um ihren Anführer Bertrand le Brigant, um den Hünen Hugo le Petit, welcher stets mit einem Kampfstab kämpft und dessen Pfeile seines Langbogens an Speerschleudergeschosse erinnern. Natürlich darf bei diesem Trio Gui le Groß, der fettbäuchige Pastetenschlemmer, welcher stets ein Fass Wein mit in die Schlacht führt, damit die Bogenschützen von Bergerac sich Mut antrinken, was sich natürlich auf ihre Zielgenauigkeit nicht gerade positiv auswirkt, fehlen.
Bertrand der Brigantenführer ist der vielleicht geschickteste Bogenschütze Bretonias und besitzt ein seltenes magisches Artefakt, den sogenannten Schwarzen Pfeil. „Seine Spitze besteht aus einem Drachenzahn, und seine Federn sind aus den Federn einer Aaskrähe. Häufig verwundet ein Treffer durch Bertrand den Gegner sofort, und wird nicht einmal durch Rüstung abgehalten.“ (Quelle: www.Lexicanum.de)
Die Ritterschaft des Felsendoms zu Bergerac ist hingegen meine Idee gewesen und hat keinerlei offiziellen Hintergrund.


D) Personal

Hier werden alle Charaktere gepostet, welche im Verlauf der Geschichte bisher aufgetaucht sind. Zusätzlich soll ihr Hintergrund grob umrissen werden.


  • Reynald: Ein kleiner bretonischer Junge, der in seiner Phantasie als bretonischer Ritter Vampire jägt. Er hat Mutter und Schwester, sein Vater (Ein Ritter des Königs) hat sich das Leben genommen. Seine Mutter ist geradezu von hünenhafter Gestalt. Als Fahrender Ritter bricht er von zu Hause auf, um sich als Ritter Bretonias zu beweisen. Seine Schwester, der er sich sehr verbunden fühlt, schenkt ihm zum Abschied eine Locke ihres Haares. Nachdem er sich einem kleineren Feldzug unter dem Befehl Graf Willibalds de Montaigne von Parravon gegen Ubersreik im Imperium anschließt, vergeht er sich wiederholt am bretonischen Ehrenkodex und wird schließlich von dem ehrenwerten Gralsritter Sir Galahad de Lumière zum Duell gefordert. Er gedenkt seiner Schwester und bereut seine Sünden. (Kapitel: 1,3,4,5,7)
  • Mathilde, Reynalds Schwester: zierliche, kränkliche Person. Die Geschwister sind trotz ihrer äußerlichen Unterschiede sehr innig miteinander verbunden. Sie schenkt Reynald, als er das Dorf verlässt, um ein Ritter Bretonias zu werden, eine Locke ihres Haares. Nachdem Reynald von zu Hause weggezogen ist, wird sie schwer krank. Erst ein Fremder namens Bertrec kann sie heilen. Er heiratet sie und zieht mit ihr und seiner Mutter fort. (Kapitel: 3,6)
  • Sir Galahad de Lumière: Gralsritter der Herrin vom See. Er fordert Reynald (den Protagonisten) nach dessen Vergehen wider den bretonischen Ehrenkodex zum Duell, besiegt ihn und seine Gefährten. Seine Heraldik ist der schwarze Pegasus am Rad, auf rot-weiß gevierteltem Grund. (Kapitel: 4,5,7)
  • Graf Willibald de Montaigne: Paladin des Herzogs von Parravon und Befehlshaber der Invasionsstreitmacht der Bretonen auf ihrem Feldzug gegen das imperiale Ubersreik, aufgrund eines Ehrenhändels. (Kapitel: 4,5)
  • Lady la Patruce: Ist Teil der Gesandtschaft des Herzogs von Parravon nach Ubersreik. Die Verletzung ihrer Würde wird zum Anlass eines Feldzuges gegen Ubersreik, dem sich auch Reynald anschließt. (Kapitel: 4)
  • Freiherr von Ubersreik: Adeliger und als solcher Stadtoberhaupt von Ubersreik, einem Grenzstädtchen im Grauen Gebirge an der bretonischen Grenze, am Ausgang des Passes der grauen Dame. (Kapitel: 4)
  • Baronesse D'Igny: Eine Adlige unbekannter Herkunft und Mutter von Bertrec, dem Gemahl Mathildes. (Kapitel: 6)
  • Bertrec: Kommt eines Tages mit seiner Mutter in das Dorf Mathildes geritten. Seine Zuwendungen heilen ihre Krankheit. Bevor weiter zieht, zwingt ihn seine Mutter zur Heirat. Er verlässt mit Mathilde und der Baronesse D'Igny das Dorf. (Kapitel: 6)


E) Was bisher geschah ...

Hier folgt eine kurze Zusammenfassung des bisher geschehenen, so dass auch Neueinsteigern die Chance haben, den laufenden Text verstehen zu können, ohne die Geschichte komplett von vorne durchlesen zu müssen – was natürlich trotzdem schöner wäre. 🙂

Kapitel 1: Reynald, ein kleiner Junge, stellt sich vor, wie er als Ritter Bretonias in einem abgelegenen Schloss auf Vampirjagd geht. Als ihn seine Mutter zum Essen ruft, schrickt er aus seiner Phantasiewelt auf. Die Mutter schilt ihn, weil er im Eifer des Gefechts die Strohpuppen seiner Schwester, welche als "Vampirverkörperungen" dienten, kaputt gemacht hat. Seine Mutter ist von hünenhafter Gestalt.
Kapitel 2: Man wohnt einer Zeremonie des Ritterordens des Felsendoms zu Bergerac bei, in welcher drei Jünglinge in den Ritterstand sowie in die Reihen des Ordens selbst erhoben werden. Die Atmosphäre erinnert stark an den katholischen Ritus. Es werden Texte aus dem Kanon des Ordens verlesen, welche sich einerseits in der Beschreibung Bergeracs, andererseits im „heiligen Hass“ gegen noch unbestimmte Feinde erschöpfen.
Kapitel 3: In diesem Kapitel erfährt man von Reynalds Starrsinn, dass er von hünenhafter Gestalt ist und eine sehr innige Beziehung zu seiner Schwester hat, die er vor äußeren Einflüssen schützen möchte. Zum Ende dieses Kapitels bricht Reynald als Fahrender Ritter auf, um sich als Ritter von Bretonia zu beweisen. Seine Schwester schenkt ihm zum Abschied eine Locke ihres Haares. Als Reynald fort ist, wird sie schwer krank.
Kapitel 4: Nach anfänglichem Müßiggang, schließt Reynald sich dem Heer des Herzogs von Parravon, unter dem Kommando des Grafen Willibald de Montaigne an, um den imperialen Freiherrn von Ubersreik zu bekämpfen. Stein des Anstoßes des Feldzuges sind die Verwerfungen rund um Lady la Patruce, welche als Teil einer bretonischen Friedensgesandtschaft, mit Unehre befleckt wurde. Als das Heer im Pass der Grauen Dame einige Tage rastet, kommt Reynald vom rechten ritterlichen Weg ab und wird schließlich, nachdem er einen anderen Ritter vor allen bloßgestellt hat, von Sir Galahad de Lumière zum Zweikampf auf Leben und Tod gefordert.
Kapitel 5: Es wird das Zeremoniell des Zweikampfs erläutert. Anschließend folgt ein Zweikampf zwischen Sir Galahad de Lumière und Gideon de Limou (einem der Gefährten Reynalds). Gideon de Limou fällt im Duell. Auch den anderen Gefährten Reynalds ergeht es nicht besser. Mit Blick auf sein wahrscheinliches Ende wird Reynald reumütig und erinnert sich der Ikone seiner Schwester. Er betet zur Herrin und bittet sie um Vergebung.
Kapitel 6: Mathilde leidet an der Schwindsucht und scheint dem Tod nahe. Da kommen die Baronesse D'Igny und ihr Sohn Bertrec im Dorf vorbei. Als Bertrec von Mathilde erfährt kümmert er sich liebevoll um sie und tatsächlich scheint sie zu genesen. Als die Baronesse nicht länger verweilen will, zwingt sie Bertrec und Mathilde zur Heirat. Danach verlassen sie zu dritt das Dorf mit unbekanntem Ziel.
 
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Kapitel 1


Renard war nicht erschöpft. Hunderte Werst bretonischen Hochlands hatten es nicht vermocht, tiefe Schluchten voll tückisch glatter Felsen, Ranken voll peitschender Äste gespickt mit Dornen und auch dieser letzte endlos erscheinende Aufstieg war machtlos gewesen gegen seine jugendliche Kraft. Angespannt huschten seine tiefblauen Augen von einem Winkel in den nächsten. Seit er den Turm des Efeu umwucherten Schlosses betreten hatte, war er keiner Menschenseele begegnet. Nun schlich er voran, beständig um sich blickend, geduckt und jeder Muskel aufs Äußerste gespannt. Seine feuchten Finger umklammerten das lederne Heft eines mächtigen Langschwertes. Oberhalb der Parierstange hatte er ihre Locke festgebunden. Sie, derentwegen er hier war. Isabeau. Das alte Schloss war bedrückend. Hohe Säle unter schwarzem Gewölbe, schwach einfallendes Tageslicht. Überall hatte sich Ungeziefer eingenistet. Schimmel. Moder. Es roch nach faulem Käse. Das Holzgebälk rottete duldsam vor sich hin. Man kann nicht wissen was das Holz fühlt, dachte Renard. Vielleicht ist es voll Kummer und seine Seele begreift, dass das Ende nahe ist. Die elende Feuchtigkeit kriecht ihm in die Knochen und setzt Pilze an. Jedoch; vielleicht ist die Seele schon geschwunden, als der Baum geschlagen wurde. Dann fühlt es nichts und ist wie ein Leichnam, den die Maden durchwühlen. Tote Masse. Der Schrei des Sperlings drang durch die gläsernen Spitzbogenfenster. Fenster ohne Glas, höchstens vereinzelt ein paar bunte Scherben. Renard tastete sich voran. Schritt um Schritt erklomm er die Stufen der Wendeltreppe, welche hinaufführten ins Ungewisse. Und doch; hier musste es sein, das Ziel seiner Odyssee. Der Ort seiner Ängste und Hoffnungen. Mit der Zunge spielte er an seinem trockenen Gaumen, den Geschmack von Dörrfleisch seit Wochen im Mund.


Ein greller Schrei ließ ihn zusammenfahren. Also doch! Er hatte es von Anfang an gewusst. Aber war er keineswegs unvorbereitet hierher gekommen. Ohne hinzusehen fuhr er mit seiner Linken unter den Waffenrock und zum Vorschein kam eine kleine Phiole gefüllt mit azurblauer Flüssigkeit. Der Pfropfen war aus purem Gold und stellte nichts geringeres dar, als das Antlitz der heiligen Herrin vom See. Vorsichtig löste er den Verschluss, kniete sich ab, stellte das Fläschchen auf die Steinstufe, zog einen silbernen Dolch hervor und benetzte ihn mit der kostbaren Flüssigkeit. Inbrünstig hauchten seine Lippen:

Heilige Herrin vom See, gebenedeit sei die Frucht deines Geistes, das Land deiner Knechte, entsprossen deinen Schenkeln. Verflucht sei das Böse auf der Welt. Heilige Herrin vom See, gib mir Kraft, mich vor Sünde zu bewahren. Heilige Herrin vom See, gib mir Geist, Einsicht zu erlangen. Heilige Herrin, erfülle mich mit deinem Feuer, auf das ich deine Feinde vernichte in deinem gerechten Zorn. Heilige Herrin, Lob und Preis sei dir in Ewigkeit, Amen.“

Ein wohliger Schauer ergriff ihn, hob ihn empor – die Lohe verbrannte den Anflug des Zauderns, der ihn zu überkommen gierte und eine eherne Macht leitete seine Schritte. Unaufhaltsam drang er voran, Psalmen und Gebete murmelnd. Endlich war er oben angelangt. Heftig stieß er gegen die Eichentür, sodass sie halb aus den Angeln flog und schmetternd an dem behauenen Felsgestein zerbarst. Seine Brust hob und senkte sich unter flatterndem Puls seines Herzens. Bleiche Blässe über knöchernen Schädeln, ledern und durchsichtig. Motten zerfressene Roben hingen an ihren Körpern. Sie bleckten die Zähne bei seinem Anblick und sprangen auf den flachen Tisch. Ihr Fauchen ließ ihn unbeeindruckt.
Blitzschnell drang er vor. Stach nach kaltem Fleisch. Es knackten ihre Rippen. Lustig fraßen sich seine Klingen durch ihre Rümpfe. Er hackte nach ihren Köpfen und als der letzte fiel, nahm er den Dolch und trieb ihn dem Vampir durch das erloschene Auge, bis es in der Tischplatte feststeckte.

Renard? Renard, wo steckst du bloß schon wieder?“
Oh nein,“ stöhnte Renard. Schnell zog er das Brotmesser aus dem Kopf der kleinen Strohpuppe. Gerade wollte er sich davon machen, da erschien die mächtige Gestalt seiner Mutter im Türstock. Sie war groß wie ein Riese und breit wie ein Mastochse. Kein Bauernlümmel des Dorfes hätte auch nur die kleinste Flegelei gewagt, wenn sie in der Nähe ihre Hausarbeit verrichtete. Renards Vater hatte es nie leicht gehabt mit dieser resoluten Frau und so war er vor wenigen Monaten in die Arme der ewigen Herrin geflüchtet. Am Dachbalken ihres ritterlichen Wohnturmes hatte er sich erhängt. Natürlich konnte dies dem gemeinen Bauernlümmel so nicht gesagt werden, hätte es doch die traditionellen bretonischen Herrschaftsstrukturen empfindlich aus dem Gleichgewicht bringen können. Man hatte also ausrufen lassen, Renards alter Herr sei in seinen rüstigen Tagen noch einmal aufgebrochen den Gral zu suchen, während man ihn bei Nacht und Nebel im Friedhof in der Familiengruft verscharrte.
Wie oft hab ich dir schon gesagt, dass du die Puppen deiner Schwester nicht für deinen Schabernack verwenden sollst? Hundertmal im Mindesten. Du bist ein elender Bengel, der es nur immer auf Hiebe anlegt. Wärst du nicht meinem Schoß entsprungen, ich hielte dich für einen dummen Bauerntölpel, der Jahr und Tag nach Dresche bettelt.“

Erst als sie sah, wie Renard die Tränen über die Wangen kollerten, schwand ihr Zorn und wie die Sonne nach einem heftigen Gewitter durch die Wolken bricht, so tat sich ihr Herz auf. Sie legte ihm ihre fleischige Pranke auf die Schulter. „Na komm, Ritter Hosenmatz, jetzt wird erstmal gegessen.“ Dann lachte sie mit weit aufgerissenem Mund, so ohrenbetäubend laut, dass es schmerzte und ihr gewaltiger Busen hüpfte wie ein Kautschukball. „Die Puppen bekommt der alte Andreas schon wieder hin.“
 
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Ah, cool, dass jemand meiner Bitte nachkommt. Ich finds beeindruckend, wie weit du deine Geschichte schon geplant und fertig hast. Klingt auf jeden Fall schonmal nach einer soliden Idee und bisher überzeugt mich die Umsetzung auch.

Ich denke, ich werde hier auch regelmäßig mitlesen und auch kommentieren.

Ein kleiner Fehler ist mir aber in der Einleitung schon aufgefallen:
Die Schutzgöttin ist die sogenannte Herrin vom See, welche die Ritter zu schier unmenschlichen Taten voll Edelmut und Tapferkeit anspornt.
das klingt nicht sehr positiv. Vermutlich meinst du "übermenschlichen"

Edit: Ich hab gerade gesehen, dass du eben schon das erste Kapitel veröffentlicht hast. Kommentar dazu folgt bald.
 
So, hab das erste Kapitel jetzt gelesen. Zuerst fand ich die Beschreibungen ziemlich übertrieben, aber als dann klar wurde, dass es bloß die Träumereien eines Jungen sind, klärte sich das alles.

Wie dein Wettbewerbsbeitrag schon vermuten ließ, hast du einiges an Talent. Auf den ersten Blick wirkte das Textstück ganz schön lang, aber ich war überrascht, wie schnell ich mit Lesen durch war. Da bin ich hier im Forum sonst (leider) eher anderes gewöhnt. Grobe Fehler sind mir keine aufgefallen und die Beschreibungen wissen zu gefallen. Ich konnte mir das alles gut vorstellen.
Nur zwei Dinge:
1. Am Anfang fehlt mir der Hinweis darauf, dass er sich im Innern eines Gebäudes befindet. Die Beschreibung des Schlosses / Turms (was jetzt eigentlich? für mich gibts da schon noch einen Unterschied. Oder soll es nur der Turm eines Schlosses sein?) an sich ist gut, aber am Anfang dachte ich, er läuft draußen irgendwo lang. Dass es sich bei dem "letzten Aufstieg" um eine Treppe handelt, wird nicht klar. Das könnte auch ein Hügel sein. Deshalb war ich ziemlich verwirrt, als erst von "Winkeln" die Rede war und dann von dem Betreten eines Turms im Plusquamperfekt.

2.
Heftig stieß er die Eichentür, sodass sie halb aus den Angeln flog und schmetternd an dem behauenen Felsgestein zerbarst.

also entweder "stieß er die Eichentür auf" oder "stieß er gegen die Eichentür", aber so wie es ist, fehlt mir da irgendwie ein Wort.

Ansonsten bin ich mal gespannt, was aus unserem kleinen Helden noch wird. 😉
 
Danke für Lob, Anregung und Kritik. 🙂
Auf den ersten Blick wirkte das Textstück ganz schön lang, aber ich war überrascht, wie schnell ich mit Lesen durch war.
Wow, das ist für mich das größte Lob, wenn meine Geschichte den Leser fesseln kann.
Aber jetzt gleich mal zu deinen Anmerkungen:

Unmenschlich war einfach der falsche Ausdruck, wie du schon vermutet hast, meinte ich hier auch übermenschlich - ist ausgebessert.

Zu 1: Da ist mir ein Zeitfehler unterlaufen. Aus dem Präteritum habe ich jetzt ein Plusquamperfekt gemacht, also:
auch dieser letzte endlos erscheinende Aufstieg war machtlos gewesen gegen seine jugendliche Kraft (...) Seit er den Turm des Efeu umwucherten Schlosses betreten hatte, war er keiner Menschenseele begegnet.
Außerdem wurde der Ort präzisiert, um Verwirrung zu vermeiden.

Zu 2: Hier finde ich zwar, dass man auch eine Tür stoßen kann, aber ich gebe dir insofern Recht, als dass die Formulierung ungebräuchlich ist. Ist auch ausgebessert. Jetzt wird also gegen die Tür gestoßen 😉
 
Mit diesem Kapitel will ich einen tieferen Einblick in den bretonisch zeremoniellen Ritus, den Ehrbegriff, etc. geben. Die Textform ist hier etwas ungewöhnlich, veranschaulicht den Ritus aber am besten, wie ich finde, da das besondere des Ritus auch auf textueller Ebene umgesetzt wird. Ansonsten lasst die Szene einfach auf euch wirken und gebt mir euer Feedback. 😉
Kapitel 2



Mächtige Mauern, steinern im mannigfach flackernden Kerzenschein. Spitzbogenfenster, himmelragend zwischen filigranen Säulen. Hochaltar zu Füßen kniende Jünglinge in Kutten, Häupter gesenkt. Hallende Schritte des Primarchen, wandelnd in der Brüder Mitte, strebend zum Heiligtum. Opulenz. Hellhauchende Nacht lässt die stahlentblößten Leiber frösteln. Gänsehaut, Haare zu Berge. Gehilfen schwenken durchbrochene, verzierte Silberkugeln. Ihnen entschwindet der Duft göttlichen Räucherwerks, balsamisch würzige Nasenkost, glimmendes Harz. Schwerer Dunst legt sich zwischen Gaumen und Zunge, schmeckt süßlich, ein wenig nach Zitrone, schmilzt wie heißer Honig. Graue Tonsur, ragend aus reichem Festgewand. Strengen Gesichts tritt der junge Lektor vor die geheiligte Versammlung, anstimmend den Gesang. Ihm antworten die versammelten Brüder im Chor.

Lektor: Gedenkt in Ewigkeit o Brüder der Herrin, der Lichtbringerin, der weisheitsvollen Wächterin über Recht und Ordnung.
Chor: Wir gedenken in Ewigkeit.
Lektor: Gedenkt den Söhnen und Töchtern der Herrin. Den auf Erden wandelnden und jenen, welche bereits das Antlitz der Herrin schauen in Ewigkeit.
Chor: Wir gedenken in Ewigkeit.
Lektor: Gedenkt eurer Pflichten, gedenkt eurem Schwur zu Tugendhaftigkeit, Treue, Standhaftigkeit und Güte.
Chor: Wir gedenken in Ewigkeit.
Lektor: So lasst uns nun diese freudige Zeremonie vollenden, in Ewigkeit …
Chor: Amen

Ein zweiter Lektor tritt ans Pult und schlägt ein in rotes Leder gebundenes Buch auf.

Lektor: Da wandte sich der heilige Filibert wider ihre unseligen Fratzen und sprach voll inbrünstigen Hasses:

Weichen müsst ihr, denn es ist nicht recht, dass ihr auf Erden wandelt.
Weichen müsst ihr, denn es ist nicht recht, dass ihr den Ackerboden besudelt.
Weichen müsst ihr, denn es ist nicht recht, was eure Klauen schaffen.

Brennen müsst ihr, denn es ist recht so.
Pfählen muss man euch, denn es ist recht so.
Mit heiligem Wasser muss man euch ätzen, denn es ist recht so.
Bei Bewusstsein muss man euch die Zähne brechen, denn es ist recht so.

Sterben müsst ihr, wenn ihr auch nicht lebt, denn das ist heiliges Gesetz.
Schande über jeden der euch nicht inbrünstig hasst,
denn wer euch nicht hasst, dem lastet euer Joch schon auf den Schultern.

Hinterlist ist eure Tugend, Tücke gereicht euch zum Ruhm.
Eure Macht ruht auf Kadavern, die Kraft sucht ihr im Blut.

Wahrlich, wahrlich ich sage euch.
Tod erntet wer Tod sät. Zum Sähmann kommt der Henker in Bälde.
Fürchtet die Klinge der heiligen Herrin vom See, denn aus ihr sprießt das Leben das sie hingibt in Fülle.
Lektor: Prophezeiung des heiligen Filibert de Lambroche, Buch der Weisheit.
Chor: Ruhm sei ihm in Ewigkeit.

Der Lektor küsst das Buch. Lektor ab. Primarch tritt vor die knienden Jünglinge.

Primarch: Ritter Bretonias, geliebte Brüder, hört meine Worte. Heute ist ein Tag der Freude, denn diese jungen Männer werden in den Stand eines ehrenwerten Ritters erhoben. Sie werden Teil unserer edlen Gemeinschaft, unseres hochehrwürdigen Ordens von der Herrin Gnaden. Doch manche Pflicht bürdet ihre neue Stellung ihnen auf. Ehre, Tugend, Sitte, darum wollen wir sie prüfen, ob sie den Erfordernissen ihres neuen Lebens in angemessener Weise begegnen. Jüglinge, die ihr vor dem Antlitz der Herrin erschienen seid, um ihre Gnade und ihre Huld zu erflehen, sagt mir dies, wisst ihr den ritterlichen Codex inwendiglich?
Jünglinge: Wir leben ihn.
Primarch: So sprecht gemeinsam die sieben Gebote.
Jünglinge: Diene der Herrin des Sees in Ewigkeit. Verteidige die dir anvertrauten Ländereien. Schütze alle Schwachen und kämpfe für die Gerechtigkeit. Vernichte die Feinde der Tugend und der Ordnung. Gib niemals einen Kampf auf, solange der Feind nicht bis auf den Letzten, und sei es der Geringste, geschlagen ist. Niemals breche das Vertrauen eines Freundes oder Verbündeten. Stets lege Höflichkeit und Achtung für deinesgleichen an den Tag.
Primarch: Wahr habt ihr gesprochen und edlen Mutes. Schwört nun bei eurer Klinge, diese Gebote zu befolgen und niemals auch nur einen Jota von ihnen abzurücken. Denn schartig wird des Ritters Klinge und verweigert ihm den Dienst, bricht er mit den Geboten der Herrin, dem heiligen Codex oder tritt er auch sonst irgend fehl.
Jünglinge: Wir schwören es.
Primarch: Edel habt ihr gehandelt und weise. Doch mehr noch ist des Ritters Pflicht. Nun also sagt mir, kennt ihr die Vorschriften der Ehre?
Jünglinge: Ein Ritter stellt sich seinen Feinden im Kampf Mann gegen Mann, die Schusswaffe gebraucht er niemals. Ein Ritter lehnt niemals eine Herausforderung des Feindes ab. Niemals zieht ein Ritter sein Schwert wider einen Bruder noch eine Schwester, es sei denn im Zweikampf oder Turnier und niemals zieht sich ein Ritter vor seinen Feinden zurück.
Primarch: Wahr habt ihr gesprochen und edlen Mutes. Nun empfangt in aller Ehre den Ritterschlag und fühlt euch aufgenommen in die Reihen der Herrin von jetzt an und in Ewigkeit.
Chor: Amen.

Der Primarch schlägt den Jünglingen mit der flachen Klinge auf Haupt und Schultern. Ein Lektor erscheint am Pult und schlägt ein mit grünem Leder eingebundenes Buch auf.

Lektor:
Karg und öde flieht das Land und seit Menschengedenken hüllen Nebel die Täler.
Wie Sandbänke erhebt sich Hügel um Hügel aus dem wogenden Schwadenmeer. Zarte grüne Rücken
buckeln empor. Über steilen Klippen thront der Mensch, die Naturgewalt ehern im Griff. Das Lied
des Windes stets im Ohr hält er seine Wacht unter den Schwingen der Raben, den krähenden Boten des Todes.
Es ist die Faust des glühenden Zorns, die Klinge der Gerechtigkeit,
das scharfe Auge des Heils, der Schoß der Tugend, ein Hort wider Unzucht und Laster.
Es ist Bergerac, der Herrin Haupt, der Dom auf dem Fels und seine tapfern Ritter.
Psalm VIX, Vers 13-22, Buch der Lieder
Chor: Für Preis und Ehre streiten wir in Ewigkeit, für die Herrin, für Bergerac, Amen.


Der Lektor küsst das Buch. Die Zeremonie fährt fort. Kelche werden reihum gereicht. Gesänge angestimmt. Heiliges Brot gebrochen und als die ersten Strahlen des neuen Tages die Scheiben durchdringen ist das Ritual vollbracht.
 
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Wieder inemal eine neue Betronen Geschichte. Nun was soll ich dazu sagen außa das die geschichten wirklich gut sind?

Der erste teil hat mich irgendwie an meine eigene Kindheit erinnert.😀

Der zweite war etwas komisch zu lesen. Am meisten weil er mich stark an den gottesdienst erinnert, nur das der unterschied daher besteht das man von Liebe und vergebung Betet und nicht um seine gegner und Feinde zu pfählen und ihnen die Zähne aus dem Maul zu brechen. Aber sonst ist es eigentlich nicht wirklich wichtig.
Damit meine ich jetzt das die Zeremonie und nicht deine geschichte an sich.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Form ist wirklich ungewöhnlich, aber im Vergleich zu einem Goethe dann doch recht einfach. Ich hatte jedenfalls keine Schwierigkeiten, durchzublicken. Im Gegenteil finde ich auch, dass der Text den Ritus wunderbar einfängt.

Nur zwei Anmerkungen:
1. Ich vermute, Chor und Jünglinge sind nicht dieselben, richtig? Dann wäre es vielleicht gut, den Chor wenigstens mit einem Satz oben in der einleitenden Beschreibung zu erwähnen.
2.
Nun alsi sagt mir, kennt ihr die Vorschriften der Ehre?

abgesehen von ein paar Kommafehlern, ist das hier der einzige wirkliche Stolperstein.

Davon abgesehen bin ich mal gespannt, was als nächstes folgt.
 
1. Ich vermute, Chor und Jünglinge sind nicht dieselben, richtig? Dann wäre es vielleicht gut, den Chor wenigstens mit einem Satz oben in der einleitenden Beschreibung zu erwähnen.
Ist gemacht. Chor war tatsächlich sehr uneindeutig. Jetzt heißt es im Text:
"Strengen Gesichts tritt der junge Lektor vor die geheiligte Versammlung, anstimmend den Gesang. Ihm antworten die versammelten Brüder im Chor." D.h. der Chor ist eigentlich nur die Gemeinschaft aller Anwesenden.

Nun alsi sagt mir, kennt ihr die Vorschriften der Ehre?
Das ist wohl ein ganz klares MÖÖÖÖP - der ging mir beim Korrekturlesen wohl durch die Lappen - ich geh mich schämen -_-

Auch bei den Kommafehlern gelobe ich Besserung, allerdings ist da die ein oder andere Konstruktion auch der ungewöhnlichen Satzkonstruktion geschuldet, wie z.B. hier: "
Hallende Schritte des Primarchen, wandelnd in der Brüder Mitte, strebend zum Heiligtum."

Der erste teil hat mich irgendwie an meine eigene Kindheit erinnert.
Ähm ... ja, deine arme Schwester 😛

nicht um seine gegner und Feinde zu pfählen und ihnen die Zähne aus dem Maul zu brechen. Aber sonst ist es eigentlich nicht wirklich wichtig. Damit meine ich jetzt das die Zeremonie und nicht deine geschichte an sich.
Irgendwie verstehe ich nicht ganz was du meinst. Die übertriebene Hasspredigt erklärt sich erst später in der Geschichte. Es ist eben kein "normaler" Ritterorden. Die Zeremonie soll vor allem den bretonischen Ritus illustrieren und ja, er ist sehr stark an den kirchlich (christlichen) Ritus angelehnt, aber der erschien mir eben passender als der keltische.


 
Kurze Anmerkung: bei der Überarbeitung des 3. Kapitels bin ich auf eine Ungereimtheit im 2. Kapitel gestoßen und habe folgende Textpassagen geändert:
Primarch: Ritter Bretonias, geliebte Brüder, hört meine Worte. Heute ist ein Tag der Freude, denn diese jungen Männer werden in den Stand eines ehrenwerten Ritters erhoben. Sie werden Teil unserer edlen Gemeinschaft, unseres hochehrwürdigen Ordens von der Herrin Gnaden.(...) Chor: Für Preis und Ehre streiten wir in Ewigkeit, für die Herrin, für Bergerac, Amen.
Jetzt wird glaub ich auch verständlicher, weshalb die Wortwahl der Predigt sich noch einmal derart stark von herkömmlicher bretonischer Rhetorik unterscheidet.

Außerdem habe ich eine Zusammenfassung für Kapitel 2 in den ersten Post editiert. Am Freitag gibts dann den nächsten Teil.
 
Kapitel 3


Nichts vermochte es auch nur im Ansatz, das untrügliche Gerechtigkeitsempfinden Renards zu erschüttern. Hiebe waren nutzlos, Belehrungen verhallten in schwarzen Sackgassen seines überaus wählerischen Gehörgangs und des eigenen Vorteils bediente er sich nur selten. Jedoch schlug diese Tugend Renards ihre Wurzeln keineswegs im süßen Torf der Einsicht. Vielmehr sträubte er sich aus Prinzip von einmal bezogenen Haltungen auch nur einen Huf breit zu weichen. Erachtete er eine Sache für rechtens, war dies unter keinen Umständen zu ändern. Nicht selten ist von ihm berichtet, dass er einmal getroffene Entscheidungen selbst dann nur nach mancherlei gutem Zureden revidierte, als das Gegenteil ohne Zweifel bewiesen war. Diese Dickköpfigkeit zeigte sich vor allem in seinem Verhältnis zu seiner jüngeren Schwester, Mathilde. Renard war der festen Überzeugung, dass es sein angeborenes Privileg sei, Mathilde mit seinen Streichen oft bis zur Weißglut zu treiben. Selbstverständlich endete dieses Recht für ihn mit den Grenzen seines eigenen kolossalen Körpers.
Mit der kräftigen Statur, er hatte sie unzweifelhaft von seiner Mutter geerbt, wusste er Frechheiten gegenüber seiner Schwester gebührend zu quittieren. Einmal jagte er dem Schmiedegesellen, welcher sich über Mathildes allezeit kränkliche Erscheinung mokiert hatte, so lange mit einem glühenden Eisen nach, bis dieser keinen anderen Ausweg mehr sah, als sich für Wochen im ritterlichen Forst zu verstecken. Oft dauerte es Tage bis sich sein Zorn über solcherlei Anmaßungen gelegt hatte.
Im selben Maße, wie Renard der Mutter nachgeraten war, hatte Mathilde die Gebrechlichkeit und das sensible Wesen ihres Vaters geerbt. Seit ihrer Geburt war sie von zierlicher Gestalt. Ihre Glieder waren mager und schienen für ihren schmalen Rumpf viel zu lang. Oft fesselte sie ihre schwache Konstitution ans Lager, was Renard, mochte er ihr zuweilen auch übel zusetzen, stets zu zärtlicher Fürsorge veranlasste. Stundenlang saß er dann bei ihr, setzte Tee auf, wischte mit einem Tuch über ihre erhitzte, schweißnasse Stirn, wandelte mit ihr im Lustgarten seiner blühenden Phantasie. So verschieden Mathilde und Renard auch waren, eine gemeinsame Leidenschaft wog vieles auf.
Es war ihr gelegentliches Bedürfnis nach stillen, schier endlosen Spaziergängen im nahen Wald. Meist schwiegen sie sobald sie das Dorf verlassen und redeten erst wieder, als sie selbiges wieder betraten. Auf ihren Wanderungen ließen sie ihren Gedanken freien lauf, ergründeten die Untiefen ihrer Wesen. Nie tauschten sie ihre Gedanken aus. Es war schlicht nicht nötig, denn sie verstanden einander ohne Worte. Innige Verbundenheit wand sich in solchen Momenten um ihre Seelen, enthob sie aller körperlichen Verhaftungen und der flüssige Äther ihrer Seelen geronn zu einem Wesen zweisamer Einsamkeit.
Nun war es eines Tages so weit, dass Renard der tief verwurzelten Tradition Bretonias folgte und sich, ausgestattet mit Schwert, Rüstung, einem einfachen blau – gelb karierten Schild und einem alten, zottigen Hengst aufmachte, sich als Ritter würdig zu erweisen. Tränen wurden vergossen, Worte des Abschieds getauscht und schließlich brach Renard auf. Um seinen Hals baumelte an zwirnenem Faden eine hölzerne Ikone, dessen bauchige Gestalt durch einen Druckknopf zu öffnen war. In ihr verbarg sich eine blonde Locke seiner Schwester.
Auch wenn allen in dem kleinen Dorf die Abwesenheit Renards anfangs etwas seltsam vorkam, hatte er durch seine auffallende Erscheinung doch selbst für seine jungen Jahre eine recht bestimmende Rolle im alltäglichen Leben vieler eingenommen, legte sich dieses unbestimmte Gefühl in ihren Herzen unter den glättenden Wogen der Zeit. Man rechnete fest mit seiner baldigen Wiederkehr und schien froh über die Aussicht zu sein, in absehbarer Zeit erneut über einen stattlichen Schutzherren zu verfügen. Denn ganz gegen den bretonischen Brauch war die Baronie im Herzen der bleichen Schwestern, inmitten dieses scharfkantigen Kalksteingebirges im Herzogtum Gisoreux, verweist. Herzog Hagen hatte das Lehen nicht neu vergeben. Vielleicht war dieser abgelegene Flecken einfach in den Wogen der Zeit versunken.
Hier darf natürlich nicht unerwähnt bleiben, dass in den bleichen Schwestern viele alte Grabmäler verstreut liegen und gerade das bretonische Landvolk über einen ausgeprägten Sinn für Aberglauben verfügt. Immer wieder kursierten Gerüchte über wandelnde Tote, nur um sich stets als haltlos heraus zu stellen. Trotzdem konnte dies die Gemüter der Gemeinen nie ganz beruhigen. Also waren die Bauern, welche die umliegenden, kargen Almweiden mit ihren Schafherden abgrasten, guter Dinge, wenn sie in die nahe Zukunft schauten. „Bald schon haben wir wieder einen wackeren Herrn,“ sagten sie und blickten ängstlich um sich: „Kann ja auch niemand wissen, was dran ist, an den Geschichten. Hört ja so allerlei.“ Das Leben in Bretonia ging also seinen gewohnten Weg. Nur Mathilde verkümmerte zunehmend in ihrer Einsamkeit. Manch einer bemühte sich um sie, doch sie verschloss ihr Innerstes und lebte schließlich immer zurückgezogener.
 
Es geht weiter, sehr schön. Mir kommt die Handlung im Moment ein wenig schnell vor, aber es ist ja auch nur die Vorgeschichte. Ich denke mal, es geht erst richtig los, wenn Renard ein Ritter geworden ist, oder?

Die Erwähnung seiner Schwester gefällt mir auch gut, ebenso wie die Beschreibung des einsamen Dorfes. Ich weiß nicht, was ich dazu noch groß sagen soll. Wunderbar geschrieben.
 
Ich denke mal, es geht erst richtig los, wenn Renard ein Ritter geworden ist, oder?
Ja. Die Vorgeschichte legt nur den ein oder anderen Grundstein für die spätere Handlung. Deswegen geht es mit Renards Entwicklung auch so rapide dahin. :lol:

Die Erwähnung seiner Schwester gefällt mir auch gut, ebenso wie die Beschreibung des einsamen Dorfes. Ich weiß nicht, was ich dazu noch groß sagen soll. Wunderbar geschrieben.
Vielen Dank. Ist auch schwierig was dazu zu sagen, weil der Teil eigentlich auf später verweist, jetzt aber noch keinen rechten "Sinn" erkennen lässt. Aber mit dem nächsten Kapitel wirds dann denke ich auch spannender - vorerst 😛
 
Gleich vorweg: Sorry, dass es so lange gedauert hat bis der neue Teil soweit überarbeitet war, dass ich ihn posten kann, aber jetzt ist es endlich soweit. Ich bitte um harte Kritik! Euch viel Spaß beim Lesen.

Kapitel 4


Renard sagte die neue Freiheit ungemein zu. Er zog von einem Dorf zum nächsten, wobei er oft in herabgekommenen Tavernen oder abgelegenen Bauernhöfen kampierte. Die Leute wusste er mit seinem leutseligen Wesen schnell auf seine Seite zu bringen und es kam nur selten vor, dass er für Kost und Logis einen kleinen Dienst zu verrichten hatte. So war es bis in den dritten Monat hinein seine schwierigste Aufgabe gewesen, ein kleines Rudel Wölfe, welches einige Schafe eines Eremiten gerissen hatte, zu vertreiben. Renard war dieses säumige Dasein durchaus genehm, doch die Pläne der Herrin sahen anderes mit ihm vor. Zu jener Zeit war der Herzog von Parravon den ewigen Grenzstreitigkeiten mit dem Freiherrn von Ubersreik überdrüssig geworden. Also hatte er eine Delegation aus Rittern und Damen gesandt, in einem Konzil im imperialen Ubersreik die herrschenden Differenzen auszuräumen. Doch kam es, wie es kommen musste. In der hochehrbaren Delegation der edlen Ritter, befand sich eine Dame von glänzender, ja nahezu übernatürlicher Schönheit. Lady La Patruce, die kastanienbraun umlockte. Sie war eine Dame ersten Ranges am Hofe des Herzogs und für ihre Weisheit im ganzen Land geschätzt. Von zartem Schleier verdeckt war ihr holdes Antlitz, mit Geschmeiden und Ketten aus Gold und Silber umrankt ihr schlanker Hals und zehn Mädchen waren nötig ihre Schleppe zu tragen, damit sie nicht am Boden schleifte. Eng umschlang ein kunstvoll besticktes Mieder ihre schlanke Taille und darüber thronte die hohe Brust. Ihre filigranen Finger steckten in schneeweißen Seidenhandschuhen und immer wenn ihrem feinen Näschen der derbe Gestank der Männerwelt entgegenbließ, presste sie mit ihren zarten Gliedern ein parfümiertes Tüchlein über die Lippen. Lieblicher Lawendel war ihrer Lunge Labsal.

Jeder Ritter Bretonias hätte ohne zu zaudern sein Leben gegeben, allein um der Ehre dieser vorzüglichsten aller Frauen willen. Eifersüchtig wachten sie über die Ergebenheitsbekundungen des Freiherrn und seiner Offiziere, auf dass sie es nicht wagen sollten, Lady La Patruce auch nur eine Verbeugung oder einen Kratzfuss zu wenig darzubringen. Ehre wem Ehre gebührt und dieser göttergleichen Dame mit den edelsten Tugenden gebührte alle nur zu erbietende Ehre, das galt den bretonischen Edelmännern als ausgemacht.
Die Verhandlungen liefen sehr viel besser als erwartet und so einigte man sich nach einem ersten Tag hitziger Wortgefechte, an dem man gegenüber den Schandtaten der Gegenpartei, nicht nur in der jüngsten Vergangenheit, verbal zu Felde gezogen war, dass man die Gespräche am nächsten Tage fortführen wolle. Ein Triumph sonder gleichen, der mithin den mäßigenden Einflüssen der edlen Dame zuzuschreiben war, welche allein mit ihrer Anwesenheit die bretonischen Edelmänner zu ungeheuren Formen des Anstands zwang, welche sie sonst gegen dieses ehrlose Volk von Räubern und Barbaren niemals an den Tag gelegt hätten. Doch was anfangs glücklicher Kunstgriff des Herzogs zu sein schien, wurde schon bald zum Stein des Anstoßes grober Verwerfungen. Gerade waren die Speisen aufgetragen worden. Unter vielerlei Ehrbezeugungen hatte der Freiherr von Ubersreik Lady La Patruce an die Tafel geleitet, als das Malheur, welches niemals gesonderten Eingang in die bretonischen Chroniken finden wird, geschah.

Ein angetrunkener, dickwanstiger Landadeliger der imperialen Delegation erhob sich von seinem Platze, um seine Blase in einer dunklen Ecke des Saals zu erleichtern. Doch war er seiner Sinne nicht mehr Herr und stolperte über die am Boden ausgebreitete Schleppe der La Patruce. Der Schleier riss und gegen ihren Willen starrten die ehrlosen in ihr makelloses Antlitz, das nun bar jeder Hülle war. Ihre seidenweiße Haut, ihre hohen Wangen, die schwarzen, mandelförmigen Augen – die lüsternen Blicke des imperialen Abschaums verzehrten sich nach ihr. Entrüstet sprangen die Ritter Bretonias von ihren Plätzen. Der Freiherr war noch bemüht, den Schaden in weiten Grenzen zu halten, doch es war umsonst, denn gerade in jenem Augenblick urinierte der sich berappenden Trunkenbold über den seidenen Schleier. Affront! Satisfaktion! Brüllten die Ritter wie von Sinnen. Als wäre dies nicht schon schlimm genug, zog der Schändling seine Taschenflinte und traf den edlen Sir Maurice de Balaunait in der Flanke. Zornestrunken hackten ihn darauf die ehrenwerten Ritter aus seinem erbärmlichen Leben, bevor sie sich unter grässlichen Flüchen und fürchterlichen Verwünschungen zurückzogen. Der Herzog von Parravon, als er hiervon Kunde erhielt, sah sich gezwungen, sämtliche diplomatische Mittel auszuschöpfen, um den Konflikt in Bälde zu befrieden. Noch am selben Abend, da er die Nachricht erhalten hatte, schickte er seine Boten durchs Land, denn der Feind sollte den Blutpreis zahlen, für seine grenzenlosen Unverschämtheiten, die kein Ritter von Bretonia guten Gewissens hinnehmen konnte. Auch Renard folgte dem Ruf zu den Waffen. Bald schon wälzte sich die streitbare Schar über den Pass der grauen Dame gen Imperium.


Doch nun brach für Renard entgegen seinen Erwartungen eine einzigartige Zeit der Liederlichkeit an. An der Grenze angekommen hatte der oberste Paladin des Herzogs, Graf Willibald de Montaigne, die Bewegungen des Feindheeres, denn auch der Freiherr von Ubersreik hatte seine Truppen in scheuer Vorsicht gesammelt, sorgfältig auszukundschaften und unterdessen Stellung zwischen den steilen Hängen im Pass der grauen Dame zu beziehen. Im bretonischen Tross befanden sich jedoch nicht nur edle Ritter, sondern allerhand Bauern -, Wirts – und Künstlervolk. Gaukler und Feuerspeier unterhielten das reitende Volk. Dirnen und Mägde willfuhren ihnen zu hauf.

Renard erfreute sich an den vielen bunten Eindrücken. Tags vertrieb er sich die Zeit mit ritterlichen Zweikämpfen, die ihm schnell den Ruf eines besonders geschickten, unüberwindbaren Gegners eintrugen, was seiner eigentlichen Leidenschaft in ungeahntem Maße zugute kam. Das beeindruckte Weibsvolk drückte sich in Scharen um seine mächtige Brust und er liebte sie, liebte sie alle. Die drallen Bauernmägde liebte er ihrer üppigen Brüste, die schlanken Stadtdirnen ihrer schmalen Taillen und Schultern willen, welche er mit seinen riesigen Pranken zu Boden drückte, während er lustvoll in sie eindrang. Seine sprossende Männlichkeit entfachte in ihm immer wieder aufs neue mächtige Flammen der Begierde. Renards Verlangen steigerte sich von Mal zu Mal. Nur wenigen konnte dieses animalische Treiben verborgen bleiben, doch war man gewillt seine Ausschweifungen hinzunehmen, da man seine unglaubliche Kraft durchaus zu schätzen wusste. Die gesammelte Ritterschaft behandelte ihn weit ehrerbietiger, als sein geringer Stand es verlangt hätte und Renard gefiel sich sichtlich in seiner Rolle. Er gebärdete sich als Herr über seine Brüder, indem er ihnen Befehle gab, dies und jenes für ihn zu besorgen. Stets hatten ihn nun zwei seiner liebsten Dirnen zu begleiten, falls ihn die Wollust heimzusuchen drohte. Bei den ritterlichen Zweikämpfen begann er seine unterlegenen Gegner zu verhöhnen sobald sie am Boden lagen, zu bespucken, einem urinierte er gar ins aufgebrochene Visier. Der Hochmut kommt ungefragt, kommt unbemerkt und klopft nicht an. Jede ritterlicher Tugend war in neblige Vergangenheit getaucht, in fernen Sphären, jedenfalls vergessen. Als die Ausschweifungen des jungen Renards zum Ärgernis des Grafen Montaigne immer mehr liederliche Nachahmer fand, schien eine Grenze überschritten, welches jedem duldsamen Maß Hohn sprach. Der Graf musste handeln, wollte er die Disziplin in den eigenen Reihen auch nur halbwegs aufrecht erhalten. Doch war sein persönliches Eingreifen nicht von Nöten.

Eines Abends, Renard und seine närrischen Kumpanen hatten wie so oft dem Wein in hohem Maße zugesprochen, wurden die Reden hitziger, als sonst. Ein vornehmer junger Edelmann erdreistete sich, das Verhalten der Meute auf das Schärfste zu tadeln. Vor versammelter Runde hieß er Renard Ursache des widerwärtigen Sündenpfuhls, was jenen jeglicher Besinnung beraubte. Schäumend vor Wut sprang er den verdutzten Ritter an, riss ihm, während er ihn ordentlich verdrosch, die Kleider vom Leib, um ihn vor der johlenden Menge an eine entastete Fichte zu binden. Demütigen wollte er den frechen Frevler, welcher sich seiner Person widerspenstig erwies. Im Hochgefühl der eigenen Macht suhlend, röhrte er wie ein Hirsch in die fackelerleuchtete Dunkelheit, als das Getöse der Menge plötzlich erstarb. Erstaunt wandte er sein Haupt. Hart fuhr ihm der Schmerz ins Gesicht und er schmeckte das Blut seiner aufgeplatzten Lippen. Erst jetzt gewahrte er die kühle Nacht, wie sie in eisigen Schauern über seine Haut kroch. Zornesfalten überzogen seine Stirn, als er die Augen wieder öffnete und ein Wutschrei brach aus seiner breiten Brust, dass es von den steilen Felswänden widerhallte. Renard keuchte heftig, so sehr hatte ihn der Schmerz in Rage versetzt.

Vor ihm stand ein älterer, schmächtiger Ritter, das graue wellige Haar sauber gekämmt, die fein geschnittene Wangenpartie penibel ausrasiert. Nur an seiner Unterlippe haftete ein schelmischer Spitzbart, der sich in sein strenges Gesicht seltsam gut einbettete. Doch was Renard fesselte, waren seine wasserblauen Augen. Dieser stechende Blick der reinen Verachtung und grenzenloser Abscheu.
Indem er mit einer knappen Geste seinem Knecht befahl den gepanzerten Handschuh wieder aufzunehmen, presste der ehrwürdige Ritter über seine schmalen Lippen:
Betrachte dich und deinen maßlosen Haufen Abschaum als gefordert, Unsäglicher. Nur der heilige Schwur hindert mich, dir nicht an Ort und Stelle deinen Hochmut von den Schultern zu hacken. Schändlicher, der du deinen Bruder lachenden Mutes verrätst. So du noch einen Funken Ehre im Leib trägst komm morgen zu Tagesanbruch zum alten Grenzstein vor dem Lager.“

Dann wandte er sich um und ging. Es war still. Niemand wagte den Mund aufzutun. Renard verharrte und blieb starr. Die Lust war ihm geschwunden. Auch seinen Gefährten war der Ernst der Stunde keineswegs entgangen. Schweigsam verbrachten sie die Nacht und erstmals seit seinem Fortgang erinnerte sich Renard der kleinen Ikone seiner Schwester und als er sie öffnete schämte er sich aus ganzem Herzen. Wie wenig hätte sie sein Verhalten verstanden. Es bräche ihr das zarte Herz im Busen, erführe sie von meinen schändlichen Taten, dachte er. Reumütig fiel er auf die Knie und weinte bittere tränen, denn er erkannte sein Unrecht. Heiß kullerten sie über seine mächtigen Wangen. Die ganze Nacht hindurch verbrachte er betend. Erst als die ersten Sonnenstrahlen über die Kuppen der Berge brachen, erhob er sich, um sich von Frederic, seinem Pagen rüsten zu lassen. Zu viert schritten sie dann hinaus vor das Lager, wo sich bereits eine beträchtliche Menge Schaulustiger angesammelt hatte. Es war ein stummes Spektakel. Der Tod schwebte über der Richtstätte und wie ein gemeiner Tagedieb stahl er die Freude aus aller Anwesenden Herzen. Als Renard und seine drei Gefährten ankamen, befahl ihnen ein Page außerhalb des provisorisch errichteten Kampfringes Aufstellung zu nehmen. Dann schwang sich ein brokatberockter Höfling auf ein niederes Podest, zog eine Rolle hervor und begann laut vorzulesen:
 
Zuletzt bearbeitet:
Nichts mit "harter Kritik"! 😉

Ich finde deine Geschichte echt richtig gut und interessant geschrieben und habe auch nicht wirklich was an ihr auszusetzen. Allerdings finde ich es unwahrscheinlich, dass ein Gralsritter sich so um einen fahrenden Ritter "kümmert", dafür sind die einfach viel zu wichtig, selten und dürften eigentlich eher beim Herzog zu finden sein, und nicht in der Nähe einer Meute von Jungrittern, egal was da für ein Aufruhr herrscht (zumindest ist das nicht das Bild, dass einem durch den offiziellen Fluff vermittelt wird😉). Ein "einfacher" RdK würde eigentlich reichen, mMn... ein Questritter wär aber eigentlich am stylischten. Die müssen ja ständig gute Taten vollbringen.^^

Bin auf jeden Fall schon gespannt, wie es weiter geht und freu mich aufs nächste Kapitel. 🙂
 
Man kann natürlich so argumentieren, wie du es machst, ABER du lässt außer Acht, dass die Gralsritter im Besonderen Hüter des ritterlichen Ehrenkodex sind und den Idealen der Herrin am engsten unterworfen. Und dass ein Gralsritter durch das Lager geht, gerade wenn die Moral zu kippen droht und versucht die Leute bei der Stange zu halten, finde ich recht überzeugend, denn niemand hat eine derartige Autorität wie ein Erleuchteter der Herrin :lol:
Außerdem brauchts einfach nen Gralsritter, um den schier unmenschlichen Hünen Renard zu fordern, aber das wirst du im Lauf der Geschichte dann noch sehen warum. 😉
Ansonsten natürlich Danke für dein Interesse an der Geschichte. Zum Dank gibts auch gleich einen neuen Teil. 😀

Kapitel 5


Ehrenwerte Ritter, Volk der Herrin. Blut wird heute Vergossen. Doch nicht umsonst wird der rote Saft den Boden tränken. Nein. Denn um nichts geringeres als um das Recht und die Ehre bretonischer Edelmänner wird heute gefochten.
Zu meiner Linken sehen sie Sir Galahad de Lumière, Ritter des Grals von der ewigen Herrin Gnaden. Zu ihrer Rechten Franc Filou, Armand de Breche, Gideon de Limou sowie Renard Beauchamp. Ich verlese nun den Anlass des Ehrenhändels:

Sir Galahad de Lumière, ehrenwerter Ritter des Grals von Ihro ewiger Gnaden, erhebt folgende schwere Vorwürfe wider die vorher genannten Personen: Mannigfache Verletzung des ritterlichen Codex. Zuwiderhandlung gegen das göttliche Gebot unserer Herrin. Verführung ihrer ritterlichen Brüder zur Schandtat. Auch haben sie Schande von unerträglichem Ausmaße auf ihrem Haupt versammelt: Trunksucht, Unzucht, Hochmut, schließlich Hartherzigkeit wider ihre Brüder und Freunde. Als legitimer Vertreter der Herrin auf Erden und Hüter des ritterlichen Kodex, fordert der ehrenwerte Ritter Sir Galahad de Lumière von den genannten Rittern Rechenschaft im Kampf auf Leben und Tod.“

Der Ausrufer räusperte sich, zog eine seiner geschwungenen Brauen empor, während ihm der lauwarme Morgenwind durch das strähnige Haar strich, dann fuhr er fort:


Den Kämpfern wird freigestellt, von welchen Waffen sie Gebrauch zu machen gedenken. Sie können kämpfen mit stumpfer Waffe, Axt, Schwert und Dolch. Die Kämpfer tragen Rüstung, Helm und Schild. Es kämpfen jeweils zwei Kontrahenten im Duell, nicht mehr, nicht weniger. Dem Fordernden obliegt es, die Reihenfolge seiner Kontrahenten festzulegen. Vergehen gegen diese Bestimmungen, sind mit dem ehrlosen Tode zu bestrafen. Hierfür bürgt seine Herrschaft Graf Willibald de Montaigne persönlich. Verweigert ein Kontrahent den ritterlichen Zweikampf, soll er mit Schimpf und Schande davongejagt werden und von jeder Zinne des Landes rufe man seine Schande ins Land, auf dass er sich ihr nimmer wird entziehen können.“

Langsam ließ der Ausrufer seinen Blick über die Menge schweifen, als wolle er die Wirkung seiner Worte an den vielen Gesichtern ablesen. Dann rollte er flink das Papier zusammen, lief zu Sir Galahad, wechselte ein paar der Menge nicht verständliche Worte und schrie:

Es treten in den Ring; Der ehrenwerte Ritter des Grals Sir Galahad de Lumière; Sein Kontrahent sei Gideon de Limou.“

Den pack' ich mir, den Alten.“
Gideon war stämmig, mittelgroß und ein Scharlatan wie er im Buche stand. Seine große Kunst war das Falschspiel, in der er es zu einer beachtlichen Meisterschaft gebracht hatte. Zu diesem Zweck kleidete er sich stets in weite Leinengewänder oft minderer Qualität, denn er war von Geburt aus verarmtem Hause. Im Schaukampf und dem Duell war er vielen überlegen und nur Renard warf ihn regelmäßig zu Boden, wie er es mit allen seinen Kontrahenten tat. Auch war er noch in weitere Geldgeschäfte verwickelt, die Ausdruck seiner grenzenlosen Gier nach Reichtum waren, den er in seiner Jugend schmerzlich hatte missen müssen. Doch ging es ihm nicht um die zur Schau Stellung seiner Habe, als vielmehr um die Befriedigung innerer Bedürfnisse, einem sich Laben am Haben. Wie ein Kobold hortete er sein Gold und hätte am liebsten kein Auge zugetan, so liebte er seine Schätze, die er in seinen Augen redlich erworben hatte. Dieser Gideon sprang nun also über die Schranke.
Sir Galahad de Lumière, welcher vis – a – vis den Ring betrat, tat dies bereits in voller Montur. An seiner Hüfte hing zur Rechten ein einhändiges Schwert, zur Linken zwei lange Dolche. Auf seinem goldbeschlagenen Schild prangte auf rot weiß gevierteltem Grund der schwarze Pegasus am Rad. Sein Harrnisch war mit filigranen Ornamenten überzogen, die in hellem Kontrast zur grauschwarzen Kälte der Platte standen. Hoheitlich stieg der schwarze Pegasus zur zier eines Helms von imperialer Fabrikation. Es war merkwürdig anzusehen, doch gegen den wohlhabenden, erfahrenen Paladin der Herrin, wirkten die Geforderten wie Bauern in klobigen Orkrüstungen. Bestaunte man einerseits die Krone menschlicher Schmiedekunst, Tugend, des Geistes und Körpers, so offenbarte sich einem am anderen Ende angerostetes, grob behauenes Eisen, Unzucht – überhaupt Wesen, die an niederem Geist, ja gar an Grobschlächtigkeit kaum zu übertreffen waren. Leichtsinnig waren sie mit ihrer jugendlichen Frische verfahren. Sie waren wie Blüten an einem Baum, die zu viel Wasser gesogen hatten und nun zu schimmeln und welken begannen. Möge Nurgle sie holen, die Knechte der Pestilenz.
Ritter, zieht eure Waffen.“
Beide wählten sie das Schwert.
Möge der Gerechtere obsiegen.“

Mit ungeahnter Schnelligkeit sprang Sir Galahad auf sein verdutztes Ziel zu und es hagelte Hiebe, denen Gideon nur schwerlich gewachsen schien. Schlag, Stich. Metall klirrte. Geschickt führte Sir Galahad seine Klinge, reich an Finten war sein Stil, voll harter und direkter Schläge gefolgt von listigen Stichattacken. Doch auch wenn Gideon auf dem Gebiet des Fechtens weit unterlegen war, so warf er seine ganze jugendliche Energie, die derer einer ausgehungerten Hyäne glich, in die Waagschale. Man schmeckte den feuchten Schweiß ihrer erhitzten Körper in der Luft. Seitlich geführter Schlag. Gideon strauchelt. Immer wieder wuchtete er seinen kompakten Körper mit einem Ausfallschritt und einem von oben herab geführten Schlag seines Schwertes nach vorne. Doch all zu absehbar war sein Verhalten. Gerade als er sich wieder mit aller Macht nach vorne stürzte, nutzte Sir Galahad die Angriffsbewegung seines Kontrahenten, stemmte sich seinerseits unter Gideons Torso, trat mit aller Macht gegen sein Standbein, ergriff und warf ihn über seine Schulter zu Boden. Noch während jener zu Boden flog, zog er einen seiner Dolche. Dann packte er Gideon am Arm, drehte ihn auf den Rücken und stieß ihm den Dolch erbarmungslos unter den Helm in die Kehle. Kurz hörte man noch einen gurgelnden Laut, ein aufflackerndes Zucken der Arme in Richtung Hals, dann erschlaffte Gideons Körper. Sir Galahad murmelte ein kurzes Gebet, dann stand er auf, zog sich in seine Ecke zurück und betrachtete stumm die Knappen Gideons, wie sie den leblosen geharrnischten Körper davontrugen.
Franc und Armand ereilte das gleiche Schicksal. In ihrer Unerfahrenheit waren sie ohne Chance gegen einen derart abgebrühten Kämpen, wie Sir Galahad sich einer zu sein rühmte. Schließlich war es still geworden um Renard. Einsam stand er hinter der Schranke. Da erkannte er abermals die Schuld wie sie sich auf seinem Rücken türmte. Vorsichtig holte er die Ikone seiner Schwester hervor, entnahm die Locke und wand sie um sein Heft, dann richtete er den Blick gen Himmel.
Vergib mir Herrin, denn ich habe gesündigt. Vergib mir, denn ich war blind in meinem Hochmut. Vergib mir und ich werde dir mein Leben widmen, es dir zu Füßen ausbreiten. Züchtige mich, wenn du es für nötig hältst, aber verstoße mich nicht von deiner Brust. Gnädige Herrin, behüte mich um meiner Schwester willen, denn mein Tod bedeutete ebenfalls den Ihrigen.“
Mit der gepanzerten Rechten schloss er quietschend das Visier.
 
Eine kleine Neujahrsüberraschung! Viel Spaß beim Lesen!
@Forget: Pech gehabt, etwas musst du dich noch gedulden, aber nicht mehr lang, versprochen ^_^

Kapitel 6


Lange sah es so aus, als verginge Mathilde in Seelenschmerz über den Weggang ihres Bruders. Sie aß kaum und ließ niemanden an sich heran. Gerade als die Schwindsucht sie mit eiserner Faust zu schütteln und zu rütteln begann, erschien ein seltsamer Reiter am Dorfrand. In seinem Gefolge befanden sich zwei bucklige Knechte in zerschlissenen Kutten sowie eine ältere Dame von extravagantem Äußeren. Sie hatte eine lange rubinrote Robe angelegt, dazu einen nachtblauen Reisemantel. Ihr schwarzes Haar trug sie kunstfertig zu schneckenförmigen Zöpfen geflochten unter einer samtenen Hörnerhaube. Von adliger Blässe war ihr makelloser Taint und ihre Züge wie in Marmor gemeißelt. Auf dem Rücken ihres prächtigen Schimmels turnte außerdem ein Schimpanse, der ihr je nach Lust und Laune zuweilen einen mit Spitze bestickten Seidenschirm über das Haupt hielt. Diese Dame gab sich den Dorfbewohnern als Baronesse D'Igny zu erkennen, welche sich mit ihrem Sohn, einem braun gelockten, mageren Jüngling, auf eine Wallfahrt begeben hatte. Es wäre natürlich äußerst indiskret und unangemessen gewesen, die näheren Umstände jener Dame, welche unzweifelhaft dem höheren Stande angehörte, oder Ziel, gar tieferen Zweck ihrer Reise in Erfahrung zu bringen. So beschränkte man sich auf die Bewirtung jener Durchreisenden, welche diese dankbar in Anspruch zu nehmen schien.

Der an sich sehr schweigsame Sohn, hielt sich sehr im Hintergrund, als die Baronesse D'Igny sich in phrasenhaftem Geplauder mit der Hausherrin, Renards Mutter, erging. Erst als das bereits ins stocken geratene Gespräch auf Mathilde kam, straffte sich sein eingefallener Rumpf. Sehr interessiert richtete er mehrere Fragen nach Mathildes Befinden an ihre Mutter, um schließlich in drängendem Ton zu erflehen, der Kranken vorgeführt zu werden. Renards Mutter, der die Angelegenheit etwas peinlich und wenig recht war, ließ sich schlussendlich erweichen. Sie führte Bertrec in die Stube Mathildes.

Sobald Bertrec die ausgemergelte Gestalt, des einst so lieblichen Geschöpfs in den Bergen aus Daunendecken erblickte, da schluchzte er laut auf und begann wie wild ihre knöcherne Hand zu drücken, sie zu küssen. Gerade als Renards Mutter ihre Entscheidung ernsthaft zu bereuen begann, öffneten sich die Augen Mathildes. Zuerst schien sie verwirrt, doch dann spannten sich ihre Lippen und was aussah wie eine grausig starrende Schädelgrimasse, war das erste sanftmütige Lächeln seit Monaten auf ihrem Antlitz.
Rührend kümmerte sich Bertrec fortan um Mathilde, wich weder Tag noch Nacht von ihrer Seite und zum Erstaunen aller besserte sich ihr Zustand zunehmend. Der Baronesse, welche aufgrund der Leidenschaften ihres Sohnes zu längerem Aufenthalt gezwungen ward, konnte dem Geturtel der jungen Leute wenig abgewinnen. Es bildete sich eine gewisse Unruhe in ihrem Wesen. Leicht reizbar, wie sie war, setzte sie eines Tages in Gegenwart Mathildes Mutter dem Treiben ein Ultimatum.

Sei ihr Sohn zu ehrlicher und aufrichtiger Liebe bereit, so eheliche er Mathilde an Ort und Stelle, andernfalls lasse er von seinen Spintisierereien ab, um seiner Mutter nicht länger ständiger Stein des Anstoßes zu sein. Diese Last an den Fesseln ihrer Füße sei sie, die Baronesse D'Igny, nicht länger gewillt hinzunehmen. Werde man sich ihrer aus reiner Nachsicht unterbreiteten Vorschläge resistent zeigen, seien ihr sämtliche Wege als der der rohen Gewalt verschlossen und es bliebe ihr schlechterdings kein anderer Ausweg ihre berechtigten Interessen durchzusetzen. Daraufhin verließ sie den Raum, schmetterte die Tür ins Schloss, jedoch nicht ohne darauf hinzuweisen, am nächsten Morgen über die Entscheidung ihres Sohnes, selbstverständlich ohne gesonderte Aufforderung, unterrichtet werden zu wünschen.

In Anbetracht ihrer Heilung sowie die eventuell drohende Verschlechterung des Gesundheitszustandes nach Fortgang ihres wundersamen Heilers in ihrer Entscheidung einbeziehend, entschloss sich Mathildes Mutter einer Heirat schweren Herzens zuzustimmen. Gleichen Tags erklangen die hellen Glocken der kleinen Dorfkapelle. Unter den Klängen zweier Hausmusikanten zog das Brautpaar in behelfsmäßigem Gewand vor den Altar. Während Mathildes Mutter Träne um Träne in ihr seidenes Taschentuch drückte, zog die Baronesse es vor, der Veranstaltung fern zu bleiben. Noch am selben Abend packte Mathilde ihre Habe, schnürte sie zu einem Bündel zusammen und bereits am nächsten Morgen glitt sie unter heftigen Tränen aus den Armen ihrer Mutter in diejenigen Bertrecs. Noch einmal drehte sie ihr Köpfchen als sie fortritt, dann verschluckte sie der dunkle Forst und nimmer sollte sie wiederkehren, das elterliche Dorf zu schauen.
 
Eine kleine Bemerkung voraus: Die Zusammenfassung der bisherigen Teile stehen im ersten Post! Der Protagonist heißt ab diesem Kapitel Reynald und nicht mehr Renard - einfach weils mir besser gefällt 😉 Viel Vergnügen.

Kapitel 7


Es treten in den Ring; Der ehrenwerte Ritter des Grals Sir Galahad de Lumière und sein Kontrahent Reynald Beauchamp.“

Reynald wand sich über die Absperrung, stemmte die Beine im Ausfallschritt fest auf den Boden und barg seine Flanke hinter dem hölzernen Schild. In der Rechten hielt er sein Schwert, bereit, sich seines Gegenübers zu erwehren. Zugegeben, mit der gealterten Gestalt vom Vortag hatte dieser schlagfertige Streiter wenig zu tun. Sir Galahad stand aufrecht im Glanz seines prächtigen Kürasses, den aufwändig bestickten Waffenrock glatt streichend, welcher unter den zurückliegenden Auseinandersetzungen jedoch kaum gelitten zu haben schien. Seine Erscheinung war von einem seltsamen inneren Glimmen durchwirkt und es war, als würden alle Sonnenstrahlen um ihn herum wie magisch von seiner Gestalt angesogen. Sir Galahads Schild war um den Rand über und über mit Segenssprüchen behangen, auf seinen Schulterpanzern ruhten Heiligenfiguren im Wachs ewig brennender Kerzenbündel. Sein leuchtendes Antlitz war nicht länger zu ertragen. Es blendete Reynald so sehr, dass er seinen Blick zu Boden zwang, um nicht in jenem entscheidenden Moment vor dem Kampf das Augenlicht einzubüßen.

Jetzt erklang das Zeichen. Wie zwei von der Tollwut befallene Löwen sprangen sie sich an. Reynald hieb mit kräftigen Schlägen auf seinen Gegenüber ein, während jener sich mit Finten an der Abwehr Reynalds zu schaffen machte. Tritte gegen die Beine des Kontrahenten blieben ebenso wirkungslos wie ein plötzlich ausgeführter Schlag mit dem Schild, um die feindliche Deckung zu durchbrechen. Kreuz und quer, von oben nach unten und andersherum surrten die Klingen durch die Luft. Wie eine knisternde Masse ballte sich die allgemeine Anspannung zu Häupten aller Anwesenden, darauf wartend, sich in einer kolossalen Entladung bahn zu brechen. Sie wussten, dass diesen Platz nur einer aufrecht verlassen konnte. Keiner wollte weichen. Sie fochten eine halbe Ewigkeit, ohne dass einer der beiden Kämpfer auch nur einen geringen Vorteil zu verbuchen hatte. Schon wollten einige der Schaulustigen Ermüdung in den ausladend werdenden Hieb-, Stich- und Schlagbewegungen erkennen, da wurden sie von neuem heftig und stießen mit noch größerer Wucht gegeneinander vor. Wie ausgehungerte Berglöwen sich auf die Beute stürzen, so stürmten sie gegeneinander an.
Mehrmals hatten sie die Klingen gekreuzt, sich an den Armen versucht zu packen, um den jeweils anderen in den Staub zu werfen. Doch was Reynald mit schierer Kraft zu verhindern wusste, meisterte der ehrenwerte Ritter des Grals mit seiner Erfahrung. Ein listig geführter Stich. Hieb von unten. Block. Krach. Schwertstreich. Vorsicht Finte! Weggeduckt. Schlag über Kopf. Zurück getaumelt. Block. Vorwärts gedrängt und tritt gegen das Knie. Schlag. Klingen gekreuzt. Versuch ihn zu packen. Wutschrei. Riposte. Schweißfinger, mit Handschuh abgerutscht. Zurück gestolpert. Fast gefallen, aber gerade noch gefangen. Sicherer Stand. Hitze im Harnisch. Hämmerndes Herz. Zögert. Zunge klebt an staubtrockenem Gaumen. Salz und Pökelfleisch. Sprung nach vorn. Schlag. Klirr, Schrei, geblockt. Knie in den Magen bekommen. Keuchen, taumeln. Blitzschnelle Finte. Hieb. Stich. Abwehr. Ducken, drehen, strecken, stechen. Schlag.
Als sie sich derart unermüdlich an die Kehle sprangen, da sandte die Herrin ihre Stimme herab. Flutete die Zornesstätte mit gleissendem Licht und Hörnerschall.


Ein mächtiger Stoß riss Reynald von den Beinen und stieß ihn hart zu Boden. Einige Rippen hatten besorgniserregend geknackt, sein Kopf dröhnte. Er wollte aufstehen, doch wurde er unerbittlich zu Boden gedrückt. Jetzt erblickte Reynald über sich die Gestalt Sir Galahads ruhen. Sein Visier stand offen und aus einer Mithrilkettenhaube blitzte das strenge Antlitz des heiligen Ritters. Sein Schwert hatte er zurück in die Scheide gesteckt. Scheinbar mühelos kniete er ab, zog einen seiner langen Dolche, packte Reynald an der Helmzier und setzte die Klinge zwischen Helm und Kragen an, bereit ihn todzustoßen.

Die Klinge zuckte vorwärts, da geschah das Unerwartete. Sir Galahad durchtrennte den Helmriemen, striff Reynalds Helm ab und sprach:
So lautet das Urteil der Herrin. Frevel kann ich nicht dulden und gezüchtigt wird auf ewig wer Unrecht tut. Deshalb ist der Tod die Strafe für euer Vergehen.“
Sir Galahad deutete in die Richtung, wo man die Gefallenen aufgebahrt hatte. Dann wandte er sich erneut Reynald zu:
Doch wer umkehrt in Reue und tut Buße, dem soll verziehen werden. Jedoch: Nicht soll er mehr in meiner Söhne Reihen dienen, bis ich ihn erneut lasse rufen. Bis dahin übe er sich in Geduld und Demut, einsam und fromm bis an den Tag, da ich ihn ein weiteres Mal auserwähle. Auch sei sein Name nicht länger Reynald, denn voll Hochmut war sein Treiben. Von nun an nenne er sich Hugo le petit, auf dass er sich an seine Nichtigkeit auf immer erinnere. Spruch der Herrin.“
Da neigten alle die Köpfe in Ehrfurcht und murmelten im Chor:
Dank sei der Herrin in Ewigkeit.“

Noch am selben Tag legte Reynald sein Rüstzeug ab, verschenkte seine Kleider bis auf ein grobes Leinengewand. Er behielt auch sonst nichts am Leib, als ein Viertel Brot, einen Strick mit dem er seine Hüften umgürtete und die kleine Ikone seiner Schwester. Dann schlich er gesenkten Hauptes davon.
 
Tut mir leid, dass ich mich erst jetzt mal wieder melde. Hier hat sich ja einiges getan.

Ich muss sagen, dein Schreibstil ist wirklich gut. Du fängst das Wesen der bretonischen Gesellschaft vollkommen ein.

Das einzige, was ich zu kritisieren habe, ist diese Kampfbeschreibung im letzten Kapitel aus einwörtigen Sätzen. Wenn man mal 3-4 solche Sätze benutzt, ok, aber ein ganzer Absatz davon ist viel zu viel. Ich hab mir nicht die Mühe gemacht, den komplett zu lesen. Vor allem, weil diese "Beschreibung" auch nicht wirklich wichtig zu sein scheint. Hier würde ich unbedingt kürzen empfehlen.

Ansonsten bin ich schwer beeindruckt und gespannt, was aus Hugo wird.