Ja, deine Kritik ist mehr als berechtigt und ich will mich auch gar nicht erst in langen Ausreden verwickeln, sondern bin gleich zur Tat geschritten. Dauert bei mir immer bischen, bis ich eine akzeptable Form zusammenbring. Gute Sprachmelodik ist mir halt sehr wichtig.
Nach dem Mittagessen sollen auch deine neuen Kapitel nicht zu kurz kommen, aber vorher lass ich's mir noch schmecken
😛 Für euch geht's jetzt weiter, viel Spaß beim Lesen!
Kapitel 12
Als die Speicher um Aix – en – foret bis zum Bersten gefüllt, der Handel mit den umliegenden Städten zu aller Zufriedenheit gelangt, kurz gesagt; der Reichtum in die idyllischen Senken mit Pauken und Trompeten Einzug hielt, trug sich eben jene Sache zu, die später als der Vorfall von Chateau Mal in die bretonischen Chroniken eingehen sollte.
Eines Tages rotteten sich einige Bauern, die es trotz der allgemein erfreulichen Lage nicht vermocht hatten ein eigenes Vermögen anzuhäufen, zusammen, um in den Wäldern um Chateau Mal, welche entgegen den Dorfforsten keinen eigentlichen Besitzer ihr Eigen nannten, Holz zu schlagen und es auf dem örtlichen Markt zu versilbern. Es kann diesen niederen, buckligen Wesen in keinster Weise ein Vorwurf gemacht werden. Wie leicht verfällt einer dem Leichtsinn, wenn er die güldene Zukunft allerorten sprießen sieht, nur der eigene winzige Acker liegt brach. Und ebenso verhielt es sich bei diesen Ärmsten aller Armen. Sie hatten oft nur kleine Katen, löchrig dass der Wind Winter wie Sommer hindurchbrauste, dazu kaum Land für das Vieh, kaum Holz, um in den unzähligen kalten Tagen eines jeden Jahres heizen zu können. Wahrlich, es waren keine sonnigen Tage, kein ewiger Lenz, vielmehr ein dumpfes Siechtum das sich da ihr Leben schimpfte. Es war das Brüllen des Herbstes, das Grimmen des Winters oder die Gluthitze bei der sommerlichen Ernte, welche sie zeitlebens niederzwang. Diese Bauern – es mögen eine Hand voll gewesen sein, jedoch nicht mehr als zwei Dutzend – diese Bauern heckten nun also den Plan aus, gemeinsam in den dunklen Wäldern um das alte Herrenhaus ihr Auskommen zu suchen. Wer lebt denn dort? Fragten sie – niemand. Wem gehört das dort? Fragten sie – niemandem. Wer straft uns dann? Und abermals lautete ihre Antwort – niemand. Gut, sagten sie da zu sich, dann kann es nicht schaden niemandes sprießenden Reichtum in unseren Wohlstand zu wandeln und niemand wird uns das Bischen das wir nehmen verleiden.
Also zogen sie los mit ihren wenigen Gäulen und Ochsen, schlugen einen ganzen Tag auf totes Holz, verkauften die Meterware auf dem Markt und teilten anschließend die Münzen. Zuerst waren sie recht zufrieden mit ihrem Erlös, erstanden Werkzeug, leisteten sich neue Gewänder, kauften Vieh und Wägen, Fleisch, Fisch, billigen Wein und noch allerlei mehr. Doch ging das Geld bald zur Neige und da sie sich an die neuen Annehmlichkeiten des Lebens einmal gewohnt hatten, wollten sie sie nicht mehr missen müssen. Nun fingen sie also erneut an zu klagen, weinten vor einander, fluchten auf ihre bittere Armut und wieder sagten sie sich: Was macht es schon, wenn man ein paar Bäume fällt? Wer lebt denn dort? Niemand. Wem gehört das Land dort? Niemandem. Wer straft uns dann? Und ihre Antwort war abermals niemand.
Doch ohne es zu merken, war es nicht mehr die Armut, welche die Rute schwang und sie antrieb. Nein, anstatt ihrer hatte die Gier nun die Zügel fest im Griff. Sie peitschte die Bauern vor sich her, spie laut Schamlosigkeiten auf sie hernieder, erniedrigte sie noch in ihrem Elend. Mit Eiserner Faust hatte sie sich ihre Seelen unterworfen, den Verstand legte sie in Ketten, ja selbst die allgegenwärtige Angst um das Seelenheil umgarnte sie so lange mit betäubenden Schmeicheleien, bis die Angst sich müde zur Ruhe bettete. Wenn nun die Bauern zu grübeln begannen, das Gewissen sich leise regte, schmiegte sich die Gier noch enger an sie, kauerte an ihren hageren Schultern, strich ihnen sanft durchs Haar, blies ihnen ihren einlullenden Hauch ins Antlitz. Gerieten die Bauern dennoch ins Wanken, dann streckte sie ihre samtige Zunge tief in ihr Ohr bis hinab zum Herzen, bestrich ihre Kammern mit finsteren Schatten, bis sie schwiegen und nimmermehr murrten. Scheuklappen bestimmten nun die Richtung ihres elenden Trotts. Ihre Seele kuschte, verkauft und verraten.
Wieder zogen sie aus, doch maßlos war ihr Sinnen. Mit neuem Werkzeug, Äxten, Beilen, erworbenen und gemieteten Wagen samt Gespann wüteten sie tagelang im Unterholz. Dies konnte nicht unbemerkt bleiben. Zuerst vernahmen sie das Murren ihrer wohlhabenden Brüder. Diese neideten ihnen den plötzlichen Besitz. Dann die mahnenden Worte der Alten. Diese fürchteten das schlafende Übel, dem der Legende nach das Herrenhaus anheim gefallen war. Zuletzt hätten sie nur die Zeichen deuten müssen, welche sich vor ihren Nasen zutrugen und sie hätten sich ungeschoren mit ihrer Habe gerettet. Doch wer einmal den Pfad der Niederen betreten hat, der lässt schwerlich von ihm ab. Gier ist wie die ewige Leere im Magen, Mehrbesitz der Honig im Gaumen, die Gier nach Mehrbesitz schließlich die Biene im Honig, welche dem Gierigen in den Rachen sticht und ihn qualvoll ersticken lässt. Wer den Vorteil einer Sache über dem Gaumen zerfließen spürt, der pflegt gegen den bitteren Beigeschmack resistent zu werden. Die Bauern sogen den neuen Reichtum in sich auf, ohne zu merken, wie sie in einen immer gefährlicheren Sog gerieten. Ihr Schicksal klebte bereits an ihren Hacken.
Als die Bauern auch am siebten Tage in den Wald fuhren, ohne vor dem strengen Geruch der Luft zurückzuschrecken, ohne auf die schlagenden und peitschenden Bäume Acht zu geben, da bemerkten sie um die Mittagsstunde einen einzelnen Wolf. Sie schrien, schwangen die Beile und warfen Stöcke nach ihm, doch der Wolf regte sich nicht. Da wurden sie stutzig. Hat man denn jemals einen solchen Wolf gesehen? Fragten sie sich. Weil ihnen das Tier so unheimlich war, es ihnen gar gehörig Angst einflößte, schickten sie einen besonders mutigen Burschen vor und gekonnt hackte er das Vieh in Stücke. Das Beil spaltete den Kopf des Wolfes, drang tief ein, dann riss er es heraus. Der Schrecken war groß, als man die sich windenden Maden am Axtblatt gewahrte. Der Wolf war offensichtlich tot. Kaum war er zu Boden gesunken, als sich Getier auf seinem filzigen Fell zu tummeln begann. Käfer, Würmer, Fliegen. Alle bohrten sie ihre Rüssel in das faulige Fleisch, summten, brummten – der Gestank war bestialisch. Abergläubisch wie sie waren, hielten die Bauern den letzten aller Tage für gekommen. Sie holten geschnitzte Lilien und heilige Bildchen hervor, fielen auf die Knie und riefen zur Herrin. Ihre aufgedunsenen Lippen brabbelten spirituellen Wirrsinn, welcher die löchrigen Zähne umspülte. Alles gurgelten sie hervor, um die Herrin zu besänftigen.
Rauschendes Blattwerk und das Brechen von Ästen mischten sich in diese Litanei der Verzweiflung, als sie von überall her durch bis auf das Bein entleibte Tote angriffen wurden. Diese starrten aus schwarzen Augenhöhlen wie es schien direkt ins Mark und zwischen ihnen fletschten grimmige Köter ihre löchrigen Zähne. Als die Bauern die Lage begriffen, stürmten sie auf kürzestem Wege in Richtung ihrer Hütten davon, doch auch da wankte der Feind aus dem Unterholz, also schwangen sie ihre Äxte und hieben im Wahnsinn der Verzweiflung nach dem unheiligen Leben. Skelett um Skelett fiel ihrer irren Rage zum Opfer, doch lichteten sich ihre Reihen im Nu. Nur zwei schlitzohrige Burschen hechteten zwischen den toten Ahnen hindurch und kletterten auf einen Baum. Dort brachten sie drei Nächte und drei Tage zu, ehe sie sich herabwagten. Die andern aber, sie lagen alle erschlagen und über ihnen dröhnte das Hohngelächter, als die Gier auf ihrem Kutschbock sich langsam entfernte. Sie hatte dem Tod eine reiche Ernte beschert. Ausgemergelt krochen die zwei Burschen bis nach Aix – en – foret. Für dieses mal hatte ihre Bauernschläue ihnen das Leben gerettet. Als sie nun des Nachts an die Pforte klopften, nahm man sie auf und schickte noch zur selben Stunde drei Kundschafter nach dem alten Schloss. Chateau Mal war zum Leben erweckt und tief in ihrem Innersten waren sich Bertrand und Hugo bewusst, dass dies die erste ihrer Prüfungen, die erste Sprosse auf der Leiter der Sühne war.