In einem Lager Ihrer Majestät an der Westküste Koreas
Die Männer in den rot-goldenen Uniformen begannen unruhig auf den Stühlen hin und her zu rücken, die Luft in dem großen Zelt war schon merklich stickig geworden und die für britische Offiziere ungewohnten Temperaturen von über 40°C bei nahezu hundert Prozent Luftfeuchtigkeit wurden langsam für alle zur Qual.
Major Edward Dhiraj Blackhurst sah mit seiner dunklen Haut und in seiner dunkelgrünen Uniform wie ein Fremdkörper zwischen all den blunden und rothaarigen Rotröcken aus. Obwohl nur zu einem Viertel Nepalese konnte man ihn in einem Einsatz kaum von den anderen Gurkhas unterscheiden, deren kommandierender Offizier er war.
Er blickte leicht verzweifelt den neuen kommandierenden Offizier des Mittelabschnittes Korea-West der glorreichen britannischen Armee an, der von Karten und taktischen Zeichnungen umgeben an der kurzen Seite des Zeltes stand und den Zeigestock mal hier du mal dorthin tanzen ließ.
Blackhurst hörte schon lange nicht mehr zu.
Warum nur hat sich der alte Worthington umbringen lassen!
Warum nur musste er einen dieser Akademie-Zinnsoldaten als neuen Vorgesetzten bekommen.
Soweit er wusste, hatte der ehrenwerte Colonel C.E. Pickford all seine Erfahrungen im Kampf gegen Franzosen und Preußen gesammelt.
So ein Sandkasten-Taktiker sollte nun die Dschungelkämpfe in Mittelkorea zu einem siegreichen Abschluss führen.
„Gentlemen,“ kam Colonel Pickford zum Ende des Briefings, „sie sehen also, all diese Gerüchte um einen Gegenangriff der verfluchten Japsen sind frei erfunden!
Sowohl unsere Garnison in Gunsan als auch die in Seocheon berichten von keinerlei Feindkontakten, die Vorauskommandos haben Daejeon und Muju fast erreicht und sind bisher auf kaum nennenswerten Widerstand gestoßen.
Die ganze Operation verläuft wie aus dem Lehrbuch!“
„Aber Sir,“ wand Major Blackhurst ein. „Das Problem ist, die Japaner kämpfen nicht wie im Lehrbuch. Immer wieder haben wir versucht, sie zu stellen und außer leichten Verlusten ist in der Tat nie etwas passiert.“
„Und wo ist dann das Problem, Major?“ fragte der Colonel. „Mit der Zeit werden sie keine Gelegenheit mehr finden, sich zu verstecken! Die glorreiche Britannische Armee wird siegreich sein, wie immer!“
„Aber Sir,…
„Was ist denn noch, Blackhurst,“ schnaubte Colonel Pickford.
„Haben sie sich die Verlustzahlen angesehen, Sir?“ fragte der Major.
„Natürlich, Major. Wir haben in den letzten 14 Tagen gerade zwei dutzend Männer verloren. Wenn ich da an die Kämpfe gegen die Franzosen denke, damals starben hunderte in einer Stunde und wir blieben siegreich.“
„Ja Sir, natürlich Sir! Aber unter den zwei dutzend Männern waren 18 Offiziere!“
„Die Britannische Armee hat eine starke Tradition, Major. Ihre Offiziere führen die Männer an der Front!“ Pickford drückte seine Brust heraus und sah mit vielsagendem Blick in die Runde der anderen Offiziere. „Da muss immer mit solchen Verlusten gerechnet werden!“
„Bei allem Respekt, Colonel!“ rief Blackhurst, „es ist doch klar, das diese Zahlen kein Zufall seien können. Das ist eine Taktik unseres Feindes, die Armee ihrer fähigsten Köpfe zu berauben! Die Shinobi…“
„Schon wieder ihre mystischen Ninjas, Major? Ihr Inder seid doch ein abergläubischer Haufen, “ stöhnte Pickford. „Meine Herren, die Besprechung ist beendet. Bitte bereiten sie alles für die nächste Offensive vor. Gott schütze die Königin!“
Die Offiziere erhoben sich und strebten in vorbildlicher Ordnung dem Ausgang des Zeltes zu.
Kurz wurde durch den Zelteingang die Linie der Gurkhas sichtbar, die das Zelt in einem Kreis umstellt hatten, um Spione von der Besprechung der Offiziere fern zu halten.
„Nicht Sie, Major Blackhurst, warten Sie bitte!“ fügte der Colonel hinzu. Er schenkte sich ein Glas Sherry ein, schloß die Augen und genoss das Bukket, das dem Glas entstieg.
Er nahm einen großen Schluck, bevor er sich wieder dem Major zuwand.
„Ihre ständigen Einwürfe und Bedenken gehen mir langsam auf die Nerven, Major.
Besonders wundert es mich, solch einen Unsinn von einem Offizier der berühmten Gurkhas zu hören. Angeblich sollen sie doch die besten Soldaten der Welt sein.“
Während sich das Zelt langsam leerte, holte Major Blackhurst tief Luft.
Der Colonel hatte sich umgedreht, um einer Ordonnanz zu winken.
„Sir,“ flehte Blackhurst. „Ich bin der einzige Offizier, der mit den EotBS-Streitkräften schon Erfahrung gesammelt hat. Ich bitte Sie…“
Ein seltsames Gurgeln ließ den Colonel herum fahren. Verwirrt sah er, wir der Major in sich zusammen sank, beide Hände blutüberströmt an der Kehle.
Sekunden später sah Pickford in gebrochene Augen.
Er löste die Hände des Toten von dessen Kehle und sah das Funkeln eines seltsam geformten Wurfstern in der Wunde, der die Halsschlagader durchtrennt hatte.
Leichenblass begann er, nach den Wachen zu rufen…..