Ehrlich sein zum eigenen Nachteil?

trautz

Hintergrundstalker
11. März 2008
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www.wuerfelkrieg.de
Ich habe probiert einen passenden Titel zu finden - es geht um ein immer wieder auftauchendes, moralisches "Problem":
Soll man zum eigenen Nachteil ehrlich sein in gewissen Situationen (Beispiele folgen), oder soll man einfach an den eigenen Vorteil denken und eventuelle
Fehler der anderen (zum eigenen Vorteil) geschehen lassen. Was meint ihr?
Wie würdet ihr handeln und was bewegt euch dazu (erziehung?religion?)

Beispiel1: Ich bekomme an der Kasse zu viel Rückgeld - Einstecken oder
etwas sagen?
Beispiel2: Ich habe ein parkendes Auto gestreift, man sieht eigentlich Nichts, warte ich oder verschwinde ich, wenn ich sicher weiß, dass es keiner gesehen hat?

Zum ganz konkreten Fall:
Ich hatte etwas per Nachnahme bestellt, fast 100 Euro Warenwert,
heute gibt mir der Paketbote das Paket, lässt mich unterschreiben und geht weg, ohne mit einem Wort nach Zahlung zu verlangen - später fiel mir auf, dass er eigentlich Geld hätte nehmen müssen.

Nun plagt mich mein Gewissen, dass der Paketbote das Geld selbst zahlen muss - auf der anderen Seite denke ich mir, dass der Typ selbst Schuld ist (wenn er nichtmehr weiß, wo er kein Geld kassiert hat) und ich "auch mal an mich denken sollte" und dieses Geschenk einfach akzeptieren sollte.
Ich glaube an keine Strafe im Jenseits oder ähnliches.
Trotzdem würde ich, wenn der Paketbote vor der Tür steht und die Zahlung im Nachhinein einziehen möchte, wohl das Geld nachzahlen (wahrscheinlich darf er das garnicht).

Scheiss Gewissen - oder gute Moral, für die man in dieser Welt keinen Keks mehr bekommt.
 
Beispiel1: Ich bekomme an der Kasse zu viel Rückgeld - Einstecken oder
etwas sagen?

Würde ich wohl nicht merken, außer ich bekomme einen zu großen Schein wieder oder ein 2-Euro-Stück, wenn ich mit nem 2-Euro-Stück bezahlt habe 😉. Im Normalfall sage ich dann was.



Beispiel2: Ich habe ein parkendes Auto gestreift, man sieht eigentlich Nichts, warte ich oder verschwinde ich, wenn ich sicher weiß, dass es keiner gesehen hat?

Da gibt es auch nichts zu sehen. Man kann ein Auto durchaus beschädigen, ohne dass man was sieht (Stoßstangen zB). Ich finde so was unmöglich. Vor allem, wenn einem die Blöden Kratzer reinmachen oder einem auf dem Parkplatz die Tür in die Tür hauen und dann verschwinden. Wozu hat man denn ne Haftpflicht, wenn man schon zu dumm zum Aufpassen ist?

Nun plagt mich mein Gewissen, dass der Paketbote das Geld selbst zahlen muss

Ein Zeichen guter Erziehung.


Das ist kein Geschenk. Ein Geschenk wäre es, wenn man dir etwas geschickt hätte, das du nicht bestellt hast - denn das darf man ganz offiziell behalten und der Versender ist schuld 😉.
 
Also ich würde da schon immer ehrlich sein. Zum Beispiel hat mal ein Freund auf einem Straßenfest Bier für sich und mich gekauft, mit einem 10er oder 20er bezahlt und einen 50er Wechselgeld bekommen, den hat er auch behalten, ich würde das sagen und das Geld zurückgeben. Auf der anderen Seite bin ich auch nicht wegen 49Cent zum Supermarkt zurückgefahren, weil die Kassiererin einen Früchtequark nicht eingescannt hat, so weit geht die Ehrlichkeit dann auch nicht 😉.

Zudem gibt es dann auch andere Situationen, wir waren neulich in unserem Stamm Pub, die meisten waren betrunken, es war zu später Stunde und nach und nach gingen die Leute von uns und man zahlte (ich gehörte zu denen die früher gegangen sind, als der Rest der Gruppe), am Ende, als die letzten gezahlt hatten, waren angeblich noch 10 Bier zu zahlen. Die hat dann einer von uns gezahlt, obwohl man dazu nicht verpflichtet ist, der Wirt hat zu schauen wer was trinkt und kann keine Freunde/Begleiter eines eventuellen Zechprellers zur Kasse bitten. Der Fehler lag wohl auch eindeutig bei den Kassiererinnen die die Biere nicht aus der Kasse ausgelogged hatten, nachdem schon einzelne von uns gegangen waren und dabei gezahlt haben. Ich gehe zwar gerne in den Pub und die Leute da sind nett, aber wenn da mir jemand jetzt mal zu viel rausgeben würde, würde ich es wohl auch nicht sagen, da eben die schlechte Erfahrung mit denen (im Grunde sind die uns noch Geld schuldig) vorhanden ist. Bevor jetzt eine Diskussion entsteht, warum man denn so blöd sei das zu zahlen, wenn man doch gar nicht dazu verpflichtet ist: Irgendwie macht es Sinn trotzdem zu zahlen, wenn man sich dort wohl fühlt, denn wenn man Streit anfängt und nicht zahlen will, dann schmeißen sie einen raus und sagen einem, dass man sich da nicht mehr blicken lassen soll. Und da die dort auch schon mal was ausgegeben haben, hat sich das dann nach ein paar Jahren gegenseitig aufgehoben und man konnte so Stress umgehen.

Edit: Irgendwie ist der Threadtitel auch unpassend, man ist ja nicht zum eigenen Nachteil ehrlich. Den vermeintlichen Nachteil erhält man dadurch, dass man auf einen Vorteil verzichtet, der einem an sich gar nicht zustehen würde. Man ist vielmehr als unehrlich zu bezeichnen, wenn man die Situation nicht aufklärt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich habe vor knapp 4 Wochen nach einer privaten Party am nächsten Morgen 50€ auf dem Parkplatz gefunden und die erstmal behalten. Ich habe davon abgesehen, da aktiv Aufkkärung zu betreiben, wer von den Gästen die verloren haben könnte. Wenn da jemand schnell genug schaltet, ist man den Fund nachher auch noch an den Falschen los.
Wenn sich aber jemand bei den Gastgebern gemeldet hätte oder anderweitig bekannt geworden wäre, wer das Geld verloren hat, hätte ich es aber zurückgegeben.
 
Ich glaube an keine Strafe im Jenseits oder ähnliches.
Die Strafe kann aber genauso Dich im Diesseits treffen.

Ehrlich sein zahlt sich meistens aus. Im letzten Frühjahr hatte ich Forschungsgelder im 5stelligen Bereich beantragt. Dummerweise war eine Formalität nur drei Tage von der Deadline entfernt, daher bekam ich das Geld nicht. Aber man hat immer ein reines Gewissen.
 
Ehrlich sein zahlt sich meistens aus.
So hehr und schön das auch wäre: ich glaube da nicht wirklich dran. Höchstens in einem ideellen Sinne, also durch innere Zufriedenheit - dass sich Ehrlichkeit tatsächlich lohnte, kann ich mir in den allermeisten Fällen nicht unbedingt vorstellen.
Gehen wir doch die von trautz aufgezählten Beispiele einfach durch: wenn ich an der Kasse das überzählige Rückgeld zurückgebe, habe ich dadurch keinen Vorteil. Wenn ich jemandes Eigentum beschädige und auf den Besitzer warte/eine Nachricht hinterlasse, habe ich dadurch keinen Vorteil (jetzt mal gesetzt dem Fall, dass Dich niemand bei der Beschädigung beobachtet hat). Wenn ich ein Portemonnaie mit Personalausweis und Geld finde und es zurückbringe, werde ich weniger Vorteile daraus schlagen, als wenn ich das Geld einsteckte.
Das soll um Gottes Willen nicht heißen, dass ich zum rücksichtslosen Eigennutz aufrufe oder es sogar legitimieren möchte - wenn ich aber nach dem Grundsatz: "Was zahlt sich für mich aus?" handle, fahre ich in aller Regel besser, wenn ich pädagogische und moralische Ansätze hintanstelle. Wer im Mikrokosmos des Alltäglichen ehrlich und aufrecht ist, mag sich flüchtigen Respekt verschaffen, der skrupellose Geldeinbehalt ist aber "nützlicher".
 
Wer im Mikrokosmos des Alltäglichen ehrlich und aufrecht ist, mag sich flüchtigen Respekt verschaffen, der skrupellose Geldeinbehalt ist aber "nützlicher".

So ist es leider. Der Ehrliche ist im Allgemeinen der Gekniffene. Nichtsdestotrotz darf man so nicht denken, sonst bekommt die Gesellschaft ernsthafte Probleme (wobei ich mich auch immer frage, wer auf die Idee mit den 3% Finderlohn gekommen ist...da ist ja der Weg zum Fundbüro oft teurer).
 
@ KoG: ganz ehrlich: Speziel beim Auto muss ich dir da ganz hart wiedersprechen. Alleine schon die Farbe im Lack, die von deinem Auto übertragen werden können zu einer identifizierung führen. Wenn der Besitzer des Fahrzeugs sich grob dran erinnert, welche Farbe das Auto hatte, dass neben ihm geparkt hat und sich auch nur noch ein Paar Zeichen deines Autokennzeichens merken konnte(zT. reicht schon Marke und Herkunft) und daraufhin 2 und 2 zusammenzählt und die netten Herren in grün/blau anruft, dann kann das mal richtig teuer werden. Alleine die Reperatur von kaum sichtbaren Kratzern im Lack kostet 100-1500Euronen, dazu kommen dann nette Strafgebühren und evtl. ne Strafe wegen Fahrerflucht usw....da wäre ich wohl vorsichtiger.

Generell versuche ich die Wahrheit recht genau zu nehmen AUßER ich sehe, dass aus einer Lüge alle Beteiligten einen Vorteil oder zumindest keinen Nachteil haben.
 
@KOG: Es tut mir irgendwie leid, wenn ich nun einfach von Deiner Aussage etwas überfahren werde. Aber man sollte doch meistens so handeln, wie man auch gerne behandelt werden möchte. Wer mal etwas verloren hat und dann wiederbekommen hat, der weiss, was ich meine... Eine freundliche Geste hier und da kann den Tag versüßen uns sei es nur, dass man der Tante im Supermarkt die 32 Cent zurückträgt oder dem Autobesitzer zeigt, dass man vor fremden Eigentum noch Respekt hat. Heute ist es mal gar nichts und morgen doch schon ein sichtbarerer Kratzer, der dann einfach "mal so" ignoriert wird.
 
Echt ein schwieriges Thema...
Ich persönlich neige ja grundsätzlich in solchen Situationen zur Ehrlichkeit - Aber es gab halt schon x Gelegenheiten, bei denen ich mir in der Draufsicht gedacht habe, das etwas mehr Egoismus nicht geschadet hätte.

Grundsätzlich ist alle Moral schön und gut, aber man sollte es nicht übertreiben. Ich würde es im Zweifelsfalle davon abhängig machen, ob und wie groß der Schaden ist, den andere haben. Das Beispiel mit dem angekratzten Auto kann den Geschädigten ja ziemlich teuer kommen, zum Beispiel wenn die Stelle das Rosten anfängt. Ich selbst als Verursacher wiederum hätte dank Haftpflicht kaum einen finanziellen Nachteil, es sei denn meine Versicherung stuft mich hoch.

Findet man wiederum 50 € auf der Straße, ist es sehr warscheinlich, dass der ursprüngliche Eigentümer die ohnehin schon als Verlust abgeschrieben hat. Grenzwertig wäre natürlich, wenn man direkt hinter jemandem steht, der Geld fallen lässt und es klammheimlich einsackt. Allerdings wäre dies für mich eine Frage des Geldwertes - Der Verlust von 50 € ist noch verkraftbar, der einer komplette Brieftasche mit Geld, Ausweisen und allem drum und dran nicht.

Ich selbst habe mal, als ich nach einer Klausur komplett durch den Wind war die Tasche mit meinem Laptop an der Bushaltestelle stehen lassen. Zwei Haltestellen später ist es mir gedämmert und ich bin sofort zurück gerannt um erleichtert festzustellen, dass das Ding nicht geklaut war sondern ein ehrlicher Mensch die Polizei gerufen hat. Da war ich wirklich froh, dass nicht nur Egoisten durch die Gegend laufen.

Wenn ich jemandes Eigentum beschädige und auf den Besitzer warte/eine Nachricht hinterlasse, habe ich dadurch keinen Vorteil

Aus solchen Begebenheiten sollen ja schon Beziehungen entstanden sein... 😀
 
Speziel beim Auto muss ich dir da ganz hart wiedersprechen. Alleine schon die Farbe im Lack, die von deinem Auto übertragen werden können zu einer identifizierung führen. Wenn der Besitzer des Fahrzeugs sich grob dran erinnert, welche Farbe das Auto hatte, dass neben ihm geparkt hat und sich auch nur noch ein Paar Zeichen deines Autokennzeichens merken konnte(zT. reicht schon Marke und Herkunft) und daraufhin 2 und 2 zusammenzählt und die netten Herren in grün/blau anruft, dann kann das mal richtig teuer werden. Alleine die Reperatur von kaum sichtbaren Kratzern im Lack kostet 100-1500Euronen, dazu kommen dann nette Strafgebühren und evtl. ne Strafe wegen Fahrerflucht usw....da wäre ich wohl vorsichtiger.
Das macht doch keiner. Kostet viel zu viel.

Dazu gesagt macht mich gerade diese Form von Sachbeschädigung ärgerlich. Wie schwer kann es sein, einen Zettel dranzuhängen? Ich meine, ich fahre ein altes Auto (12 Jahre alt, 330000km gelaufen). Mir kommt es persönlich nicht auf einen Kratzer mehr oder weniger an, aber ne Entschuldigung ist IMO nicht zu viel verlangt.


Ich habe auch schon mal abgewunken, als mir eine Dame (die dann ganz aufgelöst war, die hat fast geheult ^^) mit ihrer M-Klasse an der Ampel hinten aufgedotzt ist - bei mir hat man nichts gesehen, bei ihr auch nicht, war nicht mal Schrittgeschwindigkeit. Witzigerweise ist mir am gleichen Tag ein paar Ampeln später ein Mini aufgerollt, aber der hat mit seinem Grill meine Anhängerkupplung erwischt und sah dann nicht mehr so schön aus...
Merke: beim Automatik-Fahren an der Ampel auf der Bremse stehen bleiben. 😛
 
Bei dieser Diskussion wird nicht so recht zwischen sozial-adäquatem aber straffreien Verhalten und strafbaren Handlungen unterschieden.

Je nachdem wie die Situation in den obigen Beispielen ausgestaltet ist, ist man schnell mal beim Betrug, Unfallflucht, Fundbruch, Unterschlagung etc.

Ansonsten gilt, dass Ehrlichkeit am längsten währt und das jeder letztlich mit sich selbst ausmachen muss. In einigen Fällen droht ansonsten eben auch neben einem schlechten Gewissen eine Strafe...
 
sondern ein ehrlicher Mensch die Polizei gerufen hat
...die es dann umgehend als "terrorverdächtig" eingestuft und gesprengt hatte?:lol::lol:

Habe auch noch zwei:
Ich bin mal auf ner Regatta mit meinem Boot jemanden in die "Stoßstange" gedengelt. Mein Boot hatte ein Loch, er nur "Lackschaden". Eine Werft hat angeboten, den Schaden für Lau sofort und gut wegzumachen. Der "Geschädigte" wollte lieber mal 750 Euro für ne "eigene Reparatur"... Da dachte ich auch nur, der spinnt und habe meiner Versicherung geraten nicht zu zahlen, da ich das für Abzocke halte.

Bei einem anderen Mal sind mir aus dem Boot reichlich Sachen gezockt worden, die alle versichert waren. Ich wollte für einen angetrockneten Kleber, ein rostiges Messer, eine aufgeschlitzte Persenning (die Mutti schon wieder geflickt hatte), sowie eine Schwimmweste vom Rammschtisch etc. bummelige 50 Euro geltend machen. Der WaSchPo hat sich schlappt gelacht und geraten, mal lockere 900,- Euronen (Wiederbeschaffungswert) zu veranschlagen, weil sonst die Versicherung möglicherweise nicht zahlen würde, da die Bearbeitungskosten über dem Wert liegen... Naja, man muss tun, was die Obrigkeit verlangt.🙄
 
Ich selbst habe mal, als ich nach einer Klausur komplett durch den Wind war die Tasche mit meinem Laptop an der Bushaltestelle stehen lassen. Zwei Haltestellen später ist es mir gedämmert und ich bin sofort zurück gerannt um erleichtert festzustellen, dass das Ding nicht geklaut war sondern ein ehrlicher Mensch die Polizei gerufen hat. Da war ich wirklich froh, dass nicht nur Egoisten durch die Gegend laufen.
Das ist schon fast ein klassischer Fall. Wer da ehrlich ist und den Fund meldet verliert nichts. Er hat sogar ein bisschen Freude, weil er jemandem anders eine Freude bereiten konnte.
Wenn er aber den Laptop unterschlägt, dann ist das ein unglaublicher Verlust für den Eigentümer. Da sind viele Daten drauf, von denen man vielleicht keine aktuelle Sicherheitskopie hat, man kann sich als Student vielleicht keinen neuen Laptop kaufen, ist aber auf einen Laptop angewiesen usw.

Ist beim Geldbeutel ähnlich. Kein Mensch hat Lust sich von Bankkarte über Mitgliedskarten, Adressen bis Personalausweis alles wieder neu zu besorgen...
 
@Freder(TM):
Gemach, gemach, es gibt gar keinen Grund, "überfahren" zu sein - nicht umsonst habe ich ausdrücklich geschrieben, dass ich aus moralischer Perspektive den bedingungslosen Eigennutz ganz anders bewerte als aus rein utilitaristischer; das eine legitimiert das andere nicht.
Mal ein anderes praxisnahes Beispiel: als ich noch klein war, holte mein Bruder immer aus der hiesigen Pizzeria das Abendessen ab. Er steckte sich das Rückgeld zunächst einmal ein und erst wenn meine Mutter ihn darauf ansprach, hat er es (dann aber auch anstandslos und vollständig) zurückgegeben. Weil meine Mutter das des Öfteren vergaß, hat er damit letztlich kein schlechtes Geschäft gemacht.
Ich für meinen Teil gebe das Rückgeld sogleich zurück, weil ich es erbärmlich fände, auf diese Art und Weise meine Mutter zu schröpfen - trotzdem muss ich feststellen, dass, wenn es mir nur (!) um Materielles ginge, der Weg meines Bruders erträglicher wäre. Heute nimmt ihm meine Mutter das nicht mehr übel, es entstehen also weder familiäre noch pekuniäre Konsequenzen.

Es hängt also letztlich davon ab, wie wichtig einem das persönliche Gewissen und der gute Schlaf des Nachts sind - wenn einem der Schaden Anderer emotional nicht nahe geht, ist Rücksichtslosigkeit "lohnenswerter". Und weil ich weiß, wie sehr manche Ersteindrücke persistieren und dann aus dem Kontext gerissen werden: ich finde das weder richtig noch nachahmenswert, halte aber diese Sichtweise für beleuchtenswert, um die Motivation aufzudecken.

@Malkavian:
Naja, zum einen war das nur ein Beispiel unter vielen und zum anderen sind das sehr viele Konditionalsätze, die Du da aufstellst. Die Allermeisten können sich nicht einmal mehr daran erinnern, welche Haarfarbe die Kassiererin hatte, die einem vor zwanzig Sekunden den Kassenbon aushändigte, geschweige denn auch nur ein paar Stellen eines Nummernschildes. Darum ist Kriminalistik auch so ein mühsames Geschäft. 😉
 
...die es dann umgehend als "terrorverdächtig" eingestuft und gesprengt hatte?:lol::lol:

😀
Eigentlich waren die total nett - Na ja, ich hab warscheinlich auch eine lustige Figur abgegeben, wie ich da total außer Atem ankam. Aber ich glaube für viele Polizisten ist es schön, wenn sie wirklich mal als "Freund und Helfer" tätig sein können statt sich anpöpeln zu lassen. Womit wir ja auch schon fast wieder beim Thema des Threads sind.

Das ist schon fast ein klassischer Fall. Wer da ehrlich ist und den Fund meldet verliert nichts. Er hat sogar ein bisschen Freude, weil er jemandem anders eine Freude bereiten konnte.

Ich denke in so einer Situation hängt viel von den Lebensumständen des Finders und dem Gegenstand ab - Sagen wir mal, der Finder wäre ein anderer Student gewesen, der sich gerade kein Laptop leisten kann - Für den wäre die Versuchung natürlich sehr stark gewesen. Oder gehen wir anders herum davon aus, es wäre ein funkelnagelneues MacBook gewesen - auch hier steigt die Versuchung. Ich selbst würde in einer Zwickmühle aus Moral und Gier landen, wenn ich ein herrenloses iPhone 4 finde. :lol:

Eines möchte ich jedoch noch anfügen - Es mag zwar sein, dass man "für gute Moral keinen Keks mehr bekommt". Andererseits trainiert moralisch integeres Verhalten in Bagatellfällen aber natürlich auch für die Gelegenheiten, bei denen es wirklich darauf ankommt - sei das nun in der Beziehung, im Freundeskreis im Job oder wo auch immer. Sagen wir zum Beispiel mal, man nimmt das "Geschenk" an, wenn die Kellnerin falsch abrechnet, dann senkt dies vielleicht auch die Hemmschwelle in finanziell etwas bedeutenderen Fragen. Wobei im "Kellnerinnenbeispiel" glaube ich häufig auch die Sympathie entscheidet.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ist beim Geldbeutel ähnlich. Kein Mensch hat Lust sich von Bankkarte über Mitgliedskarten, Adressen bis Personalausweis alles wieder neu zu besorgen...
Jepp. Ich denke mir dann immer - wer mein Portemonnaie findet, kann von mir aus das Geld behalten (ist eh nie viel drin). Wäre aber schön, wenn er mir wenigstens die Börse selber zukommen lässt wegen der Papiere und dem Gehuddel, was man damit hat.

Darum ist Kriminalistik auch so ein mühsames Geschäft.
Es kommt auch noch dazu auf den Zeugen an. Ich habe letztens noch eine Studie gelesen, nach der Frauen noch schlechtere Zeugen sind als Männer (und Männer sind schon keine Guten), weil die sich noch schlechter erinnern, wenn sie unter Stress etwas wahrnehmen. Hängt irgendwie mit dem Hormonzusammenspiel im Hirn zusammen.

Oder gehen wir anders herum davon aus, es wäre ein funkelnagelneues MacBook gewesen - auch hier steigt die Versuchung.

Den gäbe ich gleich zurück 😉.
 
Freut mich dass das Thema diskutiert wird!

Sollte der Paketbote noch auftauchen werde ich definitiv zahlen - aber hinterherrennen werde ich ihm nicht.

Eine der wohl blödesten Geschichten ist die folgende:
Ich war ein 14 Jähriger Bub, damals gab es noch D-Mark und es war der Tag, an dem wir beim Angelschein den Betrag für die Ausstellung des Angelscheins bezahlen mussten, weshalb ich knapp über 100DM in der Tasche hatte - was ich sonst NIE in dem Alter dabeihatte. Ich war auf dem Weg zum Angelschein-Treffen mit einem Kumpel, der ebenfalls seinen Angelschein machte und deshalb an diesem Tag ebenfalls das Geld dabeihatte. Bevor wir zu dem Treffen gingen (so ähnlich wie Fahrschule, mehrere Theorieabende, dann schriftliche Prüfung) wollten wir noch Getränke kaufen und gingen in ein Kaufhaus. Dort an der Kasse stand mein Kumpel vor mir und zahlte gerade, als ich einen 100DM Schein zwischen seinen Füßen bemerkte, dumm und ehrlich wie ich war hob ich den Schein auf und fragte lauthals meinen Kumpel "Hey, ist das dein Geld?", er war ehrlich (und blöd?!) und antwortete wahrheitsgemäß "Ne, mein Geld ist in meiner Tasche, das ist nicht mein Geld". Die einzige Person die schnell schaltete und die Situation erfasste war die Kassiererin, die eine Sekunde später gleich das Geld aus meiner Hand gerissen hatte und irgendwas murmelte von "Das muss wohl jemand verloren haben - Ich werde das mal für sie hier aufbewahren junger Mann - vielleicht kommt der Besitzer ja vorbei..".
Die Geschichte ist unglaublich, aber wirklich so geschehen.
100DM auf dem Boden, nie geschehen vorher und dann ausgerechnet an DEM EINEN Tag, an dem ich als 14Jähriger mal so viel Geld dabei hatte (und der Kumpel auch), dass mir nicht sofort klar war, dass jemand anderes das Geld verloren haben musste.
Ich weiß bis heute nicht ob ich mein damaliges Verhalten heute bereuen soll oder nicht, ob die Kassiererin sich das Geld wohl eingesteckt hat? 🙂
 
Hängt irgendwie mit dem Hormonzusammenspiel im Hirn zusammen.
Der präfrontale Cortex ist bei Frauen (im Mittel) mutmaßlich stärker mit dem limbischen System assoziiert, weswegen Corticosterone die Erinnerung markanter trüben, außerdem sind Frauen in aller Regel bei solchen Befragungen auch nervöser und schütten ohnehin mehr Corticosterone aus.