Ab diesem Satz habe ich deinen Post verstanden, aber danke für die Belehrung, ich hab halt nur mein Abi 😀.
Nun, selbiges gilt auch für mich (bez. Abitur).
😉
Um es mal ganz simpel zu formulieren:
Die goldene Regel basiert auf dem Gedanken, dass ein harmonisches Miteinander in eine normative Aussage gefasst werden kann - wenn jeder nur den anderen behandelte, wie er sich selbst behandelt sehen möchte, reichte das als moralischer Unterbau aus.
Kant hingegen ist viel abstrakter. Eine Tat muss sich erweisen können ohne jede Vorteilsnahme oder einen Hintergedanken (ob nun positiv oder negativ), die Befolgung des Gesetzes (d.h. der kategorische Imperativ) erfolgt aus innerer Einsicht vor dem Gesetz selbst. Wer sich wünschenswerte Auswirkungen durch sein Handeln verspricht, der verwässert schon die reine Lehre des Normativen, das allein auf unverbrüchliche Konvention und Überzeugung in und durch sich selbst beruht.
Und nur weil der Komparativ bis zu einem gewissen Grade immer anzuwenden ist, heißt es nicht, dass er auch in sich stimmige Ergebnisse fördert - hier ist es eben nicht der Fall.
Und die modische Formel des "christlich-jüdischen (Abendlandes/Hintergrundes/Wertesystems)" halte ich sowohl im Allgemeinen als auch in diesem konkreten Kontext für etwas trivial. Zum einen fehlt da gänzlich die hellenische Kulturvermittlung, zum anderen wird da ein historischer Überbau konstruiert, der weitaus mehr Bruch- und Nahtlinien enthält, als es diese wohltuende Formulierung offenbart. Kant ist stark vom Pietismus beeinflusst gewesen (seitens der Erziehung, ungefähr ab 1760 löste er sich indes von dieser religiösen Einflussnahme stetig), da ist die Rede vom "christlich-jüdischen" Hintergrund im allerweitesten Sinne zwar richtig, aber immer noch ungemein vage; und heutzutage sieht das noch einmal ganz anders aus, schließlich sind die aufklärerischen Werte weitaus mehr Maßstab für uns als die genuin religiösen.