Diese fröhlichen Zeit war seit sieben Tagen fort.
Mehrere große Feuer brannten, verteilt auf der jetzt freien Fläche. Die Marktstände und Tische waren verschwunden und dienten dem Feuer als Nahrung. Nur noch einige Stofffetzen und Holzsplitter zeugten davon, dass sie je existiert hatten.
Das Wasser des Brunnens war dunkler als üblich.
An den zwei verbleibenden Tischen saßen einige Albe. Hinter dem Springbrunnen konnte Vassago weitere Gestalten erkennen. Zwei von ihnen überragten sogar den Brunnen.
Noch mehr Geschreie und Gelächter.
Über der ganzen Szenerie lag ein Gestank von Blut, Angst und Fäkalien. Tohron scharte unruhig mit den Hufen. Blaues Irrlicht umspielte seine Fersen bei jeder Berührung der eisenharten Hufe, als ihm der Geruch in die Nüstern stieg. Vassago drehte sich zum Hengst um und tätschelte ihn liebevoll den Hals.
„Noch ein wenig Geduld, kleiner. Gleich bekommst du was zu fressen.“ Die Worte ließen den Nachtmahre freudig brummen. Das Trio erreichte die Albe, sie grüßten Asmodeus und nickten respektvoll dem General zu.
Da sie jetzt vor dem Springbrunnen standen, wusste Vassago auch, warum dessen Inhalt dunkler wirkte als normal. Blut hatte den Großteil des Wassers ersetzt. Körperteile, die allesamt Zeichen der Folter trugen, schwammen in den Rotweinfarbenden Fluten. Als sie an den Springbrunnen vorbeigingen, blieb Tohron stehen und fischte sich eins der frischer wirkenden Körperteile heraus. Das Brechen von Knochen war zu hören. Die zwei Gepanzerten saßen mit den Rücken zu den Neuankömmlingen.
Auf beiden Seiten, bewacht von einigen Sklaven waren die übrigen Bewohnern zu mehreren in Holzkäfigen eingesperrt und waren so gezwungen die Grausamkeiten mit anzusehen und noch mehr zuhören.
Kinder konnte Vassago zum Glück nicht mehr sehen. Auch wenn er ein Kenner der Schmerzen war, so gab es doch, zu mindestens für ihn Grenzen, die man nicht überschreiten sollte.
Der Größere der Gepanzerten griff nach einem der Käfige. Die Menschen im Käfig schrien und versuchten vor der gewaltigen Pranke zurückzuweichen. Doch drei Sklaven griffen ihn augenblicklich an. Dieser kurte tief und schnappte sich einen von ihnen und schmetterte ihn mit dem Kopf zuerst auf den Boden. Die Überreste des Sklaven zerfielen in seiner Hand zu Staub. Er wollte nach einen der anderen greifen, doch ein Faustschlag des kleineren gegen seinen Hinterkopf hielt ihn davon ab. Die beiden wechselten etwas in ihrer Sprache, die eigentlich nur ein Knurren und Brummen in verschiedenen Tonhöhen war, ein paar Worte. Ein weiterer Faustschlag des Kleineren in das Visier des Größeren beendete die Diskussion und schickte ihn zu Boden. Der Große rappelte sich wieder auf und trottete davon.
Die beiden andern Sklaven kehrten auf ihre Plätze zurück. Der Blicke des Gepanzerten war auf den Pfahl vor ihnen gerichtet.
Am Pfahl war eine nackte junge Frau so angekettet, dass sie ihre Gliedmaßen von sich gestreckt hatte. Er sah sofort, dass sie tot war, doch hatte sie vor diesem sehr viele Schmerzen ertragen müssen, so dass ihr Tod eine Erlösung war. Man hatte ihr die Augenlider und Lippen entfernt. Die Finger- und Fußnägel waren herausgerissen und lagen zusammen mit ihren Zähnen auf dem Boden. Ihre Brüste hatte man gehäutet, genau wie den Großteil ihres restlichen Körpers. Die Haut lag in Streifen verteilt um dem Pfahl herum.
Vassago selbst war auch ein passabler Folterer, wie jeder Kommandant der Kernarmee. Er hatte auch schon ganze Dörfer und Städte niedergebrannt und dabei keinen ihrer Einwohner verschont. Dies waren aber nie Akte der mutwilligen Zerstörung, sondern dienten immer einen bestimmten Zweck. Folter um des Schmerzenswillens und des Spaßes waren ihn zuwider. Natürlich huldigte er Kami als obersten aller Götter, so wie es jeder tun sollte und so sicher wie die Sonne am nächsten Morgen wieder aufgeht, so sicher war er sich, dass es eines Tages die ganze Welt auch so sehen wird.
Jedoch würde er das selbst nicht mehr erleben, das wusste er. Der Skaraner empfand Mitleid und Bedauern für diese unglückseligen Menschen. Er hoffte, dass dies die einzigen Menschen sind, die leiden werden. Dass die Herrscher Epions, schnell die Wahrheit erkennen werden. Doch er bezweifelte es stark. Nur die wenigsten sahen ihre Fehler ein. Und noch weniger sind in der Lage, sich zu ändern.
„Kein Durchhaltevermögen. Wer hat dir erlaubt zu sterben? Da hält ja ein Androngo-Junges mehr aus als diese Einheimischen.“ Vor der geschändeten Frau stand eine schlanke Gestalt mit einem Umhang aus menschlichen Gesichtern. „Holt mir etwas Neues“, zischte sie. Als keiner der Sklaven reagierte, drehte sie sich um. Es war ein Zerfleischer und kein geringerer als ein Meister der Zerfleischer.
„Meister Ghoul. Es ist mir wieder eine Freude und ein Fluch zugleich, eure meisterliche Arbeit zu sehen“, grüßte der General und deutete eine Verbeugung an.
Ghoul war wie immer ein Anblick des Grauens. Aus seinem kahl rasierten Schädel sprossen rostige Eisenstachel, die er sich selbst ins Fleisch getrieben hatte. Seine obere Gesichtshälfte war von einer goldenen Maske bedeckt, die mit seinem Fleisch verschmolzen war. Die untere Hälfte war komplett gehäutet und die Zähne spitz zu gefeilt. Um seinem Hals trug er einen enganliegenden Eisenkragen mit Stacheln. Diese waren nach innen gerichtet, so dass sie jedes Mal in sein Fleisch eindrangen, wenn er auch nur sprach. Auf seiner Brust hing eine Kette mit Säuglingsschädeln, der Mittlere fing gerade erst an zu verwesen. Von den zwei Gürteln, die überkreuzt auf seiner blanken, von frischen Brandwunden übersäten Brust geschnallt waren, hingen Messer verschiedener Größen und Formen mit Stein-, Metall- und Glasklingen. Sein rechter Arm hatte er wie seinen Kopf mit Eisenstacheln durchstoßen. Der linke bestand nur noch aus Sehnen und Muskeln. Von seinem Gürtel hingen die Werkzeuge des Schmerzes; Zangen, Nadeln, Bohrer und ein Dutzend andere Gerätschaften, deren Zweck sich selbst Vassago nicht erschlossen. Aber der Hüfte abwärts war alles in einer poliertem Eisen gehüllt.
„Ah, General Vassago", sagte Ghoul. Seine Stimme war flüsternd und kratzig wie eine schartige Klinge, die über abgenagte Knochen glitt. Jedes Wort schmerzte in den Ohren. "Asmodeus sag, habe ich mich wieder so in meiner Kunst verloren, dass ich die Zeit vergaß? Wir hatten euch doch erst gegen morgen Mittag erwarte."
Vassago beendete seine Verbeugung. Durch die goldene Maske des Zerfleischers, konnte man unmöglich sagen, wohin der Foltermeister seinen sezierenden Blick gerichtet hatte. Doch der erfahrene General spürte, wie dessen Blick ihn musterte überlegend, wo er die Klinge ansetzte, für den ersten Schnitt, den wichtigsten Schnitt. Der Skaraner richtete sein Blick auf einen fiktiven Punkt hinter dem Fleischschänder, um ihn nicht weiter betrachten zu müssen.
"Ich bin vorausgeeilt."
"So, so. Doch ich muss euch leider enttäuschen, General. Leider ist mein neustes Projekt gescheitert."
"Auch wenn ich, wie so viele ein Bewunderer eurer Kunst bin", log Vassago. "So bin ich doch nicht deswegen vorausgeeilt. Wenn ich ehrlich bin, Meister Ghoul, so wusste ich noch nicht einmal, dass ihr hier seid. Ich dachte, dass ihr die Stadt der tausend Götter niemals verlasst."
"Ja, ja. Normalerweise tue ich es auch nicht, doch die Aussicht als erster meiner Zunft Geschöpfe, der alten Heimat der Albe meine Kunst zu kreieren, hat mich erfolgreich gelockt. Doch leider handelt es sich um minderwertiges Rohmaterial, nicht geeignet für meine Meisterwerke. Höchstens für unsere Lehrlinge."
"Das ist äußerst bedauerlich."
Ghoul lächelte, was seinem ohnehin schon grauenhaften Anblick noch weiter verschlimmerte.
"Hättet ihr vielleicht Lust?" Ein hungriges Lauern hatte ich in die flüsternde Stimme des Zerfleischers geschlichen. "Meine Kunst aus erster Hand erfahren? Ihr werdet euch danach, wie ausgewechselt fühlen, wie neugeboren. Wenn ihr es wünscht, kann ich euch auch eine neue Haut geben. Ein Skaraner, wie ihr könntet zu einem meiner größten Meisterwerke werden.“
„Ich fürchte Meister Ghoul, dass ich ablehne, da ich mich, doch sehr wohlfühle in meiner Haut.“
„Enttäuschend. Was ist mit euren Krieger? Vielleicht möchte ja einer von ihnen die Ekstase des wahrhaftigen Schmerzes fühlen?“
Vassago kannte die Antwort, verhielt sich aber diplomatisch.
"Ich werde sie gerne fragen, sobald sie mit dernGeschenke und unserem Gast eintreffen. Doch gestattet mir zu sagen, dass sie der Klinge eines Meisters, wie ihr es seid, nicht wert sind."
„Die tödliche Umarmung. Die Seligkeit einer Messerschneide. Der Tanz der Klingen, schnell und exquisit. Die Befreiung vom sterblichen Fleisch. Gefoltert und köstlich. Der Schmerz der Freuden bringt. Kündet von verzücktem Schrei. Ultimativer, ewiger Schmerz, das ist der wahre Weg, wie wir Kami dienen. Jeder ist es wert, ihn zu erfahren. Aber wenn ihr oder sie noch nicht bereit seid. So respektiere euren Wunsch.“
Der General verbeugte sich erneut. „Ich danke euch, Meister Ghoul.“
Der Zerfleischer warf ein Blick über seine Schulter. Die zerstörte Frau hing noch immer am Pfahl. „Verfluchte Sklaven. Man kann ihnen nicht einmal Schmerz zufügen.“
„Sie befolgen nur meine Befehle“, erklang eine Stimme, süß wie Honig von Jenseits des Marktes.
„Nur, weil du sie selber für deine Brut brauchst“, zischte Ghoul der Gesalbten entgegen. Asmodeus warf dem Zerfleischer einen finsteren Blick zu. Vassago kniete nieder.
„Vassago erhebe dich. Wir hatten dich für morgen Mittag erwartet.“ Vassago gehorchte.
„Gesalbte Kriegsherrin. Wie immer ist eure Schönheit hypnotisierend.“ Lächelte der menschliche General und verbeugte sich abermals.
„Deine Worte sind schmeichelnd wie eh und je, mein lieber Vassago“, erwiderte die Kriegsherrin und schenkte den Menschen ein aufrichtiges Lächeln. Sie streckte ihren Arm aus und Vassago ergriff die zarte Hand und küsste den Handrücken. Er schmeckte nach Honig und Vanille, dazu eine dezente Apfelnote.
„Ich habe mir die Freiheit genommen“, sagte Vassago, als er ihre Hand wieder losgelassen hatte „Vorzureiten. Ich muss ...“ Schreie und knurren hinter Vassago ließen ihn verstummen.
„Tohron, wie konnte ich dich nur vergessen?“ Der Nachtmahre stand vor einem der Holzkäfige und versuchte sich mit seinen Fängen Zutritt zu verschaffen. Er würde einen ernsthaften Versuch, keinen Herzschlag der starken Kiefermuskeln des Tieres standhalten können.
„Tohron. Warte. Gesalbte ...“, die erhobene Hand von der Kriegsherrin ließ ihn verstummen.
„Ich hasse Förmlichkeiten unter Freunden. Und du hast dir meine und die meines Volkes verdient.“ Der Mensch lächelte verlegen über diese Worte und verbeugte sich tief. „Auch wenn ich euch danke, so ist er nicht nötige Gesalbte Herrin, denn es ist die Pflicht von uns, allen Seelensteine zu beschützen. Auch mit dem eigenen Leben.“
Tenchi nickte. „So ist es“, pflichtete sie ihm bei. „Aber man muss auch diejenigen Loben, die ihre Pflicht erfüllen."
„Tohron hat seit einigen Wochen nur von Kaninchen und Rehen gelebt. Und die Überreste aus den Brunnen sind auch nicht sehr ... nahrhaft. Ich würde gerne einen der Einheimischen für ihn beanspruchen.“
„Ein hungriger Nachtmahre ist nie gut. Du hast die freie Wahl.“ Mit der Hand bezog sie alle Käfige mit ein.
„Was ist mit uns? Meine Kunst will etwas schaffen, ich brauche eine neue Leinwand", zischte Ghoul.
"Ihr bekommt nichts."
Der Blick des Zerfleischers war nicht zu erkennen. "Ich werde mich nicht, durch euch davon abhalten lassen, ein Meisterwerk zu erschaffen."
"Vorsicht, Fleischschneider. Ihr mögt zwar einer der meistgefragten Zerfleischer in ganz Yami sein. Doch ihr solltet nicht den Fehler machen eure Position zu überschätzen. Denn ihr seid letztendlich nur einer von vielen."
"So, so auch wenn ihr dies sagt, Gesalbte der Albe, könnt ihr mir mit nichts drohen, mir nichts antun. Es gibt nichts, was ich fürchte. Denn ich bin Ghuol, ein Genie des Fleisches und nicht irgendein Meister. Meine Kunstwerke werden überall in Yami gepriesen."
Tenich lächelte grausam. "Es ist wahr, dass ihr weder Tod noch leid fürchtet. Doch ich kann euch versichern, dass es eins gibt, was ihr fürchtet, denn jeder fürchtet sich vor etwas."
"So, so und was soll es sein, wo vor ich mich fürchte, Gesalbte Kriegsherrin." Der Sarkasmus war deutlich herauszuhören.
Tenchi beugte sich vor, sodass ihr Mund neben dem Loch, welches das Ohr des Zerfleischers bildete, verharrte. Der süßliche Geruch von den leicht ätzenden Salben, die sich der Zerfleischer auf dem gesamten Körper geschmiert hatte, stieg ihr in die Nase. Die Stimme der Albin war weniger als ein Hauchen, dass noch nicht einmal ein Blatt bewegt hätte.
„Ich werde dich heilen, jede einzelne Wunde. Anschließend werde ich dir persönlich, dass Rückgrat brechen, auf dass du gelähmt bist. Nicht einen Muskel wirst du mehr bewegen können. Dann werde ich dir deine Sinne nehmen, dein Gehör, dein Augenlicht, deine Stimmbänder, jeden einzelnen Sinn. Du wirst nie wieder Schmerzen sehen. Du wirst nie wieder Schmerzenslaute hören. Du wirst nie wieder Schmerzen verursachen und auch nie wieder erleiden. Du wirst ein Gefangener in deinen eigenen Körper sein. Blind, stumm, gehörlos, bewegungslos, wirst du den Rest deines Lebens verbringen. Es wird ein langes, sehr langes Leben, denn ich werde einen Pakt mit dir schließen. Ich hoffe, du hast mich verstanden, kleiner Fleischschneider?“
Ghoul nickte unterwürfig und verbeugte sich tief. „Ja, Gesalbte Kriegsherrin Tenchi.“
„Gut. Außerdem hatte ihr schon mehr, als ich euch gestattet hatte.“
Vassago war während dessen zu Tohron an den Käfig getreten. „Meister Ghuol. Habt ihr sie mit Nahrung und Wasser versorgt?“, erkundigte sich der Mensch.
„Gewiss haben wir das. Folter ist eine präzise Kunst. Man muss den Schmerzensgrad Schritt für Schritt erhöhen, andernfalls würde das Kunstwerk zu früh sterben. Und nur ein gut genährter Körper hält bis zum krönenden Finale durch.“
"Hörst du Tohron? Sie sind gut genährt, genau, dass Richtige für dich, mein Junge." Liebevoll streichelte er dem Nachtmahre hinter dem Ohr. Freudig schnaubte das von Kami berührte Tier und schüttelte den Kopf. Der Skaraner betrachtete die verängstigten Menschen, die sich zusammen gekauert hatten. Auch wenn er Mitleid mit ihnen hatte, so hatte sein hungriges Tier doch Vorrang. Davon abgesehen, war das Leben dieses Menschen bereits verwirkt. Den Tohron war nicht der Einzige, der nach frischem Fleisch gierte.
Neben dem Nachtmahre der Albe waren auch seinen drei Offizieren, nein, es waren nur noch zwei, die Ehre zuteilgeworden, diese edlen Tiere ihr eigen nennen zu dürfen. Dann gab es auch noch ihren Gast. Nach dieser langen Reise war er mit Sicherheit hungrig. Immerhin war es zwei Monate her, dass er sich vollständig genährt hatte. Die Letzten, die nach Menschenfleisch verlangten, waren die Wiedergeborenen. Vassago wusste nicht, wie viele es waren, da weder Asmodeus noch Tenchi etwas erwähnt hatten. Doch Ghuol hatte ihn unbewusst darauf hingewiesen, als er gesagt hatte, deine Brut.
Doch er würde sich hüten, die Albe auf mögliche Wiedergeborene anzusprechen. Die Albe besprechen solche intimen Dinge ungern mit Außenstehenden.
Vassago hatte sich entschieden.
„Du. Der mit dem blonden Bart und der Glatze. Komm nach vorne“, befahl er. Doch der Angesprochene rührte sich nicht. Dies lag nicht daran, dass der Mann ihn nicht verstanden hatte. Als die Albe in den ersten Jahrhunderten Yamis, die anderen Völker nur als Sklaven betrachtet hatten, hatten sie für diese aus ihrer alten Heimat die gemeine Sprache für die in ihren Augen niedrigen Völker eingeführt.
Auch wenn sich beide Sprachen weiterentwickelt und entfremdet hatten, so waren sie doch noch immer ähnlich genug, um eine Unterhaltung, wenn auch etwas Holprige, zu gewährleisten. Dieser glückliche Umstand hatte es den Spionen Yamis gestattet, über etliche Jahre hinweg den einen oder anderen Verbündeten in Epion zu gewinnen.
„Komm her. Oder ich lasse ihn da“, er zeigte auf Ghoul. „Weiter machen, bis keiner mehr von euch übrig ist.“ Das war selbst verständlich eine Lüge. Doch dies wusste der Mensch nicht.
Die Lüge wirkte und der blonde Mann drängte sich an den anderen Menschen im überfüllten Käfig vorbei. Vassago musterte ihn.
Auch wenn der Mann durch den Käfig stark gebückt war, konnte Vassago sehen, dass er groß und stark war. Die muskulösen Oberarme kündeten von einem körperlich anstrengenden Beruf wie Schmied oder Holzfäller. Der Mensch war zwar völlig verängstigt, aber der Yamijatische General sah auch Hass und Zorn.
Perfekt.
Das würde ihn zu mindestens eine kleine Chance geben.
„Heute ist dein Glückstag. Du hast die Chance zu überleben. Du kannst dich der Armee dieses Landes anschließen und Rache an uns üben. Da für musst du nur eine einzige Sache machen. Du musst Tohron entkommen, was zu gegeben sehr unwahrscheinlich ist, aber eben nicht ausgeschlossen. Damit du auch eine reelle Chance hast, werde ich dich über ihn aufklären. Tohron ist ein Nachtmahre, ein Pferd aus Kamis persönlichen Stall. Er ist schneller, stärker als ein normales Pferd. Aber vor allem ist er klüger als jedes Tier, was du jemals gesehen hast. Seine Intelligenz kann sich Zweifels ohne mit der von uns messen. Sein Geruchssinn übertrifft die eines Jagdhundes bei weitem. Verstecken wird dir nichts bringen.“
Mit jedem Wort des Generals wurde der Mensch blasser. Trotzdem riskierte er eine Frage. „Und meine Frau, was wird aus ihr? Darf sie mitkommen?“
„Wo ist deine Frau?“, fragte Asmodeus. Der Mann zeigte auf den gegenüberliegenden Käfig. Eine schwarzhaarige Frau hatte ihr Gesicht fest gegen die Käfigstäbe gepresst und schaute zu ihnen rüber. Die Frau wirkte gefasster als ihr Mann. Der Alb ging zu ihrem Käfig und blickte tief in ihre blauen Augen. Zur Freude des Erstgeborenen leuchtete in ihnen Trotz und Entschlossenheit. Innerhalb eines Wimpernschlages hatte er seinen Dolch gezogen und der Frau durch eines ihrer seeblauen Augen gestoßen. Sie sackte ohne ein Geräusch zusammen. Die Menschen in ihren Käfig wichen entsetzt zurück.
Der Mann schrie voller Zorn und Trauer über den Tod seiner Gemahlin und warf sich gegen die Stäbe. Der Kraftschub war jedoch nur von kurzer Dauer.
„Nein! Nein! Nein!“, schluchzte er seinen Kummer in die Welt hinaus. Er blickte hoch zu Vassago. „Wieso?! Wieso habt ihr das gemacht, ihr Monster?! Dyn wird euch alle vernichten!“ Die Yamijaten lachten und warteten, bis sich der Mensch ein bisschen beruhigt hatte. Asmodeus stellte sich wieder zu Vassago und seinem Ross.
„Du solltest mir dankbar sein. Es war kurz und schmerzlos, sie hat es nicht mal kommen sehen.“
Vassago musste schmunzeln über das Wortspiel seines Freundes.
„Lasst ihn raus“, befahl Tenchi. Stumm zehrten Sklaven den Menschen raus.
Der Mensch schüttelte die Sklaven ab und baute sich zu seiner vollen Größe von ganzen zwei Metern auf. Der General war erstaunt darüber, wie ein Bär von einem Mann mit so vielen Menschen in so einen kleinen Käfig passte.
„Hier.“ Der Alb hielt den Mann den Dolch, an dem noch das Blut und Reste des Auges seiner Frau klebten, hin. „Hier nimm diesen Dolch. Überlebe, um ihn mir eines Tages in mein schwarzes Herz zu stoßen.“
Der Mensch nahm nach kurzen Zögern die ihn dargebotene Waffe. Mit Mordlust und abgrundtiefen Hass in den Augen starte er die beiden an.
„Ich werde überleben, um euch alle zu töten“, versprach er und wand sich ab. Die anderen Menschen flehten ihn an, ihnen zu helfen, doch er erhörte es nicht. Stattdessen lief er weiter Richtung Marktrand. Die beiden schauten ihm nach, bis er in den Schatten verschwand.
„Ich würde es begrüßen, wenn du mir den Dolch zurückbringen würdest. Er hat einen emotionalen Wert für mich.“
„Natürlich. Du weißt doch, auf Tohron ist Verlass.“
Langsam trottete der Nachtmahre dem Menschem hinterher.
„Meine Herren?“ Die zwei wanden sich zu der Kriegsherrin um. Die Albin nahm den Faden wieder auf. „Also Vassago, was ist mit dem Konvoi? Was ist so wichtig, dass du ihn vorausgeritten bist?“
Der General trat wieder vor die Albin.
„Der Konvoi wird pünktlich eintreffen. Ihr habt mein Wort, Gesalbte Kriegsherrin. Wir sind ungesehen über die geheimen Pfade gekommen. Keiner weiß, dass wir hier sind. Doch ..."
"Was ist? Gab es Verluste?", erkundigte sie sich. Besorgnis und Verärgerung, hielten sich in ihrer Stimme, die Waage.
„Die Geschenke und unser Gast sind wohlauf“, versicherte der Skaraner schnell. Doch er zögerte, kurz bevor er fortfuhr. „Wir selber haben Kastur verloren.“ Tenchi zog die Augenbrauen kraus.
„Wie?“
„In den Bergen geschah es. Er bildete die Nachhut. Als ein Stück des Weges abbrach. Er und sein Nachtmahre stürzten in die Schlucht.“
„Kastur. Bedauerlich. Habt ihr sie geborgen?“
Vassago wählte seine nächsten Worte mit Bedacht.
„Wir haben es versucht, Kriegsherrin. Aber die Wände waren porös und die Schlucht tief. Mehr als fünfhundert Fuß.“ Eine einzige Zornesader huschte ihr übers Gesicht. Schnell kniete sich Vassago hin und schaute zu Boden.
„Es wird sie niemand finden. Es ist eine verlassene Gegend.“ Tenchi griff mit ihren Daumen und Zeigefinger unter sein Kinn, drückte es hoch, bis er ihr in die Augen schauen musste. Ihre manikürten Fingernägel bohrten sich in seine von der Sonne gebräunten Haut. „Du weißt, wie wichtig es ist, dass unsere Anwesenheit hier unbemerkt bleibt?“
„Ja.“ Er versuchte seinen Blick wieder zu senken, aber die Kriegsherrin hielt ihn eisern fest. „Ich bürge mit meinen Leben“, versprach er.
„Ich hoffe, dass es so weit nicht kommt. Denn ...“
Plötzlich riss sie ihre Hand zurück und ritzte die Haut des Skaraners. Mit an den Kopf gepressten Händen fiel die Albin auf die Knie. Zornesadern flackerten unkontrolliert über ihr Antlitz. Auch ihre magischen Linien flackerten. Voller Besorgnis erhob sich der Mensch und wagte es, sie zu berühren, doch Tenchi stieß ihn weg. Erst da viel es dem Skaraner auf, dass sie nicht die Einzige war, die scheinbar unerträgliche Schmerzen litt. Asmodeus und die übrigen Albe schien es ähnlich zu ergehen. Ghoul und der Gepanzerte blickten ebenso verwundert zwischen den Alben hin und her.
Sie alle pressten die Hände gegen den Kopf, genauer gesagt gegen ihre Ohren. So als ob sie sich versuchten, vor einem lauten Geräusch oder Stimme zu schützen.
"Die Stimme, sie ist zu laut!", schrie eine Albin und warf sich am Boden hin und her.
"Was, was ist das? Was ist das nur für eine Stimme?", stöhnte Asmodeus zwischen zusammen gebissenen Zähnen.
Und dann schien plötzlich, alles vorbei zu sein.
Zitternd und schwer atmend erhob sich die Gesalbte Kriegsherrin. Vassago fing sie auf, als sie nach vorne kippte. Entsetzt sah er, dass die Albin aus Ohren, Nase, Mund und sogar aus den Augen blutete. Darüber hinaus waren ihre Augen so schwarz wie ein tiefer Abgrund, bei dem man den Boden nicht sehen konnte. Doch zu seiner Erleichterung begann langsam das Weiß in ihre Augen zurückzukehren. Nach wenigen Herzschlägen sie wieder ihre grüne Farbe.
"Ich danke dir, Vassago", flüsterte sie leise.
"Gesalbte Tenchi, was ist mit euch geschehen?"
"Nichts. Wir müssen zu den Kompatiblen." Ihre Stimme hatte etwas von ihrer Selbstsicherheit zurückgewonnen und sie entwand sich aus dem vorsichtigen Griff des Menschen. Kurz nahm sie sich die Zeit, das Blut aus ihren wieder makellosen Gesicht zu wischen.
"Los! Zu den Kompatiblen!", befahl sie und setzte sich in Bewegung. Die übrigen Albe folgten ihr, wenn auch etwas unsicheren Beinen. Ghl und sein Gepanzerter Meister sowie die Hälfte der Sklaven und Vassago eilten ihnen nach.