Da der alte Thread (nicht zuletzt wegen mir) mit Spa, zugemüllt war, eröffne ich hier den neuen. Ich werde die letzten fünf Teile in die Posts setzen, der Rest wird demnächst als .pdf in diesem Post zu finden sein.
Neuanfang. Antworten.
Das schwarze Schiff war beeindruckend und beängstigend zugleich. Das hatte Rawke direkt im ersten Moment an Bord festgestellt. Er war schon oft und auf verschiedenen Schiffen durch das All gereist, aber auf so einem Schiff noch nicht. Allein die Besatzung. Es gab, abgesehen von den allgegenwärtigen Inquisitionsgardisten, die an jeder Ecke Wache zu stehen schienen, wenige menschliche Besatzungsmitglieder, die Techadepten ausgenommen, die meisten Aufgaben wurden von Servitoren erledigt. Jetzt flogen sie schon eine ganze Woche durch den Warp, zu einem unbekannten Ziel, und bis jetzt hatte Rawke weder Kontakt mit jemandem außerhalb des Regiments gehabt, noch wusste er, wohin sie überhaupt flogen. Man hatte sie nicht eingesperrt, aber an allen Ausgängen aus den Quartierdecks, die Rawke und seine Männer bewohnten, standen Gardisten. Es hatte noch keiner versucht, die Decks zu verlassen, aber Rawke machte sich keine Illusionen. Die Gardisten würden eingreifen, sollten sie es versuchen. Seine Männer waren in Zehn-Mann-Kabinen untergebracht, Rawke selbst bewohnte eine Einzelkabine. Man hatten ihnen alle Waffen abgenommen, mit Ausnahme der Kampfmesser. Die Offiziere trugen zumindest noch ihre Pistolen, und einige Soldaten hatten nicht registrierte Beutewaffen und Erbstücke bei sich, wie etwa Soldat Mill, der einen alten Revolver mit sich führte, oder Sykes, der einen eleganten Nadler führte. Nicht, dass ihnen das etwas gebracht hätte. Mit den Gardisten wären sie sicherlich fertig geworden, aber bei ihrer Ankunft hatte Rawke mehrere Thunderhawks im Hangar stehen sehen, und wenn Space Marines an Bord waren, die den Insignien auf den Fliegern nach Grey Knights waren, war ein Kampf sinnlos. Außerdem war Moore gerade kurz dagewesen und hatte ihm mitgeteilt, dass Inquisitor Thoren auf dem Weg sei, und Rawke am bugwärtigen Ausgang auf Deck 14 erwarte. Rawke nahm an, dass er nun endlich Informationen bekommen würde, und dass er das Ziel der Reise erfuhr. Mit gemischten Gefühlen machte er sich auf den Weg zum Treffpunkt. Vereinzelt standen Türen offen, und die Soldaten grüßten ihn, wenn er vorbei kam, doch Rawke nahm sie gar nicht wahr. Tatsächlich erwartete ihn der Inquisitor bereits. Er war allein. „Folgen sie mir.“, sagte er, und Rawke folgte ihm in einen Lift, aus dem sie 6 Decks höher ausstiegen.
Vor ihnen lag eine Kreuzung. Sie gingen weiter geradeaus, bis sie vor einer Hochsicherheitstür standen, die von zwei Grey Knights bewacht wurde. Wortlos gaben sie den Weg frei, sodass sie passieren konnten. Rawke war mit eins-neunzig zwar nicht unbedingt der größte, aber selbst Thoren, der um die zwei-zehn groß sein musste, wirkte im Vergleich zu den beiden silbern gerüsteten Marines winzig. Die Tür öffnete sich und sie betraten den Planungsraum des Schiffes. Thoren bedeutete den Anwesenden, die sich bei seinem Eintreten erhoben hatte, Platz zu nehmen. Thoren nahm am Kopfende des ovalen Planungstisches Platz. Rawke setzte sich auf den letzten freien Platz, zwischen einem miesepetrig aussehenden Interrogator und einem Space Marine in nachtschwarzer Rüstung, die mit blauen Schulterpanzern versehen war, auf denen eine schwarze Klaue prangte. Der Interrogator würdigte ihn keines Blickes, der Space Marines blickte ihn jedoch an und begrüßte ihn mit einem Nicken. Thoren drückte einen Knopf, worauf hin der Raum verdunkelt und die Holoprojektoren des Tisches aktiviert wurden. Da anscheinend keine Datei ausgewählt war, projizierten sie einen sich um die eigene Achse drehenden Aquila in die Luft.
Thoren ergriff das Wort. „Meine Herren, die letzten Entwicklungen sind nicht nach Plan verlaufen, wie ihnen zweifellos aufgefallen sein dürfte. Unsere Beute ist entkommen, und wir mussten einen Planeten opfern, eine Aktion, die zwar bedauerlich, aber notwendig war. Jedenfalls müssen wir unsere langfristige Planung umstellen. Wir fliegen nach Nova Britia und werden in etwa 16 Wochen eintreffen. Bis dahin gibt es einiges zu tun. Beginnen wir damit, sie mit dem neusten Mitgliedern unserer Jagdgesellschaft vertraut zu machen. Da wären zum einen Bruder-Captain Hellsing von der Night Guard, zum anderen aber auch, von mir kurzfristig auf Trevia rekrutiert, Colonel Maximilian Rawke und sein Regiment, die 1st Royal Nova Britia Commandos. Die Aufstockung des Regiments ist einer der Gründe, warum wir nach Nova Britia fliegen. Der andere ist, dass wir kurz vor unserem Aufbruch von Trevia die Nachricht erhalten haben, dass jemand meine Privatgemächer und die Archive durchsucht, offenbar auf der Suche nach unseren Ermittlungsergebnissen. Wie sie alle, bis auf unsere Neuankömmlinge natürlich, wissen, unterstehen unser genaues Ziel und alle Ergebnisse, die wir bis jetzt erzielt haben, strengster Geheimhaltung, selbst innerhalb de Ordo Nova Britia. Wir werden voraussichtlich einen oder zwei Monate auf Nova Britia verbringen, und dann, je nachdem, zu welchen Ergebnissen wir bezüglich der unbekannten Schnüffler kommen, das weitere Verfahren klären.“
Er machte eine Pause.
Dann fuhr er fort: „Soweit zum organisatorischen Teil. Jetzt werden wir unsere beiden Neuankömmlinge einweisen. Das meiste von dem, was meinen momentanen Fall betrifft, werden sie auf den Datentafeln, die ich in ihre Quartiere haben bringen lasse, nachlesen können. Die jüngsten Entwicklungen werde ich allerdings hier und jetzt erläutern. Ich bin nach Trevia gekommen, weil ich auf der Jagd nach Nox bin, dem Chaosgeneral, der den Angriff auf Trevia geführt hat, und mir leider entkommen ist. Er stellte im Moment eine äußerst große Bedrohung dar…“
Der Space Marine unterbrach ihn. „Warum? Der Großteil seiner Armee ist zerschlagen, und mein Orden räuchert im Moment seine Schlupfwinkel aus. Er ist geschlagen, und er wird sich stellen, oder von der imperialen Flotte gestellt werden und…“
„Es geht nicht um Nox selbst“, sagte Thoren scharf, „, sondern um das, was er seit Trevia mit sich führt. Wenn er es schafft, mit Nox zu entkommen, sind wir in großen Schwierigkeiten.“
„Er? Wer ist “er“?“, fragte Rawke.
„Tel’zaar, der Herr der Schatten.“, antwortete Thoren, und wählte auf dem Touchscreen vor ihm eine Datei aus. Der projizierte Adler flackerte und wich dann dem Abbild eines absolut widerwärtigen Schwertes. Die Projektion farblos und schimmerte bläulich, doch Rawke nahm an, dass das Schwert schwarz war. Es war mit widerwärtigen Runen bedeckt und mit einem Edelstein am Knauf versehen, ansonsten aber schmucklos. „Das“, führte Thoren aus, “ist das Schwert, in das Tel’zaar vor fast siebentausend Jahren gebannt wurde. Tel’zaar ist einer der mächtigsten Dämonen, die nicht einem der vier Hauptgötter zugeordnet werden. Welchem Gott er genau dient, weiß ich nicht, Fakt ist aber, dass er vor siebentausend Jahren einer der größten Anführer während des sechsten schwarzen Kreuzzuges war, und, nach der Zerschlagung des Hauptheeres, mit seiner Flotte durch den Verteidigungsgürtel schlüpfte und wahrscheinlich das Tor von Cadia schon damals ernsthaft ins Wanken gebracht hätte, wäre er nicht von einem jungen Inquisitor namens Zurol in diese Schwert gebannt worden. Dummerweise konnten seine Anhänger das Schwert entwenden, und versteckten es auf der, damals noch nicht bewohnten, Welt Trevia. Nox hat Tel’zaar gefunden und glaubt, mit seiner Hilfe zu Ruhm zu kommen. In Wahrheit ist er nur Tel’zaar’s Mittel um aus seinem Gefängnis zu fliehen. Wir sind der Sicherheit dieses Sektors verpflichtet, also müssen wir alles tun, um Tel’zaar aufzuhalten.“
Thoren machte eine kurze Pause und wandte sich dann an Rawke.
„Ich stelle ihnen nun die ranghöchsten Stabsmitglieder vor, die mit einer Ausnahme alle hier versammelt sind. Keresh kennen sie ja bereits, neben ihnen sitzt Interrogator Herriet.“
Der Interrogator nahm, wie schon zuvor, keine Notiz von Rawke. Thoren deutete nun auf die Gestalt rechts von ihm, ein grimmiger Mann in der Uniform der Inquisitionsgardisten. Er trug einen Bürstenhaarschnitt und einen Kinnbart. Sein Haar war so hellblond, dass es fast weiß wirkte. „Hauptmann Terresh, Kommandant der Gardisten in meinem persönlichen Gefolge.“
Der Hauptmann nickte und deutete ein Lächeln an. Neben ihm saß ein drahtiger Junge in einem schlichten Gewand, das mit einem roten I verziert war. „Der begabteste Psioniker in meinem Gefolge, Hrun. Er mag nicht nach viel aussehen, aber er gehört zu den mächtigsten Kampfpsionikern in diesem Sektor.“. Rawke musste unwillkürlich lächeln. Es gab im gesamten Sektor, soweit er wusste, gerade mal 200 Kampfpsioniker der imperialen Armee, von denen fast alle inzwischen in Diensten der Inquisition standen. Machtvolle Psioniker gab es, insbesondere im Nova Britia-Subsektor, nur wenige, da während der Hexenverfolgungen in der Kolonialisierungsphase viele Psioniker getötet wurden, so viele, dass diese Talent selbst nach 2000 Jahren noch relativ selten war, und wenn es auftritt, werden die Betroffenen meistens niemals wieder irgendwo in der Galaxis auftauchen. Rawke verstand nicht viel von solchen Dingen, aber soweit er wusste, waren die wenigen Psioniker hier geistig besonders labil. Insofern war es nicht unbedingt ein Kunststück, der beste Kampfpsioniker in diesem Sektor zu sein. Neben Hrun saß ein ausgemergelter Kahlkopf mit fahler Haut. Anscheinend war er zu allem Überfluss auch noch blind, und Rawke erkannte ihn als Astropathen. „Mein persönlicher Astropath, Verek.“
Rawkes Blick fiel auf den letzten Teilnehmer der Konferenz. Es war ein massiger Mann in einer schwarzen Tunika. Rawke konnte an Hals und Handgelenken Ansätze von Tätowierungen erkennen. Der Mann war wirklich groß, fast so groß wie Hellsing, und der war ein Space Marine in voller Rüstung. „Captain Trajan von den Grey Knights.“, sagte Thoren und beließ es dabei. Rawke starrte den Marine mit unverholener Verwunderung an. Der Grey Knight bemerkte seinen Blick. „Das fehlen meiner Rüstung ist auf einen unangenehmen Zusammenstoß mit einer Warpkreatur zurückzuführen. Das Blut dieser Kreatur hat meiner Rüstung stark zugesetzt, und es bedurfte einiger Reparaturen. Wenn der Colonel nicht von meiner Authenzität überzeugt ist, werde ich mich gerne mit ihm zu einem gegebenen Zeitpunkt ihm Zweikampf messen, um ihn davon zu überzeugen.“
„Ich…ich wollte sie nicht beleidigen.“, sagte Rawke, und meinte es auch so. Trajan lehnte sich, mit unbewegtem Gesicht, aber wahrscheinlich höchst zufrieden mit seinem Auftritt, zurück. Als ob er’s nötig hätte dachte Rawke. „Nun, ich denke es wird Zeit, zu klären, warum Captain Hellsing bei uns ist.“
„Natürlich.“, sagte Hellsing und erhob sich. „Mein Orden belagert derzeit Nox’ Asteroiden Festung, genau genommen säubern wir sie bereits, da der Großteil von Nox Renegatenbande auf Trevia beschäftigt war. Die 4. Kompanie der Dark Angels war ebenfalls an der Erstürmung beteiligt, hat sich aber ohne Erklärung zurückgezogen, als die Nachricht von Nox Angriff auf Trevia eintraf. Jedenfalls entdeckten wir bei ersten Durchsuchungen eroberter Sektionen das Archiv. Inquisitor Thoren hatte Nox aufgespürt und unsere Scriptoren durchsuchten zusammen mit ihm die Aufzeichnungen. Dort stießen sie dann auf die Vermerke und Einträge über Tel’zaar. Ich wurde von meinem Ordensmeister beauftragt, den Inquisitor zu begleiten. Meine Kompanie wird sich uns später, nach Beendigung der Belagerung anschließen. Unser Verhältnis zu Nox ist…persönlich. Uns ist sehr an seiner Gefangennahme oder Tötung gelegen. Außerdem befinden sich die schnellsten Schiffe unserer Flotte auf der Suche nach Nox’ Flotte. Sie werden uns benachrichtigen, sobald sie ihn gefunden haben.“
Thoren räusperte sich und setzte die Ausführungen fort. „Ich habe der Sektorflotte über Veinguard mitteilen lassen, dass der Sektor abgeriegelt werden muss. Wenn sie meinen Befehlen sofort Folge geleistet haben, wird Nox fürs Erste im Sektor gefangen sein. Natürlich ist das immer noch ein großer Suchbereich, aber ich glaube nicht, dass er sich uns mit einer derart großen Flotte und ohne Schlupfwinkel lange entziehen kann. Ich denke, das reicht für heute. Sie sollten sich jetzt ausruhen, gerade sie, Rawke. Morgen werde ich sie und ihre Männer noch einmal persönlich und ausführlich einweisen.“
Die Anwesenden erhoben sich, und Rawke macht sich auf den Weg zum Lift. Als er sein Quartier erreicht hatte, ließ er Sykes zu sich rufen. Während er wartete, öffnete er eine Flasche Amasec und goss sich etwas von dem Schnaps in ein kleines Glas. Wo bin ich da nur wieder reingeraten…
Als Rawke am nächsten Morgen mit brummendem Schädel aufwachte, lag das nicht nur am Schnaps. Im schwirrte der Kopf von den ganzen Dinge, die er gestern erfahren hatte. Er stand auf und ging ins Bad. Er duschte, rasierte sich und zog sich dann an. Er zog die Hose an, dann die Feldbluse, alles im Standard-Waldtarn der nova britischen Streitkräfte. Er legte sein Oberschenkelholster an, nahm die Laserpistole aus der Schublade seines Metallschreibtisches, überprüfte das Magazin, stellte sicher, dass die Waffe gesichert war und steckte sie erst dann ins Holster. Er war sehr vorsichtig im Umgang mit Waffen, zumindest außerhalb des Kampfes. Rawke noch einen Bruder und eine Schwester. Ursprünglich hatte er noch einen älteren Bruder gehabt, der auf der Jagd von einem unvorsichtigen Adelspross versehentlich erschossen worden war. Rawke hätte den kleinen Kotzbrocken beinahe zu Tode geprügelt, woraufhin sein Vater eine Menge Hebel in Bewegung hatte setzen müssen, um ihn vor einer Erschießung zu bewahren. Sein jüngerer Bruder diente als Colonel bei der Royal Foot Guard, die den imperialen Palast in Londia, der Hauptstadt Nova Britias, bewachte. Seine Schwester arbeitete in der Verwaltung der East Nova Britia Trading Company, der Handelsgesellschaft, der die Rawkes ihren Reichtum zu verdanken hatten. Rawkes Ururgroßvater hatte das Unternehmen gegründet, dass Waren im gesamten Sektor beförderte. Heute umfasste die Handelsflott ein volles Dutzend Großraumfrachter, die dieser Tage in erster Linie militärische Güter, manchmal auch Truppen, in den Zulia Subsektor transportierten. Dort wurde die Kolonialisierung im Namen des Imperators mit Gewalt durchgesetzt, seit eine Exploratorflotte den Mineralienreichtum der dortigen Systeme erfasst hatte. Die Einwohner, Menschen und eine höhere Xenorasse, hatten sich gegen die Konvertierung, beziehungsweise die Umsiedelung gewehrt, weshalb das Sektoroberkommando die Auslöschung der Xenos und die gewaltsame Unterwerfung der Systeme angeordnet hatte. Die Einwohner und auch die Xenos hatten sich als äußerst wehrhaft erwiesen, weshalb die Kämpf um das System bereits seit 15 Jahren tobten. Nicht mein Problem, nicht mehr entschied Rawke und verließ seine Kabine. Er folgte dem Korridor bis zu einer Tür, hinter der Planungsraum lag. Er trat ein. Der Inquisitor, Sykes und MacMillan warteten bereits. Was nun folgte, waren gute drei Stunden voller ermüdender Details und Missionsberichte. Am Ende war Rawke zwar klar, dass alle bisher erlebten Kämpfe, selbst der Kampf gegen die Chaos Marines auf Trevia, Kinderkram waren, im Vergleich zu dem, was sie bei einer dämonischen Invasion zu erwarten hatten, aber wirklich schlauer fühlte er sich noch immer nicht. Thoren erhob sich. „Sie werden ihre Männer sicherlich auf Trab halten wollen. Ich stelle ihnen die Lagerräume A1 bis A14 zur Verfügung. Captain Hellsing hat sich die Berichte des Treviakonfliktes angesehen, auch die über ihr 4. Battailon, und würde gerne ihrem Training beiwohnen.“
„Ich…ich fühle mich geehrt…“, sagte Rawke. Sykes und MacMillan warfen sich überraschte Blicke zu.
„Nun, ich habe noch ein paar Dinge zu tun, ich werde jemanden schicken, der ihnen Zugang zu Übungswaffen und anderem Gerät verschafft.“, sagte Thoren und verließ den Planungsraum. Rawke machte sich mit Sykes und MacMillan auf den Weg zu den Quartieren der Soldaten. Sykes und MacMillan brüllten ein paar Befehle, und nur vier Minuten später standen alle Soldaten trainingsbereit auf dem Gang. Wie versprochen tauchte ein Offizier der Inquisitionsgarde auf und führte sie zu den Laderäumen. Die Laderäume waren eigentlich ein einziger großer Laderaum, da die Trennschotts hochgefahren waren. An den beiden Enden des Trainingbereiches, wo die Schotts ihn von den anderen Laderäumen trennten, waren Schießstände eingerichtet, dazwischen fanden Hindernisparcours, gebaut aus Frachtcontainern und Freiflächen für Nahkampftaining Platz. Rawke teilte die Männer auf die verschiedenen Stationen auf und sah ihnen beim Training zu. Ab und zu ging er von einem Ende der Halle zum anderen und rief den Männern Lob oder Tipps zu, oder er schalt sie, wenn sie daneben schossen oder ein Hindernis nicht schafften. Sie hatten eine volle Stunde trainiert, als Hellsing auftauchte. Er begrüßte Rawke und schaute dann dem Nahkampftraining zu. Rawke beobachtete aus der Ferne, wie er sich mit MacMillan unterhielt. Der nickte und unter großem Gejohle machten die Männer auf der Kampfläche Platz. Rawke gesellte sich zu ihnen. Anscheinend hatte Hellsing um einen Übungskampf gebeten. Rawke fragte sich, was MacMillan vor hatte. Während der Marine MacMillans Kampfmesser als wahrscheinlich höchstens als Zahnstocher benutzt hätte, hatte sein eigenes Messer eher die Ausmaße eines kleinen Schwertes. Hellsing hielt inne und sagte etwas, dass Rawke aufgrund des allgemeinen Lärms nicht verstand. MacMillan schaute etwas verdutzt drein und winkte drei Männer aus dem Publikum hinzu. Das versprach nun doch interessant zu werden. MacMillan hatte unter anderem Brennan ausgewählt, dazu Gibbs und Frenner, drei seiner fähigsten Männer, soweit Rawke wusste. Die Zuschauer machten noch etwas mehr Platz, dann begann der Kampf. MacMillan und seine drei Männer kreisten den Marine an und griffen gleichzeitig an. Gibbs wurde als erstes aus dem Kampf befördert. Er schaffte es, dem ersten Hieb des Marines, den diese mit seiner Messerhand geführt hatte, auszuweichen, dem zweiten, mit der bloßen Faust geführten Schlag entging er jedoch nicht. Gibbs brach ohnmächtig zusammen. Ein Stöhnen kam aus der Menge. Der Marine knockte als nächstes Brennan aus, indem er dessen Schlag mit dem gepanzerten Unterarm abwehrte und ihn dann mit einem Tritt von den Beinen holte. Anscheinend war Brennan unglücklich aufgeschlagen, denn auch er war bewusstlos. Frenner rannte direkt und mit einem Wutschrei auf den Supersoldat zu. Der ließ ihn praktisch einfach nur in die ausgestreckte Faust laufen. Frenner hatte sich selber aus dem Kampf befördert. MacMillan tat nun etwas sehr dummes. Er hatte sich von hinten an Hellsing angeschlichen und war tatsächlich auf den Rücken des Marines geklettert. Hellsing stutzte und pflückte den Soldaten dann von seinem Rückenmodul und nagelte ihn auf dem Boden fest. MacMillan ließ sein Messer fallen, und der Captain erhob sich. Während die Zuschauer sich um Hellsings Opfer kümmerten, löste sich Rawke aus der Menge und ging auf eine Bank am Rand der Halle zu. Hellsing holte ihn schnell an. Rawke wandte sich um und sah dem Marine ins Gesicht. „Warum haben sie das getan? Sie wussten, dass keiner von ihnen ein Gegner war.“, fragte Rawke, der zwar nicht gerade erfreut, aber auch ein wenig belustigt war. Der massige Captain zuckte mit den Achseln. „Ich dachte, dass könnte sie anspornen.“, antwortete er.
„Sie haben sie wohl eher am Boden zerstört.“, sagte Rawke mit einem Grinsen.
„Ich habe sie auf den Boden der Tatsachen zurück geholt. Sie werden härter trainieren, denn sie haben gelernt, dass es immer einen Krieger gibt, der besser ist.“
„Sehr erhebend. Warum sind sie wirklich hier? Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie ihre Zeit mit sinnlosen Demonstrationen ihre Kampfkraft verschwenden wollten.“
„Tatsächlich ist es genau das. Ich dachte mir, ihre Männer könnten etwas zusätzliches Training gebrauchen. Der Inquisitor hat das angeregt. Außerdem bin ich von diesem MacMillan und seinen Männern beeindruckt. Ich würde ihnen gern bei einer Übung zu sehen.“
„Ich werde dafür sorgen, dass sie Gelegenheit dazu bekommen.“
Rawke ließ seine Männer noch eine weitere Stunde trainieren, dann kehrten sie in die Quartiere zurück. Die Wochen schmolzen trotz der Routine geradezu dahin. Als sie das Nova Britia System erreichten, konnte Rawke die Aufregung seiner Männer deutlich spüren. Wahrscheinlich war es aber seine eigene. Er war lange nicht mehr hier gewesen, und hatte auch nicht damit gerechnet, je zurückzukehren. Die meisten Regimenter der Imperialen Armee sahen ihre Heimatwelt nie wieder. Rawke freute sich darauf, sein Regiment wieder auf voller Stärke zu sehen. Der Inquisitor hatte bereits bei ihrem Abflug von Trevia dafür gesorgt, dass eine entsprechende Anzahl an ausgebildeten Commandos abgestellt und möglichst hart trainiert wurde, um sich ihnen anzuschließen. Außerdem würden sich ihnen die kläglichen Reste von zwei, im Zuliakonflikt aufgeriebenen Commandoregimentern anschließen. Ganze einhundertsiebenundsiebzig Mann. Mehr war von den Regimentern nicht übrig. Doch zuerst würde Rawke seine Familie besuchen. Er freute sich darauf, seine Geschwister und seine Eltern zu sehen. Aber er war ob der vor ihm liegenden Herausforderung, wieder ein schlagkräftiges Regiment aufzustellen, beunruhigt, weil er nicht wusste, ob die Zusammenlegung glatt verlaufen würde. Denn am Ende würde er die Konsequenzen tragen.