40k SECRET HERETIC - Der Teufel im Innern //Eine Exorcists-Geschichte//

Lasirius Borealis

Aushilfspinsler
09. März 2025
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Banish
SECRET HERETIC - Der Teufel im Innern //Eine Exorcists-Geschichte//

Die Exorcists stehen seit Jahrtausenden am Rande der Häresie. Sie sind Dämoenjäger, die den Kräften der ruinösen Mächte auf eine Weise trotzen, wie es kein anderer Orden vermag. Doch wie jede Space Marine Bruderschaft, birgt auch diese ein düsteres Geheimnis: Um von ihnen aufgenommen zu werden, muss jeder Initiant einem Dämon in seinem eigenen Körper gegenübertreten und diesen verbannen.

Bruder Lasirius, dem die Hypnoindoktrination übel mitgespielt hat, sieht sich dabei einem Dämon gegenüber, dessen Mächtigkeit er nicht einmal in der Lage ist, zu begreifen. Die Lage spitzt sich zu, als eine ferne Bedrohung aus dem Auge des Schreckens bricht, um den an einem seidenen Faden hängenden Orden heimzusuchen. Um die Katastrophe abzuwenden, wird sich der bis aufs Blut treue Lasirius nicht nur den vielfältigen Warpmanifestationen am Ende seiner Klinge, sondern auch den Schatten seiner Vergangenheit tief in seinem Inneren stellen müssen. Das alles während die Inquisition ihm dicht auf den Fersen ist.

Notiz des Autors:

Ich habe dieses Projekt begonnen, weil ich den Orden der Exorcists für einen der spannendsten im gesamten Universum halte. Inspiriert haben mich vor allem die Bücher von Aaron Dembski-Bowden (Black Legion Novels) und John French (Ahriman-Reihe). Ich habe versucht, es so einsteigerfreundlich wie möglich zu schreiben, auch wenn die Geschichte natürlich besser funktioniert, wenn man die Welt bereits etwas besser kennt. Die Kapitel werden rund 8-12 Seiten umfassen und monatlich erscheinen, insofern die Zeit es zulässt. Außerdem bin ich gerade dabei, eine Audiobuchversion für YouTube einzusprechen.

Ich wünsche viel Spaß mit der Geschichte!



Lasirius Borealis
 
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Secret Heretic - Der Teufel im Innern - //Eine Exorcists-Geschichte//

von Lasirius Bolrealis


Kapitel 1: Schicksalskreuzung


"Der ganze Strudel strebt nach oben; Du glaubst zu schieben, und du wirst geschoben."

Es war mucksmäußchen still.
Der Regen prasselte wie eine Sintflut, doch er vermochte es, weder mich noch den runenbesetzten Boden auch nur um einen Hauch zu benetzten. Es war, wie als würden sie sofort wieder verschwinden, sobald die rabenschwarzen Tintentropfen ihr Ziel erreichten.
Mein Kopf war, wie als hätte man ihn aufgebläht, nur um dann sämtliche Luft wieder abzulassen. Ich war die Iris in dem Auge eines wild tobenden Sturmes aus widersprüchlichen Farben, Konzepten und Erinnerungsfetzen. Die Luft knisterte und roch nach versengtem Kupfer, Zimt und altem Pergament. Blitze aus unwirklichem, arhythmischem Licht erhellten das Innere zerfetzter Wolken, die mich wirbelnd umkreisten und dabei dauerhaft ihre grundlegenden geometrischen Eigenschaften zu verändern schienen. Sie flackerten auf und ab, wie die tanzenden Schatten, die ein loderndes Feuer an eine Höhlenwand wirft. In meinem Augenwinkel nahmen sie die Formen von Gedanken, Gefühlen und Gesichtern an; von denen, die ich kannte, denen, die ich vergessen hatte, und von denen, die ich noch kennen lernen würde.
Meine Augen zuckten rastlos umher.
Jedes Mal, wenn ich versuchte, die Schemen direkt in mein Blickfeld zu bekommen, zerstoben sie zu astralen Bruchstücken, verschwommen und lösten sich auf; Sowie Träume, die einem nach dem Aufwachen wie Sand durch die Finger rinnen.
Endlich fanden sie einen Fokuspunkt: Von dem steinernen Altar, der mir gegenüber Stand, starrte mich ein höhnisches Zerrbild meines eigenen Gesichtes an.
Beide Augen waren verschlossen. Trotzdem spürte ich, wie sich die Pupillen unter den Liedern in meine Richtung bewegten. Oder imitierten sie etwa die meinen? Frische Operationsnarben zogen sich über die von den Muskeln straff gespannte Haut, die sich immer noch an ihre neue Form gewöhnen musste. Die Gestalt war fremd und groß. Viel zu groß um ein natürlicher, oder um überhaupt ein Mensch zu sein; Es war der Körper einer lebendigen Waffe.
Er schwebte einen Fuß breit über dem verwitterten Opferstein, wie eine Puppe, die von unsichtbaren Fäden gehalten wird. Doch wo war ihr Spieler?
Ich blinzelte; gleichzeitig zuckte ein Blitz über die verdorbene Szenerie und ein Donner erklang, der sich anhörte wie eine Voxaufnahme, die man mehrfach gleichzeitig und falsch herum abgespielt hatte. Ich bekam, für den Bruchteil der Sekunde, in welcher es hell wurde, die Illusion, durch seine Augen zu mir selbst herunterzusehen, anstatt zu ihm herauf.
Meine Nackenhaare sträubten sich auf. Meinem Instinkt folgend, drehte ich mich um: In einem perfektem Radius, zu mir und meinem Doppelgänger, stand ein vogelartiger, alter Mann mit freundlichen Augen und schlug ein altes, dickes Buch zu. Der mit blinzelnden, wild durch die Gegend zuckenden Augen besetzte Ledereinband fing sofort Feuer, zitterte und verbrannte, mit einem erstickten Schrei, binnen Sekunden zu Asche. Der Greis trug feine seidene Roben in tiefem Magenta. Seine Hutkrempe zierte das häretische Symbol des jüngsten Götzen und die komplette Kluft war mit unheiligen Runen übersäht, deren Bedeutung ich nicht kannte. Dennoch ging eine düstere Aura von ihnen aus. Er war in etwas mehr als halb so groß wie ich und hätte fast menschlich gewirkt, wären seine Umrisse, sowie seine Schatten, welche die Blitze für einen winzigen Augenblick enthüllten, kein sich windendes, groteskes Etwas gewesen.

"Da bist du also, Dämon! Wie lautet dein Name?"

knurrte ich, mit einer mir immer noch fremden und viel zu tiefen Stimme. Unterbewusst nahm ich eine gebeugte Kampfhaltung ein, von der ich nicht einmal wusste, dass ich sie überhaupt erlernt hatte. Nun aber kam sie mir so natürlich vor wie das Atmen.

"Ich bin Teil von jener Kraft, die stets das böse will und stets das Gute schafft! Ich bin ein Knecht von der, die Dürstest, Teil des Prinz der Finsternis. Ich bin Adon Hisparim Yuda Kel und ich habe dich gerufen."

Das war eine Lüge. Das wusste ich. Das war eines der wenigen Dinge, die ich wusste. Aber wie war ich überhaupt hierhergekommen? Ich hatte meditiert… Der Aufnahmeritus. Das Ritual. Die Beschwörung!
Der Nimmergeborene lächelte. Hatten sich seine Fänge bereits in meinen Verstand gegraben? Und wenn ja, wie tief? Ich musste Zeit gewinnen und vorsichtig meinen eigenen Verstand abtasten:

„Nein! Ich habe dich gerufen! Und ich werde dich zerbrechen, um mit deinem Blut meine Seele schwarz zu färben.“

Ich ballte meine übermenschlichen Fäuste mit der Kraft eines industriellen Dampfhammers, um meine Drohung zu untermauern. Der alte Mann betrachtete mich mit der Belustigung, die vermutlich ein Ordensbruder einem wütendem Kaninchen zuteilwerden lassen würde:

„Nein nein, mein Junge. Fühle dich geehrt! Du… wirst mein Meisterstück werden. Wir werden großes erreichen! Ja, ich verspreche dir feierlich: Es wird der Beginn einer wunderbaren Freundschaft werden!“

Er lachte schallend und wohlklingend, wie jemand, der einen alten Freund begrüßt. Aber Dämonen Lügen. Dämonen lügen immer. Dennoch sprach er mit einer Selbstverständlichkeit, die fast an Naivität grenzte. Er bemerkte die steigende Feindseligkeit in meinen künstlich geschärften Augen. Sich auf diese Art über mich lustig zu machen, würde ich ihm kein zweites Mal erlauben. Weitere Blitze knisterten durch den unwirklichen Raum, wie als wollten sie die stumme Drohung bestätigen. Der Unreine machte einen Schritt nach vorne, erhob eine knorrige Hand und deutete auf die Gestalt hinter mir. Die andere kreiste um ihr eigenes Handgelenk. Alles verschwamm, drehte sich um hundertachtzig Grad und dann stand der Dämon zwischen mir und meinem schlafendem Wechselbalg. Ich keuchte und ließ ihn nicht aus den Augen.

„Kommen wir gleich zum Punkt. Wir haben nicht viel Zeit: Ich werde dich brauchen. Vor allem aber deine willentliche Kooperation. Sowie deinen Körper und deine Seele. Beides jedoch immer noch frei und intakt.“

Ich spukte ätzendes Gift auf den Boden. Es verschwand genau wie der Regen: Ohne eine Spur. Ein dreckiges Grinsen umspielte meine Lippen:

„Und warum sollte ich dir das so einfach überlassen, Scharlatan? Du bist ein Sklave der Dunkelheit. Du hast keinen freien Willen.“

Der alte Mann war geradezu erheitert. Ja, er freute sich dem Anschein nach sogar aufrichtig über meine Verhöhnungen.

„Und doch bin ich meiner Selbst bewusst. Cognito. Ergo. Sum. So rechtfertigt sich euresgleichen doch vor der Welt, nicht wahr? Und doch… Ich kann deine Zweifel verstehen. Es geziemt sich nicht, nur zu nehmen und nicht zu geben. Da stimme ich dir zu...“

Das hatte ich nie behauptet. Die Aussage war eher der Schatten eines flüchtigen Gedankens gewesen, den mein eiserner Wille sofort aus meinem Unterbewusstsein gebrannt hatte.

„Was ich dir geben kann ist, neben natürlich Macht, Einfluss, et cetera pp…“

Das Schauspiel wirkte halbherzig, gehetzt und grob, wie als wollte man es so schnell wie möglich hinter sich bringen: Die schwebende Gestalt wurde noch größer und die Muskeln schwollen weiter an. Die Narben verblassten und wurden kaum noch sichtbar.

„… Dinge, die dich wirklich interessieren: Und zwar…“

Er sah mir nun direkt in die Augen. Ich hielt seinem quellwasserklarem Blick trotzig stand, auch wenn ich dadurch ein tonloses, lauter werdendes Flüstern an den Rändern meines Verstandes wahrnahm.

„…Deine Vergangenheit…

Die schwebende Gestalt öffnete ihr linkes Auge.

"…deine Zukunft..."

Sie öffnete das rechte Auge.

"…und dein wahres Selbst…“

Die Gestalt öffnete ein drittes Auge. Alle drei begannen zu leuchten.

„…Den Teil deiner Seele, den sie dir genommen haben... und der dich sonst auf ewig von deiner wahren Größe abhalten wird: Die Emotionen, die du meinst, nie gekannt zu haben. Die man kaltherzig, unter dem Trugschluss der Schwäche, in dir versiegelt hat. Die dich zu einem bockigen Kind im Körper eines Monsters machen: Deine Furcht. Deine Empathie. Deine Leidenschaft.

Mein mutierter Zwilling strahlte jetzt eine innere Macht aus, von der ich nicht in der Lage war, sie zu begreifen. Sie ging von ihm aus, wie warme Sonnenstrahlen, die nach einem harten Winter durch die Wolken brachen. Ich konnte sie nicht nur sehen, ich konnte sie auch fühlen, riechen, schmecken. Es war nicht vergleichbar mit körperlicher Stärke. Es war eine innere Vollständigkeit: Das Gefühl, etwas zu finden, von dem man nicht wusste, es so sehnlichst vermisst zu haben. Die Gesichtszüge der Gestalt wurden menschlicher und ausdrucksstärker. Die Augen füllte mit einem Male eine freundliche, sanftmütige Ruhe aus, die dem vertrauten Schatten glich, der sich versuchte, durch eine Dicke Wand in mein primäres Bewusstsein zu kämpfen und den ich einfach nicht greifen konnte. Sie kam mir vertrauter vor als zu zuvor. Auf eine groteske Art und Weise… Das war Falsch! Es musste falsch sein. Widerwillig wandte ich meinen Blick zurück auf die Warpkreatur. Diese fuhr unbeirrt fort:

„Doch wie alles im Leben fürchte ich, dass das leider seinen Tribut fordern wird…“

Sein Bedauern wirkte zu echt, um gespielt zu sein; selbst für einen Dämon. Die Gestalt veränderte sich erneut; diesmal stumpfer und brachialer: Sie krümmte sich vor Schmerzen. Lange, symmetrisch gebogene Hörner wuchsen aus den Schläfen und große, ledrige Fledermausschwingen brachen mit einem feuchten Knirschen aus seinem Rücken hervor. Tintenschwarzes, dickes Blut benetzte den Boden und blieb als einziges dort liegen. Sie wand sich, öffnete die Flügel und wurde von ihren unsichtbaren Fesseln befreit. Die Metamorphose war vollendet. Das Monstrum landete, viel zu Elegant für seine Masse, auf dem Boden. Aller Logik zum Trotze wirkte es auf mich… menschlicher als zuvor. Es keuchte kurz, atmete dann entschlossen aus und richtete sich zu seiner vollständigen Größe auf. Es überragte mich nun. Seine Pupillen glühten in hellem Orange, das mich jedoch eher an eine Kaminflamme, als an ein loderndes Inferno erinnerte. In ihnen spiegelte sich die weise, verschmitzte Freundlichkeit der Augen des Dämons wider. Das Monster zuckte. Sein Kopf verschwamm, wie als würde er aus dem Fokus einer Linse geraten. Der Mund schloss sich gewaltsam und verschwand. Die Muskeln des mundlosen Gesichtes verzogen sich zu einem Lächeln. Ein Anblick, der mir das Blut in den Adern gefrieren ließ.

„Was hat das alles zu bedeuten? Meine Vergangenheit? Meine Zukunft? Meine Seele? Ich bin ein Astartes…. Ein Engel des Todes! Was ist diese grausame Parodie meiner Ideale, die du mir da vor meine Füße stellst?

Die Gedanken rasten wie ein Mahlstrom durch meinen Kopf, während dieser versuchte, all diese Geschehnisse zu verarbeiten, zu sortieren und zu analysieren. Selbst mein junger, transhumaner Verstand wurde von ihnen an seine Grenzen gebracht. Er war nicht dafür konzipiert worden, um sich über solche Banalitäten, wie die Gefühle eines sterblichen Wesens, den Kopf zu zerbrechen. Der alte Mann legte geduldig den Kopf schief. Er betrachtete meinen Doppelgänger, verzog überrascht das Gesicht, wippte mit dem Kopf hin und her und gab ihm einen Klaps. Das Drittes Auge zwinkerte mir belustigt zu, schloss sich dann und verschwand. Sein Gesicht zerfloss wie Wachs und noch bevor es vollständig, und leicht gealtert, wieder erstarrt war, wandte er sich mir zu:

„Lass mich mit einer Gegenfrage antworten, um es dir näher zu bringen: Wie… fühlst du dich? Wie lautet der Name deiner Mutter? Ihr Gesicht… wer bist du?“

Ich fletschte die Zähne:

„Ich bin…“

Meine Stimme erstarb. Ich durchsuchte meine Gedanken: In meinem Kopf befanden sich taktische Pläne, Kampfdoktrine und Meditationsriten: Alles Wissen, mit dem keine Erinnerungen verknüpft war. Meine eigenen Erinnerungen, vor der Zeit in der Festung, waren nicht dort. Mein Name war nicht dort. Es war eigentlich gar nichts dort, was nicht unmittelbar mit Kriegsführung oder Ordenskultur zusammenhing. Der Dämon nickte.

„Ich bin Lasiurus Borealis! Kampfbruder des ehrbaren Ordens der Exorcists. Captain der 1. Kompanie; ungebrochen im Dienste des heiligen Gottimperators!“

Antworte meiner statt die Gestalt, die mich jetzt, fertig geschmiedet, mit einer heiteren Belustigung betrachtete. Ihr Mund war wieder da, doch er hatte sich nicht bewegt, als sie gesprochen hatte. Ihre Stimme hallte stattdessen in meinem Kopf wider. Der Name bewegte etwas in mir. Er setzte ein langsames, rostiges Zahnrad in Gange… Wissen! Wissen, das nicht hohl war. Ich verstand es mit einem Mal. Dies war eine Erinnerung. Eine Echte. Mit ihr kamen der Blick in einen klaren Sternenhimmel. Lächelnde Gesichter, Träume, Hoffnungen… Es waren zu viele Eindrücke, um auch nur eine Hand voll davon greifen zu können. Waren sie etwa von mir? Von der Person, die damals das erste Mal durch die Festungstore trat; bevor sie unter die Messer der Apothecarii gekommen war?

„Ich habe nicht gelogen, als ich sagte, dass ich deine Seele reparieren muss, um zu erreichen, was ich will… Was wir beide wollen. Es ist alles noch in da. Ich kann es wieder hervorholen. Du hast Fragen. Ich habe die Antworten. Das Angebot lautet also wie Folgt: Du bist eine Waffe. Geschaffen, um Meinesgleichen vom Angesicht der Welt des Fleisches zu tilgen. Ich habe Feinde, die nach dem Untergang von uns beiden trachten und für die eine Präsenz im Immaterium nicht ausreicht, um sie vernichten zu können; Sie sind längst Teil der Reiche der Sterblichen. Ich gebe dir die Möglichkeit, deine verstümmelte Seele wieder ganz zu machen und umso die Kräfte zu entfalten, die in ihr verborgen liegen. Im Austausch nehme ich mir deine Worte, binde mich an deine Seele und forme dein Fleisch in meinem Namen neu.“

Die Stürme wurden intensiver. Ich dachte nach. Der Moment kam mir wie eine Ewigkeit vor. Mein Verstand fühlte sich nun klein und leer an; Wie ein Cogitator, dem man Teile seiner Speicherspulen entwendet hatte und dessen Maschinengeist sich gerade dessen bewusstwurde. Es war mir unmöglich, zu sagen, wo die Manipulation der Hypnoindoktrination aufhörte und wo die des Dämons anfing. Gab es überhaupt noch einen Unterschied? Wie sollte ich ihn überhaupt verbannen? Er hatte in dem Moment die Oberhand gewonnen, indem er meinen wahren Namen erfahren hatte. Damit hätte er sofort von meinem Körper Besitz ergreifen, oder mich gar auslöschen können. Warum sollte er mir trotz allem eine Wahl lassen? Das machte hinten und vorne keinen Sinn. Ich ließ mich in die künstliche, brennende Wut fallen, die mich auffing wie ein Kissen und deren Ursprung ich nicht zu erklären vermochte:

„Ich diene einzig und allein dem Gottimperator!“

Keuchte ich.

‚Abgesehen davon: Sie würden es bemerken.‘

Dachte ich.

„Du gehst nirgendwo hin. Du wirst entweder vernichtet oder eingesperrt, Doppelzüngiger!“

Fauchte ich.

Der alte Mann runzelte die Stirn:

„Ich bitte um Verzeihung: Ich habe mich nicht klar genug ausgedrückt. Deine Loyalität ist etwas, über das ich weder Macht haben will noch kann, ohne deine Seele zu beschädigen. Sie verbleibt allein deine Sache. Was das Aufspüren dieser Seele jedoch angeht… Das lass mal meine Sorge sein.“

Bei den letzten Worten begann er zu lächeln und entblößte dabei kurz spitze Reißzähne.

Dann wurde meine Seele abrupt aus meinem Körper gerissen. Alles verschwamm für einen Augenblick. Mein Geist schwebte formlos zwischen den Monstern, die sich Auge um Auge gegenüberstanden. Eines ungebrochen, aber entstellt, das andere unversehrt, aber leer.

„Wähle nun, Lasirius. Und wähle Weise…“​
 
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von Lasirius Bolrealis


Kapitel 2: Erwachen



Ich schlug keuchend die Augen auf.
Siedendes Blut pochte durch meine Adern, während sich meine verwirrten Sinne nach und nach neu entfalteten und begannen, sich scharfzustellten. Dieser Ort musste das schmucklose Apothecarium der Basilica Malefex sein. Es war ein altes Gemäuer; zugig und unerbittlich kalt. Durch die gebogenen, spitz zulaufenden Fenster brach die klare Nacht herein. Die gotische Festung wurde nur von dem matten Licht einzelner Kerzen und dem fahlen Schein der emsig arbeitenden Maschinen erhellt.
Schmerzen zuckten gedämpft durch einen Körper, der sich anfühlte, wie als hätte man ihn angezündet und dann brennend durch eine viel zu enge Öffnung gepresst. Ich spürte, dass sich in meiner geistigen Abwesenheit Eiskristalle unter meinen Augen gebildet hatten, deren Splitter nun lautlos an mir herunterrieselten.

„Sechs Tage. Sechs Stunden und Sechs Minuten. Wenn das mal kein Omen ist…“

Ich richtete mich auf und suchte die Quelle der Stimme, die klang, wie als würde man einen Felsbrocken in ein Mahlwerk werfen. Sie gehörte zweifelsfrei einem Astartes. Metallisches Werkzeug fiel scheppernd zu Boden und ein leises Fluchen ertönte in meiner Nähe. Dann bahnte sich der alte, humpelnde Krieger seinen Weg in meine Richtung und passierte eine Vielzahl von komplex verkabelten Maschinen, die surrten, piepten, klickten und blinkten. Der Medizintrakt glich eher dem Labor eines irren Wissenschaftlers als dem eines analytischen Heilers; Es war eine Werkstatt des Fleisches: Kein unnützes Gerümpel, keine Dekoration; Alles erfüllte einen Zweck. Auf der Pritsche neben mir lag ein grausam entstelltes Geschöpf, dessen ausgezehrter Körper hinter einem dünnen Sichtschutz verborgen war. Die Lichter auf der anderen Seite projizierten seine verdrehten Umrisse auf die Fläche zwischen uns; Eine Szenerie, die einem verkommenen Schattentheater gleich kam. Ich fokussierte das Zerrbild: Scheinbar hatte man das Wesen mit einem Tuch zugedeckt. Seine mutierten Umrandungen ließen seine Ähnlichkeit mit dem, was es einst wohl gewesen war, nur erahnen. Mein Blick glitt noch näher an das Ding heran. An manchen Stellen hatten lange, unkontrollierte Knochenauswüchse das Tuch durchstoßen, es besudelt und es rot gefärbt.

Moment, Woher wusste ich das?

Ich schreckte zurück, während meine schmerzenden Augen nach einem neuen halt suchten: Irgendwie hatte ich das Gefühl, das Wesen berührt zu haben, ohne es anzufassen. Ein wahrhaft widerwärtiger Gedanke. Die Missgestalt stöhnte rasselnd und feucht. Das unnatürliche Geräusch hörte sich an, wie als würde etwas bei jedem Atemzug seine eingefallenen Lungen zerstechen. Es stank so erbärmlich, wie es aussah.

Tat mir das Wesen etwa leid?

Ich löste meinen Blick von der geschundenen Kreatur und richtete ihn stattdessen auf den Neuankömmling: Die massige Gestalt ächzte leise und trat hinter dem ratterndem Cogitator hervor, der meine Vitalfunktionen überwachte. Die dicken Kabel der Maschine waren an meinen Carapax-Anschlüssen angebracht, die eigentlich für die Verschmelzung mit einer Servo-Rüstung konzipiert worden waren. Der Apothecarius wischte eine riesige Säge an seiner ebenfalls blutverschmierten Schürze ab. Ihre Tropfen hatten eine dünne Spur hinter seinem Träger zurückgelassen. Er legte sie zur Seite, drückte einen Knopf und die Kabel sprangen zischend aus meinen Handgelenken heraus. Neben dem Space Marine schwebte ein Servoschädel, der gerade seine letzten Werkzeuge reinigte und einklappte, wie ein Insekt nach einem ausgedehnten Mahl. Er erbrach ununterbrochen knisternden Maschinencode, der zu dem immer länger werdendem Pergament passte, das unermüdlich aus seinem Oberkiefer quoll. Das restliche schwarze Blut in den Kabeln floss aus den sich windenden künstlichen Adern und verteilte sich auf dem Boden, wo es sofort verklumpte und dann gefror. Ein Servitor würde sich wohl bald darum kümmern müssen.

„Ich bin Bruder Asklepios, Apothecarius der 8. Kompanie. Dich hat es ganz schön zerlegt da unten, Bruder Lasirius.“

Er betonte das Wort mit einer gewissen Feierlichkeit, die mir gegenüber bestätigte, dass das Aufnahmeritual wohl erfolgreich gewesen war. Wir umgriffen unsere Handgelenke; Ein terranischer Kriegergruß, der so alt war, wie die Zeit selbst. Ich wollte ihn ebenfalls verbal begrüßen, doch mein Körper verweigerte den Versuch. Etwas stimmte nicht. Ich griff erschrocken an meinen Hals.

„Du hast keine Stimmbänder mehr. Sie sind einfach… weg. Das habe ich noch nie gesehen... Des Weiteren habe ich eine kraniale Exostose, unzählige Muskel- und Faserrisse, sowie zwei symmetrische Knochenwucherungen unter den Schulterblättern festgestellt. Selbst dein Skelett hat der Bastard durch die Mangel genommen… Siehst hübsch aus, kleiner.“

Sein Tonfall ließ offen, ob er den letzten Satz ernst meinte, oder nicht. Ich nickte gequält, wie als ob ich auch nur die Hälfte der Worte verstanden hätte und machte mir Gedanken, wie ich selbige nun meinem Gegenüber vermitteln konnte.

Ich entschied mich für die Schlachtfeld-Zeichensprache unseres Ordens, die ich nun beherrschte, ohne sie je aktiv gelernt zu haben. Meine ersten Worte waren eine wüste Geste, die sich scherzhaft auf den Dämon und das Hinterteil meines von ihm gepeinigten Körpers bezog. Asklepius, der mit einem solch derben Humor nicht gerechnet hatte, brach in schallendes Gelächter aus und schlug mit der flachen Hand eine Delle in den Cogitator, an den er sich prustend anlehnen musste, um nicht umzufallen:

„Ich mag dich mein Bursche! Aber lass das mal lieber nicht die Plutonianer sehen… Die ziehen dir die Hammelbeine lang.“

Ich schaute nervös an mir herab. Mein Unterkörper schien, von den Schmerzen abgesehen, noch relativ normal zu sein. Lediglich meine Muskeln waren auf unerklärliche Weise gewachsen.

„Weißt du, die meisten verlieren irgendwie ihren Sinn für Humor bei dem Ritus, aber du scheinst ihn ja behalten zu haben.“

Ich lächelte und fühlte, wie sich viel zu spitze Zähne in die Lippen bohrten. Er bemerkte meinen fragenden Blick:

„Um genauer zu sein, reagieren die meisten auf zwei Arten: Sie werden entweder extrem still oder extrem komisch… nicht wenige sogar beides um ehrlich zu sein. Möchtest du einen Spiegel?“

Ich nickte, fasste mir an den dröhnenden Kopf, und bereute diese Entscheidung sofort wieder, als ein scharfer Schmerz durch meine Hand zuckte. Ich blickte ungläubig auf den Schnitt, der binnen Sekunden verheilte.

„Ein üblicher Fehler der neuen.“

Murmelte der alte, vernarbte Krieger und nahm mich genauer in Augenschein. Mir fiel auf, dass sein Atem zu dicken Nebelschwaden wurde, die sich wenig später in der kalten Luft aufzulösen begannen. Mein Atem tat dies nicht. Er war kalt. Mein Gegenüber holte einen ovalen, mit Runen verzierten Spiegel hervor, der achtlos in eine Ecke gestellt worden war. Es war der einzige seiner Art in der gesamten Festung. Ich betrachtete die verzerrte Fratze, die mir nun an Stelle meines Gesichtes entgegenstarrte: Meine Haut war gräulich und fahl, mir wuchs eine kleine Krone aus Elfenbeinfarbenen Hörnern aus dem Haupt und meine kompletten Augen hatten jetzt den dunklen Schimmer von blankem Obsidian. Die Pupille und die Iris waren auf den ersten Blick kaum noch zu unterscheiden, aber sie waren da. Diese Augen irritierten mich am meisten. Mehr noch als die fledermausartigen Fangzähne. Der alte Krieger ging um mich herum und zeigte mir meinen Rücken. Hinter meinen Schulterblättern waren zwei eigenartige, hervorstehende Hubbel, wie als hätte man mir dort Flügel abgetrennt.

„Dein Geist und dein Körper haben erbitterten Widerstand geleistet und letzterer tut es immer noch. Trotzdem wird es mit der Zeit wahrscheinlich schlimmer werden. Vor allem, wenn du viel Zeit im Kampf verbringst. Ganz umkehren wirst du‘s nich können, aber vielleicht n bisschen im Zaum halten.“

Ich nickte stoisch. Verglichen mit dem stöhnenden Haufen Elend neben mir, war ich geradezu glimpflich davongekommen. Als ich Bruder Asklepios erneut ansah, bemerkte ich, dass er, abgesehen von dem bionischen Bein, der beispielhaften Blaupause eines Astartes entsprach: Er war vollständig befreit von dem Makel des Immateriums; den inneren Sünden, die der Warp nach außen kehrte und uns anderen so bildlich auf die Haut schrieb. Diese abnormale Gewöhnlichkeit machte ihn besonders.

„Hörma, Ich würde gerne noch weiter mit dir plaudern, aber es gibt wichtigere Leute, die dich gern sprechen wollen.“

Ich stand auf und bemerkte, dass ich meinen Ordensbruder jetzt um einen halben Kopf überragte. Er nahm diese Tatsache mit einem Hauch von Skepsis zur Kenntnis.

‚Mit wem habe ich die Ehre?‘

Er las meinen Blick anscheinend wie ein Buch, antwortete aber zögerlich:

„Captain Echnaton von der 8. Kompanie… und der oberste Scriptor Goetos. Weiß der Deibel was der von dir will. Vielleicht biste ja n Zauberer, Bruder Lasirius?“

Er lachte erneut und reichte mir meine Roben. Ich schmunzelte, nickte ihm dankend zu und machte mich unverzüglich auf den Weg zu meinen neuen Befehlshabern.

Das Strategium war unterhalb der Festung; Tief in seinem Herzen um genau zu sein. Sie war aufgebaut wie ein gewaltiges Pentagramm, in dessen fünf spitzen Ausläufern sich, unter anderem, das Apothecarium, die Schmiede und der Sitz der Inquisition befanden. Um den zackigen Stern herum, dessen obere Spitze gen Norden zeigte, hatte man vor Urzeiten eine gewaltige, runde Mauer errichtet, dessen Wehrgang von unzähligen Wachtürmen und Sendeanlagen unterbrochen wurde. Ich durchquerte das „Kloster der Narben“, das sich genau in der Mitte der Anlage erstreckte und das somit alle anderen Teile verband. In dessen bedeutungsvollem Atrium begrüßte mich bereits das opulente, blutorange Ordensbanner: Unter dem weißen, gehörnten Totenschädel, der uns stetig an unsere Aufgabe erinnerte, und der gleichzeitig das Siegel des Librariums in anderen Orden darstellte, befand sich eine goldene Stickerei, auf der akribisch jeder bedeutende Sieg der Exorcists verewigt worden war. Es war nicht alt; Scheinbar war es erst kürzlich erneuert worden. Seit dem 13. schwarzen Kreuzzug und dem Warp-Riss, der die Hälfte der Galaxie vom restlichen Imperium abgetrennt hatte, kam dies häufiger vor. Ich ließ meinen Blick durch die fünfeckige Halle wandern, deren Inneres einer gewaltigen, grob gemauerten Kathedrale mit fein gearbeiteten Verzierungen glich. Die steinernen Totenschädel, welche die turmhohen Wände zierten, hatten kunstvolle Steinmetze in minutiöser Handarbeit in den sedimenthaltigen Fels gehauen. Der Geruch von duftenden Ölen und geschmolzenem Wachs drängte sich in meine empfindliche Nase. Ich musste blinzeln. Dieser Ort war heller als jeder andere Ort im Kloster. Das lag daran, dass für jeden gefallenen Bruder, dessen Überreste hier zur letzten Ruhe gebettet lagen, eine immer brennende Kerze angezündet wurde. Der warme Schein des leuchtenden Orchesters wiegte sich sanft und tanzte melancholisch zu den heiligen Litaneien, die ein paar meiner Brüder mit ihren Dienern zusammen angestimmt hatten. Scheinbar betrauerten sie gerade einen frischen Verlust. Sie befanden sich allesamt noch in voller Rüstung, die vernarbt, verbeult und immer noch verschmiert von getrocknetem, unheiligem Blut war. Ein Ordenspriester in ihrer Mitte erwies dem Toten seine letzte Ehre und hatte sein Zepter, das heilige Crozius Arcanum, zu den von den Monden beleuchteten Buntglasfenstern emporgereckt. Auch in ihnen waren die bedeutendsten Meilensteine unseres Ordens verewigt worden: Rote, blaue, grüne und violette Nimmergeborene duellierten sich dort mit ihren Schlächtern, deren Häupter strahlende Heiligenscheine zierten. Ihre bunten Schatten bedeckten gleichzeitig in verschiedenen Winkeln den Boden. Weitere, vereinzelte Kampfbrüder befanden sich in den schummrigen, abgelegenen Ecken und waren im stillen Gebet versunken, nur von dem sanften Schein weniger Kerzen erhellt. Sie hatten das Keramit bereits gegen Roben der gleichen Farbe getauscht und wurden von den gigantischen Statuen der heiligen bewacht, die als die tragenden Säulen des Saales fungierten.
Ich schritt durch einen abzweigenden Gang in Richtung des Kommandozentrums. Der Geruch von Weihrauch und Schwefel wallte mir jetzt schleichend entgegen. Die Luft wurde feuchter, der Weg breiter und mein Gang verlangsamte sich. Die von mystischem Licht erhellten, schiefergrauen Seiten der Halle säumten lebensgroße, steinerne Gargoyles, von denen jeder einzelne einst ein mächtiger Dämon gewesen war, dessen unheimliche Schatten nun die dunklen Wände der Halle peinigten. In ihnen allen steckte ein schimmerndes Abbild von genau dem Relikt, mit dem ein nun legendärer Krieger sie einst endgültig zu Fall gebracht hatte. Das heilige Silber war an exakt der Stelle angebracht worden, an welcher es den Nimmergeborenen tödlich getroffen hatte. Hinter Ihnen, von der Dunkelheit halb verborgen, standen die riesigen, gerüsteten Abbilder ihrer Bezwinger, die überlebensgroß und stolz über ihre Beute wachten. Ich schlenderte ehrfürchtig an ihnen vorbei und las dabei die wahren Namen der Unheiligen. Man hatte sie in leuchtenden Runen, und zu ihrem Spott, in die Steinsockel unter ihnen gemeißelt. Ein Kribbeln durchfuhr meinen Geist. Ich fühlte mich mit einem Male beobachtet und schaute mich um: Um einige der Statuen waren gewaltige, geschmiedete Ketten gelegt worden, die über und über mit Reinheitssiegeln und Schutzrunen versehen worden waren. Von den angeketteten Niegeborenen ging eine unerklärliche, bedrohliche Präsenz aus… Ich hatte sie schon immer latent wahrgenommen: Leise, wie ein Flüstern, das größtenteils von einem statischen Rauschen überlagert wurde. Nun aber war es so klar, wie als hätte man den Kanal eines alten Voxempfängers auf die gleiche Frequenz, mit der eines nahen Senderelais gebracht.

Es kündete unaufhörlich von Gefahr.

Ihre toten Augen glühten vor unterdrückter Gewalt, die Wände und der Boden um sie herum bedeckte formloser Ruß, wie als würde man sie verkohlen; So machtvoll war ihr immer noch verhallendes Echo. Ich betrachtete sie genauer: Namen und Bilder zuckten für einen Sekundenbruchteil durch meinen Geist:

Ein paar der Gestalten kamen mir mit einem Male auf groteske Weise vertraut vor…

Doch woher? Ich hatte lediglich mal hier und da von ihnen gelesen...

Ich spürte, wie ein Teil meiner Seele sich weigerte, sich den grausigen Statuen noch weiter zu nähern. Ich blickte wieder zu den Dämonenschlächtern auf: Langsam, wie rostige Zahnräder, die knirschend ihren Dienst wieder aufnehmen, erweckte sich in mir, genau wie beim ersten Mal als ich diesen Ort erblickt hatte, der kindliche Traum, einmal meine eigene Statur in diesen heiligen Hallen zu verdienen: Einmal Selbst ein Ungeheuer von einer so gewaltigen Bösartigkeit zur Strecke zu bringen, dass es auf ewig in die Annalen des Ordens eingehen würde.

Wie lang war es her, dass ich diese Bilder das letzte Mal vor meinem geistigen Auge gesehen hatte?

Ich bleib schließlich vor der letzten und größten bezwungenen Götzenstatue stehen. Sie thronte zwischen den zwei riesigen Türen, die beide weiter in das Innere des Heiligtums führen würden. Es war eine gewaltige, vogelhafte Kreatur mit einem kunstvoll gebogenem Schnabel und weit gespreizten Flügeln. Sie überragte mich um fast das Dreifache. Jemand hatte sich bei ihrem Erschaffen besonders Mühe gegeben und das hatte auch seinen Grund: Sie war unserem ersten Ordensmeister, dem sagenhaften Enoch Trismegistus gewidmet. Er war der erste Exorcist gewesen, welcher der unfreiwilligen Besessenheit durch einen mächtigen Dämon des Wandels, mit aller Tapferkeit, Würde und Entschlossenheit, die ein Space Marine aufbringen konnte, standgehalten hatte. Auf seiner schicksalhaften Erfahrung gründete sich nun die namensgebende Tradition des Aufnahmerituals unseres Ordens. Über seinem heroischen, steinernen Ebenbild prangte, in blank poliertem Gold, das weise Antlitz des göttlichen Imperators und schaute, eingerahmt von einem riesigen Heiligenschein aus goldenen Stäben, mit väterlicher Güte zu mir hinunter. Unter ihm befand sich ein nicht minder prunkvolles Banner, das in feierlichem Hochgotisch verkündete:

„Imperator Protegit“

Der Imperator beschützt.

Ich schaute zu ihm herauf und bedankte mich für seinen Beistand bei meiner eigenen Prüfung. Ich schlug das Zeichen der Aquila als Ehrerbietung und schritt durch die linke Tür. Auf meinem Weg durch den Irrgarten aus verzweigten Gängen, die von Fackeln, Kerzen und Maschinen erhellt wurden, betrachtete ich meine Umgebung genauer. Ich hatte mich noch nie so tief in die Eingeweide meiner Heimatfestung gewagt… bis jetzt.

Das Strategium, oder zumindest der Teil indem ich mich nun befand, war ein verdunkelter, ebenfalls fünfeckiger Raum. Seine Enden, die vollständig in den Schatten verborgen lagen, verband ein in den Stein eingelassenes Pentagramm. Der Raum glich aufgrund der Vielzahl an Schriftrollen und Büchern in den hohen Regalen schon fast einer kleinen Bibliothek. In seiner Mitte befand sich ein kreisrunder Tisch, dessen schwere Platte ebenfalls diverse Runen und Bannkreise zierten. Auf ihm standen genau fünf Kerzen in einem rituellen Muster. An seinem Ende saß eine einzige, hoch dekorierte Gestalt, gekleidet in die heilige Kriegerrüstung des Adeptus Astartes. Ein Engel des Todes, der einem Dämon in seinem eigenen Fleisch getrotzt hatte. Bei genauerem Hinsehen war er Bruder Asklepius nicht ganz unähnlich. Seine antike Rüstung war unzählige Male repariert, geflickt und neu lackiert worden. Dicke Narben zierten das Keramit, in das ebenfalls unzählige Bannkreise, heilige Verse und Schutzrunen geritzt, geätzt und gemeißelt worden waren. Ferner war sie mit dutzenden Talismanen geschmückt worden, die aus Steinen, Knochen und Schwur-Pergamenten bestanden.

„Setze dich, Bruder. Mein Name lautet Charon Echnaton. Ich bin der Captain der 8. Kompanie.“

Er hatte sich weder bewegt noch in meine Richtung gesehen. Seine Stimme war leise und dennoch so kraftvoll, wie als hätte er mich angebrüllt.

„Wisse dies, junger Akolyth: Der erste Schritt ist getan. Du bist nun ein Eingeweihter; einer der unseren und doch... befindest du dich gerade erst am Anfang deiner Reise.“

Er zögerte kurz und intelligente, tiefe Augen wandten sich den meinen zu, ohne auch nur im Geringsten von ihrer vom Warp berührten Verdorbenheit überrascht zu sein:

„Darf ich dir eine Frage stellen, Bruder?“

„Natürlich Captain!“

Versuchte ich zu antworten, abermals ohne Erfolg. Ich seufzte kaum merklich und wiederholte den Gedanken erneut, diesmal in Gebärdensprache.

„Wie hat es sich angefühlt? Es kommt nicht oft vor, dass jemand, dessen Körper so beschädigt wurde, so schnell wieder auf den Beinen ist. Nicht so stark. Nicht so… gefasst.“

Ich hielt seinem eisernen Blick stand, während meine Seele sich an einen Horror erinnerte, der meinem Geist dankenswerterweise verborgen blieb. In seine Augen zu blicken war, wie als würde man versuchen, etwas auf dem Boden eines beinahe unendlichen Abgrundes zu erspähen. Er nickte in einer Weise, deren Bedeutung ich nicht auszumachen vermochte.

Dies war ein verhör. Ich war der verdächtige.

Der Kommandant lehnte sich auf dem knarzenden Stuhl zurück und starrte gedankenverloren nach oben:

„Ich erinnere mich noch genau an meinen eigenen Aufnahmeritus… Es war… unbeschreiblich. Das Immaterium hat all meine schlimmsten Albträume aus meiner Seele gelesen, sie offenbart und sie dann anschließend wie ein Deck von Tarotkarten vor mir ausgebreitet. Es hat mir einen Arm genommen und mich verhöhnt, indem es mir die Fähigkeit gegeben hat, die Toten sprechen zu hören… Es hat mich für mein Leben lang verflucht, hat meine Seele und mein Fleisch geschändet... Was hat es dir angetan?“

Er spuckte aus und die aggressive Säure ätzte ein rauchendes, brodelndes Loch in den arkanen Stein. Er bemerkte, wie sich etwas in mir regte, als ich an die unerwünschten Veränderungen an meinem eigenen Körper dachte.

‚Es hat mir meine Stimme genommen… mein Skelett wie auf einer Streckbank gedehnt und meine Muskeln auseinandergerissen.“

Es war jenseits von einfach, diese Metapher mit Handzeichen zu verdeutlichen, die nicht für eine solche Art der Poesie geschaffen worden waren. Dennoch war es die zutreffendste Weise, die mir einfiel. Es war die einzig richtige Weise.

Hasst du uns dafür, dass wir dir das angetan haben?“

Der Captain legte interessiert den Kopf schief und ließ seinen Blick über mein entstelltes Gesicht wandern. Ich zögerte verdutzt:

Nein! Ihr habt lediglich die ehrenwerte Tradition unseres Ordens befolgt. Ja, es war der Dämon, der mir dies antat, aber euch trifft keine Schuld. Es war meine Entscheidung!‘

Ich gestikulierte nun deutlich energischer. Captain Echnaton schüttelte den Kopf.

„Du solltest uns dafür hassen. Es wäre schlau, uns dafür zu hassen. Der Hass macht uns stark.“

Seine vorher so ruhige Stimme glich nun dem bedrohlichen Donnergrollen eines nahenden Sturmes. Ich saß senkrecht vor Schock bei dem Verhalten, das einem Manne solchen Ranges, so gänzlich unwürdig war: Er hatte wahrscheinlich mehr über die auf kalter Logik basierenden Doktrine des Codex vergessen, als ich Jeh wissen würde. Blinder Hass war auf keiner seiner vielen Seiten zu finden. Ich versuchte dennoch die Fassung zu behalten, ja bloß keine Miene zu verziehen. Er sprach weiter:

„Was siehst du, wenn du an die gebrochenen auf der fernen Reise denkst?“

Ich dachte zurück an das zerschmetterte Etwas und es kroch mir kalt den Rücken herunter, als ich an diejenigen dachte, denen es noch schlimmer ergangen war:

Denen, die ihre Dämonen nicht loslassen konnten und nun, auf ewig, ein Dasein als fleischlicher Kerker für die Biester in ihrem Innern in fristeten. Erst der Tod ihres Wirtes würde sie wieder in das Reich schicken, aus dem sie gekommen waren.

Wieso…? Dieses Wissen fühlte sich fremd an. Niemand im Orden hatte mir dies erzählt. Es war geheim. Es musste geheim sein. Das war nicht gut…

Ich hatte zu lange gezögert, um Unwissenheit vorzutäuschen. Der Captain grinste jetzt. Dann wurde er mit einem Male sehr ernst:

Ich sehe Waffen. Waffen, die man entfesseln und auf den Feind werfen muss.“

Das hatte ich nicht erwartet. Der Satz traf meinen unvorbereiteten Geist wie ein Energiehammer den Kopf eines Häretikers auf der Schlachtbank der Ketzerei:

Das ist Häresie!‘

Brüllte ich so laut in meinen Gedanken, dass der Satz in meinem eigenen Kopf widerhallte. Echnaton schien die blanke Abscheu aus meinen unwirklichen Augen triefen zu sehen und schaute mich weiter belustigt an:

„Wir sind tote Männer, Bruder. Geister, die es nicht geben sollte. Jeder von uns steht mit einem Fuße schon im Grabe, sobald er überhaupt von unserer Existenz erfährt... Was bedeutet da noch ein weiterer Schritt auf einem unausweichlichen Weg, der so oder so in unsere Verdammnis führen wird? Der Orden muss stärker werden. Mächtiger. Größer. Wir dürfen keine Mittel scheuen! Kein Trick darf zu schmutzig sein, kein Opfer zu groß! -“

‚Was wollen Sie von mir?‘

Gestikulierte ich mit der plötzlichen Ruhe eines Totenpriesters, der gerade die letzte Messe für einen verstorbenen liest.

„Ich… will eine neue Ära erschaffen! Ich will Feuer mit Feuer bekämpfen! Ich will Blut für den Imperator, Schädel für den goldenen Thron! Der Feind muss mit allen Mitteln ausgelöscht werden! Ich brauche starke Krieger, wenn ich das durchsetzen will! Leute, die schlau sind; Jene, die die Wahrheit verstanden haben, die die Schwachen nicht akzeptieren wollen. Bist du einer von Ihnen?“

Ich schüttelte langsam den Kopf und spannte meine schmerzenden Muskeln an: Ich hatte genug. Sobald sich die Gelegenheit ergab, würde ich ihm seinen gotteslästerlichen Hals auf links drehen und seinen gebrochenen, zappelnden Körper höchstpersönlich zum nächsten Ordenspriester schleifen, damit er das Werk vollenden konnte. Mir war egal, dass er eine Rüstung trug und ich nicht. Es war keine blinde Wut, die meine Geist überrannte, es war ein zielgerichteter, klarer Zorn, der wie eiskaltes Wasser durch meine Adern pumpte. Lieber würde ich bei dem Versuch ihn zu überwältigen sterben, als vor ihm das Knie zu beugen. Die Luft bebte förmlich vor Anspannung. Er zog schweigend sein Energieschwert, aktivierte es bedrohlich und richtete seine knisternde Klinge direkt auf meine Brust. Durch meinen Geist zuckten mechanisch sämtliche Kampfdoktrine, die man mir für eine genau solche Situation in den Schädel gebrannt hatte. Keiner von uns beiden bewegte sich. Dann blitzte das Schwert auf und sauste, in einem für menschliche Gelenke unmöglichem Winkel, genau auf meinen Hals zu. Ich verlagerte kampfbereit mein Gewicht und ließ meine Arme nach vorne schnellen, um die mechanische Hand, die das Schwert umklammerte, noch irgendwie abzufangen.

Doch ich sollte sie niemals berühren.

Mein Körper erstarrte urplötzlich; Er gefror. Der Körper meines Kontrahenten tat das gleiche. Mit einem Mal war es kalt um uns herum geworden. Die dampfende Luft roch nach Ozon. Das knisternde Schwert flog in hohem Bogen durch den Raum und blieb zischend in einem der Bücherregale stecken; Wie ein warmes Messer, das man in einen weichen Block Butter geworfen hatte. Das schwere Holzregal fing sofort an zu qualmen, bevor der Geist der Waffe die Energiezufuhr kappte und das heilige Schwert mit einem schweren Scheppern auf dem Boden aufschlug.

„Du gehst wirklich immer aufs Äußerste, Bruder Echnaton. Irgendwann wird dich das deinen hitzigen Kopf kosten!“

Ein Astartes in langen Roben gab sich in den Schemen der Dunkelheit zu erkennen.

Wie hatte ich ihn nicht bemerken können; War er die ganze Zeit schon da gewesen?

Ein langer Stab, dessen Ende der Kopf einer silbernen Schlange zierte, wurde als erstes von dem flackernden Kerzenlicht berührt, als er langsam und bedächtig nach vorne schritt. Die Reflektionen in den Augen des leblosen Tieres, die aus glatten Opalen bestanden, ließen es fast so aussehen, als ob in ihnen ein loderndes Feuer glühen würde. Es war der Stab des Sabazius. Das heilige Relikt, das den psionisch talentiertesten Krieger des Ordens verfolgte… Ob dieser es nun wollte oder nicht. Im Moment war es der Besitz des obersten Librarius, das wusste ich. Ich blinzelte irritiert, als er näher kam: Etwas stimmte nicht mit dem Psioniker: Obwohl er jetzt vollständig beleuchtet und eindeutig vor mir stand, fühlte es sich so an, wie als würde ich geradewegs durch ihn hindurchsehen. Als er meinen verwirrten Blick bemerkte, nickte er kurz. Mit einem Mal spürte ich eine gewaltige Aura den Raum ausfüllen; So, wie als hätte man das Schleusentor zu einer elementaren, unbekannten Macht geöffnet, um ihn vollends zu fluten. Gleichzeitig zog der mysteriöse Psioniker seine Kapuze von seinem Gesicht und entblößte ein zerfurchtes Relief, dass aussah, wie als hätten sich grobe Steinmetze und unzählige Witterungen abwechselnd daran zu schaffen gemacht. Ich hatte noch nie einen so alten Space Marine gesehen. Die Allerwenigsten hatten das.

„Ich nehme an, das heißt, der Bursche ist sauber?“

Der Magier hatte den Mund des Captains anscheinend wieder frei gegeben.

„Ja, in der Tat. Das heißt es. Ich konnte keine Korruption in ihm wahrnehmen.“

Mit diesen Worten löste er den mystischen Bann vollständig. Der Captain fing sich geschickt aus seiner Bewegung, während mein eigener Schwung mich stolpern ließ und fast auf den Boden katapultierte.

„Dann herzlichen Glückwunsch, Jungspund! Willkommen in der 8. Kompanie!“

Echnaton reichte mir die Hand zum Kriegergruß, den ich zögerlich erwiderte. Er klopfte mir auf die Schulter und baute sich vor mir auf. Er war ebenfalls kleiner als ich. Ich sah verwirrt zu dem alten Zauberer, der das Schauspiel mit offensichtlicher Belustigung betrachtete.

„Du warst einer der Kandidaten, wo wir uns nicht ganz sicher waren. Deswegen der Zirkus, verstehst du?“

Ich nickte, immer noch leicht skeptisch. Echnaton neigte sich zu mir herüber und flüsterte mir zu:

„Aber ich hatte keine Zweifel um ehrlich zu sein! Ich erkenne das sofort.“

Ich spürte, wie der Librarius kaum merklich den Kopf schüttelte. Das verbesserte Gehör eines Astartes konnte, auf einem tobenden Schaltfeld, eine Stecknadel in einem benachbarten Gebäude fallen hören. So vernahm ich zum Beispiel, dass das Voxrelais an Echnatons Kragen leise klickte, als er eine Nachricht erhielt:

„Hey Meister, leiste dem Burschen noch etwas Gesellschaft. Ich werde leider grad dringend woanders gebraucht.“

Der Magier nickte und Echnaton wandte sich stattdessen mir zu:

„Weitere Befehle folgen in Kürze. Halte dich bereit und nutze die Zeit für dein persönliches Studium... Ich persönlich würde dir ja ein Wörterbuch nahelegen!“

Er verließ in Windeseile den Raum, während sein schallendes Gelächter über seinen eigenen Witz im Gang verhallte. Der alte Skriptor hielt sich eine Handfläche vor das Gesicht und stöhnte leise. Ich starrte ihn erwartungsvoll an. Wie als hätte er meine Gedanken gelesen, sprach er mit langsamer, trockener Stimme:

„Du hast viele Fragen nehme ich an. Die einfachste davon will dir zuerst beantworten: Ich bin Goetos, der oberste Librarius des Ordens. Meister des Kultes des zerbrochenen Turms.“

Mir bleib die Luft weg. Wenn das stimmte, war er über Sieben Tausend Jahre alt. Das sollte ihn eigentlich zu einer Berühmtheit im in der gesamten Armee des Imperiums machen! Auch wenn Astartes rein biologisch so gut wie unsterblich sind, so kam es doch höchst selten vor, dass ihre Lebensspanne eine einstellige Anzahl an Jahrhunderten überschritt… Geschweige denn sieben Jahrtausende. Hatte er die gesamte Geschichte unseres Ordens miterlebt?

„Alles zu seiner Zeit. Lass mein Alter erst mal meine Sorge sein… Das bringt uns gleich zum nächsten Punkt: Wie du sicher bemerkt hast, ist dein Potential für die Kunst seit deinem Ritual exponentiell gestiegen. Du hast es wahrscheinlich noch gar nicht richtig gemerkt, aber deine Gedanken sprudeln förmlich aus deinem astralen Körper, obwohl deine Seele beinahe schwarz ist. Das ist sehr… ungewöhnlich. Zeig mir, was du hier siehst.“

Er streckte seine gepanzerte Hand aus und ein regenbogenfarbener Feuerball erschien darin. Anders als die Kerzen warf er keine Schatten in seiner Umgebung. Es war, wie als wäre das Licht nur in meiner eigenen Vorstellung da. Ich spürte einen sanften Druck auf meinem Geist und hinter meinen Augen. Das Feuer war geradezu hypnotisierend.

„Du kannst nicht nur das Feuer, sondern sogar die einzelnen Farben sehen… Faszinierend.“

Ich schaute überrascht zu ihm auf. Ich bemerkte jetzt erst, dass der Librarius seinen Mund seit der Flucht von Captain Echnaton nicht bewegt hatte, obwohl er sich schon eine ganze Weile mit mir unterhielt.

„Ich möchte dich gerne Unterweisen. Selbstverständlich steht es dir Frei, selbst zu wählen, welchem Kult, du dich anschießt. Ich denke jedoch, dass der gebrochene Turm wohl die spannendste Wahl seien dürfte…“

Ich konnte kaum fassen, welche Ehre man mir hier zu Teil werden ließ: Der gebrochene Turm verwahrte die dunkelsten Schriften des Ordens und bildete die fähigsten Psioniker aus. Wissen ist Macht; Und dieser Kult besaß am meisten von beiden; Das Librarium war angesehen, geschätzt, Bewundert. Mittlerweile war mir klar, dass er meine Begeisterung spüren konnte. Er nickte zustimmend:

„Triff mich um Mitternacht im Atrium des Librariums. Dort werde ich dir deine erste Lektion zuteilwerden lassen.“
 
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Secret Heretic - Der Teufel im Innern - //Eine Exorcists-Geschichte//

von Lasirius Bolrealis


Kapitel 3: Ruhe vor dem Sturm


„Wir erreichen in Kürze das Zel-System. Notwendiges Personal bereit machen!“


Die sprunghafte Unruhe im Warp, die das quietschende und knirschende Schiff bei seinem Ausbrechen aus den reißenden Fluten des Unlichts verursachte, riss mich aus meiner tiefen Meditation. Die Kerzen in den fünf Ecken des Bannkreises um mich herum erloschen, obwohl sie nie wirklich im chemischen Sinne gebrannt hatten. Die Einzelteile der Boltpistole wurden mit einem Male aus der Schwebe befreit, die sie in der Luft gehalten hatte, und sie stürzten lauthals zu Boden. Um mich herum bebten und ächzten immer noch die Knochen des Kreuzers. Seit dem Beginn meines Trainings war kaum ein Monat vergangen; Vor circa einer Woche hatte ich den Befehl erhalten, mit dem Rest meines Trupps nach Zel Primus zu aufzubrechen, um dort einer marodierenden Rotte aus häretischen Astartes den blutigen Richtspruch des Imperators zu überbringen. Diese Zeit hatte für mich und Goetos gerade mal gereicht, um an den Grundlagen der Schutzzauber, der psionischen Wahrnehmung, sowie an denen der Telepathie und der Pyromanthie, zu kratzen. Es war viel zu wenig Zeit, obwohl ich zweiundzwanzig Stunden am Tag durchgehend trainierte. Für einen Astartes grenzte eine solch ausgedehnte Pause fast an Faulheit. Ich habe mich auch nur um Bruder Asklepios Willen darangehalten. Manchmal zumindest. Seltenst.

Das Schiff beruhigte sich langsam wieder. Mein Blick wanderte durch das dunkle Quartier, das in den letzten Tagen in ein perfektes Chaos aus Pergamenten, Büchern und arkanen Siegeln verwandelt worden war. Die Wände zierten exakt nachgezeichnete Symbole, hastig gemalte okkulte Zirkel und die Bruchstücke magischer Formeln. Aus der linken oberen Ecke schauten mich zwei neugierige, winzige Augen an. Sie gehörten einer kleinen Fledermaus, deren Art normalerweise auf Banish beheimatet war. Irgendwie hatte sich das Tier in mein Quartier verirrt und in einem seiner vielen Winkel Wache bezogen. Aus einem mir unerfindlichem Grund hatte ich dem Quartiermeister befohlen es nicht entfernen zu lassen.

War es vielleicht, dass sie mich beruhigte; oder erinnerte sie mich an etwas?

Dem menschlichen Diener war bei der Vorstellung, dass ein Engel des Todes sich über ein anderes Lebewesen Gedanken machen könnte, die Kinnlade heruntergeklappt. Hätte er dazu mein grauenerregendes Gesicht gesehen, hätte er wahrscheinlich bei dieser Ironie glatt einen Herzinfarkt bekommen. Es war ebenso ungewöhnlich, dass wir unsere Quartiere überhaupt dekorierten. Der Codex selbst sagte nichts zu solch unbedeutenden Lappalien. Das hieß aber auch, dass es nicht explizit verboten war. Der Boden bebte erneut, während die „Beelzebubs Rachefluch“ ihr noch mehrere Stunden andauerndes Bremsmanöver einleitete. Ich schloss meine Augen, die sich sofort an die Dunkelheit gewöhnt hatten, und begab mich wieder in Trance. Abseits vom Immaterium war sie klarer und nicht mehr von psionischen Störgeräuschen, oder sich durchziehenden Farben und Gerüchen überlagert. Dafür schienen meine Kräfte im Realraum etwas schwächer geworden zu sein. Ich streckte zur Übung meinen Geist aus und konnte in einem kleinen Radius um mich herum, die Hektik der kleinen Leuchtfeuer spüren, die durch das Schiff wuselten, um ihre Aufgaben zu erfüllen. Die Seelen meiner Brüder konnte ich immer noch nicht wirklich sehen. Sie waren wie Geräusche am Rand des Hörspektrums, von denen man sich nicht sicher sagen konnte, ob sie nun tatsächlich da waren, oder ob man sie sich nur einbildete. Goetos hatte mir versichert, dass dies für einen Anfänger normal sei. Den anderen Adepten war es genauso ergangen. Ich versuchte meine Wahrnehmung noch weiter zu schärfen, aber es fühlte sich an, wie als würde sich die Last auf meinem Geist geradezu exponentiell vergrößern. Dann fühlte ich einen stechenden Schmerz und ließ den reißenden Strom des Immateriums ruckartig los, wie eine viel zu schwere Hantel. Ich schüttelte mein vor Kälte brennendes Haupt und widmete mich wieder den anderen Disziplinen, die mir mehr Kopfzerbrechen bereiteten. Die Kerzen flammten zögerlich wieder auf, was ein tadelndes Quieken des Fledertieres zur Folge hatte und die Waffenteile erhoben sich nacheinander wieder in die Lüfte. Ich schloss meine eigenen Augen und betrachtete mich stattdessen durch die der Fledermaus. Um so effizient wie möglich zu sein, versuchte ich so viele Aspekte wie ich konnte gleichzeitig zu trainieren. Es dauerte zwar viel zu lange für meinen Ehrgeiz, doch es gelang mir wenigstens diesmal, die Waffe vollständig wieder zusammenzusetzen.

"Bruder Lasirius! Magos Chrom erwartet dich in der heiligen Rüstkammer!"

Ich schreckte hoch, wie als hätte mich eine Klinge durchstoßen. Ich war so tief in meiner Meditation versunken, dass ich nicht bemerkt hatte, dass Bruder Balthasar in voller Rüstung den Raum betreten hatte. Ich notierte diese Schwäche und beschloss, dass ich in Zukunft aufmerksamer seien musste. Ich betrachtete ihn durch meine Spektralsicht, konnte aber auch seine Seele kaum erkennen, obwohl er direkt vor mir stand. Sie war dunkel, wie als läge sie hinter steinernen Schatten verborgen.

‚Ich werde unverzüglich eintreffen.‘

Sprach eine tonlose Stimme in seinem Kopf. Die Telepathie war die wohl nützlichste der wenigen Fähigkeiten gewesen, die ich in der kurzen Zeit erlernt hatte. Es war die einzige, für die ich überhaupt so etwas wie ein natürliches Talent besaß. Vielleicht war es auch einfach nur die blanke Notwendigkeit gewesen, um mich verständigen zu können. Einige Brüder hatte dies am Anfang irritiert, die meisten hatten sich mittlerweile daran gewöhnt. Bruder Balthasar gehörte nicht dazu. Um seine Missbilligung zu spüren, musste man nicht die dunkle Kunst Hexerei studiert haben. Ich zog mir die blutrote Kapuze tief ins Gesicht und wir schritten durch die Gänge der Quartiere, die den Ordensbrüdern zugeteilt waren. Hektische menschliche Diener, sowie Servitoren und Techadepten, hechteten uns aus dem Weg und um uns herum. Diejenigen, die uns das erste Mal sahen, verneigten sich ehrfürchtig und schienen von einer archaischen Furcht gepackt zu werden. Die Erfahrensten Diener und die Techadepten sahen uns eher als sperriges Hindernis, dass ihre Aufgabe erschwerte. Ihren lobotomierten Sklaven waren wir egal.

"Ihr habt Ungeziefer in eurem Quartier. Dort sieht es aus, wie als hätte ein ganzes Regiment an Cadianern eine Übung für den Einsatz von Sprenggranaten abgehalten. Kümmert euch darum, bevor ich es dem Chaplain melde!"

Ich nickte gleichgültig. Meine Gedanken waren gänzlich woanders und der gute Ordenspriester hatte im Moment wirklich andere Sorgen: Die geifernden Diener des Blutgottes marodierten gerade durch das Zel-System und tränkten jeden Planeten und jeden Mond, der ihnen in ihre stachelbesetzten Klauen fiel, in das unschuldige Blut seiner in Panik kreischenden Bevölkerung. Dass ihr verzweifelter Hilferuf uns überhaupt erreicht hatte, grenzte an ein Wunder. Man hatte rund die Hälfte der 8. Kompanie nach Zel-Primus beordert, um dort der vor Blut triefenden Hydra endgültig den Rumpf zu versengen. Es sollte meine erste Schlacht werden; Das erste Mal, dass ich das heilige Ceramit in den blutroten Farben meines Ordens anlegen sollte. Dies war ein feierlicher Ritus, der es verlangte, minutiös vorbeireitet, exakt nach Protokoll durchgeführt, und von den Ordensdienern und Techpriestern gleichermaßen zelebriert und gepriesen zu werden.

Ich konnte ihre extatischen Chöre schon hören, bevor die voluminöse Enklave des Maschinenkultes überhaupt in Sichtweite kam. Unter den hochgotischen Litaneien befanden sich Verse in unverständlichem Maschinencode, dessen Rhythmus und Tonhöhe von reinster Perfektion war. Sie ergänzten das Lied wie ein anachronistisches Orchester. Vor den riesigen Türen verneigten sich zwei schwer augmentierte, geflügelte Diener mit stachelbesetzten, goldenen Totenkopfmasken und rot glühenden Augenlinsen. Sie arretierten die ebenfalls goldenen Energie-Hellebarden mit ihren groben, mechanischen Gliedern und nahmen Haltung an. Zwischen ihnen befand sich, auf viel zu vielen Beinen, ein in die Farben des Mars gehüllter Techpriester höheren Ranges. Sein siebter und einzig menschlicher Arm, der nekrotisch an einer unpassenden Stelle aus seiner zerlumpten Robe ragte, wiegte einen Weihrauchschwenker vor uns hin und her, während seine künstliche, metallische Stimme heiligen Binärcode rezitierte. Dies musste wohl Magos Chrom sein. Sein Gesicht war unter einer zerfransten, tiefroten Kapuze verborgen. Das helle Licht der vielen grünen Augenlinsen konnte sie jedoch nicht verbergen. Ich betrachtete ihn verstohlen durch meine zweite Sicht: Seine Seele hatte eine eigenartige Form. Sie war an manchen Stellen heller als die der Diener, an anderen war sie fast vollständig verdunkelt und abgestorben. Sie war unglaublich alt und zerrüttet, trotzdem jedoch Scharf wie ein Skalpell. Erst nachdem der unförmige Diener des Maschinenkultes seinen Ritus beendet hatte, verneigten sich seine Wachen erneut und öffneten mir das Tor. Mein Bruder würde draußen warten müssen.

Ich schritt würdevoll und bedächtig in das Heiligtum. Die Kapelle war ein perfekter Kreis, erleuchtet durch einen ungleichen Chor an Kerzen. Ihr flackernder Schein versuchte fast schon vergeblich, den dicken Dunst aus Schweiß, Maschinenöl und heiligen Kräutern zu durchdringen. Letztere verteilten biomechanische, fliegende Engel mit weiteren Weihrauchbehältern überall in der Umgebung. Die Luft knisterte von den Entladungen der vielen Anlagen und Apparaturen, deren Kabel und Rohre sich in einem dichten Wurzelgeflecht verloren. Die Priester und Knechte, an den Maschinen und Steuerpulten, waren in einem solchen koordinierten Durcheinander verstrickt, dass es schwer war zu sagen, wo der eine aufhörte und das andere begann. Ich marschierte stur nach vorne. Alles an diesen Ort war um eine kleine erhöhte Plattform in der Mitte zentriert, auf der stolz das heilige Siegel des Adeptus Mechanicus prangte: Ein Totenschädel, der zur Hälfte menschlich und zur anderen Hälfte Maschine war. Er teilte sich auf, pneumatischer Dampf zischte hervor und heraus kam ein Gestell, in dem die Magi meinen Körper befestigten, bevor sie ihn erneut zu weihen begannen. Der Gesang schwoll an und wechselte die Tonart, als erst das Chassis, und anschließend die schweren Rüstungsplatten, nacheinander mit massiven Stahlgreifern an mir befestigt wurden. Ohne die Servomotoren wäre es selbst für einen Astartes eine Herkulesaufgabe, sich in einer solchen Panzerung überhaupt fortzubewegen. Die Szenerie verstummte vollständig, als mein neuer Helm über mein gehörntes Haupt gesenkt wurde. Dunkelheit. Ein letzter Moment der Ruhe. Lediglich mein Atem störte noch die perfekte Stille. Ich spürte das schwere Einrasten von Energiekupplungen und Haltebolzen, als der Reaktor des Rückenmoduls sich mit seinem Unterbau verriegelte. Nach einer undefinierbaren Zeitspanne ruckte dieser kurz auf. Langsam verebbende Vibrationen durchschüttelten meine Rüstung, während er immer lauter und höher zu surren begann. Dann kam ein weiterer schmerzhafter Stoß, als die unzähligen Nadeln der Rüstung gleichzeitig in die dafür passenden Anschlüsse in meiner Haut schossen. Der Maschinengeist der Rüstung erwachte brüllend zum Leben, während die massive Schale mit einem Mal zu meiner zweiten Haut wurde. Die Helmsysteme fuhren hoch, kalibrierten sich und zeigten Zielmatriezen, Reaktorwerte und weitere Subroutienen, die die Rüstung überwachten. Sie teilten mir mit, dass die sich zischend justierenden Triebwerke meines Sprungmodules sich noch in der Aufwärmphase befanden. Das Voxrelais klickte und ich nahm den Gesang nun durch meine Autosinne wahr; deutlicher und detaillierter als zuvor. Ich neigte meinem Helm, dessen sensorgestütztes und von Runen durchzogenes Sichtfeld mein normales nun deutlich überstieg, und hörte das leise Schnurren frisch geölter Servomotoren in meinem Nacken. Ich ballte eine Faust und spürte die mechanische Macht durch meinen gesamten Körper fließen, als die künstlichen Muskeln knurrend meine Bewegung zu unterstützen begannen. Einige Techpriester knieten nun vor mir, insofern ihre stark mechanisierten Körper eine solche Bewegung überhaupt zuließen. Ich wusste, dass ihre Anbetung nicht mir galt, sondern der Maschine, mit der ich nun zu einer Einheit verschmolzen war. Der Gesang veränderte sich erneut, als ein weiterer Priester mir andächtig meine erste Waffe reichte: Es war eine moderne Plasmapistole. Ich nahm sie in die Hand und sie synchronisierte sich sofort mit meiner Rüstung. In meinem Sichtfeld erschien eine grüne Munitionsanzeige. Ein dünnes Fadenkreuz leuchte auf und zeigte an genau die Stelle, wo auch der Lauf der Waffe hindeutete. Als letztes brachte man mir meine Hauptwaffe: Das heilige Kettenschwert. Es war eine brutale und martialische Waffe, deren vor Kraft nur so strotzender Motor sich sklavisch dem Willen meiner Gedanken beugte. Die blank polierten Zähne, die zuvor mit heiligen Ölen gesalbt worden waren, bestanden aus hochreinem Silber. Sie spiegelten blitzend die blutrote Farbe meiner Rüstung wider. In die seitliche Panzerplatte war der gehörnte Schädel des Ordens eingelassen. Unter ihm befand sich eine der 666 hochgotischen Verse des Liber Exorcismus, der die Waffe und ihre künftigen Opfer gleichermaßen segnen sollte. Ich hatte den Vers selbst gewählt: Er kündete davon, dass wir fühlenden Wesen es sind, die unsere eigenen Dämonen erschaffen. Allein dieses Wissen konnte einem normalen Sterblichen den Kopf im Imperium kosten. Es war eine Warnung; Eine Erinnerung an eine Sentimentalität, deren schemenhafter Ursprung ich immer noch zu ergründen versuchte. Vielleicht gefiel mir auch einfach die Ironie, mit einem solchen Vers einem Niegeborenen den Garaus zu machen.

„Worte haben Kraft. Heilige Worte haben Macht. Teuflische Worte können korrumpieren und beschwören. Wählt eure Worte also mit Bedacht…“

Das war das Erste gewesen, was uns Meister Goetos gelehrt hatte. Obwohl es dem Priester, trotz oder gerade wegen seiner drastischen Augmentationen, sichtliche Mühe bereitete, die Waffe würdevoll emporzuheben, war sie in meiner gepanzerten Hand so leicht, wie ein Holzschwert in der eines starken, ausgewachsen Menschen. Der Gesang glitt in die letzten Verse seines tobenden Kanons. Ich bewegte mich nicht, während die rot gewandeten Diener des Maschinenkultes routiniert die letzten Riten, Diagnosen und Kalibrierungen vornahmen. Meine Helmsicht ging alle Modi, von Nachtsicht, über Wärmesuche, bis hin zu zwanzigfacher Vergrößerung durch. Die Triebwerke fauchten kurz auf und erloschen dann wieder. Die Injektoren für Schmerzsuppressoren und Kampf-Stimulanzien wurden justiert und mit meinen Vitalfunktionen synchronisiert. Dann fuhr das Gestell zurück und ich war tat meine ersten, den Boden erschütternden Schritte als vollständiger Krieger des Adeptus Astartes.

Als ich aus dem sich hastig wieder schließendem Tor trat, sah ich, wie sich der Ordenspriester der 8. mit Bruder Balthasar unterhielt. Von außen sah es so aus, als würden sie lediglich stumm Spalier stehen, doch das Klicken ihrer Voxrelais verriet ihre geheime Unterhaltung. Der Chaplain grüßte mich feierlich, gratulierte mir kurz, und ging dann seiner Wege.

"Bruder Lasirius und Bruder Balthasar: Kommt auf die Brücke, sobald diese buckligen Zahnradfi-"

Ein verdächtiges, kurzes rauschen hatte das Vox unterbrochen, als Bruder Echnaton bemerkt hatte, wer noch alles im Kanal war.

"...Sobald die ehrenwerten Diener des allmächtigen Omnissiahs mit ihrer heiligen Arbeit fertig sind."

Ich konnte mir ein tonloses Lachen nicht verkneifen. Ein Glück, dass es stumm war: Denn Bruder Balthasar hätte mich für diese unseriöse Handlung sicher getadelt, die er weder verstand noch je selber ausgeführt hatte. Das leise Surren seiner Nackenservos verriet mir, dass er kaum merklich den Kopf schüttelte. Auch wenn er als talentiertestes Mitglied unserer Scoutkompanie das Vorzeigebeispiel eines Space Marines war, beschlich mich der häretische Gedanke, dass er der einzige war, bei dem es mich nicht wunderte, dass ich seine Seele nicht spüren zu konnte. Wahrscheinlich war dies der Ursprung seiner Kraft. Die Sergeants hielten große Stücke auf ihn, und viele sahen ihn schon bald in der Enochianischen Garde der 1. Kompanie. Doch vorher würde er sich beweisen müssen. Echnaton schien seine humorlose Art ebenfalls etwas seltsam zu finden, doch hatte den Anschein erweckt, bereits an solche Kaliber gewöhnt zu sein.

"Komm endlich, Bruder."

Knurrte Balthasar, obwohl ich die ganze Zeit neben ihm gelaufen war.

"Und behalte deine häretische Hexerei für dich! Die Diener kriegen schon Albträume deswegen."

Ich wandte mich irritiert zu ihm um:

'Ich glaube ja eher, dass die Fluten des Warp dafür verantwortlich sind. Das ist nichts Ungewöhnliches… Ich habe auch irgendwie besseres zu tun, als unsere Besatzung zu terrorisieren, Bruder.'

Das war die falsche Antwort.

"Geh aus meinem Kopf, Hexer!"

knurrte die Stimme in meinem Helmvox, deren ohnehin schon harscher Klang nun von sprudelnder Abscheu noch weiter verzerrt wurde. Ich konnte sein Misstrauen gegenüber Psionikern bis zu einem gewissen Grad zwar verstehen, sein Verhalten jedoch war… wirklich kindisch. So ein Verhalten konnte nur von jemandem kommen, der keine Ahnung über die Funktion der Telepathie hatte: Für gewöhnlich sendete man seine Gedanken einfach durch die Leere; Man drang nicht in den Geist des anderen ein, sondern streifte ihn lediglich sanft. Ab diesem Punkt würde es an ihm liegen, das Empfangene zu interpretieren. Vermutlich klangen die Eindrücke bei jedem anders, vielleicht sahen sie sie auch oder spürten sie vielleicht sogar. In jedem Falle konnte ich mich jedoch verständlicher ausdrücken, wie mit dem begrenzten Vokabular der Zeichensprache. Dennoch erkannte ich den Fehler, den ich gemacht hatte. Ich beschloss lieber zu schweigen, und später den Chaplain zu fragen, was er von der Sache hielt.

Sonst wird es früher oder Später noch zu Problemen kommen.

Der runde Tisch des Strategiums wurde von den flimmernden Holoprojektionen der taktischen Anzeigen in ein unheimliches grünes Licht getaucht, das in der Nähe der brennenden Fackeln an der Wand endete. Der Raum war genauso eingerichtet, wie das dunkle Gemäuer von Banish. Man hätte fast vergessen können, dass man immer noch auf einem Schiff war.

"Ihr werdet die 4. Kompanie beim Sturm auf die Festung unterstützen. Bruder Balthasar übernimmt das Kommando. Die Einzelheiten erfahrt ihr im Thunderhawk. Wegtreten!"

Die Befehle von Leutnant Taediosus waren so knapp, wie sie präzise waren. Sie passten zu seiner viel zu ernsten, viel zu geradlinigen Gestalt. Seine einschläfernde Sprechweise wurde von seiner makellosen Sauberkeit unterstrichen: Nicht nur hatte seine Rüstung keinerlei Kratzer oder Dellen, sie war auch komplett frei von jeglichen Verzierungen oder unnötiger Heraldik. Selbst seinen Rang stellte er, im Vergleich zu jedem anderen Ordensbruder, nicht offen und stolz zur Schau. Drei Köpfe nickten, drei stählerne Fäuste donnerten gegen das glänzende Gold des geflügelten Totenkopfes auf unserer Brust. Sechs Herzen konnten die Aufregung der Schlacht kaum erwarten.
 
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Secret Heretic - Der Teufel im Innern - //Eine Exorcists-Geschichte//

von Lasirius Bolrealis


Kapitel 4: Feuertaufe



Das gepanzerte Landungsschiff rüttelte, als wir schweigend in seinem Bauch zu unserem Abwurfpunkt befördert wurden. Die Projektionen ließen das Abteil in heller Jade erstrahlen, während ein Servoschädel monoton die taktischen Einzelheiten herunterplärrte: Wir würden bei voller Fluggeschwindigkeit aus der Maschine stürzen und über einem Gebiet in der Nähe der Festung aufschlagen. Nach der Landung würden wir uns unseren Weg durch die feindlichen Truppen in Richtung unseres Ziels kämpfen, in welchem sich die Rotte aus Verrätern verschanzt hatte. Mit ihm würde die letzte Verteidigungslinie vor der Hauptstadt fallen. Unser Ziel war es, so viel Chaos und Verwüstung wie möglich anzurichten, während die Infiltratoren einen Weg in die Festung suchten, um dort die Koordinaten für einen Teleportangriff vorzubereiten. Ein orbitales Bombardement hatte nicht zur Debatte gestanden, da das gigantische Umspannwerk von einem dichten Energiefeld geschützt wurde. Diese Stellung war ungewöhnlich weitsichtig von den Berserkern gewählt worden: Sie war nämlich ebenfalls für die primäre Energieversorgung der Schilde der Hauptstadt verantwortlich.

Ich betrachtete mit heimlichen Seitenblicken meine Mitstreiter, während der surrende Schädel uns weiter mit Informationen beschallte. Balthasars makellose Gestalt war so ruhig wie die See. Der letzte im Bunde unserer dreiköpfigen Kampftruppe war ein Krieger, den ich nur flüchtig kannte. Ich hatte ihn lediglich ein paar Mal zuvor in meiner Scout-Kompanie gesehen, wo er nie sonderlich viel Aufsehen erregt hatte. Obwohl sein Ceramit von derselben Baureihe war wie das von Balthasar, hätten die beiden Rüstungen nicht unterschiedlicher sein können: Die von Bruder Herodon, so verriet es mir meine taktische Helmanzeige, war bis in den letzten Winkel mit religiösen Mantras des Liber Exorcismus und den sakralen Versen des Lectitio Divinitatus übersäht. Selbst hergestellte Talismane und Fetische waren mit größter Sorgfalt daran angebracht worden. Der fromme Zelot umklammerte eine goldene Gebetskette mit heiligen Insignien und Amuletten, die allesamt dem Gottimperator der Menschheit gewidmet waren. Ich vermutete, dass er unter seinem auffälligen, goldenen Helm gerade heilige Litaneien rezitierte. Sein Körper zuckte kurz; Mir war aufgefallen, dass er dies häufiger tat.

Welcher Dämon hatte wohl von ihm Besitz ergriffen, wenn er es geschafft hatte, ein solch unerschütterliches Wesen in einen derart religiösen Wahn zu treiben?

Mich beschlich wieder das Gefühl, beobachtet zu werden.

War es Bruder Balthasar?

Nicht wichtig. Ich schloss die Augen und ging noch einmal alle psionischen Fähigkeiten durch, die ich eher schlecht als recht beherrschte. Dann begann ich, meine Seele für den Kampf einzustimmen und meinen Geist für das Kommende zu wappnen. Ich schob, so wie Meister Goetos es mir gezeigt hatte, sämtliche Zweifel und Nervosität in eine dunkle Ecke meines Bewusstseins, und schloss sie hinter einer pechschwarzen Wand aus Eisen weg. Furcht kannte ein Space Marine nicht. Nicht einmal im übertragenen Sinne.

"Unterstützungstruppe Hasatan, Vox check! Könnt ihr mich hören?"

Captain Echnatons gefasste Stimme wurde von den Interferenzen der Kampfgeräusche überlagert. Da wir in seiner Vox-Reichweite waren, dürften wir uns bereits in der Nähe unseres Ziels befinden. Bruder Balthasar antwortete zuerst:

"Judex Imperatoris, Vox check!"

Bruder Herodon folgte als Nächstes:

"Sanctus Acolythus, Vox check!"

Da wir es mit Mächten zu tun hatten, die sich von der Kraft von Symbolik nährten, trug kein Kampfbruder seinen echten Namen in die Schlacht. Es war stattdessen Tradition geworden, dass man sich die Titel oder Namen imperialer Heiliger zulegte, um allein damit dem Feind ein Unbehagen zu bereiten. Die Ausnahme bildeten die ehrwürdigen Veteranen, die sich die Namen ihrer besiegten Dämonen zu eigen machten, um so ihren Gegner zu demütigen. Die erfahrensten unter ihnen hatten genug Namen beisammen, um Ganze Pergamente damit auszufüllen.

„Angelus ex Machina. Vox check.”

Die metallene Stimme, die durch den Kanal kratzte, war nicht meine Eigene. Um mit meinen Brüdern auf dem Schlachtfeld kommunizieren zu können hatte ich, zusammen mit unserem Ordenspriester, eine Idee ausgeheckt, die uns auf dem Mars vermutlich auf das Schafott der Technohäresie gebracht hätte: Der Chaplain hatte heimlich einen vertrauten Techpriester mit ihrer Umsetzung betraut: Für Magos Talos Chrom waren die eisernen Dogmen des Adeptus Mechanicus, die sie eigentlich an die technologische Stagnation banden, eher nett gemeinte Ratschläge als undiskutierbare Axiome. Das Konzept war denkbar einfach: An meiner Hüfte befand sich ein zweckentfremdeter Servoschädel, dessen organisches Gehirn ich mir zu Nutze machte, um mit dem eingebauten Voximplantat auf das Netz zugreifen zu können. Der ihm verbliebene menschliche Geist war so schwach, dass es ein leichtes war, ihn mit meinen Gedanken zu übernehmen.

Die Flut an strategischen Erklärungen an der stoppte so abrupt, wie sie angefangen hatte. Die kurze Stille, die darauf folgte, wurde bald unter dem Summen und Zischen unserer hochfahrenden Triebwerke begraben, die sich auf den Absprung vorbereiteten. Gleich würde es so weit sein.

Der Pilot gab die Freigabe und öffnete die Rampe im Heck. Verkohlte Luft und Asche schossen sofort in den schmucklosen Laderaum, und entfesselten einen peitschenden Sturm auf dem Deck. Ein gemartertes Licht brach herein, das fast denselben Schimmer wie unsere blutroten Rüstungen besaß. Bruder Herodon ließ einen Kampfschrei los, der so enthusiastisch war, dass das Vox seine übersteuerte Stimme runterregeln musste. Dann preschten wir nach vorne, sprangen gleichzeitig aus der Landefähre und begaben uns in den freien Fall. Zwei andere Trupps neben uns taten das Gleiche aus ihren Fliegern. Mein Visier adaptierte sich sofort, als wir durch die rußgeschwärzte Wolkendecke brachen. Unter uns bot dich der Anblick eines Kataklysmus:

Ich ließ meinen Blick aufmerksam durch die mutierte, sich windende Wüste schweifen, deren Boden vor aufgewirbeltem Schmutz kaum noch zu erkennen war: Unzählige zuckende Laserstrahlen durchschnitten die unförmigen Staubwolken, wie ein helles Nadelgewitter. Kriechende Berge aus Knochen und Fleisch wuchsen zwischen ihnen empor. Ihre tentakelartigen Auswüchse pulsierten abartig, während sie mit ihren vielen Augen und Mäulern an dem verkommenen Himmel leckten, wie als wollten sie ihn nach unten ziehen, um ihn dort zu verschlingen. Ein Unlicht aus sich überlagernden Farben peitschte die violetten Wolken am Horizont in die Formen dunkler Omen, und in die von lachenden Dämonenfratzen. In sie ergossen sich unregelmäßige Ströme aus glühender Lava, die wie umgekehrter Regen in die Höhe stiegen, nur um anderer Orts wieder als Gift und Schlacke herabzufallen.

Dies war buchstäblich die Hölle auf Erden.

Ich erkannte die ernüchternde Wahrheit sofort:

Diese Welt war bereits verloren.


Wir waren nicht hier, um sie zu beschützen; Unsere Aufgabe war es weder, den Feind zu bekämpfen, noch um ihn zurückzudrängen. Wir waren hier, um ihm mit einem harten und schnellen Schlag das Rückgrat zu brechen, bevor sich seine Korruption auf die umliegenden Systeme ausbreiten konnte.

Eines der wichtigsten Maxime des Kodex schoss mir durch den Kopf:

…Der Schlange so schnell wie möglich den Kopf abschlagen.

Die Menschlichen Verteidigungstruppen des Astra Militarums hatten tapfer gekämpft, und ihre verstreuten Überreste taten dies noch immer. Trotzdem würde ab jetzt jede ihrer Missionen ein Himmelfahrtskommando im Namen des Imperators darstellen. Wenn die Dämonen sie nicht holten, würde es die Inquisition tun; Insofern es nicht die Plutonianer waren, die sogar unserer Existenz duldeten. Das war zumindest meine Hoffnung, aber damit würden sich ranghöhere Ordensbrüder herumschlagen müssen.

Der Boden kam näher. Wir griffen so an, dass wir die Sonne im Rücken hatten; Nicht, dass es in dem Chaos jemand bemerkt hätte, in das wir uns stürzen. Wir dreht uns so, dass die Nachbrenner unserer Sprungmoduldüsen geradlinig auf den Boden zeigten. Dann zündeten wir unsere Triebwerke gerade so weit, dass uns der Einschlag nicht töten würde. Drei Engel des Todes stürzen sich mit brennenden Flügeln vom Himmel und schmetterten in einen Sumpf, von dem ich nicht mehr sagen konnte, ob er jetzt aus Fleisch, Blut oder Matsch bestand.

Das war unwichtig.

Der Boden erhob sich wellenförmig um mich herum, während meine beschleunigte Masse seine zähflüssige Oberfläche verdrängte. Die menschlichen Kultisten regneten noch als rote Klumpen durch die Lüfte, während die wütenden Schreie der pulverisierten Dämonen leise in meinem Geist widerhallten. Meine Helmlinsen brannten die klebrigen Verunreinigungen sofort weg, noch während ich den Kopf hob.

Ich brauchte weniger als einen Herzschlag, um mich zu orientieren, und noch bevor mein zweites Herz gepocht hatte, fand der Zorn meiner aufjaulenden Kettenklinge auch schon sein erstes Ziel: Das rote, ziegenbeinige Etwas fluchte in einer dunklen Sprache, während sich seine in drei Hälften geviertelten Bruchstücke in schwarzem Rauch auflösten. Er würde nicht der letzte sein.

Unsere Einheit mähte sich durch unsere Feinde, wie eine Sense durch das Korn. Unser Radius vergrößerte sich stetig, und bald zerfielen wir in unsere ursprünglichen, dreiköpfigen Kampftruppen.

"Zusammenbleiben!"

bellte Bruder Balthasar durch das Vox, während wir uns durch eine dicht bewucherte Savanne schnitten. Wir waren mittlerweile am Rande einer Kulisse aus halb eingestürzten, vom Kampf gezeichneten Ruinen angelangt. In der Ferne konnte man bereits die ersten Zinnen der Festung, und die bläulichen Entladungen des belagerten Energiefeldes sehen.

Es lief gut. Zu gut.

In mir kroch steigend der häretische Gedanke hoch, dass irgendetwas nicht stimmen konnte. Ich atmete rhythmisch durch, um meine Meditation wieder zu festigen. Wir metzelten weiter eine blutige Schneise aus Tod und Vernichtung in die Linien des Feindes, bis weitere Häuser um uns herum erschienen. Sie standen nun dichter gedrängt und stammten vermutlich aus einem verlassenen Wohnkomplex. Das ungute Bauchgefühl kam zurück und pochte nun stärker als zuvor durch meine Adern.

Die letzten Zielanzeigen meines Helmes erloschen, als Bruder Herodon seine Klinge aus dem Befehlshabenden Dämonen einer Horde zog, die sich besonders verbittert an ihr sündhaftes Leben geklammert hatte. Meine eigene, von verkrustetem Blut bedeckte Klinge bockte beunruhigend im Torso eines feindlichen Leichnams, bevor sie vollständig verstummte.

Die plötzliche Stille war ohrenbetäubend.

Wir waren auf einmal alleine in einem Berg aus verdrehten Leichen und den rasch verwesenden Resten reiner Warpenergie. Ich schaute mich das erste Mal seit der Landung genauer in meiner Umgebung um: Scheinbar war dies einst eine Art Marktplatz in einem abgelegenen Außenposten gewesen, um den sich ein kleines Dorf gebildet hatte. Schlechte, und grob gearbeitete Statuen imperialer Heiliger zierten jede Ecke und jeden Winkel des Ortes. Wie es aussah hatte man sie unter größter Hast und Not zusammengezimmert. Dennoch waren viele von ihnen, trotz ihrer schäbigen Handwerkskunst, auf grausamste Weise mit den verstümmelten Leichen derer entweiht worden, die bis zuletzt an sie geglaubt hatten. Bruder Herodon betete leise für sie, während ich und Balthasar unsere Pistolen durchluden. Ich sah auf und inspizierte meine Brüder genauer: Wir alle waren braun vor Schlamm, schwarz vor Asche und Rot vor Blut. Letzteres überdeckte die vielen Schrammen und Kratzer in den Panzerplatten und gab unseren Rüstungen eine widerwärtige, spiegelnd-klebrige Oberfläche, deren Farbe sich dadurch jedoch nur geringfügig änderte. Bruder Herodons Sprungmodul war im Kampf beschädigt worden und spuckte gelegentlich Funken, aber es würde trotzdem noch funktionieren; wenn auch mit Einschränkungen. Ich meldete Bruder Balthasar, dass ich die Kette meines Schwertes wechseln musste. Als ich es mit einem feuchten Schmatzen aus dem mutierten Kadaver herauszog bemerkte ich, dass sie mittlerweile vollständig mit organischen Überresten und Knochensplittern verstopft war. Ich betrachtete sie durch meine vergrößernde Helmsicht: Die geweihten Zähne waren durch die kontinuierliche Benutzung entweder blank geschliffen, wurden stumpf, oder fehlten gar komplett. Bruder Balthasar sprach in der kurzen Zeit, die die Wartung in Anspruch nahm, mit unseren Befehlshabern, um uns neu zu koordinieren. Ihm selbst hatte man ein selteneres Energieschwert als Rangabzeichen anvertraut.

Wir gingen weiter in die Mitte des Platzes, und versammelten uns vor einem Podest mit mehreren Galgen, die mit Knochen verziert worden waren. Von ihren Stricken und Ketten baumelten noch weitere ausgeweidete Körper und abgetrennte Gliedmaßen. In ihrer Mitte stand eine grausame Opferstädte, von deren Seiten, wie aus einer verfluchten Quelle, immer noch unablässig Tränen aus frischem Blut herabliefen. Davor waren Acht menschliche Schädel zu einem kleinen Haufen gestapelt worden. Vermutlich handelte es sich hier um die ehemaligen imperialen Stadthalter des Ortes. Bruder Herodon trat, mit aller Verachtung, die er aufbringen konnte, den triefenden, dunklen Altar kaputt. Das dunkle Gebilde kreischte und wimmerte gequält, während es unter der massiven Wucht in Fetzen barst. Die rauchenden Steinsplitter wanden sich wie Würmer auf dem Boden, bevor der Akolyth sie ebenfalls zerstampfen konnte. Ihr dickes Blut verschmierte einen großen, dunklen Bannkreis, der geradezu nach ihrem Lebenssaft zu dürsten schien. Ich trennte ihn lediglich mit einem Wischen meines Fußes auf, und widerstand damit der Neugier, ihn durch mein körperloses Auge zu betrachten. Es wäre aus vielen Gründen unklug gewesen, meinen Geist an einem solchen Ort zu öffnen. Dennoch brannte sich ein Echo der hier begangenen Gräueltaten, gegen meinen Willen, in den stählernen Schild, den ich um meine Seele gelegt hatte.

Wir marschierten zügig weiter zum Sammelpunkt und passierten eine Straße, die uns durch ein plötzliches Dickicht führte. Die Frequenz der Hütten begann langsam abzunehmen, als die Natur wieder das Ruder übernahm. Wir kamen an eine abgelegene Lichtung, die spärlich von zerstörten Fabrikgebäuden umrandet war. Vermutlich der Vorplatz einer ehemaligen Tempelanlage des Mechanicus am Rande des Dorfes. Zerschmetterte Ikonen mit künstlichen Gliedmaßen und tiefen Kapuzen säumten den Platz, seine ehemals majestätische Vegetation nicht mehr als ein verbrannter Schatten seiner selbst. Eine Statue fiel mir besonders ins Auge: Sie war als einziges von hoher Qualität und auch wenn sie nun kopflos dastand; Ihr goldener Rapier zeigte immer noch stolz nach vorne auf unser Ziel. An ihrem Fuße trafen wir ein einige andere Trupps, von denen ein paar bereits nicht mehr vollständig waren. Ihre Verfassung glich in etwa der unseren. Es waren viel zu wenige für einen Großangriff.

Wo waren die anderen?

Wir salutierten vor Captain Echnaton, der sich an unserer Spitze befand und unablässig Befehle in die Reihen brüllte. Wir schritten ins Glied und formierten uns neu. Die Erde begann zu beben. Es war wie der Donner eines anschwellenden Sturms, der sich genau in unsere Richtung bewegte. Der Captain verstummte mit einem Mal und wir hielten inne. Das Gefühl von drohender Gefahr brannte jetzt wie Eis auf meiner Seele.

Dann hörten wir alle geschockt das lauter werdende, bedrohliche Mahlen unzähliger Kettenäxte, die sich kreischend durch Holz, Metall und Stein bissen. Sie kamen von überall: Aus dem Unterholz, aus den zerstörten Gebäuden, aus den nahen Bunkeranlagen, und sogar aus dem Boden selbst. Wir begannen, auf Captain Echnatons Befehl hin, eine rudimentäre Verteidigungshaltung einzunehmen, doch es war zu spät:

Die Falle war zugeschnappt.

Wir waren umzingelt.

Es waren keine Kultisten und keine niederen Dämonen, die uns auflauerten. Es waren Astartes. Verdreht und verschandelt von unzähligen Kämpfen, jahrhunderter langer Verwahrlosung, und ihrer eigenen, inneren Verdorbenheit, die der Warp nun in unterschiedlicher Intensität nach außen kehrte. Ihre karmesinroten Rüstungen zierte schmutziges Messing, aus den teilweise fehlenden Panzerplatten barsten unmögliche Muskelpakete, und ihre Waffen waren einem grausamen Götzen geweiht, der genauso nach ihrem Blut trachtete, wie er es nach unserem tat. Sie alle schmückten sich mit finsteren Trophäen, die von den zahllosen Massakern kündeten, die sie in ihrem sündhaften Unleben begangen hatten. Das schlimmste waren jedoch ihre Gesichter; nur wenige von ihnen trugen noch ihre Helme: Es waren vernarbte, grob gehauene Abscheulichkeiten, in deren kleinen Augen sich der Schmerz des blanken Wahnsinns spiegelte. Sie alle hatten die gleichen Schädelimplantate, deren Ausläufer, wie die grausame Parodie menschlicher Haare, aus ihren Köpfen ragten. Sie knurrten, geiferten und zuckten unkontrolliert, wie ausgehungerte Bestien, die sich ihrer wehrlosen Beute gegenübersahen.

"Beim Imperator, das ist ein Hinterhalt!"

stellte Bruder Balthasar endlich das offensichtliche fest.

"World Eaters!"

fauchte Bruder Herodon.

Sie preschten ohne Vorwarnung los. Mein Trupp, der einzige mit Sprungmodulen, erhob sich sofort in die Lüfte und jeder von uns wählte das Ziel, wo er am meisten Schaden anrichten konnte. Die ersten Bolterschüsse donnerten durch die Luft, und der Platz versank augenblicklich in eine Kakophonie aus Blut, Schreien und Staub. Da beide Seiten gleichermaßen rote Rüstungen trugen, musste ich mich vollständig auf mein internes Zielsystem verlassen, das deutlich mehr Ziele in dem Chaos markierte, als mir lieb war. Um Captain Echnaton war bereits nach wenigen Sekunden ein beachtlicher Berg aus zersägtem, häretischem Fleisch entstanden. Ich wich einem herannahenden Querschläger aus. Mein Blick wanderte unter Hochdruck weiter, und entschied sich für einen nahen Dreiertrupp am Rande des Gemetzels. Ich krachte mit der Gewalt eines kleinen Meteoriten in die unvorbereitete Kriegerschaar, und der Schlamm barst in einer nassen Welle auseinander. Die Anzeige meines Sprungmoduls wechselte auf Rot, doch ich nahm sie kaum wahr. Mein primäres Ziel zerfetzte ich, noch bevor sein massiger Körper auf dem Boden aufschlagen konnte. Die anderen beiden hatten schneller reagiert, und der Einschlag hatte sie lediglich zurückgedrängt. Der Ketzer zu meiner rechten richtete seine röhrende Axt in den Himmel und brüllte über den Lärm hinweg:

"BLUT FÜR DEN BLUTGO-"

weiter kam er nicht, da ein sengend heißes Geschoss aus ionisiertem Gas seinen grotesken Schädel, wie einen überreifen Kürbis, zerplatzen ließ. Die Zielmarkierung, die sich immer noch mit meinem Fadenkreuz überlagerte, erlosch augenblicklich, als der vom rotem Nebel seiner letzten Gedanken umgebene Leichnam knirschend in sich zusammensackte. Meine Pistole knisterte leise von der elektrischen Entladung.

Es schien wohl zu stimmen, was man über ihren Gott sagte; Vielleicht besaß er ja auch einen sehr dunklen Humor, der das missglückte Husarenstück bestrafte, sich ohne kraniale Panzerung in ein Schlachtfeld werfen zu wollen, das genauso von Fernkampfwaffen, wie von Klingen regiert wurde?

Meine Aufmerksamkeit galt nun demjenigen, den ich als den ältesten und erfahrensten unter ihnen ausgemacht hatte: Er trug eine gepanzerte Halbmaske, und wartete gar nicht erst auf eine Einladung meinerseits. Er schoss mit einer Geschwindigkeit auf mich zu, die ich seinem bulligen Kaliber niemals zugetraut hätte. Währenddessen blockte er, mit der breiten, gepanzerten Seite seiner messingverzierten Kettenaxt, routiniert die bläulich leuchtenden Plasmageschosse aus meiner Waffe. Das grausame Artefakt heulte auf, als es wie eine Guillotine auf mich herabfuhr. Es war mehr mein Instinkt als mein Können, der mir in diesem Moment das Leben rettete. Ich parierte ächzend die rasch aufeinander folgenden Hiebe. Jeder einzelne von ihnen barg eine Wucht in sich, die der von vom Himmel herabstürzenden Granitblöcken gleichkam. Meine Rüstung vibrierte jedes Mal, wenn die kreischenden Servos und Muskeln gleichermaßen beim Versuch versagten, die Einschläge vollständig zu dämpfen. Mein Konterhieb ging ins Leere. Das Monstrum setzte eine rasche Finte und holte zum Vernichtungsschlag aus. Ich ließ in einem letzten Akt der Verzweiflung meinen Geist in ihn fahren, und konnte, für den Hauch eines Wimpernschlages, tatsächlich seine Bewegungen vorrausehen. Dann brach auch schon eine brennende Flut aus Wahnsinn und Schmerz über mich herein. Ich kappte sofort die mentale Verbindung, deren Rückkopplung dabei war, mir Hören und Sehen zu nehmen. Ich schmeckte Blut und fühlte etwas Klebriges aus meinen dröhnenden Ohren laufen. Meine Wahrnehmung kippte unter meinen Füßen weg und nur die geballte Anstrengung meines gesammelten Willens konnte sie noch zusammenhalten. Ich riss verbissen meine Klinge empor, doch es hatte nicht gereicht: Die hungrigen Zähne der Axt bissen sich an meinem viel zu hastig gehobenen Schwert fest. Ich versuchte es wegzureißen, doch es gelang nicht. Im Gegenteil: wie als wollten sie sich rächen, säbelten die schartigen Messingzähne meine eigene Waffe gnadenlos entzwei. Gleißender Zorn überschrieb für einen kurzen Moment meine Kampfmeditation und ich schmetterte den rauchenden Stumpf der heiligen Waffe würdelos in das verzerrte Gesicht des World Eaters.

Das hatte er nicht erwartet.

Auch wenn der ehrenwerte Robute Guilliman höchst persönlich auf ein solch billiges Manöver gespuckt hätte, so erkaufte es mir doch die wenigen Millisekunden, die ich brauchte, um mein Sprungmodul erneut zu zünden, und mich außerhalb der Reichweite seiner aufkreischenden Dämonenwaffe zu katapultieren. Ich kam nach einer hastigen Rolle wieder auf die Beine und las mit meinem psionischen Willen eine weitere Dämonenaxt vom Boden auf, während ich den abgeschlagenen Kopf ihres ursprünglichen Besitzers in den Schlamm trat. Die Waffe flog mit einem schweren Klacken in meine Hand, wie als wäre sie magnetisiert worden. Als ich mich umsah, erblickte ich zu meinem Schock, dass Captain Echnaton unter einer gewaltigen Flut aus Angreifern begraben wurde. Ich wollte ihm zur Hilfe eilen, doch mein eigener Kampf war noch nicht vorüber. Ich ballte die Faust um meine gerade erstandene Kriegsbeute: Die grobe, ölige Waffe bockte widerwillig in meiner Hand, doch sie gehorchte. Ich bemerkte, dass mein Gegner, der sich die ganze Zeit in meinem Augenwinkel befunden hatte, nun langsam und umso wütender auf mich zu stampfte. Seine vom Warp verdrehte Kettenaxt strahlte mittlerweile eine Aura purer Bösartigkeit aus. Er ließ sie als stumme Provokation an seiner Armschiene herabgleiten, und viel zu rote Funken regneten herab. Dann verschwamm er für einen Augenblick und ich fing seinen nächsten Schlag nur durch mein Gehör ab, welches das leise Sirren der Luft wahrnahmen, die das barbarische Mordwerkzeug vor meinem Körper zerschnitt. Sein klirrender Schlag prallte von meiner Waffe ab, schrammte erst über meinen Helm und dann über meinen Schulterpanzer. Ich trat ihn rund einen Meter zurück und nun war es an ihm, meine ihm an Wildheit um nichts nachstehenden Hiebe zu blocken. Ich brauchte Zeit. Mit reiner Körperkraft würde ich ihm nicht ewig standhalten können. Ich beschloss, das Kunststück von vorhin noch einmal in leicht abgewandelter Form zu wiederholen: Ich vergrößerte in einem letzten Kraftakt die Distanz zwischen uns, und schleuderte den widerwertigen Metallklumpen in meiner Hand geradewegs auf meinen Gegner. Er schlug die verwunschene Klinge diesmal fast schon beiläufig aus ihrer psionisch manipulierten Flugbahn. Ich ballte meine Fäuste, hob meine Deckung, und fixierte stur seine Augen; Die Seinen sprachen Bände bei dem unerwarteten Manöver: Es kommt nicht oft vor, dass ein blutrünstiger Berserker derjenige ist, der einen für verrückt hält. Doch ich hatte keine Wahl; Ich musste alles auf eine Karte setzen.

Ich konzentrierte mich so sehr auf seinen Schlag, dass die umliegende Welt fast verschwand und ihre Farben beinahe grau wurden. Ich schaffte es, mit beiden Händen den Griff der Waffe zu packen und den Todesstoß immerhin in ein Tauziehen zu verwandeln. Ich arretierte meinen rechten Arm und blockierte die unter der enormen Last stöhnenden Servos so gut ich konnte. Mein kompletter Körper verkrampfte sich bei der Anstrengung, während sich die rotierenden Schneiden langsam der Vorderseite meines Helmes näherten. Mit der frei gewordenen Hand griff ich nach meiner glühenden Plasma-Pistole, der ich bei meinem vorangegangenen Wurf bereits befohlen hatte, sich aufzuladen. Der Schuss, dessen Macht die Waffe komplett in ihre Bestandteile zerlegte, erreichte genau dann ihr Ziel, als die ersten Zähne der verfluchten Axt an meiner vorderen Helmpanzerung zu nagen begannen. Da ich meinen Gegner aus diesem Winkel unmöglich direkt treffen konnte, zielte ich stattdessen direkt auf den Motor seiner Kettenwaffe. Er explodierte zusammen mit meiner eigenen und wir beide wurden von dem sich rasch ausdehnendem Gasball zurückgeworfen. Der World Eater nutzte jedoch den Schwung, und fuhr in der Drehung schwarze Krallen aus seiner Hand aus. Ich hob überrascht die Deckung, doch sie kam zu spät: Die Klaue schnitt seitlich durch meinen Helm, und die längste seiner Klauen zerkratzte mir die Stirn. Funken stoben in mein ungeschütztes Gesicht, als sämtlich Filter auf einmal versagten, und die Sinneseindrücke der Schlacht mich auf einmal mit ihrer gesamten Härte trafen. Ich lächelte ein blutiges Lächeln und fixierte meinen Stand. Die grüne Rune, die noch am Rande meiner fragmentierten Helmanzeige blinkte, verriet mir, dass ich gewonnen hatte. Die aufgeladenen Triebwerke brannten auf, als sie ihren geballten Zorn auf einmal entluden. Mein Körper schnellte nach vorne und ich packte den World Eater, dessen ausladender Schwung ihn immer noch auf seiner Laufbahn fesselte. Er wandte sich verzweifelt, und ich spürte einen stumpfen Schmerz in meinem Unterleib.

Ich ignorierte ihn.

Mein unbeugsamer Wille peitschte meine brennenden Flügel zu einer Leistung an, die sie eigentlich nicht zulassen sollten. Die zunehmende Beschleunigung ließ sich flatternd aufspaltende Winde durch meine zerstörte Helmfront zischen, während die Welt um mich herum zu Rot durchsetzten Streifen verschmierte. Eine kochende Hitze übertrug sich durch die äußeren Panzerplatten meiner Rüstung, während ihre Lackierung Blasen warf, und die ersten Fetzen begannen, als glühende Funken abzublättern. Ich spürte, wie mir der Schweiß von der Stirn lief, als die integrierten Kühlsysteme an ihr Limit stießen. Eine Kaskade aus Warnsirenen schallte mittlerweile durch meine Helmruine; Das Dröhnen des Reaktors wurde zu einem grellen Kreischen. Die Schubdüsen verabschiedeten sich in einem letzten, trotzigen Brüllen, bevor sie endgültig unter dem Gewicht ihrer Last durchbrannten und wegschmolzen. Ich konnte mich jetzt nur noch auf die Hilfsdüsen an meinen Beinen und das schmale Leitwerk an meinem Rücken verlassen, um mich an mein Ziel zu bringen. Ich flog geradewegs darauf zu. Der Körper des World Eaters entglitt mir bei der ruckartigen Wucht, mit der unser Schwung ihn an das heilige Schwert der Statue spießte. Ich blickte zurück, während mein Körper sich zu drehen begann, und sah zufrieden, dass der bewegungslose Torso blutend an seiner neuen Befestigung verweilte. Dann kam mir der Gedanke, dass ich das alles besser hätte durchdenken sollen, als die Häuserwand in meiner Nähe mit wahnsinniger Geschwindigkeit auf mich zu rauschte.

 
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