40k Sonnenlicht - ein Exkurs

Rabenfeder

Hintergrundstalker
17. April 2007
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gw-fanworld.net
Einen wunderschönen guten Abend, werte Leserschaft,


ich habe mir natürlich auch überlegt, etwas für den Geschichtenwettbewerb zu schreiben. Das entwickelte Konzept ist dann aber doch etwas ausgeartet, sodass ich nicht im Stande war, es auch nur ansatzweise auf sechs Seiten zu bannen. Gleichzeitig soll die Geschichte, die nun folgt, aber auch nicht zu lang sein: meine "Hauptgeschichte" wartet schließlich auch noch, und mit ihr füllen Uni, Warhammer und allgemein das Leben meine Zeit doch ganz gut aus.
Ein anderer Grund, dass die Geschichte nicht im Wettbewerb auftaucht, war übrigens die Tatsache, dass ich als Autor noch leichter zu erkennen gewesen wäre als sonst. Man wird das wohl merken, wenn man sie liest. Von mangelndem Erfolg ganz zu schweigen...


Meine Damen und Herren, die Feder präsentiert Ihnen mal wieder eine Geschichte. Viel Spaß.




Teil 1
Teil 2
Teil 3
Teil 4
Teil 5
Teil 6


Die Geschichte ist abgeschlossen. Im Ganzen als PDF: Hier.
 
Zuletzt bearbeitet:
Teil 1

Dann taucht sie plötzlich vor uns auf: eine Luke aus mehreren Schichten Durastahl, in unstetes, flackerndes Licht getaucht. Vermutlich geht selbst hier die Stromversorgung langsam vor die Hunde.
Ich glaube, es ist an der Zeit, zurückzublicken. Nicht allzu weit, und doch scheinen diese Tage im Frühjahr ein Leben zurückzuliegen. Ob ich, wenn ich könnte, die Zeit zurückdrehen würde? Ich glaube nicht. Nein, nie.
Vielleicht sollte ich mich erst einmal vorstellen. Ich bin zwanzig Standardjahre alt, mein voller Name lautet Mireande Saphira Elveit. Was sich meine Eltern da gedacht haben, kann ich bis heute nicht sagen; meine Mutter reagierte auf mein Nachfragen verdruckst, und mein Vater ist sowieso schon vor Jahren abgehauen. Im Allgemeinen werde ich Miri gerufen, und dieser Name ist mir auch deutlich genehmer.
Soweit ich mich erinnern kann, lebten wir tief im Kern der Makropole, auf einer der untersten Ebenen. Ich möchte hier einen Satz wiedergeben, den ich einst von einem Freund erzählt bekommen habe: je mehr Ansehen, Macht und Geld man besitzt, desto näher ist man hier dem Himmel. Ich habe ihn bisher noch nie gesehen, aber er muss wundervoll sein.
Geht man nach den Behörden hier, existiere ich nicht einmal. Und wie mir geht es Hunderten, Tausenden, Millionen. Es ist eine Art Pakt, vermutlich nirgends niedergeschrieben oder erwähnt, und dennoch allgegenwärtig: sie lassen uns weitestgehend in Ruhe so wie all die kleinen Banden und Splittergruppen, die Warlords, die die unteren Ebenen kontrollieren und sich stetig gegenseitig bekriegen. Im Gegenzug dafür machen diese weiter oben keinen Ärger. Oben – oben endete für mich meine Welt spätestens an einem der zahlreichen Kontrollpunkte. Stattdessen versucht man, hier so gut wie möglich zu überleben. Ich gehe den Streitigkeiten aus dem Weg, meide, so gut es geht, all die zwielichtigen Gestalten und dunklen Orte, von denen es hier wahrhaft genug gibt. Tut man das nicht, endet man schnell wie Rur, der Sohn unserer Nachbarn – er wurde eines Tages, in seinem eigenen Blut liegend, vor ihrem Haus gefunden.
Die meisten Straßen hier sind ständig verstopft, stinkend und mit Müll überladen. Grotesk anmutende Servitoren teilen sich ihren Platz in den Schatten mit Bettlern, Faulenzern und Taschendieben. Vereinzelt sieht man sogar den ein oder anderen Mutanten; die Schläger der jeweiligen Bande, die gerade das Gebiet kontrolliert, stehen mit zur Schau getragenen Waffen herum. Meine Mutter sagt hinter vorgehaltener Hand, ihre grelle, bunte Kleidung ähnle denen der Huren.
Anfang des Jahres habe ich davon ein Bild gemalt, etwas unbeholfen und ungeübt noch. Die Perspektive bereitet mir immer noch Probleme, und alles erschien etwas anders, als ich es mir vorgestellt hatte. Habe ich es noch nicht erwähnt? Mein Leben gehört der Kunst, wie meine Mutter einst lachend erwähnt hat. Sie hat mich dabei stets unterstützt, von ihrem kärglichen Lohn stets etwas für mich abgezweigt. Am Ende des vorigen Jahres hatte ich jedoch erstmals etwas verkauft und träumte bereits davon, von meiner Kunst leben zu können.
Manchmal bleibe ich ganze Tage in meinem Zimmer, auf einen kleinen Block Armaplast gebeugt, vielleicht auch über meinen alten Bildschirm oder einem Haufen von dem, was andere Leute Müll nennen. Es ist erstaunlich, was die Menschen alles wegwerfen – Dosen, Kleidung, Kabel, kaputte technische Geräte, manchmal halbe Servitoren. Es ist noch erstaunlicher, was man alles aus diesen Teilen machen kann. Wenn ich mich an Skulpturen oder Plastiken wage, sehe ich, dass meine Hände doch zu etwas nutze sind; ich blühe auf, werde lebendiger. Die gesamte restliche Welt verschwindet, wird unwichtig, plötzlich sind da nur noch ich und mein Werk – ein schwer zu beschreibendes Gefühl. Eine meiner ersten Schöpfungen, ein vielleicht faustgroßer Vogel, trage ich immer bei mir – es ist mein ganz persönlicher Glücksbringer.
Kurze Zeit, bevor er getötet wurde, hat mich Rur dafür ausgelacht, dass ich mein bescheidenes Leben so verbringe, ständig in der winzigen Wohnung bei meiner Mutter. Ich sei zu schweigsam, zu sehr in mich gekehrt, zu zurückgezogen, würde die „wirkliche Welt draußen verpassen“. Nun, die wirkliche Welt hat sich Rur geholt.
Ich war zufrieden mit meinem Leben. Es war einfach, aber – so dachte ich zumindest – erfüllt. Daran zweifelte ich nur selten.

Beginnen tut meine Geschichte jedoch am zwölften Arphedan 989.M41 nach dem hiesigen Kalender. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass die flackernden Nachrichtenschirme an diesem Tag dem fünfzigsten Todestag der heiligen Ajana gedachten, immer wieder wurden vermutlich nachgestellte Szenen aus ihrer letzten Schlacht gezeigt. Von brennendem Eifer erfüllt sah man die Schwestern des Ordens der Blutenden Rose Dutzende Häretiker niedermachen. Ich nahm mir vor, mir die Wiederholung anzuschauen.
Meine Mutter hatte mich gebeten, einige Besorgungen zu machen; Lebensmittel, eine Energiezelle, etwas Nähgarn, Kleinkram eben. Egal was man besorgen möchte, bekommen tut man es sowieso beim Aquila. Der Markt ist Teil eines größeren Konzerns und eine eigene kleine Stadt auf unserer Ebene. Sie haben dort auch eigene Wachen, die die Banden und andere unliebsame Besucher draußen halten.
Ich wählte den etwas längeren Weg über die Hauptstraße des Viertels, stieg dann in die Bahn Richtung Platz des Glorreichen Sieges. Ich fand wie stets keinen Sitzplatz, sind doch die meisten offiziell oder inoffiziell für Kriegshelden, Bandenführer oder andere mit einem Funken Einfluss reserviert. Stattdessen stand ich eingezwängt zwischen einem betont finster dreinblickenden Anhänger der Blutfänge in typisch grellroter Kleidung sowie einer Frau in meinem Alter, deren Gesicht im Schatten der Kapuze ihrer schwarzen Jacke lag. Ich schenkte beiden kaum Aufmerksamkeit; stattdessen ging ich im Geiste noch einmal die Einkaufsliste durch, freute mich bereits darauf, den Abend weiter mit einer unvollendeten Skulptur verbringen zu können. Sie war noch nicht sehr weit fortgeschritten, mir fehlte irgendetwas an ihr, etwas, das ihr Charakter verlieh.
Die Fahrt zog sich hin. Etwas trieb mich dazu, die Frau neben mir näher zu betrachten. War es Neugierde? Künstlerisches Interesse? Ich weiß es nicht, und spätestens jetzt hat es wohl jegliche Bedeutung verloren. Sie schien einfach etwas auszustrahlen, eine Energie, die mich packte. Sie war gänzlich in Schwarz gekleidet – neben besagter Kapuzenjacke trug sie noch eine weite Hose – und strahlte ein Selbstbewusstsein aus, das ich mir wohl selber immer irgendwie gewünscht hatte. Ich bevorzugte und bevorzuge noch immer schlichte, unauffällige Kleidung, trage mein Haar – dunkelbraun – kurz und verzichte weitestgehend auf Schmuck.
Verstohlen versuchte ich, einen Blick auf ihr Gesicht zu erhaschen. Ich sah einige schwarze Strähnen, einen zu einem schmalen Strich zusammengekniffenen Mund. Doch als sie meinen Blick zu erwidern schien, wandte ich ihn schnell ab und starrte auf den Boden zu meinen Füßen. Eine gewisse Unruhe, Nervosität hatte mich gepackt. Sollte ich sie vielleicht einfach ansprechen? Zuerst verwarf ich den Gedanken schnell wieder. Doch würde ich es nicht vielleicht bereuen, wenn ich es nicht tun würde? Sie schien in gewissem Sinne inspirierend. Was, wenn...? Mir schnürte es die Kehle zu.
Als die Unbekannte schließlich zwei Stationen später die Bahn verließ, blickte ich ihr nur hinterher, hilflos, gelähmt, ohne mich rühren zu können. Noch Stunden später, als ich wieder in meinem Zimmer saß und vorsichtig die Skulptur bearbeitete, konnte ich sie nicht vergessen. Ich verfluchte mich stumm und starrte auf mein Werk, dem immer noch jede Seele fehlte.

Situationen wie diese gibt es wohl tausendfach, und ich würde wohl nicht dort stehen, wo ich heute bin, hätte ich mich zwei Monate später nicht entschieden, spätabends noch etwas Modelliermasse nachzukaufen. Um diese Uhrzeit bietet die Ebene dann ein ganz anderes Bild: die Hauptbeleuchtungen werden erst heruntergedimmt und dann ganz ausgeschaltet, an ihre Stelle treten die grell leuchtenden Schriftzüge der Leuchtreklamen, Bordelle und Clubs. Sie preisen die neuste Modedroge an, die freizügigsten Frauen, die lauteste Musik, die diskreteste Bedienung. Nachts wird alles zu einem Schlachtfeld, an dem sich die Superlative gegenseitig überbieten zu versuchen.
Ich eilte mit gesenktem Kopf durch die Menge, versucht, so schnell wie möglich wieder daheim zu sein. Dumpfer Bass rollte aus den Betonbauten zu beiden Seiten, um mich herum waren überall aufgetakelte Nachtschwärmer, die dem Alltag für kurze Zeit entfliehen wollten. Ich hatte nie verstanden, wie sich ihr Leben mit dem Gebot der Enthaltsamkeit decken, dass die Kirche des Imperators so oft predigte. In der Nähe des Amnis sah ich plötzlich die Unbekannte wieder. Ich sah sie erst nur kurz aus den Augenwinkeln, schaute dann genauer hin. Zwar erblickte ich wieder nur eine in Schwarz gekleidete Gestalt, doch war ich mir mit untrüglicher Gewissheit irgendwie sicher, dass sie es war.
Es kam mir absurd vor, wie eine Szene aus einem der schmalzigen Filme, in die meine Mutter so gerne geht. Dieser Typ von Film, bei dem man bereits von Anfang an jede Wendung erahnen kann. Allein auf diesem Teil der Ebene wohnen Millionen Menschen, und ich will gar nicht wissen, wie viele von ihnen Schwarz tragen. Es war einfach bar jeder Wahrscheinlichkeit, dass ich sie hier traf.
Einen Moment lang verharrte ich. Es war dazu noch bar jeder Vernunft, ihr zu folgen. Gedanken zuckten durch meinen Kopf; was würde meine Mutter sich wohl für Sorgen machen, wenn ich einfach fortblieb? War es hier nicht gefährlich? Wollte ich heute nicht noch eine Plastik fertig stellen? Mir fielen unzählige Gründe ein, die Modelliermasse zu kaufen und anschließend nach Hause zurückzukehren, und noch einmal ebenso viele, warum es unvernünftig war, der Unbekannten hinterher zu gehen. Natürlich folgte ich ihr.
Warum? Nun, vielleicht wollte ich mir einfach etwas beweisen, dass ich nicht nur das Mädchen bin, das jeden Abend in seinem Zimmer hockt. Vielleicht trieb mich auch die Neugierde, wie denn dieser Teil des Lebens, den ich bisher verpasst hatte, denn nun aussah. Vielleicht war ich auch fasziniert von der jungen Frau, ihrer Andersartigkeit. Vermutlich spielte alles irgendwie zusammen. Es war eine Entscheidung, die man so wohl nur in einer von Tausend Situationen fällt. Wer weiß heute schon, was passiert wäre, wenn ich einfach weitergegangen wäre?
Ich berührte flüchtig den Glücksbringer, den ich um den Hals trug, und schickte ein kurzes Stoßgebet an den Imperator, sollte sein Blick so tief in die Makropole reichen. Dann folgte ich der Fremden ins Amnis.
 
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Teil 2

Nachdem ich die schwerbewaffneten Türsteher passiert und einen unverschämt hohen Eintritt gezahlt hatte, blieb ich einen Moment ratlos stehen – die Unbekannte hatte ich längst aus den Augen verloren. Da das Amnis abseits des Eingangsbereichs nur aus einem riesigen Raum bestand, tauchte ich ein in die Flut der Tanzenden.
Ein Stück weit musste ich Rur nachträglich Recht geben: der Club war tatsächlich etwas wie eine neue Welt; eine fremde, anrüchige, aufregende, faszinierende, etwas unheimliche Welt. Es war, als hätte man den Planeten, vielleicht sogar das ganze Imperium verlassen. Sobald man die Halle betrat, wurde man von mächtigen Bässen und hämmernder Musik schier erdrückt. Scheinwerfer an Decke und Wänden tauchten die Tanzfläche in ständig wechselnde Farben, die die Sinne verwirrten und einen wie in Trance zurückließen. Der Raum selbst war rund und in mehreren Ringen auf verschiedenen Ebenen aufgebaut: in der Mitte lag eine erhöhte, kreisförmige Fläche, auf der professionelle, leichtbekleidete Tänzerinnen wohl vor allem das männliche Publikum erfreuten. Darum herum, etwas tiefer, war die Bar aufgebaut, dicht belagert von zahlreichen Gästen; die letzten beiden Ringe, wieder verschieden hoch angeordnet, dienten als Tanzfläche.
Überall waren Menschen, es war unangenehm überfüllt. Die meisten hatten sich zumindest etwas herausgeputzt, und ich kam mir in meiner Alltagskleidung schrecklich deplatziert vor. Manche trugen grelle Farben, andere exotische Kostüme, die Tiere oder andere Wesen darstellten. Ich sah einen Mann, dessen Rücken und Kopf ein Chitinpanzer bedeckte; ein anderer, der ausgelassen feierte, hatte eine kleine Gruppe anderer um sich versammelt, die sich ekstatisch verbogen, alle mit einem verzückten Lächeln auf dem Gesicht. Mir fuhr ein kalter Schauer über die Haut. All diese Sinneseindrücke prasselten irrsinnig schnell auf mich ein, ließen mich etwas überwältigt, aber auch neugierig und erregt zurück. Eine mir wohlbekannte Kapuzenjacke blitzte kurz in der Nähe der Bar auf, und ich schob mich durch die Menge, wohlbedacht, niemanden anzurempeln. Natürlich vergeblich.
Immer wieder gerieten Tanzende in meinen Weg, versperrten mir die Sicht, rempelten mich an, schrieen mir Worte ins Gesicht, die in der Musik untergingen. Immer wieder erhaschte ich einen Blick auf die, der ich folgte, einzelne Bilder, die ich in mich aufsog. Mir kam es fast so vor, als würden ihr die Menschen bereitwillig Platz machen; sie strahlte ein ungeheures Selbstbewusstsein aus. Kurz vor der Bar verlor ich sie einen Moment lang aus den Augen, ehe ich sie wenig später wieder sah. Mit einer Plastekflasche Illecebra, einem der stark alkoholischen Kultgetränke – zumindest auf dieser Ebene der Makropole – tanzte sie für sich, inmitten all der anderen, ohne sie auch nur wahrzunehmen. Ich verharrte an Ort und Stelle, blickte verstohlen zu ihr herüber. Was nun? Soweit hatte ich bisher nicht gedacht. Alles war schnell geschehen, schnell getan, und nun war ich mir nicht sicher, was ich tun sollte, stand vor dem selben Problem wie in der Bahn. Ich möchte mir gar nicht vorstellen, was für einen Eindruck ich da hinterließ, stocksteif in der Menge stehend, die Unbekannte beobachtend. Sie hatte die Kapuze abgestreift, und so konnte ich erstmals einen Blick auf ihr Gesicht - Lippenpiercings, schwarzer Lidschatten, braune Augen – und die etwas mehr als schulterlangen, schwarzen Haare erhaschen. Die Finger ihrer rechten Hand, die die Flasche hielt, zierten zahlreiche Ringe, die die flackernden Lichter des Clubs einfingen und reflektierten. Sie hatte etwas von den Helden der Freihändlergeschichten, die ich als Kind so gerne gehört hatte.
Ich entschloss mich, sie endlich anzusprechen, als ein Rempler von dem Tänzer neben mir mich fast von den Beinen holte. Einen Moment lang befürchtete ich, unter die stampfenden Füße dutzender Menschen zu geraten, schaffte es jedoch wieder, mich zu fangen. Die Unbekannte war jedoch verschwunden.
Frustriert seufzte ich auf. Wieder hatte ich mir selbst im Weg gestanden. Ich nahm mir vor, das Amnis schnellstmöglich zu verlassen. Ich wandte mich um und arbeitete mich langsam zurück. Mit der im Kollektiv zuckenden Masse ließ ich auch die Musik ein Stück weit zurück, nur die hämmernden Bässe waren noch dumpf zu vernehmen. Kurz, bevor ich den Ausgang erreichte, stellte sich mir plötzlich die Fremde in den Weg – beinahe wäre ich in sie hineingerannt.
„Willst du irgendwas von mir?“, blaffte sie mich an, die Hände in die Hüften gestemmt. Ich zuckte einen Schritt zurück, öffnete den Mund für eine Antwort, schloss ihn jedoch wieder.
„Bist du ein Orodi auf dem Trockenen, oder was? Du stellst mir nach; warum, verdammt? Willst du Ärger?“
Sie trat wieder einen Schritt auf mich zu. Abgesehen davon, dass ich nicht wusste, was ein Orodi war – erst später erfuhr ich, dass es ein winziger Fisch ist – war ich eingeschüchtert, ja, verängstigt und nahm die Drohung durchaus ernst. Ich wünschte mich nur noch nach Hause, wollte fliehen, weg von der Unbekannten, raus aus diesem Club, nur raus. Nach Hause. Ich war kurz davor, in Tränen auszubrechen.
Zu meiner Überraschung entspannten sich die Gesichtszüge meines Gegenübers wieder, und gelassen nahm sie einen weiteren Schluck aus der Flasche.
„Hey, kein Grund, sich gleich in Wasser aufzulösen.“ Noch ein Schluck. „Aber du kannst schon sprechen, oder?“
Ich nickte, weil ich meiner eigenen Stimme noch nicht so recht traute. Die Fremde lachte.
„Na, wenn das so ist. Ich heiße Fea“, teilte sie mir mit einem spöttisch angedeuteten Knicks mit.
„Miri“, antworte ich erst leise, dann noch einmal lauter, um die dumpfe Musik zu übertönen.
„Geht doch“, grinste Fea mich an. „Also, Miri“ – sie betonte meinen Namen auf eine seltsame Art und Weise – „warum kommst du hier hereingestolpert und rennst mir seit einer halben Stunde hinterher?“
Ich wusste darauf keine passende Antwort, konnte ich doch kaum sagen, dass sie mir wie eine Figur aus einer Geschichte erschien.
„Ich weiß es nicht“, gab ich kleinlaut zu.
Offensichtlich amüsierte ich meinen Gegenüber köstlich.
„Fassen wir zusammen: du läufst mit dieser Kluft hier herein und mir hinterher, ohne zu wissen, warum? Ha, das gefällt mir!“
Sie packte mich am Arm und zerrte mich zurück in Richtung der Tanzfläche, ehe ich überhaupt reagieren konnte. Ich war wohl einfach überwältigt.
„Dann sorgen wir mal dafür, dass du wenigstens nicht vergeblich hier vorbeigeschaut hast.“
Sie zog mich weiter, mitten ins Gedränge, ehe sie anhielt und mich angrinste. Ich wippte unbehaglich auf den Fußballen hin und zurück. Ich war von jeher kein besonders ausgelassener Mensch, und ich war bestimmt nicht hierher gekommen, um hemmungslos zu feiern. Fea schüttelte den Kopf, hielt ihr Mund an mein Ohr.
„Wir sind hier nicht auf deiner Beerdigung!“, schrie sie mir in voller Lautstärke ins Ohr. „Sei etwas lockerer!“
Offensichtlich blickte ich recht verständnislos drein: sie drückte mir wortlos die Flasche in die Hand und kramte kurz in den Hosentaschen, ehe sie mir eine kleine Kapsel reichte. Ich besah sie misstrauisch. Sie war oval, nur wenig größer als eine Erbse und von einem hellen Magenta. Ich bin wohl manchmal wirklich etwas leichtgläubig, aber so naiv, etwas wie das zu probieren, war ich nicht. Ich schüttelte den Kopf.
„Das ist doch...“, setzte ich an. Kaum hatte ich die Lippen geöffnet, griff Fea meine Hand und schob mir die Kapsel in den Mund. Sie verkantete sich kurz in meiner Speiseröhre und ich schluckte und würgte, bis sie endlich herunterrutschte. Ihre Wirkung traf mich wie ein Schlag. Mit einem Mal knickte die Welt einfach unter mir weg, verbog, verschob, verzerrte sich. Ich musste mich auf den Knien abstützen, um nicht zu Boden zu gehen. Hinter meiner Stirn brannte es, ein gleißendes Feuer, das mir zugleich jede Sicht nahm. Übelkeit stieg aus meinem Magen auf.
Der Anfall verschwand so schnell, wie er gekommen war. Lindernde Kühle breitete sich aus, und alles hörte auf zu schwanken. Ich blinzelte, ein wenig verwirrt. Die Musik war nicht mehr so nervenzerreibend wie zuvor und war angenehm in den Hintergrund gerückt; auch der intensive Schweißgeruch war verschwunden. Überhaupt erschien mir die Menschenmasse nicht mehr so dichtgedrängt, so furchteinflößend wie zuvor. Fea stand immer noch vor mir und grinste mich an.
Ich war mir sicher, dass ihr etwas hatte sagen wollen, doch die Gedanken entglitten mir ein ums andere Mal. Sie begann sich im Rhythmus der Musik zu bewegen, erst langsam, dann schneller, und ich fiel mit ein, wurde Teil der Tanzenden.
 
Ich hab fast das Gefühl, dass es dir grad zum Verhängnis wird, dass deine Leser die Story schon kennen. Die üblichen Verdächtigen haben also nichts mehr zu sagen 😀

Geht zumindest mir grad so. Würd gern was sagen, aber das meiste kennst du ja schon.

Ich denke, die Geschichte birgt großes Potential, und mir gefällt der Gedanke, das Ganze etwas kürzer zu halten. Es muss ja nicht immer jeder Geschichte entweder GANZ kurz (Wettbewerbslänge) oder GANZ lang (so wie meine) werden. Ein Mittelweg von ca. 50-100 Seiten ist auch ganz angenehm und führt dann wenigstens auch zu einem Ende.
ich weiß ja leider, wie viele potentielle Erfolgsgeschichten einfach in der Luft hängen geblieben sind. Das ist der Grund, weshalb ich die meisten neuen Geschichten gar nicht erst anfange.

Aber hier werd ich des Öfteren mal reinschneien.
 
Stimmt wohl schon. Dennoch wird die Geschichte hier nicht einmal angeschaut - vielleicht braucht es einen martialischeren Titel? Vielleicht wird meine Schreibkunst ja auch gefürchtet?

Bis auf das Ende steht die Geschichte nun mehr oder weniger und umfasst weniger als zwanzig Seiten. Ich kann jetzt alles in hoher Frequenz raushauen. Tatsächlich wird es wohl auch schon bald den nächsten Teil geben - außer es melden sich Stimmen, dass man nun gar nicht mehr hinterher kommt 😛


Rabe
 
@R: Gemach Gemach Mitternacht seine Updates raus zuhauen ist nicht gerade die Primetime, aber daran soll es nicht liegen, du kennst es doch auch von dA Aufmerksamkeit ist eine launige Geliebte, die einen Nichts gibt als ein flüchtiges Gefühl des Ruhmes. Die Menschen die es zu schätzen wissen werden es schon lesen/sehen.

Ich lese jetzt erst einmal Teil 2, wie und ob die Geschichten zusammenhängen ist mir noch nicht ganz klar, sicher zu welcher Figur das Prequel gehört, bin Ich nach Teil 1 auch nicht aber, Ich lese gemütlich weiter.
Bis jetzt gewohnte R. Qualität.
 
Teil 3

Als ich die Augen aufschlug, wusste ich zuerst nicht, wo ich war. Zudem konnte ich nicht sagen, was in den letzten Stunden geschehen, wie spät oder welcher Tag es war. Meine Augen waren verklebt, und es gelang mir erst nach einiger Anstrengung, den Blick richtig zu fokussieren.
Ich lag angezogen auf dem Bett in meinem Zimmer. Wie auch immer ich es geschafft hatte, wieder hierhin zurückzugelangen. Ein Blick auf den kleinen Holowecker auf dem Nachttisch zeigte mir, dass es noch früh am Tag war.
Die Entscheidung, die Beine über den Bettrand zu schwingen, bereute ich sogleich – alles schwankte kurz, und mir wurde einen Moment Schwarz vor Augen. Plötzlich meldeten sich auch pochende Kopfschmerzen. Es war ein grauenvoller Morgen.
Mehr noch als die körperlichen Beschwerden beunruhigte mich, dass ich – so sehr ich mich auch zu erinnern versuchte – mich nicht mehr entsinnen konnte, wie es am Abend weitergegangen war. Es war, als hätten wir zu tanzen angefangen, und einen Augenblick später wäre ich in meinem Bett aufgewacht. Was zur Hölle hatte Fea mir da gegeben? Was war in den verlorenen Stunden geschehen?
Die beiden Fragen wurmten mich, während ich schließlich doch aufstand, unter die Dusche schlurfte, aß, mir kurz „Gloria Imperialis“ ansah. Es war eine Wiederholung des heldenhaften letzten Gefechtes des 5. Aricia, das ich bereits zwei Mal geschaut hatte. Doch selbst dieser glanzvolle Moment der Geschichte unseres Planeten, dem ich sonst so begeistert gefolgt war, konnte mich nicht lange fesseln. Meine Mutter war nirgends zu sehen – offenbar war sie schon arbeiten gegangen – und mich packte das schlechte Gewissen. Hoffentlich hatte sie sich nicht allzu große Sorgen gemacht. Ich wusste, dass dem jedoch so war; bisher war ich abends nie lange fort geblieben. Die Zeit schlich dahin, während ich nur dasaß und nichts tat. Ich war von einer mir kaum bekannten Antriebslosigkeit gepackt worden, starrte Löcher in die Luft und war unschlüssig, was ich nun tun sollte. Das schrille Surren der Türklingel riss mich aus meinen Gedanken. Meine Mutter würde noch nicht wieder da sein, und so erwartete ich einen der Nachbarn aus unserem Habitatsblock.
Es war Fea.
Überrascht starrte ich sie an, die Türklinke noch in der Hand. Offensichtlich hatte ich ihr erzählt, wo ich wohne – oder sie hatte mich nach Hause begleitet. Es zerfraß mich, dass ich nicht sagen konnte, was der Fall gewesen war. Sie sah genauso wie immer aus, nichts an ihr wies auf den gestrigen Abend hin.
„Kein Grund, Maulaffen feilzuhalten. Siehst ja schon wieder recht frisch aus.“ Sie hob ihre beringte Hand, in der sie eine fettige Papiertüte hielt. „Hab‘ was zu Essen mitgebracht. Und...“
„Hey!“, unterbrach ich sie. „Langsam. Was tust du hier? Was verdammt noch mal willst du von mir?“
Fea schien ehrlich irritiert, als habe sie nicht mit diesem Einwand gerechnet.
„Nun, zuerst etwas essen. Und dann schauen wir, was der Tag bringt.“
„Wir? Ich habe dich bis vor wenigen Stunden nicht einmal gekannt. Imperator, ich kenn dich jetzt ja nicht einmal.“
„Was ist denn dir über die Leber gefahren, warum so angepisst? Ich wollte nur mal vorbeischauen, und du führst dich so auf. Im Amnis...“
„Was mich aufregt?“, unterbrach ich sie wieder. „Du hast mich verdammt noch mal mit Stoff vollgeknallt, das ist los.“ Ich war über alle Maße wütend über die Unverfrorenheit dieser Frau, hier einfach aufzutauchen. Zum Glück war meine Mutter nicht da. Ich wollte die Tür wieder zudrücken, doch Feas Fuß hielt sie offen.
„Warte! Es tut mir Leid, wirklich. Hätte nicht gedacht, dass dich die eine Pille so umhaut. Du warst gestern Nacht ziemlich angeschossen, deshalb wollte ich vorbeischauen.“ Sie zuckte mit den Schultern, zeigte ein entschuldigendes Lächeln. Sah sie tatsächlich etwas hilflos aus? Es mag sein, dass ich mir das tatsächlich wünschte.
Ich seufzte. Sie schien es tatsächlich ernst zu meinen, und ich wollte nicht nachtragend sein. Ich glaube, dass ich es auch nicht sein konnte – es kam schließlich nicht gerade jeden Tag vor, dass jemand so Einlass begehrte. Außerdem würde ich vielleicht erfahren, was sich gestern noch alles zugetragen hatte. Zur Not konnte ich sie ja sofort wieder vor die Tür setzen.
Ich öffnet ihr. Habe ich nicht bereits erwähnt, dass ich manchmal schrecklich naiv bin?

Zwei Wochen später hatte sich in meiner Welt das Unterste zuoberst gekehrt. Mein beschauliches Leben war aus den Ankern gerissen worden, war schneller geworden. Plötzlich kam ich herum, sah Orte der Ebene, die mir bisher unbekannt geblieben waren, andere Menschen, andere Gesichter: ein neuer Horizont tat sich mir auf. Ich wurde von einer Gerölllawine fortgetragen, losgetreten von jener jungen Frau, die bei unserem ersten richtigen Treffen mit mir am Küchentisch saß und vor Fett triefendes Essen aus der Tüte hervorzauberte. Fea besaß eine einnehmende Art, war offen, lachte viel. Schon bald waren jegliche Vorhalte, die mir im Kopf herumgeschwirrt waren, wenn nicht vergessen, dann doch verdrängt. Ich war fasziniert. Jemanden wie Fea hatte ich noch nie getroffen, keiner hier in der Nachbarschaft war so wie sie. Es folgten weitere Treffen: mal erneut bei mir, mal bei ihr – in einer winzigen Wohnung, wenig mehr als einem Verschlag, bis oben hin vollgestopft mit Kram – mal im Amnis oder einem der anderen Clubs. Langsam führte Fea mich in das Nachtleben der Ebene ein, und wir erfuhren mehr und mehr voneinander.
Fea war launisch und wechselhaft, wie eine reißende Flut, die einen davonträgt, oder wie ein stürmischer Wind. Es gab Tage, an denen sie mich beschimpfte, sie unausstehlich, einfach nur verletzend war. Ich hielt mich dann fern von ihr, kehrte in mein bisheriges Leben zurück – meist war sie bald wieder ausgeglichener. Ich machte für dieses Verhalten die kleinen Kapseln – PEP heißen sie – verantwortlich, die sie regelmäßig schluckte. Heute bin ich mir dessen nicht mehr ganz so sicher. Vielleicht liegt ein Teil dieses Wesens einfach in ihrem Naturell.
An anderen Tagen – und für diese mochte ich sie – war sie lebensfroh, vor lauter Energie beinahe überquellen; ich möchte fast sagen: lebensgierig. Dann war sie unbeschwert und leicht, lustig, zeigte ein wunderbares, unverschämtes Lachen.
Es war schön, jemanden – abgesehen wohl von meiner Mutter – zu haben, der ebenso interessiert zuhören konnte wie Interessantes zu erzählen hatte. Mit ihr konnte man stundenlang einfach nur reden: über ihre Vorliebe für bestimmte Musikgruppen und ihre eigenen Ambitionen auf diesem Gebiet, über meine bescheidene Kunst; wir tratschten über vergangene Beziehungen und Jungs, die uns nun über den Weg liefen. Einmal erzählte mir Fea von ihrem Kindheitstraum, sich an allen Posten und imperialen Patrouillen vorbei zu schleichen, um einmal nur an die Oberfläche zu gelangen, einmal unter dem freien Himmel zu stehen und Sonnenlicht auf der Haut zu spüren. Wir lachten gemeinsam darüber.
Nichtsdestotrotz schaffte ich es nie, eine gewisse Vorsicht, ein grundsätzliches Misstrauen ganz abzustreifen. Es lag nicht nur an der einen Szene aus dem Amnis; nicht nur, dass sie nie wollte, dass ich sie auf eine ihrer Gelegenheitsarbeiten begleitete – einmal kehrte sie mit einem zerschlagenen Gesicht zurück und war tagelang schlecht aufgelegt. Da war etwas an ihr, das mir Schauer über den Rücken laufen ließ. Auch ohne PEP konnte ich mich an manchen Abend kaum entsinnen, meine Erinnerung spielte mir Mal um Mal einen Streich. Jedes Mal fragte ich mich, was in dieser Zeit geschehen sein konnte – es war so, als hätte ein Doppelgänger in meinem Namen mein eigenen Leben gelebt, ohne dass ich daran teilhaben konnte. Ich lehnte zwar weiterhin jeglichen weiteren Kontakt mit den von ihr verehrten kleinen Kapseln ab, doch schien es, als sei nun Fea selbst eine Droge geworden, von der ich nach und nach abhängig wurde. Unvorstellbar ein Leben ohne sie.
Ich begann, mich an Sendungen unseres Ministeriums für Informationen zu erinnern, in dem vor besonders charismatischen Individuen gewarnt wurde, die unschuldige imperiale Bürger in ihren Bann zögen – sie seien Anhänger des Erzfeindes, der verderblichen Anhänger der ewigen Feinde der Menschheit. Tatsächlich konnte ich nicht leugnen, dass Fea einen gewissen Einfluss auf mich hatte. Es ist ihre Intelligenz, ihre spitze Zunge, dieses Lächeln, ihre Kraft, die einen fesselt. Ich arbeitete noch immer an meiner Kunst, aber sonst war mein bisheriges Leben kaum noch existent. Meine Mutter sah ich immer seltener – was sie mir einmal auch anklagend vorwarf – und tatsächlich fühlte ich mich dafür durchaus schuldig. Ändern konnte ich es dennoch nicht. Was sollte ich denn machen? Den mehrere Stunden langen Weg zur nächsten Stelle der Behörden aufzunehmen, um Fea feige auf Grund eines bloßen Verdachts zu denunzieren? Ich redete mir ein, dass es eigentlich keinen Grund gab, sie zu melden.
Das änderte sich, als ich sie fragte, was sie eigentlich an mir fand. Sie sagte, eine gewisse Andersartigkeit an mir gefiele ihr, dass ich nicht so „laut“ sei und auf Selbstgeltung bedacht wie viele andere. Sie sagte, dass sie mit mir intelligente Gespräche führen könnte. Und sie sagte, dass sie sich bei mir „einfach sicher wäre“, damit sei das Thema erledigt. Der Satz ließ mich stutzen; zuerst war ich mir nicht sicher, wie er überhaupt gemeint war. Die folgenden Tage grübelte ich weiter. Auf die erste Verwunderung folgte bald Irritation: sah sie in mir etwas anderes? Plötzlich sah ich manches in einem anderen Licht: die flüchtigen Berührungen hier und da, beim Tanzen, in der Bahn, wenn wir nur beieinander saßen; den zarten Abschiedskuss, den sie mir einmal beinahe schüchtern auf die Wange gesetzt hatte. Mir fielen weitere Anspielungen ein, die ich falsch gedeutet haben könnte.
Erst Unwohlsein, dann Abgestoßenheit traten an die Stelle der Irritation. Was zur Hölle dachte sich Fea eigentlich dabei? Selbst, wenn sie nichts mit dem Erzfeind zu tun hätte, sollte sie mir Avancen machen, wäre ich dennoch verpflichtet, sie zu melden. Es war eine Perversion der Natur, ein Zeichen krankhafter Lust, Verrat gegenüber dem Imperator selbst, sich dem gleichen Geschlecht hinzugeben. Es schwächte das Imperium. Es war einfach unnatürlich. Warum waren wir sonst so geschaffen worden, wie wir waren?
Plötzlich ergab sich ein ganz anderes Bild von ihr. Hatte sie nicht schon jeher gerne die allgemein gültigen Vorstellungen von Moral und Ethik verletzt? Hatte sie nicht in vielen Gesprächen schon behauptet, dass Imperium schade der Menschheit, würde mit seiner totalitären Art den Einzelnen einzwängen?
Ich versuchte zunächst, jegliche weitere Treffen zu verhindern, gab mich erst krank, reagierte dann gar nicht mehr. Vergeblich. Zuerst wurde ich antriebsarm, dann immer unglücklicher. Wie immer trug es mich letztlich wieder zu Fea hin. Aber nun war es irgendwie anders: hinter jedem Schritt vermutete ich einen Versuch, mir näher zu kommen, hinter jedem Wort einen ketzerischen Gedanken. Ich wurde einsilbig, abweisend und zugleich unglaublich traurig, schlief kaum noch. Ende des Sommers begann ich, PEP zu nehmen – erst nur vereinzelt, bald schon mehrere Kapseln am Tag. In seeliger Abgestumpftheit lag ich über Stunden auf meinem Bett und starrte an die Decke, unfähig, etwas Gescheites zu tun. Selbst die Kunst ließ ich ruhen. Auch meine Mutter drang nicht mehr zu mir durch, so sehr sie es wohl auch versuchte. Ich vermied es, in den Spiegel zu blicken: das Gesicht, dass mir aus tief in den Höhlen liegenden, blutunterlaufenen Augen entgegen blickte, schien kaum mehr mein eigenes zu sein. In Gedanken machte ich Fea Vorhalte: warum hatte sie es dazu kommen lassen? Ich war glücklich mit dem gewesen, was wir gehabt hatten.
Ihr fiel schnell auf, dass etwas nicht stimmte, aber wann immer sie fragte, blockte ich ab. So auch an jenem Tag in der letzten Woche des Spätsommers.
 
Und noch ein Primetimeupdate. Die Geschichte ist nun beinahe fertig geschrieben, und ich werde wohl jeden Abend hier was reinsetzen. Macht zwar besonders lange Spannungspausen kaputt - aber zum einen bin ich gespannt, was dazu so geschrieben wird, und zum anderen bin ich schrecklich ungeduldig.
Das hier wird also ein Splittergegenentwurf - statt kaum neue Teile rauszugeben, spam ich hier alles zu.

Öhm? Schon kennen? Was hab ich da falsch gemacht? Hab dein Geschriebenes gerade aufgrund des (für mich) ansprechenden Namens gelesen und bis jetzt weis es zu gefallen!
Danke. Ich wollte einfach mal was nicht so 40ktypisches machen. Hodo Astartes findet's schrecklich *g
Was gefällt denn bisher? Und was nicht?


Eine sehr gute Geschichte, die zumindest mich anspricht und auf eine baldige Fortsetzung hoffen lässt, aber tun tut man nicht ;-)
Hier, mein Herr, die Fortsetzung ;D Zudem die gleiche Frage bezüglich Gefallen und nicht-Gefallen.
€.: Natürlich tut man tun. Das ist Umgangssprache, da darf man tun, den ganzen lieben langen Tag *g

Ich lese jetzt erst einmal Teil 2, wie und ob die Geschichten zusammenhängen ist mir noch nicht ganz klar, sicher zu welcher Figur das Prequel gehört, bin Ich nach Teil 1 auch nicht aber, Ich lese gemütlich weiter.
Bis jetzt gewohnte R. Qualität.
Hier nebenbei die gleiche Frage. Es ist ja nicht direkt ein Prequel, sondern einfach ein ausführlicheres Schlaglicht aus einem anderen Winkel. Da ist die Schnittmenge nicht so groß. =)



Rabe
 
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Hallo erst mal, ich weiß nicht ob sie es wussten,....

aber im ersten Teil gerade am Anfang hat dein Schreibstil bei mir fast einen Herzinfarkt verursacht. So kurzatmig, schnelllebig (man sieht schnelllebig mit 3 L blöd aus, fast so schlimm wie Delfin 🤢) und gehetzt, das er in vollkommenem Kontrast zu dem Erzählten steht genau wie zu der Person die charakterisiert wird.

Die Geschichte ist nett, allerdings eine Tausendfache wie ich sie immer wieder in Clubs gehört hab wenn es um "wie bist du an die Scene geraten?",etc.gehört habe. (das ist jetzt nichts schlimmes, nur altbekannt vom Muster her)


Personen? Sind für die Länge der Geschichte genügend tief. Nehmen mich persönlich allerdings nicht mit.

Es war die Rede von Prequal?!? oder Schlaglicht aus anderem Winkel?!?! Hat es da eine Vorgeschichte oder einen Hauptteil irgendwo? Vielleicht ist es für mich einfacher dann einen Anderen Blickwinkel darauf zu bekommen.

Das es nicht klassisch Warhammer ich Klopp dir auf´s Haupt bis du taumelst ist, Who cares? Es soll auch im Imperium einfach mal Menschliche Schicksale gegeben haben, welche nicht mit der Vernichtung eines Sternensystems enden,...hab ich mal irgendwo gehört.

Also in Summe schöne Geschichte, qualitativ gut vom Geschreibsel her,..nur die Hektik am Anfang war mir zu krass. Hol einfach hier und da mal Luft und lass einen Satz wirken ohne ihn mit dem nächsten zu erschlagen.

Meine 50 ST-Credits
 
Danke für den Link lese mir das durch.

Es ist nicht die Geschichte die zu hektisch ist, sondern der Schreibstil. Ganz kurze Sätze alles feuert hintereinander raus.
Das lässt in mir das Gefühl zurück gehetzt zu werden, als wenn jemand beim Erzählen unheimlich schnell redet, und eine Information durch den nächsten Satz überlagert.
Es kann ja sein das es an mir liegt, oder ich einfach zu viel Kaffee intus hab.

Ob ich, wenn ich könnte, die Zeit zurückdrehen würde? Ich glaube nicht. Nein, nie.
Vielleicht sollte ich mich erst einmal vorstellen. Ich bin zwanzig Standardjahre alt, mein voller Name lautet Mireande Saphira Elveit. Was sich meine Eltern da gedacht haben, kann ich bis heute nicht sagen; meine Mutter reagierte auf mein Nachfragen verdruckst, und mein Vater ist sowieso schon vor Jahren abgehauen. Im Allgemeinen werde ich Miri gerufen, und dieser Name ist mir auch deutlich genehmer.
Soweit ich mich erinnern kann, lebten wir tief im Kern der Makropole, auf einer der untersten Ebenen. Ich möchte hier einen Satz wiedergeben, den ich einst von einem Freund erzählt bekommen habe: je mehr Ansehen, Macht und Geld man besitzt, desto näher ist man hier dem Himmel. Ich habe ihn bisher noch nie gesehen, aber er muss wundervoll sein.
Geht man nach den Behörden hier, existiere ich nicht einmal. Und wie mir geht es Hunderten, Tausenden, Millionen. Es ist eine Art Pakt, vermutlich nirgends niedergeschrieben oder erwähnt, und dennoch allgegenwärtig: sie lassen uns weitestgehend in Ruhe so wie all die kleinen Banden und Splittergruppen, die Warlords, die die unteren Ebenen kontrollieren und sich stetig gegenseitig bekriegen. Im Gegenzug dafür machen diese weiter oben keinen Ärger. Oben – oben endete für mich meine Welt spätestens an einem der zahlreichen Kontrollpunkte. Stattdessen versucht man, hier so gut wie möglich zu überleben.
Gedanke 1: Zeit zurück Nein
Gedanke 2: Sprung zu Vorstellung
Gedanke 3: Was haben meine Eltern gedacht wie werde ich gerufen?
Gedanke 4: Makropole Lebensumfeld+Macht / Geld / Freund hat anderes im Sinn zudem ist nicht klar ob sie den Freund nie gesehen hat und ob der vielleicht wunderbar ist.
Gedanke 5: Himmel hab ich nie gesehen
Gedanke 6: Mich gibt es laut Behörden nicht
Gedanke 7: evtl. Pakt/ es geht vielen so/sind wir denen Egal?
Gedanke 8: Bandenkriege/Warlords/Gangs
Gedanke 9: meine Welt endet am Posten

Das ganz im original geposteten Text innerhalb von 8 Zeilen.

Ich habe beim lesen das Gefühl das die erzählende Person nahe am Hyperventilieren ist, das ein Gedanke den nächsten Jagt. Zunächst dachte ich sie steht außer Atem an einer Dunklen Ecke und ist gerade irgendwem entkommen.
Auch wenn sie naheliegend sind und zusammen gehören, jedem Spot werden 5 Worte gewidmet, dann ein "." und nächster Spot.
Wie gesagt es kann auch sein das es an meinem persönlichen Empfinden liegt, aber meine Lesegeschwindigkeit hat sich gefühlt stetig erhöht 😀
 
So, nachdem es eben etwas hetzig war, jetzt Zeit fuer eine ausfuehrlichere Antwort.

Die Geschichte weis zu gefallen, erinnnert mich allerdings an den Anfang von "Das achte Opfer" von Andreas Franz.
Das ist doch schoen. Wie immer die Frage: was hat denn gut gefallen, was vielleicht weniger gut? x)
Das Buch kenne ich nicht, auch wenn ich schon was von dem Autor gehoert habe.


Die Geschichte ist nett, allerdings eine Tausendfache wie ich sie immer wieder in Clubs gehört hab wenn es um "wie bist du an die Scene geraten?",etc.gehört habe. (das ist jetzt nichts schlimmes, nur altbekannt vom Muster her)
War nett nicht die kleine Schwester von...? 😀
Der Anfangsteil ist eben ja auch einfach eine Einleitung. Gut, eine Einleitung, die einen nicht kleinen Teil der Geschichte einnimmt, aber irgendwie muss man ja mal seine Charaktere einfuehren und naeher beschreiben.
Es ist sowieso gar nicht so einfach, so unterschiedliche Charaktere innerhalb eines so grossen Gebietes (eine Makropole ist kein Dorf) zusammenzufuehren.

Personen? Sind für die Länge der Geschichte genügend tief. Nehmen mich persönlich allerdings nicht mit.
Das finde ich immer relativ schade, wenn Charaktere ueberhaupt nicht "mitnehmen". Woran liegt das denn? Manchmal befuerchte ich, dass meine Charaktere einfach ein zugespitzter Querschnitt meiner selbst sind - vielleicht macht sie das so wenig zugaenglich.

Das es nicht klassisch Warhammer ich Klopp dir auf´s Haupt bis du taumelst ist, Who cares? Es soll auch im Imperium einfach mal Menschliche Schicksale gegeben haben, welche nicht mit der Vernichtung eines Sternensystems enden,...hab ich mal irgendwo gehört.
Genau das war der Ausgangspunkt des Konzepts. Ich finde es uebrigens deutlich schwieriger, soetwas zu schreiben - man driftet einfach noch einmal viel schneller in Klischees und Kitsch ab, und es stoesst einem dann auch viel staerker auf.

Ich habe beim lesen das Gefühl das die erzählende Person nahe am Hyperventilieren ist, das ein Gedanke den nächsten Jagt. Zunächst dachte ich sie steht außer Atem an einer Dunklen Ecke und ist gerade irgendwem entkommen.
Auch wenn sie naheliegend sind und zusammen gehören, jedem Spot werden 5 Worte gewidmet, dann ein "." und nächster Spot.
Wie gesagt es kann auch sein das es an meinem persönlichen Empfinden liegt, aber meine Lesegeschwindigkeit hat sich gefühlt stetig erhöht
Kann gerade am Anfang tatsaechlich gut sein, weil da die Geschichte noch unter der vagen Idee stand, nur sechs Seiten zu umfassen. Da werde ich vielleicht ein, zwei Sachen detaillierter formulieren. Spaeter gibt es soetwas auch noch ma, da passt das aber besser in den Kontext.



Rabe
 
Die kleine Schwester war hier nicht gemeint 🙄!


Und das Chars einen nicht mitnehmen, das passiert. Ich glaube um auf die reise zu gehen muss man in einem Char einen gewissen Aspekt seiner selbst finden, und das habe ich hier noch nicht.
Wenn sie dann über die ganze Story mehr Facetten von sich preisgeben, vielleicht funktioniert es ja dann!
Wie gesagt, ich werde es lesen!

Edith sagt das das mit den 6 Seiten das Problem eventuell erklärt. Ich kenne das das ich zu viele Infos in zu kleinen Raum packen will, meinen Präsentationen haftet auch der Ruf an fundiert aber bisweilen too much zu sein!
 
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Teil 4

Irgendwie war ich, nach scheinbar endlos langer Zeit, in der ich sie nicht gesehen hatte, wieder bei Fea gelandet. Wir hatten uns in ihrer Wohnung verabredet, und so saß ich nun auf ihrem Bett, die Beine von mir gestreckt, den Kopf in den Nacken gelegt. Ich erwähnte bereits, wie chaotisch es dort aussieht? Dieses Bett ist beinahe die gesamte Wohnung, füllt die wenigen Quadratmeter fast zur Gänze aus. Sonst ist da noch eine Kochnische; Toiletten, Duschen, das alles teilt sich hier der halbe Wohnkomplex. Ringsherum an den Wänden sind Regale mehr oder weniger gerade angebracht. Auf ihnen stapeln sich lose Blätter, Geräteteile und zerlesene Bücher, hier und da sticht eine Musikbox hervor. Aus ihnen schallte an diesem Tag, wie so oft, Musik aus einer von Feas Lieblingsgruppen. Auf dem Boden sieht es ähnlich aus, überall liegt etwas herum: man kann sich kaum bewegen.
Fea saß auf der anderen Seite auf der Bettkante. Ihre Kapuzenjacke lag achtlos in der Ecke, sie trug ein schwarzes T-Shirt mit dem Aufdruck einer Band namens „Pluma Corvi“. So konnte ich einmal mehr eine Tätowierung bewundern, die sich dicht ihren gesamten rechten Arm bis zu den Fingerspitzen herabwand.
Bisher hatten wir beide uns vor allem angeschwiegen, waren unseren eigenen Gedanken nachgehangen. Ich hatte am Morgen eine Kapsel PEP genommen, deren Wirkung jetzt langsam nachließ – nun war ich schläfrig und dämmerte immer wieder weg, hatte Schwierigkeiten, mich zu konzentrieren. Ebenso schnell verschwand die von der Droge geschaffene gute Laune. Auch Fea schien angespannter als sonst zu sein. Unruhig trommelte sie mit ihren Fingern auf dem Bettrahmen herum, stand kurz auf, suchte etwas, setzte sich wieder hin. Schließlich zog sie irgendwo aus der Unordnung zwei Flaschen Illecebra hervor. Sie hielt mir eine von ihnen entgegen, doch als ich auch nach einigen Sekunden noch keine Reaktion gezeigt hatte, öffnete sie die andere für sich und trank hastig einige Schlucke, ehe sie sich nervös mit der Zunge über die Lippen fuhr.
„War bestimmt wieder ganz schön voll auf dem Weg hierhin, oder?“
„Mhm“, machte ich, wenig daran interessiert, ein Gespräch anzufangen.
„Bist bestimmt genau in den Schichtwechsel geraten.“
„Hm.“
Stille machte sich wieder breit. In Gedanken war ich bereits zu Hause, um vielleicht endlich eine neue Skulptur anzufangen, wahrscheinlich aber eher wieder eine der kleinen Kapseln nehmend. Ich wollte gehen, doch irgendwie konnte ich nicht. Vermutlich war es einfach Antriebslosigkeit. Hoffentlich war es das.
„Scheiße, habe ich dir eigentlich irgendetwas getan?“, brach es plötzlich aus Fea hervor. „Warum bist du nicht mehr im Stande, auch nur zwei vernünftige Wörter mit mir zu wechseln? Warum knallst du dich seit Neuestem von vorne bis hinten voll?“
Ich war kurz irritiert. Wer nahm denn schon seit Jahren PEP? Da war sie ja wirklich die Falsche, mir Vorhalte zu machen. Ich verzichtete darauf, ihr zu antworten, brummte nur etwas Unverständliches. Ich hatte wirklich keine Lust, mich jetzt mit Feas Problemen zu beschäftigen. Diese sprang von ihrem Platz auf, baute sich vor mir auf.
„Hörst du mir überhaupt zu?“
Ich blickte demonstrativ zur Seite, lehnte mich ein Stück weiter zurück. Verstand sie denn nicht, dass ich gerade keine Lust hatte, mit ihr im Argen zu liegen ? Früher war sie sicher noch nicht so streitlustig gewesen. Ich sehnte mich nach einer Kapsel PEP.
„Was für eine Scheiße ziehst du hier eigentlich ab?“, brüllte mich Fea an, schmiss ihre Flasche gegen die Wand. Plastek zersplitterte knackend, Illecebra floss den Putz herunter und hinterließ eine feuchte Spur. Ich zuckte zusammen. Erste Verwunderung wich Zorn. Ich richtete mich auf.
„Was für eine Scheiße ich hier abziehe? Frag dich das doch erst einmal selber! Du bist es doch, die alles kaputt gemacht hat.“
„Dann sag, um was es deiner Meinung nach hier verdammt noch mal geht.“ Fea verschränkte die Arme unter den Brüsten, vor Wut leicht zitternd. Letzte Zweifel kamen in mir auf: was, wenn ich nun daneben lag? Wenn ich alles nur falsch interpretiert hatte? Nun, dann sollte Fea zumindest ihr Verhalten erklären.
„Verstehst du es nicht, oder willst du es nicht verstehen?“, rief ich verärgert. „Eine... Beziehung zwischen uns, das ist, das wäre gegen alles, was die Menschheit ausmacht. Wenn wir der Perversion verfallen, was unterscheidet uns dann noch von Xenos oder den Anhängern des Erzfeindes selbst?“ Fea antwortete nicht gleich, sondern begann, unruhig auf und ab zu laufen. Ich fühlte mich bestätigt und fuhr fort. „Es ist ja nicht eine kleine Lapalie, Fea, das ist eine Todsünde! Wende dich doch an die Ekklasiarchie“, fügte ich fast flehentlich hinzu, „dort kann dir bestimmt geholfen werden. Bitte.“
Fea schüttelte den Kopf, strich sich unruhig durch die Haare. „Das kann doch nicht dein Ernst sein“, murmelte sie leise, immer noch in Bewegung. „Das kann doch wirklich nicht dein Ernst sein!“, wiederholte sie schließlich lauter. „Du kannst doch diesen Mist wirklich nicht glauben? Stellst du diese beschissenen Ansichten wirklich über das“ - sie rang kurz mit den Worten - „was tatsächlich ist, nur weil jemand hier irgendwo auf den oberen Ebenen oder auf Terra das mal beschlossen hat?“
„Irgendwo auf Terra?“, echote ich. Meine Stimme überschlug sich beinahe. „Diese Leitlinien wurden uns vom Imperator selbst vermittelt. Irgendwo auf Terra... das ist doch ketzerisches Gerede! Immer wieder gegen unser Imperium Stimmung zu machen – Fea, hör damit auf!“, beschwor ich sie eindringlich.
Als hätte man einem plötzlich Servitor jeglichen Strom entzogen, ließ sich die Angesprochene wieder auf der Bettkante nieder. Sie fuhr sich mit den Händen wiederholt durch das Gesicht, atmete tief durch.
„Ich kann einfach nicht glauben, dass du soetwas sagen kannst“, flüsterte Fea leise. „Miri... ich dachte, ich würde dir etwas bedeuten.“
„So eine Scheiße“, verfluchte ich die Situation an sich. „Doch nicht so... doch nicht so.“
„Lass uns nicht weiter streiten. So soll es nicht enden. Das kann, das darf es einfach nicht.“ Sie klang nur noch müde.
„Dann sieh ein, dass du falsch liegst“, bat ich sie erneut. „Dass du dem Imperium schadest. Dass... das“ - ich vermied eine konkrete Bezeichnung - „einfach abartig ist. Bitte, Fea. Die Ekklesiarchie...“
Fea setzte sich mir gegenüber auf das Bett, die Beine überkreuzt. „Ach Miri“, seufzte sie traurig mit einem Gesichtsausdruck, den ich sonst noch nie bei ihr gesehen hatte. „Ich glaube, du verstehst es einfach nicht.“
Ich wurde nun nur noch wütender. „Ich verstehe sehr wohl!“, fuhr ich sie an. „Also tu nicht so mitleidig. Du bist vom rechten Pfad abgekommen, sieh das endlich ein!“
Fea sah ungewohnt hilflos aus. Sie rang mit den Händen, mit den Worten. „Ist das wirklich das, was du – was du selbst glaubst?“ Sie lehnte sich etwas zu mir herüber, berührte sacht meine Wange. Ich zuckte zurück, schlug ihren Arm weg. Die kurze Berührung hatte für mich etwas ungeheuer Schmutziges, etwas, dass mich tief im Innern gleichzeitig lachen und schreien ließ.
Ich krabbelte ein Stück zurück, sprang dann auf, brachte weiter Abstand zwischen mich und Fea.
„Lass mich in Ruhe! Lass mich einfach nur in Frieden!“, schrie ich sie an, ehe ich zur Tür stürmte – lose Zettel auf dem Boden durch den ganzen Raum verteilend – sie aufriss und hinausrannte. Das letzte Bild, dass ich von Fea hatte, war, dass sie, irgendwie gebrochen, immer noch den Arm angehoben, auf dem Bett saß und mir nachblickte.

Die nächsten Stunden irrte ich, verstört, aufgelöst, aber doch irgendwie erleichtert, durch die Straßen der Ebene. So ging es also zu Ende, ein kurzer Knall, und es war nicht mehr. Irgendwo zwischen Feas Wohnung und dem Aquila muss ich den Entschluss gefasst haben, mich an die Behörden zu wenden. Ich hatte einmal eine Sendung gesehen, die den Trutzbau zeigte, einige Bahnstunden von hier entfernt: ein Ungetüm aus Beton und Durastahl, Wahrzeichen der Imperialen Macht.
Nach dem Gespräch mit ihr war ich mir sicher, dass sich Fea nicht von selbst Hilfe suchen würde – dafür war sie schon zu verblendet, zu weit auf dem Weg vorangeschritten, der sie nur ins Dunkel führen würde. Aber wenn ich sie meldete, konnte sie sicher in professionelle Behandlung kommen; vielleicht konnte man so eine Perversion auch von einem Prediger austreiben lassen? Und sollte sie tatsächlich eine Anhängerin des Erzfeindes sein, konnte ich mir nicht vorwerfen, nicht mein Möglichstes getan zu haben. Je länger ich mit diesen Gedanken spielte, ihn im Kopf hin und her wandte, desto sicherer wurde ich mir, dass dies der richtige Weg war. Endlich war die Zeit des unentschlossenen Abwartens, des hilflosen Zusammenkauerns vorbei. Der Bann war gebrochen. Ich würde mein Leben wieder selbst in die Hand nehmen.
Als ich zu Hause ankam, versuchte meine Mutter aus mir herauszubekommen, was geschehen war. Ich hatte jedoch keine Zeit für ausufernde Erklärungen. Stattdessen drückte ich ihr nur einen flüchtigen Kuss auf die Wange und sagte, dass ich schnell los müsse, gegen Abend aber wieder zu Hause sei. Sie schien verwundert, ließ mich aber unter dem Versprechen ziehen, dass ich dann alles ganz genau berichten würde.
Während der Fahrt packte mich erneut eine gewisse Unruhe. Warum war Fea nur so uneinsichtig? Es hätte alles nicht so enden müssen. Ich fingerte den Glücksbringer hervor – ein Flügel war abgeknickt. Ich erinnerte mich, dass mir das schon früher aufgefallen war, ich aber vergessen hatte, ihn zu kleben. Draußen zogen Straßenschluchten, Betonbauten und riesige Wohnkomplexe vorbei. Immer wieder schaute ich auf meine Uhr, doch die Zeit kroch nur dahin. Es dauerte schließlich länger als erwartet. Der Tag war schon fast vorbei, als ich letztendlich am Machariusplatz ausstieg. Über mir erhob sich, bis unter die Decke der Ebene, hunderte Schritt breit, die imperiale Repräsentanz. Die Festung erschien noch bedrohlicher, noch gewaltiger als auf den Bildern, ich erschien mir mit meinen Problemen plötzlich nichtig und unbedeutend. Das Portal war übergroß und aus massivem Metall. In es graviert und über die umliegenden Wände verteilte Fresken zeigten die Eroberung der Galaxis durch den Imperator, er selbst war das zentrale Motiv des Schlusssteins. Mir fiel auf, dass zwischen den Szenen kleine Nischen mit waffenstarrenden Geschütztürmen eingestreut waren. Überall waren Menschen, die das Gebäude betraten oder verließen – Beamte, Leute aus der Ebene, Soldaten in dem schmutzig-braunen Drillich der planetaren Verteidigungsstreitkräfte. Alle strahlten Hektik und Nervosität aus. Ich betrat die Festung.
Auch innen zeugte alles auf eine kalte, düstere Art von der Glorie des Imperiums. Die Eingangshalle schien nicht für Menschen, sondern für Titanen gemacht, über mir war nur Schwärze, aber kein Ende des Raumes zu sehen. Streng symmetrisch angelegt, gingen zu meiner Linken und Rechten Treppen nach oben und unten, wanden sich dort außer Sicht. In der Mitte trennte eine hüfthohe Mauer die Besucher von Dutzenden Angestellten, die hinter ihren Cogitatoren saßen und sich bemühten, so gut es ging Auskunft zu geben und Bittsteller weiterzuleiten. Hier herrschte noch mehr Chaos als draußen: Soldaten warteten darauf, dass Servitoren Kisten in bereit stehende Transporter verluden, einige geleiteten eine Kolonne Beamter nach draußen. Ich sah genauer hin – auch die Männer und Frauen am Empfang waren bereits dabei, aufzubrechen. Nur noch einige wenige arbeiteten tatsächlich.
Irritiert wandte ich mich an einen Soldaten namens Eldrim, Schulterklappen und Abzeichen nach Koporal der 169. Aricischen Schützen. Er war älter als die meisten seiner Kameraden – diese zählten wohl wie ich zwanzig Jahre – hatte einen voluminösen Schnauzbart und ein väterliches Gesicht. Auf meine Frage, was hier gerade geschähe, lachte er nur.
„Noch nicht gehört, Mädchen? Wo lebst du denn? Der Erzfeind ist gelandet! Hab da nichts Genaueres gehört, aber anscheinend haben es unsere Jungs draußen es nicht geschafft, ihm ordentlich einzuheißen. Jedenfalls räumen wir jetzt die unteren Ebenen und bündeln unsere Kräfte weiter oben.“
Die Worte waren so ungeheuerlich – und ich wohl auch so durch die bisherigen Ereignisse des Tages mitgenommen – dass ich irritiert erwiderte: „Aber es ist wichtig!“
„Du hast ja keine Ahnung! Geh lieber nach Hause und verbarrikadier' dich, hoff' ein wenig auf dein Glück. Oder willst du dich lieber einziehen lassen?“ Wieder ließ er ein dröhnendes Lachen ertönen.
Ich war wie paralysiert. Der Erzfeind – hier? Und was war mit Fea? Kümmerte sich das Imperium denn gar nicht mehr um seine Bürger?
Bevor der Korporal seine scherzhafte Drohung wahr machen konnte, verließ ich die Repräsentanz wieder auf dem Weg, den ich gekommen war, und setzte mich in die nächste Bahn Richtung zu Hause.
 
Super, ein neuer Teil, den ich nicht kenne 😀

Also gefällt mir super. Ein wenig schöner hätte ich es gefunden, wenn Miri es sich von selbst überlegt hätte, aber das wäre vermutlich zu vorhersehbar gewesen. Ansonsten sehr interessante Wendung des Ganzen. Bin mal gespannt, wie es jetzt weitergeht.

Was mich noch wundert: Wieso verlangt die Mutter jetzt so stark Auskünfte? Die Wochen vorher war Miri doch auhc ständig weg und dazu noch auf Droge. Müsste sie das nicht viel stärker beunruhig haben? Oder kam das nur nicht richtig rüber?