Womit haengt das zusammen?
Persönliche Prioritäten. In Mitteleuropa entscheiden Homosexuellenehe, öffentliche Zurschaustellung des persönlichen Glaubens und Abtreibungsdebatten nur in Ausnahmefällen Wahlen, wenigstens in einigen Bundesstaaten der USA spielt das eine ganz und gar nicht unwesentliche Rolle. Da sich selbst seriöse amerikanische Medien auch vorzugsweise an solchen polarisierenden Themen abarbeiten, prägt der Informationsfluss auch die Bedeutung des Themas, anders gesagt: die veröffentlichte Meinung färbt nach und nach auf die öffentliche Meinung ab. Wenn also Leitartikler, Radiomoderatoren und Fernsehfritzen unermüdlich darauf hinweisen, dass der gesamte politische Bestand der USA am Scheideweg steht, wenn die falsche Entscheidung bzgl. der Anerkennung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften getroffen wird, dann glauben das die Dauerberieselten irgendwann auch.
Abgesehen davon sollte nicht unterschätzt werden, dass die
libertären Werte (KalTorak unterschied sehr richtig, als er von den
liberalen Werten sprach, die von den Demokraten vertreten werden) sich nach wie vor großer Beliebtheit erfreuen, ohne Ansehen davon, welche persönlichen Vor- und Nachteile daraus erwachsen. Die demoskopischen Umfragen zum Thema Versicherungsschutz haben einen großen Zweifel auch bei denjenigen offengelegt, die davon eher profitieren würden. Amerikaner lassen sich nur ungern vom Staat etwas aufzwängen, und sei es noch so nützlich.
Ferner ist die Bilanz aus der ersten Amtszeit Obama schlichtweg ernüchternd. Die Arbeitslosigkeit liegt bei 8% (bislang ist noch kein Präsident wiedergewählt worden, nach dessen erster Amtszeit die Quote bei über sieben Prozent lag, auch wenn das natürlich nur eine Korrelation und keine Kausalität darstellt), trotz oder wegen der milliardenschweren Konjunkturprogramme und massiven quantitativen Geldlockerungen der Fed, die außenpolitischen Einsätze bestehen entweder immer noch fort (Afghanistan), haben sich als Fehlgriff erwiesen (Libyen) oder waren eine große Schaumschlägerei (Kairoer Rede), innenpolitische Gesetzgebung ist kaum vorangekommen (das liegt freilich auch am Obstruktionskurs der Republikaner), mithin war die Fallhöhe vom Visionär zum schnell grauhaarig gewordenen Amtsinhaber doch zu groß.
Zu guter Letzt: wer ernsthaft alles glaubt, was im amerikanischen Wahlkampf ertönt, hält auch hiesige Gazetten für Leuchttürme der Wahrheit. Wenn Obama weiterhin Präsident bleibt, wird er weder weltweiten Frieden und Vollbeschäftigung bringen noch die USA in einen kommunistischen Sündenpfuhl verwandeln, wenn Romney der Nachfolger wird, wird Amerika nicht in ein fanatisiertes Glacis umgerüstet, aber auch schwerlich in Kürze die Konjunktur zum Brummen bringen. Etwas Ruhe und Gelassenheit wird schon nicht schaden.