Freut mich, wenns dir taugt, MüMa!
Dann gehts jetzt weiter und zwar gleich mit mehreren Teilen 🙂
Louen riss die Augen auf und sogleich verspürte er einen stechenden Schmerz in selbigen. Der Graf blinzelte kurz und fühlte sich dann schwummrig. Was war geschehen? Der Bretone blickte an sich herab und sah, dass seine Haut die Farbe von Elfenbein angenommen hatte und seine Finger dürr geworden waren, genauso waren seine Nägel dunkler geworden und er fühlte einen Geschmack von Bitterkeit im Mund. Sofort umleckte er mit seiner Zunge die Lippen und bemerkte, wie rau diese geworden waren. Er spürte der Drang, seinen Körper abzutasten und strich mit seiner Hand über den Hals, wo er auch sofort inne hielt. Seine Finger nahmen etwas auf der Haut wahr, das noch nie zuvor da gewesen war – zwei kleine Unebenheiten nahe seiner Kehle. Was bei der Herrin des Sees war das? Riana musste es wissen, also erhob sich Louen d’Ayen und registrierte sogleich, dass er nicht mehr so gebückt stand, wie vor wenigen Stunden noch.
Sofort bestrich ihn ein Gefühl des Schwindels und so setzte sich der Graf wieder. Er stützte seinen Kopf auf seine Arme, die er auf seinen Knien abstützte und schloss die Augen. Dann öffnete er sie wieder und der halbdunkle Raum schien ihm unnatürlich grell, doch nach wenigen Herzschlägen hatten sich seine Augen an die Helligkeit gewohnt. Plötzlich erspürte er die Anwesenheit von jemandem und drehte sich blitzschnell um. In der gleichen Bewegung erhob er sich von seinem Bett und griff dahin, wo sonst sein Schwert hing, doch es war keine Klinge an seiner Seite. Entsetzt starrte Louen an sich herab und bemerkte, dass er keine Waffen trug. Seltsam… Aber dann hob er wieder seinen Blick und sah genau in die Augen von Riana, die sich mit der Zunge über die Lippen leckte und befriedigt grinste.
„Wie war dein Schlaf, Liebster?“, fragte sie leise.
„Was, was ist mit mir geschehen?“, fragte Louen hingegen.
„Was soll mit dir geschehen sein?“, erwiderte sie und ging auf ihn zu.
„Ich weiß nicht, aber ich fühle mich so anders…“, nuschelte er.
Riana grinste nur lüstern und strich ihm sanft an der Schulter entlang, schließlich flüsterte sie ihm ins Ohr: „Jetzt bist du, wie ich…“
Louen verstand nicht und sah nur in ein belustigtes Gesicht, das wunderschöne Augen zierten, die in diesem Moment glücklich glänzten. Der Graf war äußerst verwirrt über die Worte, die er soeben vernommen hatte und so fragte er: „Aber WAS ist das?“
„Nun“, begann sie „lass es mich so erklären. Ich, nein – wir sind etwas ganz Besonderes. Wir heben uns sozusagen von den lächerlichen normalsterblichen ab. Nicht durch blaues Blut, viel mehr durch gewisse Fähigkeiten… Du wirst sie noch finden, derweil sind sie noch tief in dir verborgen und du musst sie suchen, aber schlussendlich wirst du sie finden.“
Louen verstand noch immer nicht, doch blieb er dieses Mal still und griff sich nur an den Hals, wo er die beiden Unebenheiten auf seiner Haut fühlte.
Plötzlich vernahm der Graf eine laute Stimme, die ihn rief. Er musste kurz überlegen, doch dann konnte er sie zuordnen; sie gehörte seinem Untertan und Ritter Jacques d’Ayen, der nach Louen den Oberbefehl über sein Heer hatte. Es schien ihm eine Ewigkeit zurück, als er sie das letzte Mal vernahm, aber er entschied sich, nach draußen zu gehen und nach dem Rechten zu sehen.
Louen streifte den Vorhang seines Zeltes beiseite und wich zurück, vom hellen Sonnenlicht geblendet. Doch bald war diese Grelle verflogen und seine Augen hatten sich an das Tageslicht gewohnt. Es herrschte reges Treiben vor dem Zelt. Überall rannten Soldaten umher und wie Louen sah, war die Sonne erst vor knapp einer halben Stunde aufgegangen – also war es noch früh am Morgen, sieben Uhr vielleicht. Dann wandte er seinen Blick in eine andere Richtung und fand Jacques in seiner glänzenden Rüstung wieder, der salutierend vor ihm stand.
„Monsieur! Sie haben befohlen, nach dem Morgengrauen, Sie zu wecken! Die Schlacht wartet, Monsieur, der Feind ist noch nicht verständigt!“
Louen d’Ayen war etwas verwirrt, doch dann konnte er einen klaren Gedanken fassen und erinnerte sich. Ja, einen Krieg hatte er geschworen – bei seiner Ehre und diese sollte er jetzt auch verteidigen.
Also bedankte sich der Graf kurz und verschwand wieder in sein Zelt, nachdem er einen Knappen orderte. Louen trat nun ein und fand das Halbdunkel dort viel angenehmer, als das Sonnenlicht draußen. Nur wenige Sekunden später war der bestellte Knappe auch anwesend und er hatte Louen die Rüstung bemerkenswert schnell und gut angelegt. Als Belöhnung dafür bekam er ein trockenes „Danke“ und dann wurde er wieder hinfort geschickt.
Der Graf stand nun in gesamter Ausrüstung vor Riana und sie fand, er sah darin äußerst gut aus, doch sagte sie ihm dies nicht – die Frau lächelte nur fröhlich und sprach schließlich zu ihm: „Ich bin mir dessen bewusst, dass die letzten Minuten sehr schnell und viel für dich waren, aber jetzt geh, du hast einen Eid zu erfüllen!“
Als Bestätigung, dass er gehen sollte, drückte sie ihm einen Abschiedskuss auf die Wangen und kurze Zeit später war der Graf auch schon bei seinem Streitross und ihm wurde in den Sattel geholfen. Verwundert blickte er in den Helm, den er sich soeben aufsetzen wollte, und fragte sich in Gedanken, warum er kämpfte und warum plötzlich alle so hastig wurden – Louen hatte nicht einmal Zeit gefunden, ein Frühstück einzunehmen. Doch als er sich im Sattel umdrehte, um einem Drang tief in ihm Folge zu leisten, sah er Riana vor dem Zelt stehen in ihrem dunkelroten, seidenem Kleid, in dem sich die Morgenbrise spielte. Die Frau sah ihm also zu, wie er fort ritt… Dadurch ermutigt, stülpte er schließlich seinen Helm über sein Haupt und ein vertrautes Gefühl kehrte in ihn zurück. Es war der Blutdurst, der in ihm aufstieg, den er jedes Mal hatte, wenn er durch die engen Schlitze des Visiers blickte und im Augenwinkel seine Waffe sah. Es war die Schwere des Metalls, die ihn noch stärker werden ließ und es war der Stahl in seiner Hand, der ihm ein Gefühl der Unbesiegbarkeit gab.
Louen steckte die Klinge zurück in Scheide, hängte den Schild locker im Ellenbogen ein, ergriff mit der Linken die Zügel und nahm mit der rechten Hand die Lanze entgegen, die ihm gereicht wurde.
Um ihn herum hatten sich etwa ein Dutzend Ritter versammelt und die kleine Truppe ritt sogleich aus dem Lager, um ein großes Zelt herum und stand plötzlich vor einem gewaltigen Heer, wie es Louen seit Jahren nicht mehr gesehen hatte. Der glänzende Stahl der Rüstungen blendete ihre Augen und die rot-schwarze Heraldik war Meilenweit als die von Ayen zu erkennen. Hoch über den Reihen prangte ein gewaltiges Banner – gehalten von einem einzigen Mann auf einem riesigen Streitross. Louen spürte, wie der Enthusiasmus des Kampfes in ihn zurückkehrte, wie seine Moral stieg und sein Kampfeswille schier unbrechbar schien.
Der Graf erhob sein Haupt und konnte nun erkennen, wie die gewaltige Armee in verschiedene Regimenter eingeteilt war. Den Kern bildeten große Mengen an Rittern, die von berittenen Soldaten an jeder Flanke gedeckt wurden. Als der Bretone seinen Blick weiterschweifen ließ, erkannte er über einem kleinen Wald Pegasi, etwa drei Dutzend an der Zahl. Der Graf entdeckte schließlich auch an der äußersten Flanke kleine und wenige Regimenter von Rittern, die neben gewöhnlichen Fußsoldaten postiert waren.
Louen d’Ayen grinste unter seinem Helm, fügte sich im vordersten Regiment ein und dann kam ein Ritter, den Louen nicht kannte, angeritten und sprach ehrfurchtsvoll: „Monsieur! Späher haben uns berichtet, dass der Feind bereits von unserer Anwesendheit wusste! Er hat bereits Aufstellung vor der Stadt bezogen und wartet auf unseren Angriff!“
Louen öffnete sein Visier und sah den Ritter ernst an, dann sprach er: „Das ist nicht gut, aber fein. Dann stellen wir uns ihm wenigstens in einem ehrlichen Kampf! Für die Ehre möge die Herrin des Sees uns vor den Verrätern schützen!“
Schließlich schloss er sein Visier wieder und hob seine Lanze – das Zeichen zum Angriff. Sofort vernahm der Graf das Hallen von etlichen Trompeten und Hörnern, als sich schließlich die Armee in Bewegung setzte.
„Was Riana jetzt wohl denkt?“, flüsterte Louen d’Ayen leise zu sich selbst.
Das Heer aus Ayen erklomm einen Hügel und Louen konnte nun auch die Armee von Sénya sehen. Sie war nicht minder gewaltiger, als seine eigene, doch schreckte dies ihn in keiner Weise ab – nein, im Gegenteil sogar – der Kampfwille des Grafen stieg noch mehr und sein Durst nach Rache wurde ebenfalls größer.
Die Banner, in dem für Sénya typischen blau-weiß, prangten hoch über den Reihen und die Soldaten und Ritter hatten die gleiche Heraldik auf ihrer Ausrüstung, die auch auf den Standarten zu sehen war.
Louen d’Ayen hob die Hand hoch in den Himmel und zügelte sein Pferd. Sofort erschallte ein lautes Horn über dem Hufgetrappel, woraufhin innerhalb weniger Sekunden das gesamte Heer zum Stehen kam. Der Graf hob sein Visier und blickte den Hügel hinab, auf die Verteidiger. Die Streitmacht von Ayen hatte eine perfekte Position für einen Angriff; sie waren auf einem Hügel und konnten somit enormen Schwung holen, um die Kraft ihrer Rösser vollends auszunutzen. Außerdem hatten die Bogenschützen so ein freies Schussfeld und die Schützen des vermeintlichen Verräters mussten den Hügel hinauf feuern.
Dies alles bedacht, gab Louen den Befehl zum Angriff und noch bevor sich die Pferde in Bewegung gesetzt hatten, surrte ein Pfeilhagel, der von den Bogeschützen aus ging, gen Tal und kam Todbringend in die blau-weißen Reihen nieder. Noch ehe die Verteidiger eine Salve zurückfeuern konnten, kam die zweite von den Angreifern, jetzt aber waren die Ritter bereits in Bewegung.
Louen klappte während seinem Ritt dass Visier herab und als er wieder in Erinnerungen an seine vergangenen Kämpfe schwelgte, schwoll in ihm der Blutdurst enorm an und er wollte töten. Der Graf spornte sein Pferd noch mehr an und klemmte schließlich die Lanze unter die Achsel. Allmählich legten auch seine Ritter diese an und rückten die Schilde zurecht, während die Pferde in halsbrecherischem Tempo auf den Feind zugaloppierten.
Doch dann kam die gegnerische Salve, die vorher ausgeblieben war. Sie war nicht auf die Schützen unter Louens Befehl ausgerichtet – nein, Pfeile surrten auf die rot-schwarzen Ritter zu. Innerhalb eines Handumdrehens war dies geschehen und in eben diesem endlos langen Moment, zeichnete sich die Fratze des Entsetzens in so manches Gesicht der Angreifer, aber es blieb nicht lange dort. Denn die Männer waren entschlossen und ehe die weiß gefiederten Schäfte auf Ziele trafen, erschallte ein Kampfesschrei von dem Hügel herab und Banner wurden hoch in die Höhe gerissen.
Jedoch dann waren die Pfeile da, und Louen und seine Diener spürten, dass sie dies waren, denn plötzlich ertönte gemeinsam mit dem Kampfgeschrei das Wiehern von Pferden und die Todesschreie so manches Ritters. So viele Pfeile es auch gewesen waren – die Rüstungen waren zu dick für sie gewesen. Die meisten Geschosse waren einfach von dem Stahl abgewehrt worden, doch so manches fraß sich auch durch die eiserne Haut der Männer und forderte seinen Preis.
Aber diese Salve hinderte die Ritter nicht daran, dass sie sich unentwegt der Streitmacht von Gerard de Sénya näherten. Es waren auf einmal nur mehr wenige hundert Fuß und auch diese Zahl schrumpfte binnen Sekunden weiter herab auf eine Nichtigkeit, die genauso schnell vorbei war.
Dann war der Moment des Kampfes angebrochen. Nun war die Zeit gekommen, an der Helden geboren wurden. An der Lieder über Männer geschrieben wurden und der Moment, an dem viele nie wieder ihre Familie und Freunde sehen würden.
Die Ritter waren sich dessen bewusst, doch der Gedanke an Ruhm und Ehre gewann die Überhand und auch der Hass auf die Verräter. Die Lanzen wurden also mit noch festeren Griffen umschlossen, die Schilde noch angespannter gehalten und die Leiber noch gebückter. Auch die Pferde wurden auf seltsame Weise schneller und dann war dieser unfassbar kurze Augenblick verklungen. Die zwei Mächte hatten sich getroffen. Blut spritzte, Holz barst, Schilde zerschellten, Metall brach, Männer schrieen und Fleisch wurde zerfetzt. All die märchenhafte Ehre, in deren Glauben die Ritter erzogen wurden, war wie weggeblasen und der Selbsterhaltungsdrang gewann die Überhand. Im Angesicht des Todes und des Feindes entwickelten die Männer ungeahnte Kräfte, die sie unfassbare Taten vollbringen lies – sie führten die Klingen noch schneller und härter, blockten mit mehr Gegenwehr und die Gesichter wandelten von einem Ausdruck der Entschlossenheit, ihren Ausdruck in ein Antlitz des Entsetzens.
Aber nicht so Louen d’Ayen. Seine Augen nahmen einen wahnsinnigen Ausdruck an und seine Hand führte die Klinge ohne sein Zutun – der Graf brauchte nicht mehr zu denken, er wusste, wie er seine Gegner treffen musste und wo. Er wusste, wie sie reagieren würden und als seine Lanze barst, warf er diese sogar so weg, dass er einen Feind aus dem Sattel hob. Dann war auch schon seine Klinge in den Leibern von Verrätern. Louen wurde plötzlich von einer Kraft erfüllt, die er noch nie zuvor gespürt hatte und er verwandelte sich in ein Biest, das nicht aufgehalten werden konnte. Sein zierlicher Leib in der dicken Rüstung zeigte kein Zeichen von Erschöpfung und so geschah es, dass sich Louen mit Jacques und seinem Standartenträger immer weiter in die Reihen ihrer Feinde grub. So weit, bis der Graf nichts anderes, als blaue Soldaten sah.
Jacques schrie plötzlich etwas von wegen, sie würde sich zu weit von der Armee entfernen, doch Louen hörte seine Stimme nicht – er schwang das Schwert mit konstant zunehmender Geschwindigkeit und wurde mit jedem Streich tödlicher. Jeder Schlag ein weiteres Kriegsopfer, das nie wieder zu seiner Familie zurückkehren würde. Jeder Stich ein weiteres Leben zerstört, beendet und ausgelöscht. Nur noch Erinnerungen an vergangene Taten von jenem unbedeutenden Wesen blieben in der alten Welt. Mit jedem Streich zerstörte Louen ganze Familien und Träume, doch er kümmerte sich nicht darum – sein Blutdurst musste gestillt werden, komme, was da wolle.
Das Blut spritzte ihm ins Gesicht und rann durch die Sehschlitze in seine Augen. Louen verfiel in einen Blutrausch, wie er ihn noch nie gehabt hatte. Zwar war der Bretone schon an unzähligen Kämpfen und Schlachten beteiligt gewesen, doch noch nie hatte er dermaßen durch die Reihen seiner Feinde gewütet. Das Schwert, das er führte nahm die Farbe seiner Tracht an und wurde mit jedem Streich dunkler, denn jeder kostete ein weiteres Menschenleben.
Und plötzlich, ohne dass Louen es vorausahnen hätte können, ertönte ein gewaltiges Donnern und ein Blitz fuhr durch die Reihen seiner Soldaten. Aber wie war das möglich? Der Graf wusste es nicht, immerhin kannte er keinen Magier seines Volkes, der eine solche Gewalt an Magie entfesseln hätte können. Dies im Kopf, wurde der Bretone noch rasender und wusste plötzlich, wo er hin musste.
Louen d’Ayen lies seinen Gaul die Richtung ändern und gab ihm die Sporen. Trotz der Massen an Feinden und der Unmöglichkeit des Bewegens, schlug er sich durch und auf noch sonderbarerer Weise bemerkte er, dass Jacques und Sean, der Armeestandartenträger, noch immer verbissen hinter ihm kämpften. Leise eine Danksagung an die Herrin des Sees flüsternd, lies der Graf sein Schwert einen weitere Kopf von den Schultern trennen.
Sein Pferd pflügte durch die Landsknechte von Gerard de Sénya und Louen hörte über das Geräusch von Metall auf Metall die Schreie von Sterbenden. Jeden normalen Mann würden solche Laute ein Leben lang verfolgen, doch der Graf wurde sein Leben lang darauf hin trainiert, dass dies nicht passieren würde und wie es aussah, ward dies Training erfolgreich, denn er zuckte nicht mit der Wimper, wenn er ein Leben auslöschte. Viel mehr freute er sich über das Blut, das ihn besudelte und über das Fleisch, das sein Metall durchtrennte.
Doch plötzlich wurde er aus seiner Trance gerissen, als er im Augenwinkel eine Hellebarde bemerkte und sich zu ducken versuchte. Aber zu spät – die Klinge der Waffe traf ihn mit voller Wucht und sein Ritt verdoppelte die Kraft, mit der sie auf seine Brust krachte.
Louen verlor das Gleichgewicht im Sattel, lies die Zügel los und bemerkte einen Herzschlag später, dass das der größte Fehler war, den er machen konnte, denn auf einmal rutschte er aus dem Sattel und kippte nach hinten. Der Schild glitt ihm vom Arm und sein Schwert fiel beinahe aus seiner Rechten, als er in der Luft war. Sekunden verstrichen, als wären sie ganze Leben und die Umgebung verfärbte sich zu einem einzigen blauen Gemisch, das nur kurz von dem rot seines Ärmels unterbrochen wurde. Dann sah der Bretone die Sonne, die ihn blendete, woraufhin er sich wünschte, sie würde verschwinden und es geschah schneller, als er geglaubt hatte, denn plötzlich krachte es gewaltig und sein Kopf schlug gegen das Metall seines Helmes. Seine Arme schmetterten auf den harten Boden und sein Rücken donnerte auf das tot getrampelte Gras unter ihm. Dann blieb ihm die Luft weg und er konnte nicht einmal schreien. Plötzlich war die Rüstung, die ihm vor Sekunden noch diente, ein einziges Hindernis, da er sich kaum rühren konnte.
Louen d’Ayen konnte durch die Sehschlitze nur den blauen Himmel erkennen und er entspannte seine Muskeln, als sein Mund Blut preisgab und es gegen die Innenseite seines Helmes spuckte. Die Augen des Grafen schlossen sich langsam und seine Finger lockerten den Griff um das Heft des Schwertes. Es fühlte sich schmerzhaft, doch irgendwie angenehm an, als das Leben aus ihm rann. Ganz langsam nur verlies ihn sein Geist, doch es war das schönste Gefühl, das er je empfunden hatte.
Doch plötzlich war da noch etwas Anderes. Sein Gewissen sagte ihm, es gab noch etwas in der alten Welt, für das es sich zu leben lohnte, doch der verwundete Graf konnte es sich beim besten Willen nicht vorstellen. Aber dann kam ihm die Erkenntnis und seine eben noch geschlossenen Augen rissen weit auf und er schrie: „Riana!“
Dann war da eine Kraft in seinen Muskeln, die er noch nie gefühlt hatte und innerhalb weniger Sekunden stand der Graf aufrecht, umringt von hunderten Soldaten, die seinen Kopf wollten.
Louen nahm sein Schwert in beide Hände und sah sich um, um sich zu orientieren. Und dann sah er jemanden, den er suchte – Jacques d’Ayen, Waffenmeister und erster Ritter des Grafen, der soeben aus dem Sattel geflogen war und schon wieder auf den Beinen stand, um die Verräter zu richten.
Dann trafen sich ihre Blicke und beide hielten kurz inne. Auf einmal sah Louen hinter Jacques seine Standarte und Sean fielen. Entsetzen machte sich auf dem Gesicht des Grafen breit, als er mit ansehen musste, wie sich eine Klinge in den Hals seines Freundes fraß und der Lebenssaft in großen Strömen aus dieser gewaltigen Wunde rann. Mit einem letzten, nach Hilfe flehendem Blick an Louen gerichtet und den Händen am Hals, sank der Mann in sich zusammen und das Banner von Ayen ging im Heer von Feinden unter.
Jacques riss sich mit der freien Hand den Helm vom Kopf und brüllte so laut, wie man in Bretonia noch nie einen Mann hatte schreien hören: „SEAN! NEEEIIIINNN!!!!“, denn in eben diesem Moment musste ein Mann mit ansehen, wie ein Freund, den er von Geburt an kannte getötet wurde. Er musste mit ansehen, wie unzählige Erinnerungen an schöne Zeiten und endlose Stunden der Freude zur Vergangenheit wurden, da eben dieser Freund von einem als Verräter gebrandmarktem Menschen hingerichtet wurde.
Jacques drehte sich um, mit Tränen in den Augen und sah mit einem Blick der unsäglichen Trauer und des unfassbaren Hasses auf Louen, als er zu einem der Blauröcke brüllte: „Du Hundesohn!!“, und sich dann auf den Mörder von Sean stürzte. Er richtete binnen Sekundenbruchteilen und riss mit einem Streich seines Schwertes zwei weitere Blauröcke aus dem Leben. Er holte zu einem weiteren Schlag aus und verwandelte sich eine Bestie, die nicht zu stoppen war, nicht von Menschenhand.
Louen hatte all dies mit angesehen und eine Träne rann über seine Wange, als ihn plötzlich derselbe Blutrausch, der seinen getreuen Freund und Ritter Jacques gefasst hatte, packte. Der Graf von Ayen riss sein Schwert in die Höhe und enthauptete einen Mann, der soeben seine Waffe zum Schlag erhoben hatte. Er drehte sich um und spießte einen Bretonen auf, der seinem Landsmann zu Hilfe eilen wollte und schlachtete mit der Bewegung, mit der das Schwert aus dem Leib zog, einen weiteren Soldaten. Er war wie ein Berserker, der nicht zu stoppen war – fast schon ein Racheengel.
Das Blut spritzte ihm durch die Sehschlitze ins Gesicht, als Louen wieder einen Blitz in die Reihen seiner Leute niedergehen sah. Zorn und Hass wich der unsäglichen Trauer, als seine Augen dies aufnahmen. Nun hatte der Graf von Ayen ein Ziel vor sich – es war die Anhöhe direkt vor ihm, von der aus die Energie und die Blitze kamen. Also musste dort oben der Magier sein, den Louen vorher schon bemerkt hatte und jetzt wusste der Graf, wo er ihn fand, also war es nur mehr eine Frage der Zeit, bis einer der beiden den Tod fand.
Plötzlich trafen sich Jacques’ und Louens Blicke und der Herr von Ayen deutete seinem Freund und Ritter, auf die Anhöhe zu kommen.
Der Graf sah sich nun wieder einem nicht enden wollendem Heer aus Soldaten gegenüber, die vermutlich nicht einmal eine Ausbildung genossen hatten, wodurch sie es nicht verdienten, Gegner genannt zu werden. Dann setzte der Bretone den Fuß über eine Leiche hinweg und ein langer, aber blutiger Weg fand seinen Anfang.
Nur für dich, Müli 😉