Der Anblick der geschändeten Landkirche zu Honstinum bohrte sich wie ein glühender Dolch in die Herzen der Schwestern. Prioris Nicole Neid bedeutete ihren fünf Mitstreiterinnen, ruhig zu bleiben, und obwohl alles in ihnen danach schrie, mit gezogenen Boltern vorzustürmen und wie Engel der Rache in den entweihten Sakralbau einzufallen, gewann jahrelanger Gefechtsdrill die Oberhand, und sie blieben abwartend im Schatten der Klauenbeersträucher verborgen.
Nichts regte sich in den schwelenden Ruinen, die gestern noch ein beschauliches Gotteshaus gewesen waren, in dem die Schwestern in frommer Andacht den Predigten des Konfessors gelauscht hatten. Vater Kirk Mc Rourey hatte über Treue in der Not gesprochen, über die selbstlose Hingabe an den Imperator. Und nun war das Schicksal des frommen Mannes ungewiss. Honstinum war ein entlegenes Dörfchen auf der Agrarwelt Folcater V, das knapp 50 Seelen eine Heimat bot. Die auf soliden Fundamenten aus Granit mit einem Oberbau aus Steineichenholz erbaute Kirche war nicht nur für die kleine Gemeinde, sondern auch sämtliche umliegenden Weiler und Gehöfte zuständig. Sie war auf dem gesamten Planeten für die liebevollen Holzschnitzereien berühmt, die unter Anderem Stationen aus dem Lebensweg des Gottimperators zeigten. An jedem Zehnttag, wenn zu Seinen Ehren die harte Arbeit ruhte, strömten Scharen von Gläubigen in die Kirche, um den salbungsvollen Worten des Priesters zu lauschen, die erbaulichen Kunstwerke zu bestaunen oder die Kinder mit den gruseligeren Schnitzereien in den entlegensten Nischen des Gotteshauses zu erschrecken, die die ewigen Qualen der Verdammnis zeigten, welche Häretiker und Mutanten im Jenseits zu erwarten hatten.
Und dieses rustikale Juwel war nun ein Opfer der Flammen geworden. Bewohner des Dorfes hatten das Feuer entdeckt, das offenbar in den frühen Morgenstunden ausgebrochen war, und sofort einen Boten in die Kommandantur der Güldenen Lilie entsandt, die auf Folcater V zur Unterstützung der planetaren Verteidigungskräfte errichtet worden war. Doch als der Trupp von fünf Schwestern und einer Prioris den Ort des Geschehens erreichte, um die Löscharbeiten zu koordinieren, fanden sie statt eines eifrigen Löschzugs etwa drei Dutzend bestialisch entstellter Leichen von Männern, Frauen und Kindern vor, welche die Strecke zwischen der Kirche und dem Löschteich säumten. Prioris Neid hatte sofort Verstärkung anfordern wollen, doch Interferenzen unbekannten Ursprungs machten jegliche Kommunikation mit der Kommandantur unmöglich. In diesem Moment hatten die grauenhaften Schreie aus der Kirche begonnen.
Schwester Natasha Wini schulterte ihren Bolter und aktivierte den Auspex. Fragend blickte die Prioris zu ihr hinüber. „Nichts. Nur ein schwaches Signal aus dem Inneren der Kirche. Keinerlei Energieemissionen. Was immer es war, es muss bereits fort sein.“
Die Prioris nickte entschlossen und wandte sich an ihre Schwestern. „Wir rücken vor. Schwester La Codia, Du sicherst von hier aus und rückst auf mein Zeichen hin nach. Für den Imperator!“ Sie sprang hinter der Deckung auf, zückte Kettenschwert und Plasmapistole und lief voran. Ruth La Codia baute sich derweil breitbeinig neben dem Gebüsch auf und brachte den Schweren Bolter in Anschlag. Die übrigen vier nahmen den Kampfruf der Prioris auf und folgten ihr.
Nach wenigen Metern erreichten sie einen kleinen Graben, der mit einer übel stinkenden Flüssigkeit gefüllt war. Offenbar umgab er die gesamte Kirche. „Was ist das?“, fragte die Prioris. Schwester Natasha schüttelte den Kopf. „Soll ich es analysieren?“ Neid winkte ab. Die Schreie waren lauter geworden. „Wir rücken zunächst zur Kirche vor. Um den Graben kümmern wir uns später. Und jetzt… ups?“ Mit einem vernehmlichen „Pling“ riss ein Draht, der quer über den Weg gespannt gewesen war. Es gab einen dumpfen Knall, und mit einem Mal stand die Flüssigkeit, die den Graben füllte, in hellen Flammen. Die Schwestern, die innerhalb des Grabens standen, konnten Ruth La Codia nur noch schemenhaft erkennen. In knapp einer halben Minute war die Kirche von einer oktagonalen Flammenwand umgeben.
„Was ist das für eine Teufelei?“, rief die Prioris empört. Mit drei schnellen Sätzen sprang sie die Stufen zur Kirche empor und blickte in den Andachtsraum. Was sie sah, ließ sie erstarren. Vater Mc Roury hing an den Füßen gefesselt über dem Altar, sein Gesicht zu einer Grimasse des Schmerzes verzerrt. Aus der geöffneten Bauchdecke quollen langsam und bedächtig seine Gedärme. Sein nackter Leib war mit rituell anmutenden Schnittmustern übersät, und große, gefräßige Fangfliegen waren dabei, ihn bei lebendigem Leib aufzufressen. Sämtliche Bilder und Reliquien des imperialen Glaubens waren mut Kot und Unrat beschmiert worden. Die drei Ministrantinnen des Priesters hatte man buchstäblich in Stücke gehackt, und ihre Leichenteile bildeten ein Achteck um den Altar. In der Luft, die immer stärker zu flimmern begann, lag ein metallischer Gestank.
Schlagartig wurde Prioris Neid klar, was hier vor sich ging. Mit einem schrillen Wutschrei hob sie die Pistole und schoss dem Konfessor durch den Kopf. Doch es war zu spät. Die flimmernde Luft über dem Altar nahm eine kränklich-grüne Färbung an, und die Gedärme des Toten begannen, sich wie Tentakel zu winden. Sein gemarterter Leib blähte sich auf, und mit einem vernehmlichen Knacken brachen seine Knochen, um sich neu anzuordnen. Innerhalb weniger Augenblicke war aus dem Konfessor eine grauenhafte Monstrosität geworden, welche von den Fangfliegen umschwirrt wurde und ekelhaft aussehende Dampfwolken absonderte.
Keuchend vor Entsetzen taumelte die Prioris einen Schritt zurück, doch rasch gewann sie ihre Fassung wieder und ließ kalte Wut ihren Geist vom letzten Fetzen Furcht reinigen. „Im Namen des Gottimperators, verbrennt es!“
Wird fortgesetzt…