Als das kühle Mondlicht Estelles Gesicht traf und Ihre Bedenken enthüllte konnte sich Marcelle sein Schmunzeln nicht unterdrücken. „Warum lachst du Marcelle?“ fragte das junge Mädchen. „Ich glaube nicht, dass du dich traust“ antwortete er.
Die beiden Kinder der Familie Valliant hatten schon viele Geschichten über die Höhlen in den nahe liegenden Bergen gehört und wurden auch mehrmals von Ihren Eltern ermahnt keinen Fuß in diese unwirtliche Region zu setzen. Dennoch hatten Sie beschlossen sich in dieser Nacht gegenseitig Ihren Mut zu beweisen.
Vor einigen Tagen erst, hatten die beiden Kinder bei einer Wanderung die Höhle entdeckt. Der Eingang alleine wirkte im Mondlicht wie der Schlund einer Bestie und hätte Ihre Füße beflügelt um sich so schnell wie möglich von diesem Ort zu entfernen. Aber heute wollten Sie sich beweisen, dass sie mutig genug waren und vor nichts zurückschrecken würden. Auch wenn beide von dem Gedanken noch nicht vollends überzeugt waren.
„Du zuerst“ schlug Marcelle vor.
“Es war deine Idee darum gehst du zuerst“ erwiderte Estelle mit einem Unterton der keinen Spielraum für Verhandlungen gelassen hätte.
Ich und meine fixen Ideen dachte Marcelle und setzte den ersten Schritt in den Schlund der Bestie.
„Siehst du?! Es ist völlig harmlos. Lass uns die Höhle erkunden.“
Estelle nahm all ihren Mut zusammen und folgte den Schritten ihres Bruders.
Für eine Höhle bei Nacht und Mondlicht war dieser Tunnel aus kaltem Stein doch erstaunlich hell. Je tiefer man herein schritt umso heller wurde es. Seltsam leuchtende Steine an den Wänden sorgten dafür, dass man genug erkennen konnte um nicht gegen die Wände zu laufen. Je heller es wurde, desto sicherer fühlten sich die Kinder. So konnten sie wenigstens nicht überrascht werden.
Als sie sich dem Ende des Steintunnels näherten, fiel der Blick von Estelle auf ein paar Runen, die in Höhlenrückwand eingeritzt waren und schummerig leuchteten. „Was ist das Marcelle?“ fragte sie.
„Es sieht aus wie Zwergen-Runen.“ Papa hat mir von ihnen erzählt.
Estelle war so fasziniert von diesen Runen, dass sie begann die Linien mit Ihrem Finger nachzuzeichnen. Ein Ruck ging durch die Höhle und ein Geräusch von berstendem Stein ertönte.
Die Wand vor Ihnen verschwand und es wurde taghell. Ihre Augen mussten sich erst an das Tageslicht gewöhnen. Von dem sich ihnen bietenden Anblick überwältigt wusste keines der Kinder was es sagen sollte. Der Raum wurde von hellem Sonnenlicht, welches durch eine Unzahl von Spiegeln und einer Art „künstlichen Sonne“ in der Mitte der gewölbten Decke erzeugt. Es war ein überwältigender Anblick. Der Boden des Raumes war mit zwergischen Runen überzogen. Überall standen seltsam anmutende Gegenstände herum, deren Zweck den beiden Kindern unbekannt war. Mittlerweile hatten sich Ihre Augen an das helle Licht gewöhnt und sie konnten wieder normal sehen. Jetzt konnten sie auch die Gebeine erkennen die in der Mitte des Raumes aufgebahrt waren. Es lagen noch die Gebeine zwei weitere toter Personen in dem Raum, die allerdings nicht so feierlich aufgebahrt wurden. Sie lagen zusammengekrümmt auf dem Boden. Was hier wohl passiert sein mochte, fragten sich die Kinder.
Ein ohrenbetäubendes Brüllen ertönte hinter Ihnen. Es schien, dass ein Bär ihnen in die Höhle gefolgt war angelockt von dem Licht und getrieben von Hunger.
Aus ihren Gedanken gerissen setzten Sich die Kinder reflexartig in Bewegung Richtung Ausgang, jedoch war der Bär bereits im Raum und fixierte Estelle mit seinen finster und hungrig dreinblickenden Augen.
„Hilf mir Bruder“ schrie Sie.
„Ich lenke Ihn ab, dann läufst du raus und holst Hilfe!“ schrie er. Noch während er die Worte sprach ergriff er einen zeremoniell aussehenden Dolch von einem der Tische und schleuderte ihn auf den Bären. Der Dolch traf den Bär an seinem vorderen linken Bein. Der Bär wandte sich sofort Marcelle zu und begann auf Ihn zuzugehen. Estelle nutzte die Gelegenheit und rannte so schnell Sie konnte zum Ausgang um Hilfe zu holen. Sie wusste allerdings auch, dass sie es vermutlich nicht rechtzeitig schaffen würde. Sie musste es trotzdem versuchen.
Marcelle schaffte es gerade noch dem Prankenhieb des Bären auszuweichen. Dabei traf der Bär einige der Spiegel die in die Wand eingearbeitet waren. Der Hieb und das Glas trieben den in seinem Bein steckenden Dolch aus seinem Fleisch und öffneten die Wunde noch weiter. Blut spritze auf den Boden und an die Wand. Der Bär war jetzt endgültig in Rage geraten und drehte sich schnell und zum Angriff bereit in Richtung von Marcelle.
Ein weiterer Hieb, dem Marcelle gerade noch ausweichen konnte indem er sich duckte. Wieder wurden etliche Spiegel getroffen und Blut spritzte durch den Raum.
Mit dem letzten Hieb begann das Licht schwächer zu werden und langsam zu verblassen. Ein so mächtiger Zauber ließ wohl keinen Spielraum für defekte Utensilien.
Je Dunkler es wurde, desto schwerer hatte es Marcelle dem Bär auszuweichen. Es war sowieso ein Wunder das er es bisher geschafft hatte unbeschadet diese Auseinandersetzung zu überstehen. Hätte ich doch bloß nichts gesagt, dachte er bei sich als der Bär es endlich schaffte ihn zu erwischen. Zum Glück hatte er den Jungen nur mit der Innenseite seiner Pranke am Arm getroffen aber das reichte schon um ihn quer durch den Raum zu schleudern.
Nur noch halb bei Bewusstsein versuchte sich der Junge wieder aufzurappeln. Sein Körper wollt ihm jedoch nicht mehr gehorchen.
„Nun ist es um mich geschehen. Wenigstens hat es Estelle heil herausgeschafft.“ Der Junge hatte sich darauf vorbereitet, dass dies seine letzten Gedanken seien als der Bär sich, zum finalen Schlag ausholend, vor Ihm aufbäumte.
Der Bär brüllte und das Reißen von Muskeln und Fleisch, das Knacken und Bersten von Knochen ertönte. Marcelle wurde von einem warmen Nass bespritzt. Er traute sich kaum die Augen zu öffnen. Er nahm allen Mut zusammen und fing an seine Augen zu öffnen. Was er erblickte trieb ihn an den Rand der Ohnmacht. Der ganze Raum war voll mit Blut. Vor ihm lag der Bär. Gerissen in zwei Hälften, seine Innereien am herausquellen und über dem Bären stand eine nackte, Blutüberströmte in Ekstase zitternde Junge Frau. Er konnte seinen Blick nicht von Ihr nehmen. Unfähig zu handeln entfuhr ihm ein leises angsterfülltes Stöhnen. Dies schien aber genug gewesen zu sein um die vor Ihm stehende Frau aus ihren Gedanken zu holen. Als sie ihn ansah fuhr es ihm kalt den Nacken herunter. Als ob jemand über sein Grab gegangen sei. Sie lächelte Ihn an und entblößte dabei Ihre vampirischen Fangzähne. „Nosferatu“ entfuhr es ihm leise und ängstlich. Sein Blick versuchte in dem Restlicht die Gebeine ausfindig zu machen. Er konnte allerdings nur noch die Gebeine auf dem Altar in der Mitte des Raumes und die einer Person am Boden ausfindig machen.
Innerlich um sein Leben flehend wusste er trotzdem, dass er diese Nacht nun definitiv nicht mehr überleben würde. Doch anstelle über Ihn herzufallen wandte sich die Frau von ihm ab und ging zu den am Boden liegenden Gebeinen. Sie legte Ihre Lippen auf den Mund des Tatenschädels als ob Sie den Kopf küssen wollen würde. Die Gebeine begonnen sich sofort zu bewegen, Fleisch, sowie Haut wuchs sofort nach. Eine genauso wunderschöne nackte Frau lag jetzt in Ihren Armen. Als sich Ihre Lippen trennten erwachte auch sie zu neuem Leben.
Er wusste nicht, was hier passierte und wollte es auch nicht. Er wünschte sich nur, dass all dies so schnell wie möglich vorbei sein sollte, damit er Frieden finden konnte. Doch es sollte anders kommen. Die beiden Frauen traten an den Altar mit den aufgebahrten Gebeinen und ließen etwas Blut über die Knochen fließen. Mit einem dämonischen Gebrüll erwachte der männliche Vampir und die restlichen Spiegel in dem Raum zerplatzten.
Das war auch zuviel für Marcelle und er verlor das Bewusstsein.
Er konnte sich nie erklären warum er verschont worden war. Als der Junge erwachte lag er in seinem Bett in seinem Elternhaus. Er wusste, dass etwas Schreckliches über die Welt hereingebrochen war aber nicht warum er überlebt hatte. Als nach einiger Zeit sich Berichte über drei Reisende in Bretonia häuften, die es vollbrachten, obwohl sie alleine reisten, ganze Armeen verschwinden zu lassen wusste er genau das es sich um die drei Nosferatu handeln musste deren Wiedererweckung er beiwohnen musste. Sein Leben würde niemals wieder so sein wie vor dieser Nacht.