Echos
Jeram starrt in die Leere des Raums, wie er es oft zu tun pflegt. In letzter Zeit, seit man ihn an diesen verfluchten Ort gebracht hat. Wenige Stunden am Tag Ruhe, hier in seiner kleinen Zelle, eingepfercht mit anderen Verlorenen. Menschen die das Imperium aussortiert hat, um hier bei lebendigem Leib zu verrotten und sich dabei noch zu Tode zu schuften. Ein zynisches Todesurteil, das sich ewig hinzuziehen scheint. Niedergeschlagen holt er einmal tief Luft und muss sogleich mit einem ungesunden Grollen husten. Dieser verdammte Schimmel an den Wänden. Moderig grün glänzt ihn dieser schleichende Tod an. Seine Lungen schmerzen. Lange wird er das bestimmt nicht mehr durchstehen können. Und wenn ihn nicht der Schimmel langsam vergiftet, dann werden ihn die Brutalitäten der anderen Gefangenen bestimmt früher oder später erwischen. Erst gestern musste Jeram mitansehen, wie ein muskulöser, wie tätowierter, Albtraum von einem Knastschläger, einen anderen Mithäftling bei lebendigem Leib den Kopf heruntergeschnitten hatte. Einmal sah er es in einem Traum, dann später in der Realität, dieses dunklen Lochs. Ja, seine Träume. Manchmal flüstern sie ihm wage Versprechen der Zukunft zu. Kurz vor seiner Verhaftung hatten sie angefangen. Er weiß bis heute nicht warum. Ein Flüstern und Schaben an den Grundfesten seiner Seele, jedenfalls kommt es ihm bisweilen so vor. Aber nicht jeder Traum scheint auch einzutreffen. Vor einer Woche, oder waren es sogar zwei? Die Zeit scheint an diesem Oft unregelmäßig zu einem unüberschaubaren Brei zusammenzufließen. Egal. Jedenfalls war dies sein intensivster wie auch verstörenster Traum gewesen. Riesige schwarze Drachen, metallisch glänzend, wie sie mit ihren goldenen Klauen große Stücke aus den Mauern dieses Gefängnisses rissen. Dazwischen schreiende Menschen. Sterbende Menschen. Rauch, Feuer, Tod und Zerstörung. Und er mitten drin in diesem Wahnsinn. Blutiger Nebel, der ihn dabei wie ein magischer Schleier umweht. Er schüttelt den Kopf gedankenverloren. Nein, das hatte er nicht verdient. Er war nur ein einfacher, aber in gewisser Weise wohlhabender Gewürzhändler, der es nicht ganz so genau mit den imperialen Abgaben genommen hatte. Und na gut, diese Geschichte mit den jungen Mädchen hat ihn dann wohl auch nur noch tiefer reingerissen. Das hätte nie passieren dürfen.
Der nächste Tag. Ein noch trostloserer Ort als das überirdische Gefängnis. Ein Ort wo gequälte Seelen unter brutalen Aufsehern, bis zum Umfallen, sich abarbeiten müssen. Tag ein, Tag aus, werden seltene Metalle aus der Erde geholt, um die anspruchsvollen Kriegsmaschinen des Imperiums zu versorgen. Seit Stunden in dem stickigen Bergwerk, unter dem Gefängniskomplex schuftend, nimmt sich Jeram eine kleine Auszeit. Lauwarmes und nach Rost schmeckendes Wasser läuft über seine ausgetrocknete Kehle, als er sich diese kleine Erfrischung am uralten, wie halbdefekten Wasserspender gönnt. Da knurrt ihn auch schon eine der gesichtslosen Wachen an. Die Botschaft ist unmissverständlich. Geh wieder an deine Arbeit, oder du wirst den Knüppel zu spüren zu kommen. Seine Knochen schmerzen ihm noch von der letzten Abreibung, einige Tage zuvor. Scheinbar wahllos prügeln die stoischen Wachen bisweilen auf die Gefangenen ein. Nein danke, denkt sich Jeram und geht übereifrig wieder in seine Reihe zurück. Dabei übersieht er vor lauter Angst und Hektik einen anderen Gefangenen, der dort gerade einen Eimer Gestein auskippt. Jeram blickt sich reflexartig zu dem Mann um und erstarrt. Der muskulöse Albtraum. 2 Meter hoch, mindestens 100 Kilo schwer und übersäht mit Drohungen, die in dunkler Tinte seinen gesamten Körper zieren. Grausame Augen mustern ihn. Ein stechender Blick der wie eine tonnenschwere Last auf ihm zu liegen scheint. Dann spricht dieser Koloss nur drei leise, aber sehr sorgsam betonte Worte. Jeram kennt die Worte bereits bevor sie ausgesprochen werden. „Du bist tot.“ Starr vor Angst und mit kaltem Schweiß auf der Stirn arbeitet Jeram weiter. Hier wird es nicht passieren. Es wird passieren wenn sie wieder in ihren Zellen sind. Vielleicht nicht mehr heute. Und vielleicht auch nicht morgen. Aber mit Sicherheit wird es passieren. Beim Thron. „Warum nur, warum!“ Schreit Jeram innerlich in sich herein. Er könnte in Tränen ausbrechen, doch seine roten, vom Geröllstaub gereizten Augen können nicht mehr Weinen.
Unfähig einzuschlafen, obwohl er mehr als erschöpft ist von der Schufterei, liegt Jeram auf seiner Pritsche. Er starrt auf die Wand über ihm. Der grimmige Schimmel scheint ihn jetzt fast anzugrinsen. Jeram würde am liebsten auf diese dummen Wände einschlagen, aber seine Muskeln brennen bereits so, das alleine die Vorstellung einer Bewegung Schmerzen zu verursachen scheint. In seiner ganzen Verzweiflung beschließt Jeram die trockenen und verklebten Augen zu schließen. Um sich weit weg zu denken. Sich auf etwas Schönes zu konzentrieren. Etwas, das dann in jedem Fall, vor diesem ganzen Wahnsinn liegt. Seine Gedanken gleiten ab.
Monate zuvor. Er ist in ein feines Festtagsgewand gekleidet. Und er duftet gut, nach einer edlen Parfümmischung, die für den normalen Pöbel unerschwinglich ist. Das Gewürzwerk der Woche ist vollbracht und jetzt hat er sich eine wohlverdiente Erholung verdient. Genau so muss es sein. Genauso sollte es immer sein. Ein dezentes Klopfen an seiner Tür versetzt ihn in zusätzliche Vorfreude. Fast schon schwebend gleitet er zur Tür. Dahinter wartet eine Schönheit auf ihn. Ein junges und gepflegtes Mädchen. Gut, er hatte eigentlich Blond bestellt, das hier war mehr Hellbraun, aber irgendwas ist ja immer. Er bittet mit übertriebener Höflichkeit die kleine, zerbrechliche Gestalt hinein. „Komm, ich habe eine Flasche besten Amasec aufgemacht, extra für dich.“ Das Mädchen lächelt ihn an, ihre Augen glänzen in freudiger Erwartung. Andere Kunden sind mit Sicherheit nicht so angenehm, da ist sich Jeram sicher. Beim Eintreten zuckt das Mädchen kurz zusammen, als in der Ferne Schüsse zu hören sind. Kalte, nach Abgasen stinkende Luft zieht mittlerweile von der Straße herein. „Ach, das sind nur diese nervigen Gangs in den Untervierteln. Da werden sich mit Sicherheit die Arbitratoren drum kümmern. Solch dunkle Dinge sollen nicht unsere Sorge sein.“ Beruhigt er das Mädchen. Und dem Mädchen scheinen seine Worte zu gefallen. Das kann er sehen. Und auch fühlen. Perfekt.
Ausgelassen sitzen beide seit einer knappen Stunde zusammen. Das junge Mädchen, mit einer Haut wie Porzellan, jetzt bereits entblättert und deutlich angeheitert. Beim Thron, die Kleine ist vielleicht gerade einmal 16 Jahre alt, geifert Jeram in sich hinein. Währenddessen schwadroniert er wie es ihm beliebt über den erlesenen Amasec herum. Aus den heiligen Kellern seines Vaters. Als Geschenk zu seiner bestanden Gewürzmischer Prüfung. Und danach ging es dann erst so richtig los. Ein Unbeteiligter Zuschauer würde bei dieser Vorstellung nur irritiert blinzeln können. Doch Jeram ist sowas egal. Der Amasec hat auch ihn hemmungsloser und immer ungenierter werden lassen. Es sind diese Momente, auf die er sich bereits die ganze Woche zuvor zu freuen weiß. Der Funke der ihn antreibt. Etwas das seiner Existenz Sinn gibt. Eine Bedeutung, nach etwas größerem, anstatt nur ein weiteres kleines Rädchen im endlos großen Getriebe des Imperiums zu sein. Seine Augen funkeln jetzt. Gierig leckt er sich fast schon sabbernd über seine Lippen. Seine Hände zittern leicht, aufgrund der Vorfreude. Jeder Atemzug scheint kürzer als der vorherige. Fast schon ekstatisch. Die Schönheit knöpft ihm jetzt ganz zärtlich das Gewand auf. Ihr Atem schmeckt nach einer Mischung aus Blumen und Hoffnung. Hoffnung nach einem besseren Leben. Das mit der Hoffnung mag auch nur Einbildung sein, aber das ist Jeram in solchen Momenten nicht wichtig. Denn wo Hoffnung ist, da …
Unsanft wird er aus seiner kleinen Zuflucht gerissen. Die Art von Unsanft, die ihn von seiner Pritsche fallen und schmerzhaft auf dem schwarzen Boden aufkommen lässt. Die Mauern beben. Staub rieselt von der Decke und in seine zwinkernden Augen. Was ist geschehen. Dann geht alles ganz schnell. Alarmsirenen heulen auf, bis diese vom donnernden Knallen des Abwehrfeuers der Gefängnisfestung übertönt werden. Verzerrte Voxdurchsagen scheppern mit mechanischer Verzerrung über die Korridore. Er versteht kein einziges Wort. Aber er hört andere Gefangene schreien und heulen. Ja lachen manche sogar in ihrem Wahn? Was für ein Wahnsinn. Jeram robbt erst über den schwarzen, feuchten Boden, bis er beschließt vorsichtig aufzustehen. Die Türen seiner Zelle sind offen? Er blickt ungläubig auf den Gang heraus. Andere Gefangene stürmen an seiner Zelle vorbei. In der Ferne meint er auch Laserschüsse von den Gewehren der Wachen zu hören. Doch diese reißen nur alsbald abrupt ab. Und dann ertönen unmenschliche Schmerzensschreie, wohl von den überrannten Wachen, die jetzt den ganzen entladenen Zorn, der von ihnen stetig malträtierten Gefangenen, zu spüren bekommen. Ein Schauer jagt ihm über den Rücken. Wenn dies die Zeit ist alte Rechnungen zu begleichen, dann…
Er kann den Gedanken nicht mehr zu Ende denken. Mit einem Schwinger aus dem Nichts kommend wird er wieder in seine Zelle befördert, wo er unsanft auf seinem Hosenboden landet. Doch er spürt keinen Schmerz. Nur Schrecken, als der muskulöse 2 Meter Koloss langsam den Raum verdunkelt, als er den Eingang seiner Zelle auszufüllen beginnt. Jeram möchte um Entschuldigung bitten und um sein Leben flehen. Doch aus seiner Kehle kommt kein Ton, als dieses tätowierte Monster ihn am Hals packt, wie ein Schraubstock der zugezogen wird. Jeram hängt jetzt in der Luft, panisch zappelnd. Nach der Gestalt zu schlagen traut er sich nicht. Nur nicht noch mehr verärgern. Nicht noch wütender machen. Beim Thron, solche Angst, das er meint seinen Verstand zu verlieren. Nicht fair, nicht…
Dann löst sich der Albtraum aus Muskeln und Tattoos in einem blutigen Nebel auf. Funken stoben dabei in alle Richtungen. Als Jeram wieder mehr als nur Schatten sehen kann, tritt an die Stelle des Knastschlägers ein diesmal wirklich wahrgewordener Albtraum. Eine überlebensgroße Gestalt, bestimmt mindestens 3 Meter aufragend. So breit, das Teile der Wand herausgebrochen sind bei ihrem eintreten. Schwarze Panzerplatten mit goldenen Verzierungen und darüber über alle Maßen behangen mit den eindeutigsten Drohungen, die Jeram jemals gesehen hat. Schädel und abgezogene Gesichter. Über und Über ist diese dunkle Gottheit damit bedeckt. Und seinen gepanzerten Helm zieren einen halben Meter lange Stoßzähne. Wie die eines urzeitlichen Raubtieres. Donner grollt durch die Zelle und löst noch mehr Staub von der Decke herabregnen. Donnerndes Voxknurren, das Jerams Ohren schmerzen lässt. Mit glühend roten Augenlinsen mustert ihn dieser Halbgott dabei schonungslos. „Bist du derjenige den sie Jeram, den Gewürzmischer nennen?“ Jeram weiß nicht was er sagen soll. Stattdessen entleert sich seine Blase, ohne das er etwas dagegen machen kann. Der Halbgott schnaubt verächtlich. Ob der Tatsache das Jeram ihm die Antwort verweigert oder das er sich in die Hose gemacht hat. Wer weiß das schon. „Antworte mir Sterblicher oder ich werde dich auf der Stelle zu blutigem Matsch zermahlen.“ Drohend hebt der Halbgott dabei seinen knisternden Energiestreitkolben. Eine Waffe, so gewaltig, das ein Sterblicher sie niemals würde führen können. Die Servos der Rüstung rattern dabei mechanisch vor sich hin. Jeram konzentriert sich auf dieses fast schon beruhigende Surren der Servos und nimmt seinen kläglichen Rest an Mut zusammen. „Ich … bin … Jeram…ja.“ Der Halbgott gibt ihm keine Antwort, sondern lässt nur sein internes Vox knacken. Dann wird Jeram binnen Augenblicken ganz kalt und die Luft um ihn herum fängt an sich elektrisch aufzuladen. Darauf folgt ein Knall, wo er meint dass sein Trommelfell gerissen sein muss. Gleißende Helligkeit, dann kehrt langsam wieder gedimmte Dunkelheit ein. Jeram richtet sich zögerlich auf. Er scheint nicht mehr innerhalb der Mauern des Gefängnisses zu sein. „Komm mit mir, Sterblicher.“ Bellt der Halbgott ihm über sein Vox zu. Wie in Trance folgt Jeram dem fast doppelt so großen Koloss, welcher vor ihm mit jedem Schritt donnernd über die Gitterroste des Metallkorridors schreitet. Eine Tür gleitet vor ihnen auf. Das hier muss eine Art Schiff sein. Also ist er im Weltall? Er kann dies alles noch gar nicht so recht glauben. Was passiert gerade mit ihm. Wohin bringt ihn sein neuer Begleiter. Eintausend Fragen scheinen gleichzeitig durch seinen Kopf zu schießen. Und doch bleibt er seltsam fasziniert. Er ist nicht tot. Und bisher ist das hier eine eindeutige Verbesserung gegenüber dem Leben auf dem hoffnungslosen Gefängnisplaneten. Also ja, mal abwarten was das Schicksal noch so für ihn bereitzuhalten weiß.
Am Ende seines Weges auf dem Schiff „Geist der Rachsucht“ kniet Jeram vor einem Halbgott, der die anderen Halbgötter in dem Raum noch einmal deutlich überragt. Eine Gestalt, die so überlebensgroß erscheint, wie die Primarchen aus den Geschichten des Imperiums. Ein durch und durch perfekter Krieger, wie Anführer. Die mechanische Klaue des Horos an seinem rechten Arm schnappt immer wieder leicht auf und zu, während der Vernichter ganz ruhig zu Jeram spricht. „Sterblicher, es kommt nur selten vor das welche von deiner Art in diesen Hallen Eintritt gewährt wird. Eine wahrhaft große Ehre, meinst du nicht auch sterblicher Wurm?“ Jeram nickt nur demütig. Das Sprechen war ihm von dem Terminator verboten worden, der ihn hier hergeführt hatte. Er dürfte einzig knien und nicken wenn er angesprochen wurde. Alles andere wäre eine Respektlosigkeit, die nur durch seinen Tod gesühnt werden könnte. Jeram hatte absolutes Verständnis dafür. Nie im Leben würde er auch nur auf die Idee kommen mit Halbgöttern über deren Regeln zu streiten. Beim Thron…oh, und wenn auch nur gedacht, aber sollte er jemals irgendwo auf dem Schiff diese Worte sprechen, hatte der Terminator ihm versprochen, dann würde er ihm persönlich die Haut abzuziehen. Kein Problem.
„Aber dennoch wirst du mir nützlich sein kleiner Sterblicher. Denn meine Warpweber haben in ihren Visionen gesehen dass du die Gabe der Hellsicht besitzt. Deshalb wirst du in Zukunft alle deine Träume mit ihnen teilen. Erweist du dich dabei als nützlich, dann darfst du leben. Und das besser als in dem toten Loch wo du her gekrochen kommst. Solltest du aber meine Zeit verschwenden, dann Sterblicher…“ Der Vernichter muss nicht weitersprechen. Die Botschaft ist unmissverständlich. Jeram nickt wieder übergehorsam. „Falkus, mein treuer Bruder, bringe diesen hier zu seinem Quartier. Ich denke er hat begriffen, soweit ihm das sein limitierter, sterblicher Verstand gestattet.“ Der Vernichter grinst dabei überlegen, aber auch nicht uncharismatisch, trotz seines vom Krieg mit Narben verzerrten Gesichtes.
An seinem neuen Quartier angekommen kann Jeram seine Freude kaum fassen. Nicht nur das er jetzt auf einmal wirklich wichtig zu sein scheint. Nein, in seinem sicherlich spartanischen Quartier sitzt ein zwar schmutziges, aber junges Mädchen auf seiner Pritsche. Und eine Flasche Amasec ist das da auf dem alten Holztisch? Kann das wahr sein. Knurrend voxt Falkus hinter ihm, während er sich abwendet. „Erweise dich als nützlich für den Kriegsherrn, dann ist das da auf der Pritsche dein gerechter Lohn.“ Der Terminator stampft mit scheren Schritten davon. Jerams Herz macht indessen vor Freude einen Sprung. Es gibt doch noch Gerechtigkeit. Ein kleiner Sabberfaden läuft ihm dabei über seinen staubigen Mundwinkel, während er das verunsicherte Mädchen auf seiner Pritsche begutachtet.
Schmerzen, doch nur ein Traum? Er will aufstehen, doch gefühlt eine Tonne lastet auf seiner Brust. Der Knastschläger über ihm. So viel kann er in der Dunkelheit seiner Zelle gerade noch erkennen. Und sein Bauch ist so nass. Oh nein, ist das Blut. Sein Blut. Grinsend dreht der Schläger seine Klinge in ihm steckend herum. Jeram schreit vor lauter undenkbarer Schmerzen. Ein Knacken, dann ist seine Wirbelsäule durchtrennt. So tief steckt die Klinge als schon in ihm drin. Dann wird ihm ganz kalt. Die Eindrücke um ihm herum gleiten schemenhaft davon. Eben war noch alles so perfekt und jetzt das. So schnell. Alles geht so schnell. Das ist nicht fair. Er hat doch alles gesehen. Alles gesehen…
Was für ein Traum war das denn? Jeram schreckt hoch. Noch der Angstschweiß der Nacht auf seiner Brust. Er wirft die Decke von sich und schreitet leicht schlaftrunken durch dein Apartment. Wasser, er braucht jetzt Wasser. Fühlt sich ganz vertrocknet. In letzter Zeit waren diese Art von Träumen mehr geworden. Eindringlicher. So als wollten sie ihm etwas mittweilen. Doch nur was? Wenn er meint sich daran erinnern zu können, verschwimmt nur alles. Dann springt er auf einmal auf. Das hat wehgetan, die Scherben der Amasec Falsche in seinem rechten Fuß. Ach, dieses Ding war ihm gestern runtergefallen, als er mit dem Mädchen zusammen war. Hätte er die Scherben doch gleich weggeräumt. So ein Mist. Er zieht ungeschickt einen Glassplitter aus seinem blutenden Fuß. Wenigstens macht das Blut nichts auf dem Boden. Der ist eh bereits voll von dem Blut des Mädchens. Und deren Körperteile, überall verstreut. Ja, er hatte da eine echte Party gefeiert. Ein sadistisches Grinsen huscht über sein Gesicht, als er sich an die Stelle zurückerinnert, wo er dem bereits stark geschundenen Mädchen bei lebendigem Leibe die Augen aus dem Schädel gebrannte hatte. Das war gar nicht so einfach gewesen, wie er es sich vorher in seinen Gedanken ausgemalt hatte. Die Kleine warf zuckend ihren Kopf hin und her, erst Schläge musste sie gefügiger und empfänglicher, für seine Behandlung machen. Seine Finger hatte er sich durch das Aufhalten ihrer Augenlieder allerdings dennoch leicht angesengt. Aber nun gut, wo gehobelt wird, da fallen auch Späne. Er dreht sich leicht. Verdammt, seine rechte Schulter scheint gezerrt. Aber er musste ja unbedingt wie ein Wahnsinniger die Gesichtshaut der Kleinen abreißen. Eine schweißtreibende Arbeit. Also das macht er besser nicht nochmal. Um fair zu bleiben, er sieht dieses ganze eh als Prozess. Da ist noch viel rauszuholen. Genauso wie die Sache, als er bei dem Versuch den gehäuteten Schädel der Kleinen zu zertreten abgerutscht ist und hingefallen war. Aber mit dem nun in Knochen und Gehirnresten liegenden, verschmierten Hammer, ging es dann doch noch ganz gut. Er wollte, nein, er musste einfach diese Nuss knacken. Wie ein hart gekochtes Ei, das man Stück für Stück aufschlägt. Oder nun ja, nicht so ganz. Seine Gedanken schweifen weiter ab, sich dabei an die beispiellosen Wunder von letzter Nacht erinnernd. Nachher könnte er noch versuchen Teile der Leiche zu essen oder wahlweise zu vergewaltigen. Mal gucken wonach ihm dann der Sinn stehen würde. Das einzige Limit, seine eigene Vorstellungskraft. So in grausame Gedanken vertieft, klopft es auf einmal deutlich an der Tür. Jetzt, um diese Uhrzeit. Am besten ignorieren. Doch das Klopfen wird nur lauter und energischer. Es will sich nicht so einfach ignorieren lassen. Sprich es führt wohl kein Weg daran vorbei den ungebetenen Besucher persönlich abzuwimmeln. Kurz vor seiner Tür wird diese allerdings mit einem Ruck aufgestoßen und fliegt ihm scheppernd ins Gesicht. Benommen taumelt er zurück, stolpert über einen gehäuteten Arm der Mädchens der hinter ihm liegt und landet trudelnd auf dem Boden. Durch die geöffnete Tür schreiten ernst dreinblickende Arbitratoren. Beim Thron, das kann doch alles nicht wahr sein. Und fair ist es schon gar nicht. An mehr kann Jeram in diesem Moment nicht denken.